38. Bremer Montagsdemo
am 23. 05. 2005  I◄◄  ►►I

 

Wo ist das Sozialamt?

Ursula Gatzke am 14. 5. 2005 (FC Schalke 04 - Borussia Dortmund 1:2)Zahlreiche Montagsdemo-Leute sind vor gut einer Woche zum 12. Internationalen Pfingstjugendtreffen nach Gelsenkirchen gefahren. Einige fuhren bereits am Freitag und übernachteten zum Teil im kalten Zelt: Sie haben Regen und Matsch getrotzt, um schon morgens zum Helfen da zu sein!

Elf Bremer fuhren am Samstag früh mit der Bahn. Wir lernten, dass im Zug ein strenges „Hausrecht“ gilt: Es wurde uns verboten, ein Blatt mit „Reklame“ für das Pfingstjugendtreffen an die Scheibe zu heften!

Gegen zehn Uhr waren wir in Gelsenkirchen und konnten unsere Freunde begrüßen. Mit Musikwagen, Polizeibegleitung und Lautsprecherwägelchen haben wir die Straße zu Hunderten in Beschlag genommen. An einer Kreuzung geschah dann das „Wunderbare“: Ein zweiter Zug mit Verstärkung traf ein, und schließlich waren wir 5.000 Menschen!

Der Zug schien unendlich lang, mit Gegröl, Musik und bunt, es war für die Montagsdemo die beste Stund! Das Ende konnten wir nie sehn, es war ganz einfach wunderschön! Wir marschierten weiter zum Heinrich-König-Platz, dort gab es mit Reden und Singen so richtig Rabatz!

Schließlich haben wir uns an den Händen gefasst und mit großer Freude dabei geschunkelt. Fünftausendfach ging es durch die Köpfe: „Ich bin dabei gewesen!“ – Bloß in den Zeitungen wird man davon wieder kaum etwas lesen.

Nach der Kundgebung fuhren wir zum Nienhauser Park, wo mit zahlreichen Essen- und Getränkeständen, musikalischen Darbietungen und Mitmach-Gelegenheiten für jedermann etwas geboten wurde. Der Bremer Stand hatte Matjes, Bismarck und einen Klaren dabei; ich saß mit Fischbrötchen und einem Pott Kaffee zufrieden auf der Bank.

Punkt 18 Uhr: Wir wussten, dass wir zur Bahn hinmussten. Wir kamen bei der Heimfahrt auf dem Bahnsteig in dichtes Gedränge: Borussia Dortmund und Schalke 04 schubsten uns in die Enge! Im Zug die Frage, ganz beklommen: Sind wir denn alle mitgekommen? Ein paar Personen stiegen aus, Erleichterung: Wir kamen alle gut nach Haus!

Die Stimmung wurde noch mal heiter, ich machte Demo im Zug weiter! Die Fans fanden das alle toll und kriegten ihren Hals nicht voll! Die Sprüche waren aufgebraucht, da fingen wir an zu singen: „Kanzler Schröder, Kanzler Schröder, wir sind hier, wir sind hier! Wo ist das Sozialamt, wo ist das Sozialamt? Führ uns hin, führ uns hin!“

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Sauberkeit statt Armut

Hermann SiemeringUrsache und Wirkung werden oft durcheinandergebracht, besonders gern bei Politikern. Armut und Obdachlosigkeit: Von deren Ursachen wollen die nichts wissen!

Da tun sich immer wieder Christdemokraten hervor: Der eine, Bürgermeister Gloystein, gießt Obdachlosen Sekt von oben herab über den Kopf; der andere, Innensenator Röwekamp, lässt Verdächtigten sogar Brechmittel in den Hals gießen, um an vermutetes Beweismaterial zu gelangen.

Die CDU will nun Marktplatz, Rathausplatz und andere Flächen in der Innenstadt „säubern“, wie am 19. Mai groß im „Weser-Kurier“ zu lesen war. Auch die „Bremer Nachrichten“ gaben sich dann dazu her, Leute zu finden, die in die gleiche Kerbe hauen. Ich meine: Immer erst Ursachen finden und beseitigen ist entscheidend!

Wenn ich an die Geschehnisse aus Bremens CDU denke – den Wanzenstreit oder die Politikerwechsel am laufenden Band, wobei immer mal wieder Neue mit guter Altersversorgung ausgestattet werden, dazu die Alten, wie bei allen Parteien – dann scheint mir Sauberkeit in den Amtsstuben und in der Köpfen der Politiker notwendiger denn je zu sein!

Aus „Unsere Zeit“ zitiere ich Axel Gundrum: „Es schallt ein Ruf wie Donnerhall: Das ist doch nicht gerecht! Auch die Regierung ist empört, im Fernsehn hat man’s auch gehört: Den Reichen geht es schlecht! Doch mangelt’s hier am Gelde nicht, das ist doch nicht die Frage: Schuld sind die Armen, die Sie sehen mit Schildern an der Ecke stehen! Der Reiche ruft: Ich weiß es nicht, wie lang ich das ertrage! Drum wird die Armut abgeschafft: Haut ab, ihr faulen Hunde, und geht, weil’s unabwendbar ist, doch vor der Stadt zugrunde! Das ist nicht Bosheit, die da ruft, und hat es auch den Schein, denn eins ist klar, wie jeder weiß, die Stadt muss sauber sein! Im Steinbruch draußen vor der Stadt wird Armut deponiert und so, wie’s heute sich gehört, nach Tauglichkeit sortiert.“

Hermann Siemering (Verdi) moderiert auch an diesem Donnerstag um 18:30 Uhr den „Hydepark“ im Fernsehprogramm des „Bremer Bürgerrundfunks“

 

Rücktritt ist so einfach!

Hans-Dieter BinderBundeskanzler Schröder muss sich prüfend umsehen, dabei ist ein Rücktritt so einfach! Selbst ein Fest ist nicht hinderlich. Ärgerlich bleibt, dass das Weinfest die Bremer Steuerzahler über 100.000 Euro gekostet hat. Auch in Hildesheim gab es ein Weinfest, leider hat Petrus nicht mitgespielt. Die Winzer klagen, dass ihnen die Kosten zu hoch sind: kaum Umsatz, und dann noch die hohen Gebühren an die Stadt zahlen. Aber Bremen hat sich köstlich amüsiert! Oder nur die circa hundert geladenen Gäste in der oberen Rathaushalle?

Die Zeit läuft, und die Feste fallen: Stabübergabe bei der Bremer Parkhaus GmbH. Auch mit dieser Gesellschaft wurde die Kontrolle des Parlaments umgangen. 300 geladene Gäste! Übertrieben? Oder Ausdruck der Freude, dass die Unstimmigkeit mit den Krediten unter dem Tisch gekehrt wurde? Die Entscheidung des Kanzlers rückt die Bundestagswahl näher, und wir sollten verstärkt in Bremen für Klarheit sorgen!

Letzte Woche gab es eine SPD-Veranstaltung im Speicher XI zum Thema „Schule und Kindergarten“ mit Senatorin Karin Röpke, Senator Willi Lemke und SPD-Parteichef Carsten Sieling. Nach langen Ausführungen der Funktionsträger wurden Fragen zugelassen, auch Moderatorin Elke Heyduck hatte welche. Total gefehlt hat eine Einlassung zu der neuen Gesellschaft, die Einsparmöglichkeiten im Bildungswesen aufspüren soll. Auch die relativ neue Abteilungsleiterin für die Kitas mit der gleichen Zielrichtung, also Einsparungen für die Kitas, fand mit keinem Wort Erwähnung, obwohl viel mit den finanziellen Möglichkeiten argumentiert wurde, zur Abwehr von Forderungen. Haben diese Senatoren versagt und ihre Ämter nicht im Griff?

Bleiben wir bei den Bremer Ungereimtheiten. Diese Geschichte liegt schon etwas zurück: Bremen besaß Rechte, die es verkauft hat. Von dem vereinnahmten Geld wurden 500.000 Euro schnell an eine Stiftung überwiesen, ohne Parlamentsbeschluss. Die Zahlungsanweisung wurde von Staatsrat Prof. Dr. Reinhard Hoffmann verantwortet, das Verfahren in der Parlamentssitzung von Herrn Christian Weber beanstandet. Dieser Betrag werde von dem Energieunternehmen zweckgebunden gezahlt, so der Vermerk vom Staatsrat als Begründung der schnellen Zahlung. Aber wer hatte ein Interesse an dieser Zweckgebundenheit? Auf der Nehmerseite der Regierende Bürgermeister Henning Scherf, der in dieser Stiftung tätig ist? Und auf der Geberseite? Warum wird überhaupt eine einschränkende Bedingung als Verkäufer akzeptiert? Und dann erfolgt die Zahlung nicht aufs Haushaltskonto, sondern auf das Konto einer GmbH, natürlich einer der vielen in Senatsbesitz!

An der nächsten Sitzung hat Herr Christian Weber nicht teilgenommen, er war verhindert. Zwischenzeitlich hatte er Grund zum Jubeln: Seit zehn Jahren hat er darauf gewartet und hingearbeitet, nun wird sein Skulpturengarten hinter dem Haus der Bürgerschaft Wirklichkeit. Kosten ohne Kunstwerke: 500.000 Euro! Die Arbeiten sind zügig vorangegangen und fast abgeschlossen, während die letzten Teilbeträge erst jetzt den (geänderten) Empfängern in Bremerhaven zur Verfügung stehen. Vorher wurden Änderungsanordnungen des Parlaments befolgt. Hierzu möchte ich gerne die vollständigen Fakten der Beteiligten, damit kein falscher Eindruck entstehen kann!

In meiner Heimatstadt Hildesheim hat der Oberbürgermeister beim Verkauf der Stadtwerke einen Teil- oder Extrabetrag auf ein Sonderkonto erbeten und sich somit eine freie Verwendung ermöglicht, angeblich zweckgebunden und nicht für seine eigene Tasche. Natürlich wurde Amtsinhaber Kurt Machens zurückgetreten, und er musste sich vor Gericht verantworten. Gegen den Freispruch hat die Staatsanwaltschaft Widerspruch eingelegt. Fortsetzung folgt! Die Anzeige des Bundes der Steuerzahler wird in Bremen hoffentlich zu einer Klarstellung führen, aber die Zeit eilt. Der Rücktritt liegt so nah!

Hans-Dieter Binder

 

Wir wollen nicht mehr die „Zins­sklaven“ des Geldkapitals sein!

Diese Thematik finden Sie leider nie in Tageszeitungen oder Journalen: Wir alle sind Sklaven eines Prinzips, das der Kapitalismus mit sich bringt! Herr Müntefering hat hier eine Diskussion in Gang gebracht, doch leider nur die Moral der großen Unternehmen als „Heuschrecken-Mentalität“ kritisiert. Das prangert Auswüchse menschlicher Handlungsweisen an, nicht aber das zugrunde liegende Geldsystem!

Für ausgeliehene Beträge wird Zins erhoben. Man muss, wenn man borgt, mehr zurückzahlen, als man geliehen hat, und wer so viel hat, dass er sein Geld verleihen kann, erhält mehr zurück, als er verliehen hat! Damit sind wir alle einverstanden, sogar die Kirchen, dachten doch alle, davon zu profitieren!

Roland-RegionalwährungIn jedem Produkt sind 25 bis 40 Prozent Zinsen enthalten. Für jede Fertigungsstufe werden Maschinen, Gebäude, Materialien benötigt, zu deren Anschaffung Kredite aufgenommen werden. Diese kosten Zinsen, die der Unternehmer dem Verkaufspreis aufrechnet. Durch alle Fertigungsstufen summieren sich die Zinsen bis zu 40, bei Mieten sogar 75 Prozent. Wer viel Geld „anlegen“ kann, hat die Möglichkeit, durch den Zinseszins sein Kapital innerhalb von 15 Jahren zu verdoppeln, ohne „einen Finger krumm zu machen“!

Wir zahlen für alle Dinge, die wir erwerben müssen, um unser Leben zu fristen, solche aufgerechneten Zinsen. Die Preise steigen, und die Schulden verdoppeln sich in diesen 15 Jahren ebenso. Das bemerken inzwischen besonders die Menschen, die aus dem Arbeitsprozess „herausgerechnet“ werden. Die Schulden von Staat und Kommunen erhöhen sich in gleichem Tempo. Kürzungen und Sparmaßnahmen werden uns als notwendige Maßnahmen verkauft!

Doch alle Schuldenbedienung ist Reichenbedienung! Eigentlich ist Bremen eine wohlhabende Stadt, hier wohnen die meisten Millionäre, wie man sagt. In der Landesverfassung steht: „Eigentum verpflichtet gegenüber der Gemeinschaft, sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen“. Verzichteten diese reichen Menschen zwei Jahre lang auf ihre Einkünfte aus Zinszahlungen, wären die gesamten Schulden unserer Stadt getilgt!

Warum werden die Arbeitenden zu immer größeren Entbehrungen und Anstrengungen aufgefordert, um dieses erste Gebot zu erfüllen, das Zahlen von Zins- und Zinseszins, anstatt auch Tribut von jenen zu fordern, die Reichtum einheimsen, ohne ihrer sozialen Verpflichtung nachzukommen? Wir fordern ein Moratorium von zwei Jahren: ein Anhalten der Schuldenuhr, keine Zinszahlungen, um dann schuldenfrei wieder eine attraktive Kultur-, Wirtschafts- und Lebensstadt zu werden und die Zukunftsaufgaben auf menschliche Weise miteinander meistern zu können!

Da diese Forderung bei denen, die Geld und Macht haben, auf taube Ohren trifft, können wir nur klein beginnen: Wir machen unsere eigene regionale Währung! So nehmen wir das Geld in die eigenen Hände und lassen es in unserer Region kreisen, damit alle Teilnehmer davon profitieren. Es wandert weder in andere Länder noch in die Spekulation, denn diese Gelder, die hier verdient werden, können nur hier wieder ausgegeben werden! Das erscheint uns als einzige Möglichkeit, uns aus diesem Teufelskreis herauszubewegen!

In der Fernsehsendung „Buten & Binnen“ hat Folker Hellmeyer, Sprecher der Bremer Landesbank, auf die Frage nach der „Roland“-Währung geantwortet: „Hier sind Idealisten am Werk, die sich mit der Fragilität unseres Finanzsystems auseinandergesetzt und Schwachstellen erkannt haben und als Antwort ein regionales System etablieren wollen. Wer die Region unterstützen will, ist sicherlich damit sehr gut bedient. Für mich wäre es durchaus möglich, dass ich mich daran beteilige!“

Hellmeyer zeigte auch auf, dass es ähnliche Experimente schon 1929/30 gegeben hat, die außerordentlich erfolgreich waren. In Wörgl in Tirol wurden Arbeitsbeschaffungsscheine als Lokalwährung von der Gemeinde ausgegeben und liefen so schnell von Hand zu Hand, dass man von einem „Wunder von Wörgl“ sprach: Plötzlich war dort Arbeit wieder bezahlbar, die Arbeitslosigkeit ging zurück, die Inflation wurde aufgehalten und die Gemeinde schaffte es, in diesem Jahr eine Straße samt Laternen zu erneuern, eine Brücke und eine Skischanze zu bauen und die Küche der Wohlfahrtseinrichtung zu renovieren. Mit einer Art „Nachhaltigkeitsgebühr“ konnte sie an die Armen Essen austeilen. Viele Gemeindevertreter machten sich damals auf den Weg, diesem Beispiel zu folgen, bis die Zentralbank Einhalt gebot.

Heute sind die Gesetze anders, wir haben Vertragsfreiheit. Inzwischen gibt es 80 Regionalgeld-Initiativen in Deutschland, die so das Geld in die eigenen Hände nehmen. Eine dieser Initiativen geht von der Sparkasse Delitsch aus. Unsere Politiker können keinen Ausweg aus dem Dilemma des Raubtier-Kapitalismus finden. Hans Eichel, dem das Prinzip von Herrn Janski, Begründer des „Urstromtalers“ in Sachsen-Anhalt, vorgestellt wurde, sagte: „Machen Sie es!“

Um sich dem Währungsring anzuschließen, unterschreibt man eine „Vereinbarung“ mit dem Verein „Roland-Reginal“ und entrichtet die einmalige Beitrittsgebühr von zehn Euro. Man erhält dann den Mitgliedsausweis und die Listen der Angebote sowie aller Teilnehmenden. Es gibt schon viele Geschäfte in und um Bremen, die mitmachen: ökologische Landwirte, Marktstände, Reformhäuser, den Ökotop-Laden im Beginenhof und Naturkostgeschäfte bis hin zum Großmarkt, dem „Naturkost-Kontor“. Auch Geschäfte und Dienstleister, die zum Bauen gehören, sind bereits dabei, eine Tankstelle in Ottersberg, Naturheilkundler, Masseurinnen, eine Apotheke, Künstler, eine Galerie in Worpswede, Computerfachleute und viele interessante Menschen, die Sie alle kennenlernen können, wenn Sie zu unseren Foren am ersten Dienstag im Monat um 20 Uhr in den Gemeindesaal der Michaelskirche am Rembertikreisel kommen!

Jeder ist Konsument, ob er etwas anbietet oder nicht. Jeder könnte seine Lebensmittel inzwischen mit dieser Regionalwährung „Roland“ bezahlen, denn es sind nicht nur ökologische Geschäfte in und um Bremen, in denen man damit bezahlen kann, sondern auch ein gewöhnlicher Spar-Markt in der Gastfeldstraße (Neustadt). So kann es sich eigentlich auch jeder leisten!

Ein gekauftes Gut regt wiederum die Erzeugung dieses Gutes an. Kaufen wir ökologisch, regt es ökologisches Produzieren an. Derartige Güter verursachen keine so hohen Umwelt- und Sozialkosten, die in Fertigung, Vertrieb und Verkauf von Billigprodukten bis heute nicht einberechnet werden. Wir wollen den hilflosen Politikern nicht hinterherlaufen, sondern die Dinge in die eigenen Hände nehmen und gemeinsam unsere Zukunft gestalten!

Dietlind Rinke (Verein für nachhaltiges Wirtschaften) – siehe auch 42. Montagsdemo und die nachstehende Antwort von Gerolf D. Brettschneider

 

Lebensmittel gegen
Gutscheine gegen Arbeit

Gehört die Tauschringidee in eine politische Diskussion?

 

(4. Juli 2005) Zu Füßen des Bremer Roland hat Dietlind Rinke unter dem Titel „Wir wollen nicht mehr die Zinssklaven des Geldkapitals sein!“ auf der Montagsdemo die vom „Verein für nachhaltiges Wirtschaften“ ausgegebenen „Roland“-Gutscheine vorgestellt. Sie sollen einen regionalen Aufschwung infolge beschleunigten „Geld“-Umlaufs bewirken, indem das Ersatzzahlungsmittel durch Gebühren beständig entwertet wird. Weil beim Sparen kein Zinsgewinn mehr möglich ist, hat jeder Währungsring-Teilnehmer das Bestreben, sein „rostendes Geld“ schnell gegen Waren oder Dienstleistungen einzutauschen.

Dieser Gedanke geht auf Silvio Gesell (1862–1930) zurück, gegen dessen „Zinsknecht­schaftslehre“, einen „alternativ­ökono­mischen Denkansatz der Geld- und Boden­rechts­reform“, von Jutta Ditfurth („Entspannt in die Barbarei“), Joß Fritz („Eine Betrachtung der Freiwirtschaftbewegung aus antifaschistischer Sicht“), Elmar Altvater („Eine andere Welt mit welchem Geld?“) und Peter Bierl („Tausch­ringe“, „Schwundgeld, Menschenzucht und Antisemitismus“) der Faschismusvorwurf erhoben wird. Hierauf antworten Ralf Becker („Von einer Ideologie der Knappheit zu einer Realität des Genug für Alle“) und Werner Onken („Für eine andere Welt mit einem anderen Geld“, „Zum Gegensatz zwischen Geldreform und Antisemitismus“). Onken räumt ein, dass Altvaters Warnung vor einer „Vergötzung des Wettbewerbs“ ernst genommen werden sollte; die Bodenrechts- und Geldreform bedürfe der kontroversen Diskussion auch über ihr Menschen- und Gesellschaftsbild und ihren Naturbegriff.

Dietlind Rinke bezieht sich auf die Bücher „Geld ohne Zins & Inflation“ von Margrit Kennedy und „Das Geldsyndrom“ von Helmut Creutz sowie die Zeitschrift „Humonde“ von Thomas Seltmann und Hans Olbrich und betont in einer Stellungnahme: „Wir wollen ausschließlich eine Regionalwährung einführen, die hoffentlich immer effektiver wird für die Menschen in und um Bremen, die zwar Fähig­keiten besitzen, doch zu wenig Geld fürs Leben haben. Dafür allein wollen wir unsere Kräfte einsetzen! Ob jemand vor uns aus ‚seiner Zeit‘ das beherrschende Gedankengut aufgenommen hat oder nicht, interessiert uns nicht. Es interessieren uns nur die Ideen, die unserer Sache nützlich sind, und die sind frei.“

Demnach aus Achtlosigkeit, weil sie sich nicht für „seinerzeitiges Gedankengut“ und dessen politische Zusammenhänge „interessieren“ möchte, zitiert Frau Rinke über das Wort „Zinssklaven“, das auch aufgrund meiner Unbildung in das Redebuch der Bremer Montagsdemo hineingeraten ist, das Programm der Nationalsozialisten von 1920 herbei. Dieses fordert „Brechung der Zinsknechtschaft“, „Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens“, „Enteignung jüdischer Grundstücksspekulations-Gesellschaften“, allgemeine Arbeitspflicht und die To­desstrafe für „Wucherer“. Von staatlichem Schutz für die Schwachen ist nicht die Rede, dagegen beinhaltet dieses Programm alles, was wir auf keinen Fall wollen, bis hin zur Vorbereitung von Angriffskrieg und Völkermord. Die Montagsdemo grenzt sich entschieden vom Faschismus ab – und von seinen Vertretern.

Im vergangenen Dreivierteljahr war in den Zeitungen die rhetorische Figur der „nicht gehaltenen Montagsrede“ im Schwange, womit die Bürger über die ihnen vorenthaltenen tatsächlichen Montagsreden hinweggetröstet wurden. Zu lesen gab es in diesen Texten, was nach Verlegermeinung den Demonstrierern hätte gesagt werden müssen. Legendär ist die sogar als ganzseitige Anzeige in der „Süddeutschen“ geschaltete, von Günter Grass, Michael Rogowski und anderen Berühmten, Begüterten, Einflussreichen und Mitteilsamen unterzeichnete Kahlschlagslobpreisung mit dem Titel „Auch wir sind das Volk!“. Auch auf der Roland-Regional-Homepage gibt es keinen Link zum Internet-Auftritt der Montagsdemo, vielmehr führt ein so beschrifteter Knopf nur zu einer weiteren Beschreibung des Gutscheinrings, die mit der Aussage endet: „Es wird die Zinswirtschaft abgelöst werden durch eine Fähigkeiten-Wirtschaft zum Nutzen aller Menschen und der Erde. Bis das erreicht sein wird, geht die Montags-Demonstration weiter!“. Ein Stopp des Sozialabbaus durch Hartz IV und Agenda 2010 wird nicht gefordert. Dieses Behaupten einer völlig anderen Zielsetzung unserer Bewegung bewerten Leser als Anmaßung oder rechtsextremen Unterwanderungsversuch.

Schon das bloße Verbreiten eines Vorschlags, wie sich „Befähigte“ aus allgemeinem Elend heraus zu Wohlstand emporschwingen könnten, ist nach meiner Einschätzung durchaus kein Anliegen der Montagsdemo-Bewegung. Dieser Vorschlag gehört auf eine Tagung für Unternehmensgründer oder Kleingewerbetreibende, deren Anteil unter den Demonstranten aber gering sein dürfte. Die Aufnahme eines Hinweises auf ein mögliches Versuchsfeld für eine solche angenommene Teilgruppe könnte noch hinnehmbar sein, aber außerhalb rein kaufmännischer Zusammenhänge, in politischen Debatten, weist dieser Vorschlag, weil auf staatlichen Schutz für die Schwachen verzichtet wird, den Weg in eine Welt, wo das Gesetz des Stärkeren gilt. Genau dorthin wollen wir nicht.

Gewiss ließen sich die Gebühreneinnahmen eines Tauschringes auch für wohltätige Zwecke verwenden, doch die Sicherung der Menschenwürde und des Daseins derjenigen, die keine wirtschaftlich verwertbaren „Fähigkeiten“ besitzen, darf nicht von Barmherzigkeit und Leistungsvermögen der übrigen betroffenen Bewohner einer Krisenregion abhängen. Die Forderung, soziale Gerechtigkeit herzustellen, richten wir nicht an unsere nächsten Mitmenschen, an uns selbst, sondern an die Regierung des ganzen Landes. Wir fordern einen auskömmlichen Mindestbetrag des gleichen Geldes, das auch alle anderen Staatsbürger verwenden, und zwar ohne Bettelei, Erniedrigung und Zwangsarbeit. Was wir nicht wollen, ist ein auf das Angebot vereinzelter Läden beschränkter Warenzugang und eine, wie Peter Bierl sagt, „Armutsselbstverwaltung, die dem Staat hilft, Geld und Ärger zu sparen“.

Gerolf D. Brettschneider (parteilos) betreut den Internet-Auftritt
der Bremer Montagsdemo. – Druckfassung

 

Die Abwahl

Matthias FeilkeGestern haben die Menschen in Nordrhein-West­falen der unsozialen Politik von SPD und Grünen eine klare Abfuhr erteilt. Die elfte Wahlniederlage dieser Parteien in Folge hat die Bundesregierung in eine offene politische Krise gestürzt: Der Kanzler will jetzt vorgezogene Neuwahlen des Bundestages noch für diesen Herbst!

Agenda 2010 und Hartz IV: Der ganze volksfeindliche Kurs der Regierung, der Krieg der Herrschenden gegen die Massen hat dazu geführt, dass diese sich immer weiter vom bürgerlichen Parlamentarismus nebst seiner Parteien und Institutionen lösen. Auch gestern war die Wahlbeteiligung mit 63 Prozent nicht gerade hoch!

Lassen wir uns nichts von den Medien vormachen: Wer noch zur Wahl gegangen ist, hat keine Entscheidung für CDU-Rüttgers und seine Truppe sozialer Scharfmacher getroffen, sondern die SPD/Grünen-Regierung ganz klar abgewählt und damit diesem selbstzufriedenen Klüngel scheinheiliger neoliberaler Kapitalismus-Kritiker die Glocken geläutet!

Was ist für uns zu tun? Wie mischen wir uns in den nun bald einsetzenden Wahlkampf ein? Jetzt gilt es erst recht, die Aktivitäten zu steigern, um die Montagsdemobewegung weiter zu stärken und auszubauen! Sie muss zur großen Front des Volkes werden, mit dem alle Parteien zu rechnen haben!

Die Reaktionäre von CDU/CSU und FDP sollen genauso wie die gescheiterten Sozialdemokraten und Grünen immer und überall spüren: Uns kriegt ihr nicht tot, uns könnt ihr nicht mehr ignorieren und verschweigen! Wir werden jedem auf die Finger hauen, der diese volksfeindliche Politik weiter fortführt oder sogar noch verschärft! Millionen haben eine Rechnung offen! Wir werden sie sammeln, diese Millionen!

Matthias Feilke
 

Wir haben dazu beigetragen

Wolfgang LangeSPD und Grüne mussten gestern eine riesige Niederlage bei den Landtagswahlen in NRW einstecken. Damit haben diese beiden Parteien, die in Berlin für die unsoziale Agenda 2010, für Hartz I bis IV, für all diese Angriffe auf unsere Lebenslage verantwortlich sind, die Quittung bekommen!

Es ist auch eine Quittung für Lügen und Betrug: In letzter Minute wollte Müntefering mit seiner „Kapitalismus-Kritik“ das Ruder noch mal rumreißen und versuchen, wenigstens die Stammwähler wieder zurückzugewinnen. Doch die Menschen haben ihm zu Recht nicht geglaubt! Denn am Handeln der Bundesregierung hat sich nichts geändert: Sie macht weiter Politik gegen das Volk und für eine Handvoll von Monopolen!

Zum elften Mal in Folge haben diese Parteien Landtagswahlen verloren. Jetzt ist ihre letzte Bastion auf Landesebene dahin, nun geht es an die Berliner Bundesregierung! Schröder will Neuwahlen im Herbst, denn den Mut zurückzutreten hat er nicht: Lieber trickst er mit einer fingierten Vertrauensfrage herum. Unser Vertrauen hat er schon lange nicht mehr!

Die Herrschenden können so nicht mehr weiterregieren – und wir wollen nicht mehr so regiert werden! Bei den Arbeitern hat die SPD 14 Prozentpunkte verloren, bei den Arbeitslosen sogar 15. Und ich sage nicht ohne Stolz: Wir haben dazu beigetragen! Wir, die Montagsdemo, hier in Bremen und in ganz Deutschland! Wir haben dazu beigetragen, dass diese Regierung in eine tiefe Krise gestürzt ist!

Am Pfingstsamstag gab es in Gelsenkirchen eine begeisternde bundesweite Demo der Montagsdemonstrierer mit weit über 5.000 Teilnehmern. Das Pfingstjugendtreffen besuchten 24.000 Menschen. Beides fand gegen erbitterten Widerstand der Landesregierung und des Stadtrats von Gelsenkirchen statt! Doch die Jugend aus ganz Deutschland, unterstützt durch Menschen aus der ganzen Welt, ließ sich nicht aufhalten. Wir haben uns das erkämpft, und wir werden noch viel mehr erkämpfen!

Die Union sollte sich bloß nicht zu früh freuen: Die Menschen an Rhein und Ruhr haben nicht CDU gewählt als Alternative – sie haben SPD und Grüne abgewählt! Wir werden uns bestimmt nicht zur Entscheidung drängen lassen: „Schwarz-Gelb“ oder „Rot-Grün“. Nicht einmal als Opposition brauchen wir die, auch wenn sich in der SPD schon viele darauf einstellen: Die echte Opposition, das sind wir!

Wir hier unten, wir Montagsdemonstrierer, wir Arbeiter in den Betrieben, die gegen Arbeitszeitverlängerung und Lohnraub kämpfen, wir Schüler und Studenten, wir Arbeitslose: Wir sind die Opposition! Und wir sind eine Macht. Wir sollten gründlich beraten, welche Schlüsse wir aus der politischen Krise ziehen!

Wolfgang Lange (MLPD)

 

Ermutigung für den weiteren Kampf

Zu unserer 38. Montagsdemo in Bremen brachten alle Freude und den Willen mit, nach der rot-grünen Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen den Kampf gegen Schröder/Fischer und Merkel/Stoiber erst recht fortzusetzen. Mit 80 bis 90 Teilnehmern kamen auch wieder einige Leute dazu, die schon lange nicht mehr dabeigewesen waren.

Alle Beiträge machten deutlich, dass die asoziale Politik der Bundesregierung gescheitert ist. Die Ankündigung von Neuwahlen ist nur Ausdruck von Unfähigkeit der Regierenden, ihre Politik fortzusetzen. Wir lassen uns nicht davon ins Bockshorn jagen, dass man uns Angst machen will vor einer „schwarzen Republik“! Für uns ist die Scheidelinie, ob einer für oder gegen Hartz IV und Agenda 2010 ist!

Dass immer mehr Menschen etwas gegen diesen Finanzkapitalismus machen wollen, zeigte ein interessanter Beitrag zu den Alternativen der Regionalgeld-Initiativen. Andere Wortmeldungen befassten sich mit den reichhaltigen Erfahrungen auf dem 12. Internationalen Pfingstjugendtreffen. Die Demo war nur kurz, bis zum „Schweinedenkmal“ in der Sögestraße; dafür haben wir einen schönen neuen Platz für unsere Auswertungstreffen gefunden: das Bremer Seemannsheim.

Jobst Roselius für dieBundesweite Montagsdemo

 

Nur gemeinsam sind wir stark!

Mit mehreren Demonstrationszügen und einer zentralen Kundgebung soll am Mittwoch, 25. Mai, gegen Stellenstreichungen, Privatisierungen, Studiengebühren und das neue Schulverwaltungsgesetz protestiert werden. Wir möchten ausdrücklich zur Teilnahme an der Kundgebung „Nur gemeinsam sind wir stark!“ um 12 Uhr auf dem Marktplatz motivieren!

Die Politik der großen Koalition bietet den Menschen in Bremen wenig Perspektiven. Die Umverteilung von unten nach oben und die Haushaltskürzungen müssen ein Ende haben. Gemeinsamer Widerstand aller Betroffenen ist nötig!

Die Kundgebung stellt folgende Forderungen in den Mittelpunkt: Keine Stellenstreichungen und Privatisierungen! Für eine kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule! Gegen Arbeitszeitverlängerung und Gehaltsabbau! Für sozialversicherte Beschäftigung statt Ein-Euro-Jobs! Gegen das neue Schulverwaltungsgesetz! Für mehr Mitbestimmung!

Von verschiedenen Sammelpunkten geht der Sternmarsch am 25. Mai zum Marktplatz: 1. 10:15 Uhr, Allgemeine Berufschule, Steffensweg. 2. 10:40 Uhr, Gymnasium Hamburger Straße, Ausgang Am Schwarzen Meer. 3. 9:50 Uhr, Leher Heerstraße/Ecke Vorstraße. 4. 10:40 Uhr, Kippenberg-Gymnasium, Schwachhauser Heerstraße. 5. 11:15 Uhr, Gymnasium Hermann-Böse-Straße. 6. 11 Uhr, IS Leibnizplatz.

Weitere Informationen gibt es bei AStA, GEW, GSV, „Resist“ und „Sozial­plenum“. Zum Mitmachen weisen wir auf folgende Termine hin: 1. Bündnis gegen Sozialkahlschlag und Bildungsabbau, montags, 19:30 Uhr, Naturfreundehaus, Buchtstraße 14–15. 2. „Resist“, Bündnis gegen das neue Schul­(verwaltungs)­gesetz und Studiengebühren, montags, 18 Uhr, Büro der GesamtschülerInnenvertretung, Schmidtstraße 10. 3. Uni-Aktiventreffen gegen Studiengebühren, täglich, 12 Uhr, Glashalle im Uni-Zentralbereich.

Ekkehard Lentz, Sprecher des Bremer Friedensforums, das einen regelmäßigen, kostenlosen Newsletter mit Veranstaltungshinweisen herausgibt.

 

Wir wollen eine andere Politik!

Über 8.000 Schüler, Studenten, Lehrer, Eltern und Kollegen haben mit einem Sternmarsch aus fast allen Stadtteilen, zu dem auch Bremerhavener mit Bussen anreisten, gegen die Spar- und Bildungsabbau-Politik und die geplanten Studiengebühren des Bremer Senats protestiert.

Marktplatz Bremen: Demo am 25. Mai 2005Es war ein breites Bündnis zustande gekommen, das am Mittwoch gegen diese Politik des Senats demonstrierte. Die Schülervertreter hatten die Demorouten selbst organisiert. Mit Livebands aus Schülern und Studenten, die Rock- und Hip-Hop-Musik darboten, kam neben kurzen Reden das Selbstbewusstsein der Jugend gut zum Ausdruck. So war die Stimmung ganz hervorragend!

Reden von der Gesamtschülervertretung, der Elternsprecherin des Kiga- und Kita-Verbandes, eine Solidaritätserklärung der IG Bau-Agrar-Umwelt und ein Beitrag des GEW-Landesvorstandes eröffneten die Kundgebung. Später berichteten Studenten von der Besetzung des Rektorats und der Verwaltung an der Bremer Uni am Morgen. Weitere Redebeiträge stellten den Zusammenhang zur Umwandlung von Planstellen in Ein-Euro-Jobs her und forderten auf, sich überall zusammenzuschließen und um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen.

Am Schluss sprachen zwei Schüler aus einer fünften Klasse, die nicht akzeptieren wollen, dass ihnen die Bibliothekarin der Schulbücherei wieder weggenommen werden soll, weil kein Geld mehr da sei. Es war ganz toll, wie aufmerksam gerade die jüngeren Jugendlichen den Reden und natürlich auch der Musik zuhörten. Sie klatschten und pfiffen und brachten zum Ausdruck, was sie fühlen: Wir wollen ein anderes (Bildungs-)System, wir wollen eine andere Politik!

Rote Fahne News“ (siehe auch „Sozialplenum“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz