26. Bremer Montagsdemo
am 14. 02. 2005  I◄◄  ►►I

 

„Tsunamis“

Ursula GatzkeDer Tsunami war sehr verheerend und hätte doch nicht dieses Ausmaß an Leid und Tod bringen müssen!

Um zwei oder vier Menschen aus dem Weltall zu retten, hätten die Verantwortlichen keine Kosten und Mühen gescheut, sondern schnell gehandelt. Aber was nützt die beste, modernste Technik, wenn man sie wegen eigener Interessen im entscheidenden Augenblick nicht einsetzt! Es gibt zu viel Überflutung auf der Welt und ganz in der Nähe!

Die „Tsunami-Korruptions-Welle“ spült hier und da Gesichter frei, sie löst Verwüstungen in den Köpfen, Büros und Kassen aus! „Oberstes Gebot: Ruhe bewahren und möglichst erst einmal abtauchen! Danach kommt das Vergessen.“

Die „Tsunami-Arbeitslosen-Welle“ wälzt sich über das ganze Land! „Abwarten, bloß keine Panik auslösen! Nach der Verwüstung schauen wir mal, räumen auf und leisten Hilfe.“

Die „Tsunami-Gesundheits-Welle“ rollt gnadenlos über die Ärmsten und den Mittelstand! Grausam schlägt die Welle alles entzwei, was vorher noch intakt und zu gebrauchen war! Sie wird hier grässliche und tödliche Spuren hinterlassen!

Auch die „Tsunami-Renten-Welle“ rollt durch das ganze Land! Die Rentenbeiträge wurden früher aus der Klasse geklaut und bis heute nicht wieder hineingetan, ein Betrug der Regierungen an den heutigen Rentnern! Und eine zweite „Renten-Minus-Runde“ soll her!

Dann gibt es noch eine „Flut“ in Deutschland: Es ist die „Tsunami-Gleich­gültigkeits“- oder „Resignations-Welle“, die sehr schleichend über die Menschen geschwappt ist. Sie ist genauso gefährlich wie die „nasse Welle“! Auch sie bringt viele Tote, Verletzte, Verzweifelte, Hilflose und eine große Verwüstung!

Dagegen gibt es nur ein einziges Rezept und das heißt „Aufstehen“. Aufstehen und nicht Ruhe bewahren, bis alles vorüber ist! Die Politik hat seit vielen Jahren total versagt! Wehren wir uns gegen eine Politik, die uns kaputtmachen will!

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Die Ein-Euro-Job-Maschinerie

Erich SeifertIn der Sendung Panorama vom 27. Januar dieses Jahres wurde eindrucksvoll geschildert, wie die Stadt Koblenz mit dem Einsatz von Ein-Euro-Jobbern reguläre Arbeitsplätze vernichtet.

Aufträge unterhalb eines Wertes von 10.000 Euro werden von der Stadt – gemäß einer Anweisung des Oberbürgermeisters – ohne Ausschreibung direkt an die Caritas-Firma CarMen vergeben.

Die Ein-Euro-Job-Maschinerie der kirchlichen Caritas mit dem Namen CarMen zählt folgende Tätigkeiten zu ihrem Geschäftsfeld: Garten- und Land­schaftsbau, Gebäudereinigung, Essen auf Rädern und Hausmeisterservice. Wie wir sehen, lauter gemeinnützige Tätigkeiten!

Die Begründung des Oberbürgermeisters zu dieser Praxis lautet: „Allgemein ist zu unterstellen, dass sich Aufträge unterhalb einer Grenze von 10.000 Euro nicht auf den Ersten Arbeitsmarkt auswirken.“ Wenn Dummheit weh täte, würde dieser Oberbürgermeister den ganzen Tag schreien!

Zu Wort kamen auch einige Klein- und Mittelständler, die ihr Leid klagten. So musste nun infolge wegbrechender Aufträge der Stadt bereits den ersten Mitarbeitern gekündigt werden: Arbeitslos dank Ein-Euro-Jobs!

Professor Thomas Straubhaar vom Hamburger Weltwirtschaftsarchiv sagte dazu: „Es ist eindeutig so, dass durch die Ein-Euro-Jobs ein Verdrängungswettbewerb entsteht. Heute existierende und auch finanzierbare privatwirtschaftliche Aktivitäten werden verdrängt durch staatlich subventionierte Aktivitäten.“

Auf Deutsch heißt das: Ein-Euro-Jobs vernichten betriebliche Arbeitsplätze. Und damit gilt für Hartz IV, was Lothar Vosseler, der Bruder unseres Kanzlers, in der Berliner Zeitung gesagt hat: „Hartz IV ist das Schlimmste, was mein Bruder jemals verbrochen hat.“

Dem bleibt eigentlich nichts hinzuzufügen.

Erich Seifert (parteilos)

 

„Neue Politiker“ sind in der Montagsdemobewegung entstanden

Wolfgang LangeEin halbes Jahr Montags­demo, 26 Wochen, Eis und Kälte getrotzt: Das ist ein Grund, stolz zu sein!

Wir haben uns nicht unterkriegen lassen, nicht durch äußere Einflüsse, nicht durch Totschweigen und nicht durch Verächtlichmachung. Und wir werden uns auch nicht unterkriegen lassen, bis Hartz IV und die Agenda 2010 weg sind! Wer Großes erreichen will, braucht einen langen Atem. Dazu beglückwünsche ich uns!

Ich finde es empörend, wenn versucht wird, unsere Sache in den Dreck zu ziehen. Am letzten Montag kursierte auf dem Marktplatz eine Zeitung der PDS, in der wir alle hier als „verbale Vulgärrevolutionäre und Beliebigkeitspopulisten“ beschimpft werden. Das von einer Partei, die schon lange den Kampf gegen Harz IV aufgegeben hat, schlimmer noch: ihn sabotiert, wo sie kann, und uns, die ihn weiterführen, mit Hohn und Spott überzieht! Wenn jemand von der PDS hier anwesend sein sollte, fordere ich ihn auf, ans offene Mikrofon zu kommen und dazu Stellung zu nehmen, sich zu entschuldigen!

Am 10. Januar wurde auf der Sitzung des Bündnisses gegen Sozialkahlschlag einvernehmlich, mit 90 Prozent Zustimmung unter 30 Anwesenden, beschlossen, die Fortführung unserer Kundgebungen an die „Initiative Bremer Montagsdemo“ zu übergeben.

Nun ist es jedem freigestellt, bei der Montagsdemo nicht mehr mitzumachen oder nicht mehr zum Bündnistreffen zu gehen, jedoch hat niemand das Recht, andere auszugrenzen, es sei denn, die gemeinsame antifaschistische Grundlage würde verlassen. Wer Abstimmungen auf der Montagsdemo oder das „offene Mikrofon“ ablehnt, weil er den „unerfahrenen“ Massen, dem Volk, nichts Gutes zutraut und meint, nur ein kleiner, erlauchter Kreis wisse, was richtig sei, der ist zutiefst undemokratisch und elitär.

Der Kampf gegen die Hartz-Gesetze ist nicht nur eine Protestform, er hat trotz mancher Gespaltenheit das Potential zur Millionenbewegung. Darin beansprucht die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands weder Sonderrechte noch beherrschende Stellung. Wir wollen, dass neue Formen direkter Demokratie in der Montagsdemo-Bewegung entstehen, die wir von Beginn an unterstützt haben. Überall, auch in Bremen, setzen wir uns dafür ein, dass Bündnisse sich eigene Grundsätze geben, unabhängig von den Richtlinien unserer Partei, um die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Auffassungen und Weltanschauungen zu gewährleisten.

Wir helfen den Leuten, ihre Selbstbefreiung zu organisieren und die gesellschaftlichen Verhältnisse zu durchschauen, um eine breite, klassenkämpferische Opposition aufzubauen, in der die Perspektive einer neuen sozialistischen Gesellschaft ihren festen Platz hat. Die MLPD setzt sich für eine Vernetzung der Montagsdemos ein, denn nur so können sie Schlagkraft gewinnen. Dazu unterstützen wir die Durchführung bundesweiter Konferenzen.

Nach demokratischen Prinzipien, auf antifaschistischer Grundlage, wurde bereits ein zentraler Koordinierungsausschuss gebildet, in dem alle beteiligten Kräfte gleichberechtigt zusammenarbeiten können. Ein bundesweites Delegiertensystem stärkt die politische Eigenständigkeit der Bewegung. Die Wahl der Delegierten auf den Montagsdemos selbst gewährleistet, dass nur solche Teilnehmer auf der Konferenz abstimmen können, die sich in der Praxis das Vertrauen der Basis erworben haben. Wir schlagen vor, dass die Zahl der Delegierten der unterschiedlichen Teilnehmerzahl der Montagsdemos Rechnung trägt.

Was wir ablehnen, ist eine Bevormundung durch die Führer verschiedener Parteien und Gruppen hinweg über die Köpfe der breiten Massen, der Arbeiter, Bauern, Handwerker, Intellektuellen, kleinen Angestellten oder Gewerbetreibenden, egal welcher Staatsangehörigkeit, denn das Volk sind „wir da unten“, die im Gegensatz zu „denen da oben“ alle betroffen sind von einer Politik im Interesse der herrschenden Monopole und ihrer Regierung.

Unter „Volksfront“ versteht man weltweit ein Bündnis von Arbeiterklasse und Zwischenschichten gegen faschistische Regimes. „Völker, hört die Signale“, heißt es in der „Internationalen“, einem der bekanntesten Lieder der Arbeiterbewegung. „Avanti Populo“, „Volk voran“: Die Beispiele lassen sich fortsetzen. Wir bekämpfen Faschisten nicht, indem wir auf den Begriff „Volk“ verzichten! Sonst dürften wir nicht vom „Sozialismus“ reden, auch diesen Begriff hatten die Nazis für sich missbraucht.

Die Regierung versucht, die Montagsdemos, um sie zu diskreditieren, in die Nähe von Faschisten zu rücken. Mit Polizeigewalt wird eine Überlassung der Plätze erzwungen. In Eisenach soll sich die Montagsdemo den Marktplatz umschichtig mit der NPD teilen, in anderen Städten sorgen prügelnde Polizisten dafür, dass Faschisten bei der Montagsdemo mitlaufen dürfen. Gleichzeitig heucheln Politiker Betroffenheit über die antisemitischen Sprüche dieser Partei, deren Kadergerüst zum Teil mit dem Verfassungsschutz in Verbindung steht.

„Wir grenzen uns entschieden von Faschisten ab, sie haben auf der Montagsdemo nichts zu suchen“, heißt es in den hier verabschiedeten Grundsätzen der Bremer Montagsdemo. Kürzlich nahmen Unabhängige zu den faschistischen Umtrieben in Sachsen und Thüringen Stellung. Auch die MLPD kämpft überall mit ganzer Kraft gegen Faschisten und deren Gedankengut. Wir setzen uns dafür ein, dass die Massen diesen Kampf aufnehmen und führen, denn wir sind der Meinung, dass unser Land „neue Politiker“ braucht: Menschen, die beginnen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, die nicht mehr auf bürgerliche Politiker vertrauen. Solche „neuen Politiker“ sind in der Montagsdemo-Bewegung entstanden: Das hat Bedeutung weit über den eigentlichen Anlass hinaus!

Die MLPD und Unabhängige bringen Woche für Woche neue Lieder, Gedichte, Musik oder Beiträge, die an anderen Orten entstanden sind, ein. Auch wer sich an praktischen Dingen wie der Organisation, Moderierung und Durchführung der Montagsdemos nicht beteiligt, weiß doch genau, dass es zutrifft, was die Demonstranten zu Hartz IV gesagt haben. Die MLPD wird sich nicht davon abbringen lassen, Seite an Seite mit vielen anderen Menschen den Kampf gegen die Hartz-Gesetze, die Agenda 2010 und die ganze Bundesregierung zu führen. Dazu reichen wir allen, die ehrlichen Willens sind, die Hand!

Wolfgang Lange (MLPD), siehe auch „Rote Fahne News

 

„Fantastischer Minutenpreis“: Kapital wird ganz kribbelig

SchaffermahlAls am letzten Freitag nach einem ersten Sherry oder Sekt „erlauchte Herren“ aus Wirtschaft und Politik, mit Mi­nister­präsident Milbradt an der Spitze, vom Schütting (Handelskammer) zum Rathaus schritten, um bei „Kückenragout, Stockfisch, Rigaer Butt und Braunkohl und Pinkel satt“ die „Schaffermahlzeit“, das „älteste Brudermahl der Welt“ zu genießen, stellten sich ihnen drei attraktive „An-Schafferinnen“ in den Weg und boten an, sie in hübscher Verkleidung, mit prallen Busen aus bunten Sofakissen mit Troddeln, die den verdeckten Bauchnabel umwippten, für einen Euro die Stunde zu begleiten.

Teils waren die Herren etwas irritiert, teils etwas geizig, aber andere wurden ganz kribbelig und kalkulierten schon den „fantastischen Minutenpreis“. 2,50 Euro Almosen gingen als Spende ein. Zwei andere Mitstreiter der Montagsdemo hielten Protestschilder in die Luft. Das Regionalfernsehen „Buten un Binnen“ filmte uns und brachte die Aktion mit Montagsdemoschild für circa 30 Sekunden im Bericht. Wenn auch klein, hat es doch Aufmerksamkeit erregt.

SchaffermahlHeute, am 14. Februar, war es saukalt bei unserer 26. Montags­de­mo. Es kamen etwa 46 Leute, darunter alte Bekannte, aber auch neue Interessierte. Nach einleitenden Songs von Atze Bauer, Wonneproppen und Degenhardt gegen Hartz IV vom CD-Player haben wir die Grundsätze der „Initiative Bremer Montagsdemo“ vorgetragen und die Gründe für die Trennung vom „Bündnis gegen Sozialkahlschlag“ öffentlich dargelegt. Diese Trennung war trotz aller Versuche, die Gemeinsamkeit zu wahren, erforderlich, weil die Montagsdemo-Aktiven zusammen mit der MLPD weitermachen wollten, während andere es beim Diskutieren und Kommentieren als kleine linke Grüppchen belassen möchten. Die Grundsätze wurden mit großer Mehrheit bei drei Enthaltungen angenommen. Natürlich werden sie bei wieder größer werdenden Teilnehmerzahlen immer wieder erläutert und propagiert werden müssen. Zwischendurch wärmten wir uns mit fetziger Rock’n’Roll-Musik auf.

SchaffermahlMehrere Beiträge befassten sich mit den gekauften Politikern sowie den Super-Gewinnen bei gleichzeitiger Ankündigung von Massen­ent­lassungen bei der Deutschen Bank. Ein anschaulicher Bericht wurde von der „Hartz-Reise“ gegeben, zu der die hiesige Arbeitnehmerkammer, die Kollegin Engelen-Kefer vom DGB, die Bundestagsabgeordnete Roth (SPD) und Prof. Sell von der Uni Koblenz geladen hatten. Nur die Höflichkeitsaufforderung des Gastgebers hinderte die Besucher, den inkompetenten und entlarvenden Beiträgen der Kollegin Engelen-Kefer und dem peinlichen „Herumwinden“ der Bundestagsabgeordneten ins Wort zu fallen. Diese Vertreterinnen der Regierungspolitik suchten dann auch schnell das Weite. Tacheles redete Prof. Sell, der glaubhaft erläuterte, dass 90% aller Fördermittel für die Schaffung von Ein-Euro-Jobs aufgewendet würden, davon ein Drittel für die Prüfung, ob die Kandidaten hierfür geeignet seien.

Neben der unterschiedlichen Bezahlung von ehemaligen Arbeitsamts- und Sozialamts-Mitarbeitern hat bereits ein regelrechtes Gerangel um die „Betreuung“ der „Premium-Kunden“, also der ALG-I-Arbeitslosen, begonnen. Keine einzige neue Stelle wird es demnach wirklich geben! Als Erfolg kann der Protest gegen Hartz IV verbuchen, dass vor der Forderung nach massenhaften Wohnungsumzügen in den Städten zurückgeschreckt wird. In Bremen gibt es mindestens sechs Monate Aufschub, in Berlin und Hamburg bereits zwölf. Unser Protest darf aber kein Detail aus dem Auge verlieren und nirgendwo aufgeben!

SchaffermahlAls auch die fetzige Musik nicht mehr gegen die Kälte half, beendeten wir die Kundgebung ohne Demo, zu der wir aber bald wieder auffordern wollen.

Mit neuen Flugblättern in den Händen schwärmen wir wieder zu Arbeits- und Sozialämtern, Wochenmärkten und Einkaufsstellen aus, um den Menschen zu sagen: Die Montagsdemo geht immer weiter! Kommt und berichtet von euren Erfahrungen!

Rote Fahne News
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz