412. Bremer Montagsdemo
am 18. 02. 2013  I◄◄  ►►I

 

Erfolgreicher Überprüfungsantrag zu den Heizkosten

Hans-Dieter WegeVor ein paar Tagen habe ich einen Bescheid vom Jobcenter erhalten mit der Mitteilung über eine Nachzahlung und der zukünftigen Berücksichtigung der Stromkosten für den Heiz- und Warm­was­ser­kes­sel im Rahmen der Kosten der Unterkunft. Immerhin fünf Prozent der anfallenden Heizkosten werden so von unseren Stromkosten pauschal abgezogen, da kein eigener Stromzähler für die Heizungsanlage vorhanden ist.

Das dürfte für alle Hartz-IV-Betroffenen interessant sein, die ihre Wohnungen über eigene Heizanlagen wie Kessel oder Thermen mit ihrem eigenen Strom betreiben, wenn sie ihn noch nicht pauschal abgezogen bekommen und auch keinen Zwischenzähler haben.

Wie ich von einem Mitglied der Partei „Die Linke“ in Oldenburg erfahren habe, wird sich die „Linke Gruppe“ im Stadtrat jetzt mit dem Thema freie Netzwahl zur Ener­gie und mit der Knebelung von Mieterinnen und Mietern durch den Grundversorger und ein Wohnungsbauunternehmen, an denen in beiden Fällen die Stadt beteiligt ist, beschäftigen.

Es kann doch nicht sein, dass das „Oldenburger Recht“ auf lange Sicht das EU-Recht hierzu bricht und viele Oldenburgerinnen und Oldenburger so gezwungen werden, um 25 Prozent höhere Ausgaben für die Haushaltsenergie zahlen zu müssen, als bei einem Wechsel zu einem anderen Anbieter möglich wären!

Da muss ich wohl noch nicht den Versuch starten, hierzu eine Bürgerinitiative zu gründen, sondern kann erst einmal abwarten. Ich werde diese Geschichte aber mit Sicherheit genau im Auge behalten, zumal mir keine der bürgerlichen Parteien auf meine diesbezüglichen Nachfragen eine Antwort schickte.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner unsozialer Politik)
Weil Rot-Grün eine Stimme mehr hat: Nessie verdrückt Rührungsträne („Bild“-Zeitung)
 

 

Parlamentspräsident lobt blutige Geschäfte mit Islamistenregime

Kürzlich hat die Friedrich-Lürssen-Werft in Bremen ein Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien abgeschlossen: Das menschenverachtende Feudalregime wird für rund 1,5 Milliarden Euro Patrouillen­boo­te von der Werftengruppe bauen lassen. Innerhalb von zwei Jahren nach Vertragsunterzeichnung sollen die Boote zum Stückpreis von 10 und 25 Millionen Euro übergeben werden. Das „Bremer Friedensforum“ verurteilte bereits das Rüstungsgeschäft.

Wieland von HodenbergSaudi-Arabien war 2011 an der blutigen Niederschlagung von Protesten im Nachbarland Bahrain beteiligt. In Saudi-Arabien werden Menschenrechte, die Gleichstellung der Frau und die Rechte von Minderheiten von den islamistischen Herrschern systematisch gebrochen. Das Auswärtige Amt schreibt dazu auf seiner Webseite: „Die Todesstrafe wurde 2011 mindestens 73 Mal vollstreckt, Körperstrafen wie zum Beispiel das Auspeitschen werden regelmäßig vollzogen, Dissidenten werden inhaftiert, Geständnisse erzwungen, Frauen werden wesentliche Menschenrechte vorenthalten, minderjährige Mädchen zwangsverheiratet, freie Meinungsäußerung ist nur teilweise möglich“.

Auf Empörung beim „Bremer Friedensforum“ stößt in diesem Zusammenhang auch das Interview von Christian Weber, Präsident der Bremischen Bürgerschaft, in einer Boulevardzeitung. Weber äußerte sich darin explizit zugunsten des schmutzigen Waffendeals, Patrouillenboote nach Saudi-Arabien zu liefern. Der Parlamentspräsident schwadroniert lobend über das Milliardengeschäft, noch bevor das Parlament darüber beraten hat: „Es ist nun mal ein Geschäft, das wir in Aussicht haben“. Politische Grundsätze interessieren nicht: „Saudi-Arabien ist keine parlamentarische Demokratie, wie wir das in Bremen gewohnt sind“.

Das skandalöse Interview macht sichtbar, wer für den Bürgerschaftspräsidenten Priorität genießt: nicht die Abgeordneten, sondern die Friedrich-Lürssen-Werft. Das „Bremer Friedensforum“ sieht in den Äußerungen Webers einen Akt der sträflichen Verletzung demokratischer Kultur und der Missachtung des Parlaments als Souverän. Nach Artikel 92 der bremischen Landesverfassung sollte es nicht die Aufgabe des Bürgerschaftspräsidenten sein, sich in dezidierter Weise zu äußern und einseitig Partei zu ergreifen.

Das „Bremer Friedensforum“ erwartet, dass die Bürgerschaft von ihrem Präsidenten Rechenschaft für sein Interview fordert und sich darüber Gedanken macht, wie die Stadt Bremen sich von dem blutigen Makel als führender Rüstungsstandort in Deutschland befreien kann. Zum Hintergrund: Im vergangenen Jahr war Saudi-Arabien zum größten Importeur deutscher Rüstungsgüter aufgestiegen. Bis zum Dezember wurden Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter im Wert von 1,335 Milliarden Euro erteilt.

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)
 
Von grôzer arebeit: Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von helden lobebæren („Spiegel-Online“)

 

Im Kampf gegen die Hartz-Gesetze positive Forderungen propagieren!

Sabine LeopoldLieber Gerolf, vielen Dank für deine neuerlichen Zuschriften an die MLPD, auf die ich dir antworten möchte. Du hattest in deinem Brief vom 19. Oktober 2012 Überlegungen und Vorschläge zum Protest gegen die Hartz-Gesetze gemacht. Es ist auch unsere Erfahrung, dass einige jüngere Leute, die die Forderung der Montagsdemonstrationen nach „Weg mit Hartz IV!“ hören und die damaligen Massenproteste nicht mehr aus eigener Erfahrung kennen, tatsächlich denken, man wolle den Betroffenen das Geld wegnehmen. Deshalb macht es unbedingt Sinn, positive Forderungen zu propagieren und auch deutlich zu machen, dass es um den Kampf gegen die Hartz-Gesetze geht – und nicht darum, den Betroffenen das Hartz-IV-Geld zu nehmen. Darauf werden wir verstärkt achten, und ich denke, dass dies auch eine Aufgabe der bundesweiten Montagsdemonstrationsbewegung ist.

Die Forderung „ALG I statt Hartz IV“ würde den differenzierten Forderungen der MLPD im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit einschließlich der Perspektive des echten Sozialismus nicht gerecht. Selbstverständlich ist es gewissermaßen der kleinste gemeinsame Nenner innerhalb der Montagsdemonstrationsbewegung, dass die Verschlechterung gegenüber früher durch die Hartz-Gesetze abgelehnt wird. Doch die MLPD hatte auch schon vor den Hartz-Gesetzen viel weitergehende Forderungen und bekämpfte auch den Zustand davor. So hat ja auch unser Parteiprogramm, wie es Anfang 2000 vor den Hartz-Gesetzen herauskam, die Forderung nach der Erhöhung des Arbeitslosengeldes und die unbegrenzte Fortzahlung für die Dauer des Arbeitslosigkeit aufgestellt.

Wir werden deine Hinweise beachten für eine noch massenwirksamere Darstellung unserer Forderungen im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit und uns auch was einfallen lassen, in der Offensive für den echten Sozialismus die Lebenslügen vom angeblichen „Sozialstaat“ zu entlarven und die Kräfte zu stärken im Kampf gegen die volksfeindliche Politik von Monopolen und Regierung. Danke für deine Hinweise dazu.

Du sprichst in deinem Brief vom 17. Dezember 2012 an die „Rote-Fahne“-Re­dak­tion die Schlussresolution unseres Stuttgarter Parteitags an, der 2012 sehr erfolgreich durchgeführt wurde. Auf dem Stuttgarter Parteitag hat sich die MLPD umfassend auch zur Sozialpolitik und gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf dem Rücken der Massen positioniert und den Kampf darum ausgewertet. In der Schlussresolution werden wesentliche Ergebnisse des Parteitags selbst zusammengefasst und auch auf die soziale(n) Lage/Kämpfe eingegangen.

So heißt es im 2. Punkt: „Die MLPD ist ... die Partei der Befreiung aller vom Imperialismus Ausgebeuteten und Unterdrückten“. Und unter Punkt 4 wird auf die Entwicklung der sozialen Kämpfe eingegangen: „Ökonomische und politische Massenstreiks insbesondere in den krisengeschüttelten Ländern Südeuropas, die demokratische Aufstandsbewegung 2010/2011 in den arabischen Ländern, aber auch die Bergarbeiterkämpfe von Südafrika bis Spanien zeugen von einem Aufschwung des Klassenkampfs im internationalen Maßstab“.

Zugleich war die Diskussion um die sozialpolitischen Forderungen selbst kein besonderer Schwerpunkt der Diskussion auf dem Parteitag, zumal die MLPD hier über klare und vereinheitlichte Positionen verfügt. Zur von dir weiter angerissenen Frage der Existenzsicherung haben wir uns, denke ich, schon wiederholt brieflich geäußert. Alles Gute und herzliche Grüße.

Zuschrift von Sabine Leopold, Mitglied im ZK der MLPD

 

Mehr Geld für Folterinstrumente?

Mit Erstaunen haben wir die Berichterstattung zur Rückgabe von nicht verbrauchten Geldern aus den Eingliederungsmitteln der bremischen Jobcenter an die Bundeskasse gelesen. Sogar eine aktuelle Stunde in der Bürgerschaft zu diesem Thema, beantragt von der Bürgerschaftsfraktion der „Linken“, wurde angesetzt. Worum geht es eigentlich?

Einige Hinweise: Bei den nicht verbrauchten Mitteln der Jobcenter handelt es sich überwiegend um Gelder für sogenannte „Ein-Euro-Jobs“ und mehrwöchige bis sechsmonatige Maßnahmen, zum Teil mit erheblichem Praktikaanteilen, Bewerbungstraining und disziplinierendem Absitzen von Zeit. Letzteres sei an einem Beispiel verdeutlicht.

Ein 28-jähriger Mann wurde in einer Maßnahme genötigt, mit fünf anderen Teilnehmer(inne)n über einen Zeitraum von zwei Wochen in einem Unterrichtsraum täglich sieben Stunden kopierte Ausmalbilder mit Buntstiften auszumalen. Exakt die gleichen Bilder, die auch seine fünfjährige Tochter aus dem Kindergarten stolz mitbrachte. Ist das Qualifizierung? Nein, das ist Disziplinierung!

Bei zahlreichen Maßnahmeträgern ist es üblich, dass der größere Teil der Maßnahme in betrieblichen Praktika verbracht wird. Hier soll „arbeiten“ gelernt werden. Was passiert tatsächlich? Einige Baumärkte, Umzugsunternehmen oder auch der größte Müllentsorger Bremens sind darauf ausgerichtet, bei diesen Maßnahmeträgern systematisch „Praktikanten“ anzuwerben. Kaum jemand hat die Chance, in diesem Unternehmen einen festen Job zu bekommen, denn die Praktikanten drücken sich das Staffelholz in die Hand: Der eine geht, der andere kommt.

Die Unternehmen bekommen diese Arbeitskraft umsonst, sie müssen keinen einzigen müden Euro drauflegen. Den Erlös fürs Möbeltragen oder Regalauffüllen streichen die Unternehmen ein. Außerdem können sie damit noch bezahltes Personal einsparen, also Erwerbslosigkeit herbeiführen, denn so oder so: die Regale müssen gefüllt, der Müll muss sortiert werden. Wenn Unternehmen für Praktikanten nichts bezahlen müssen, wozu dann noch Leute einstellen und nach Tarif bezahlen?

Mit den allseits bekannten „Ein-Euro-Jobs“ ist es nicht anders. Die meisten Maßnahmeträger sind darauf spezialisiert, mit dieser Umsonstarbeitskraft gewerbliche Tätigkeiten abzuwickeln: in privaten Gärten Hecken schneiden und Bäume fällen, Holzbauten herstellen, Putzlappen zuschneiden –der größte Teil der Bremer Altkleidersammelbehälter wird von „Ein-Euro- Jobber(inne)n“ sortiert –, alles gegen Rechnung. Dies ist die übliche Praxis.

Gemeinsam ist allen diesen „Eingliederungsmaßnahmen“, dass Teilnehmer(inne)n, die aufmucken, auf diesen Wahnsinn keine Lust haben oder sich schlicht diesem Demütigungsapparat entziehen wollen, mit Sanktionen bestraft werden. Mehr als einen Million gab es davon im letzten Jahr. Hat jemand einmal eine Fragestunde in der Bürgerschaft beantragt, um zu ermitteln, wie viele junge Menschen unter 25 Jahren nach der zweiten Sanktion, wenn dann auch die Miete für drei Monate gestrichen wird, obdachlos geworden sind?

Kurzum: Hartz IV und, darin eingebettet, die oben erläuterten Maßnahmen, hatten einen politischen Sinn. Ex-Bundeskanzler Schröder hat diesen Sinn im Januar 2005 auf dem Gipfel der Staatsmänner und Konzernlenker in Davos erklärt: „Wir haben den besten Niedriglohnsektor aufgebaut, den es in Europa gibt“. Bei Strafe der Sanktion, sogar bis auf Null, muss auch für 4,50 Euro pro Stunde gearbeitet werden. Schröder hatte Recht, und die Unternehmen haben gewonnen: Die Bundesrepublik ist Europameister im Niedriglohnsektor.

Aber ein bloßes Gesetz wie Hartz IV (SGB II) bleibt ein leeres Versprechen, wenn es nicht mit Leben gefüllt wird. Was ist schon ein Folterer ohne glühende Kohle, Wasserbecken und Streckbank – ein Nichts, der keines seiner Opfer mit einem grimmigen Blick erschrecken kann! So auch Hartz IV: Allein mit Auflagen wie fünf oder zehn monatlich beim Jobcenter abzuliefernden Bewerbungen oder mit der bloßen Androhung von Sanktionen geht wenig.

Wo circa fünf Millionen Jobs nicht vorhanden sind, um damit alle arbeitsfähigen Erwerbslosen zu beglücken, geht symbolischer Aufbau von Druck ins Leere. Mittels heutiger Technik ist eine Bewerbung mit wenigen Mausklicks zu machen. Wer geht schon freiwillig für sechs Euro die Stunde arbeiten, um sich dann donnerstagnachmittags den Rest zum Überleben beim Jobcenter abzuholen? Somit brauchte der Staat ein Druckmittel, das tatsächliche nachhaltige Wirkung erzielt. Gefunden wurden „Maßnahmen“.

Sie ermöglichen vieles in einem: Einüben in Arbeiten für nichts (oder sind 1,20 Euro pro Stunde ein menschenwürdiger Lohn?) oder als Praktikant, Unterwerfung in einen rechtlosen Zustand (kein Kündigungsschutz, keine Lohnfortzahlung, keine Arbeitsrechtstandards, kein Betriebsrat), gruppendynamische Prozesse zum Anbeten des Götzen Arbeit, Einüben von sinnentleerten Tätigkeiten, Erfahrungen mit Sanktionen sammeln, denn wer nicht gehorcht (arbeitet), bekommt nichts zu essen.

Genauso wenig wie ein Kind das Fahren eines Fahrrades aus einem Buch erlernt oder ein Mensch die Schmerzen glühender Kohle im Video empfinden kann, so wenig sind Paragraphen in einem Gesetzbuch Erfahrungswissen, das Grundeinstellungen prägt. In Ermangelung von realen Lohnarbeitsjobs sind die Maßnahmen ein Übungsfeld, in dem große Teile der Lohnabhängigen, insbesondere jüngere, auf Niedriglohn getrimmt werden. Maßnahmen sind die moderne Schule der Nation.

Sie sind die Folterwerkzeuge des modernen Staates zur Beförderung des Konkurrenzvorteils des Standorts Deutschland. Und die Fraktion der „Linken“ in der Bürgerschaft beklagt sich, dass der Staat, genauer gesagt seine Unterabteilung Jobcenter, nicht alle geplanten Foltermittel zur Erziehung zu Demut und Niedriglohn zum Einsatz gebracht hat. „Hartz IV muss weg!“ steht auf den Plakaten der Linkspartei, aber deren massenhafte Umsetzung fordert sie. Die konkrete Forderung der Bürgerschaftsfraktion ist: „Mehr Geld für Folterinstrumente!“

Pressemitteilung von Herbert Thomsen (Bremer Erwerbslosen-Verband)
 
95. Schwabenstreich bei der 412. Bremer 
Montagsdemo am 18. Februar 2013
95. Schwabenstreich in Bremen: Wir gedenken des Baummassakers im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart am 15. bis 18. Februar 2012 („Google“)

 

www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz