406. Bremer Montagsdemo
am 07. 01. 2013  I◄◄  ►►I

 

Neujahrscartoon mit Angela Merkel und Ursula von der Leyen

Kehrmüll & Vollerschleim: „Mein Regelschatz wird das
neue Praxisgeschwür!“ (Bremer Montagsdemo)
 
Die Bremer Montagsdemo wünscht einen guten Rutsch: Wir sehen uns im neuen Jahr erstmals am 7. Januar 2013 zur gewohnten Zeit, also um 17:30 Uhr, auf dem Marktplatz wieder.
 

 

Empörend, was propagiert wird, um Erwerbslose weiter zu demütigen!

Elisabeth Graf1. Ein frohes neues, glückliches Jahr 2013! Hoppla, war da nicht noch etwas Besonderes? Genau: die Bun­des­tags­wahl – deswegen scheinen Politiker jeder Couleur plötzlich Mitgefühl mit Erwerbslosen und finanziell Schwachen zu entwickeln. Weil vor der Wahl ja nicht nach der Wahl ist, fordert der EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU), die „Höhe“ der Sozialleistung Hartz IV an die Preisentwicklung bei Strom und Gas zu koppeln. Der Kommissar erinnert daran, dass Deutschland hinter Japan und Dänemark den höchsten Strompreis der Welt habe. Er postuliert, Sozialhilfe müsse ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, und verdeutlicht: „Licht im Wohnzimmer und ein Kühlschrank für gesunde Lebensmittel gehören eindeutig dazu.“

Was für hehre Worte, dazu von einem Politiker der dem Namen nach so überaus christlichen Partei! Bisher sieht die Wirklichkeit anders aus, und so möchte ich mir nicht vorstellen, wie vielen Menschen, die zu Weihnachten unfreiwillig und deswegen unromantisch im Dunkeln und nur bei Kerzenlicht vor dem – womöglich nur imaginären – Tannenbaum saßen, weil ihnen der Strom abgestellt worden war. Im Land Bremen waren dies bis Oktober gut 3.700 Menschen. Die Linkspartei forderte deswegen, Stromsperren wenigstens über Weihnachten zu verbieten. Doch ließ sich das leider nicht umsetzen, weil die Zulässigkeit von Stromabschaltungen schließlich bundesrechtlich geregelt ist.

Weil gerade Hartz-IV-Bezieher sich keine neuen Geräte leisten können, stehen in ihrer Wohnung oft richtige Stromfresser wie uralte Kühlschränke. So kommt manch ein Alleinstehender leicht auf über 70 Euro Stromkosten im Monat. Deswegen fordern der „Deutsche Mieterbund“ und der „Paritätische Wohlfahrtsverband“, dass der Stromverbrauch von Leistungsbeziehern in tatsächlicher Höhe übernommen wird. Bislang muss Strom aus dem normalen Regelsatz bezahlt werden, und der wird an die explodierenden Strompreise eben nicht angepasst.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück dagegen kündigt für den Fall seines Wahlsieges die Einführung eines flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohns als ein zentrales Projekt an. Dieser werde insbesondere Frauen und Männern im Osten Deutschlands helfen, die derzeit weit unter 8,50 Euro pro Stunde verdienten. Steinbrück tönt vollmundig, diese „grotesken Verhältnisse“ müssten „ein Ende haben“, und betont, es gehöre zum „Zusammenhalt der Gesellschaft“, dass „niemand, egal wo er wohnt oder wie alt er ist, für weniger als 8,50 Euro Stundenlohn arbeiten gehen muss“. Jetzt will er uns weismachen, dass mit einem solch kargen Stundenlohn wirklich Probleme gelöst werden könnten! Dann sollte er gleich noch eine entsprechende Mindestrente ankündigen, da er mit Stundenlöhnen unter 14,50 Euro nur die Altersarmut zementiert.

 

2. Die Propagandamaschinerie läuft wie geschmiert: Allerorten wird uns die frohe Botschaft verkündet, dass im abgelaufenen Jahr so viele Menschen in Deutschland erwerbstätig waren wie noch nie zuvor. Im Jahresdurchschnitt 2012 registrierte das Statistische Bundesamt 41,5 Millionen Beschäftigte mit einem Wohnort in Deutschland. Sagenhafte 416.000 Menschen oder ein Prozent mehr als im Jahr zuvor seien das gewesen. Zudem habe die Zahl der Erwerbslosen um 2,23 Millionen abgenommen und sich damit nahezu halbiert.

Passend dazu zeigt das ARD-„Morgenmagazin“ ein Video vom 3. Januar 2012 und sagt immer dasselbe. Eva Völpel von der „Tageszeitung“ muss wohl mal klarstellen, dass, wenn 41,6 Millionen Menschen Arbeit haben, dies noch lange nicht bedeutet, dass sie auch davon leben können! Deshalb weiß auch niemand, wie die Menschen arbeiten: ob sie mit ihrem täglichen Tun zufrieden sind, dem Erhalt der Stelle vertrauen, ausreichend für die Rente vorsorgen können. In Deutschland ist nämlich nicht nur die Zahl der Erwerbstätigen gewachsen, sondern auch die der „atypisch“ Beschäftigten. Leiharbeit, unfreiwillige Teilzeit, befristete Stellen und 400-Euro-Jobs sind für immer mehr Menschen bittere Realität geworden. Ihr Lohn reicht nicht zum Leben aus.

 

3. Immer wieder kündigen Politiker vollmundig neue „Förderprogramme gegen Arbeitslosigkeit“ an und offerieren doch wieder nur alten Wein in neuen Schläuchen. Auch die Berliner SPD-Arbeitssenatorin Dilek Kolat will neue „Förderprogramme“ auflegen lassen, „um Hartz IV-Beziehern eine Perspektive zu geben“. Eine solche „Perspektive“ wird von den meisten Menschen als Arbeitsplatz-Perspektive verstanden. Doch uneigentlich ist es gar nicht Ziel des Programms „Förderung von Arbeitsverhältnissen“, Hartz-IV-Beziehern eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, sondern sie zu „qualifizieren“. Das wäre zwar wünschenswert, ist aber leider nicht realisierbar, wie Erfahrungen aus der Vergangenheit mit ähnlichen Arbeitsmarktinstrumenten vermuten lassen.

Frau Kolat will Erwerbslose durch „persönliche Betreuer“ bei der Suche nach neuen Stellen unterstützen. Wachsen die dadurch nach? Jeder Arbeitslose soll einen „Coach“ bekommen, der ihn „in allen Fragen begleitet“. Ob er wohl auch eine Antwort auf die Frage parat halten kann, wo sich in Berlin eine neue anständig bezahlte Arbeitsstelle befindet? Wohin um alles in der Welt soll denn ein „Coach“ seine 40 Schützlinge begleiten? Sollen die „Coaches“ also weiterhin in Sinnlosmaßnahmen begleiten, damit die Erwerbslosen so lange aus der Statistik entfernt werden können? Schließlich gehen diesbezügliche Erfolgmeldungen über alles!

Oder soll die Vorladung zum Jobcenter in „Coaching“ umbenannt werden? Ob diese „Coaches“ dann noch, rein zufällig, einen richtig guten Draht zu Leiharbeitsfirmen und ähnlichen Dumpinglohnanbietern haben? Ich finde es empörend, was alles propagiert wird, um Erwerbslose weiterhin zu demütigen. Gäbe es diese Arbeitsplätze, stünden die Hartz-IV-Bezieher dort schon längst Schlange, weil sich niemand dieser Dauerbeschämung, permanent von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen zu sein und dafür auch noch unablässig diffamiert zu werden, freiwillig aussetzt!

 

4. Nach Gewerkschaftsangaben werden Hartz-IV-Bezieher 2013 trotz einer „Erhöhung“ der Regelsätze aufgrund der Inflation faktisch weniger Geld zum „Leben“ haben als vor acht Jahren: Seit Einführung des menschenverachtenden Hartz IV stiegen die Verbraucherpreise um 14,5 Prozent, die Regelsätze für alleinstehende Erwachsene aber lediglich um 10,7 Prozent. Damit verschärft die Bundesregierung glasklar die Armut im Land, die offenkundig politisch so gewollt ist. So wird die „Erhöhung“ um sagenhafte acht Euro sofort wieder von den steigenden Lebenshaltungskosten aufgefressen.

 

5. Nach Ansicht des Kandidaten der Sozialdemokraten Peer Steinbrück sind Bundeskanzler „unterbezahlt“, weil „jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen“ mehr verdiene. Ein Kanzler verdiene, gemessen an der Leistung, zu wenig im Vergleich zu anderen Tätigkeiten mit viel weniger Verantwortung und viel größerem Gehalt. Es geht ja auch nicht, dass das Kanzlergehalt von Frau Merkel in diesem Jahr auf nur 17.016 Euro erhöht wird, plus der eigentlich nicht erwähnenswerten „Dienstaufwandsentschädigung“ von gut 1.000 Euro im Monat!

 

6. Immer mehr ältere Arbeitslose finden keine neue Stelle und müssen von Hartz IV vegetieren. Im November 2012 waren rund 291.000 arbeitslose Hartz-IV-Bezieher über 55 Jahre registriert, was einem Zuwachs von 16 Prozent seit 2010 entspricht. Die Linkspartei hält die Statistik sogar noch für geschönt, weil das tatsächliche Ausmaß der Arbeitslosigkeit von Älteren durch die gesetzlichen Vorgaben kaschiert werde. Praktischerweise würden fast 118.000 arbeitslose Hartz-IV-Bezieher im Alter von über 58 Jahren einfach nicht mehr mitgezählt, weil sie von den Jobcentern ein Jahr lang kein Arbeitsangebot bekommen haben. Da erscheint die Rente mit 67 oder noch älter doch wirklich immer sinnvoller! Weil es noch immer keinen Mindestlohn gibt, wurden seit 2005 mehr als 70 Milliarden Euro scheinbar für Aufstocker ausgegeben. Dabei wurde das Geld den Unternehmern geschenkt, die ihre Beschäftigten mit Dumpinglöhnen nach Hause schicken dürfen, von denen diese Arbeitskräfte weder sich, geschweige denn ihre Familie ernähren können.

 

7. Der CDU-Wirtschaftsflügel fordert die Abschaffung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze von sieben Prozent, was viele Lebensmittel erheblich verteuern würde. Dass „zum Ausgleich“ der allgemeine Satz von derzeit 19 auf 17 Prozent gesenkt werden solle, kann nur als blanker Hohn verstanden werden! Unterm Strich würden damit die Grundnahrungsmittel erheblich verteuert, worunter in erster Linie wieder die finanziell Ärmsten zu leiden hätten. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) lehnt eine Reform der Mehrwertsteuer vor der Bundestagswahl ab, weil gute Ernährung nicht zu einer Frage des Geldbeutels werden dürfe. Dabei ist das längst der Fall, es würde sich nur noch weiter drastisch verschärfen. Mit 4,40 Euro täglich, die im Regelsatz vorgesehen sind, jeden Tag eines Monats, zwölf im Jahr, lässt sich doch nicht gesund für Essen und Trinken sorgen!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Airport des Grauens: „Wo du 2034 nicht starten wirst(„Spiegel-Online“)

 

Eine Aktionskonferenz, die von den Ursachen der „Misere“ ablenkt?

Hans-Dieter Wege1. Erst bekam ich eine Mail, dann konnte es auf „Scharf links“ gelesen werden: Die „Ar­beits­lo­sen­selbst­hil­fe Ol­denburg“ („Also“) und „Tacheles“ wollen eine gemeinsame „Schlecker-Kampagne“ beraten! Da dachte ich mir, geh von „Tacheles re­den“ aus: Das heißt umgangssprachlich, (jemandem gegenüber) ganz offen und freimütig seine Meinung zu äußern. Erstaunlich ist aber, wie der „Hintergrund“ beschrieben wird: Da wird kräftig von den Ursachen der „Misere“ abgelenkt.

Nicht der Kapitalismus mit seiner Konkurrenz, nicht der Profit, die Überproduktion sowie die „Macht im Staate“, nein: Es ist „Schlecker“, es sind auch lediglich „Frauen“. Hier würde die Analyse, weshalb es in überwiegender Zahl Frauen sind, schon deutlich machen, worum es geht. Wenn es so einfach wäre, dass die „Misere“ an einem Kapitalisten läge, könnte doch die Forderung nach 80 Euro mehr für Lebensmittel im Hartz-IV-Regelsatz erhoben werden, damit noch mehr Zeugs zusammengekauft wird. Zumindest wäre dann dem Unterkonsum entgegengewirkt. Auf der anderen Seite könnte die Forderung erhoben werden, Schlecker zu subventionieren, damit er weiterhin seine „Frauen“ ausbeuten kann. Dann wären sie auch den Fängen der Lohnempfänger in den Arbeitsagenturen entrissen, die die staatlichen Verordnungen – bei Strafe der Kündigung – durchsetzen sollen.

Es bleibt weiterhin zu debattieren, was mit den Männern und Frauen passieren soll, deren Arbeitskraft von anderen Kapitalisten nicht mehr gekauft wird. Sollen die Kapitalisten noch mehr als in „Nebensache Mensch“ beschrieben subventioniert werden, damit sie die Arbeitskräfte behalten? Es wird bei der Denkungsart der „Also“- und „Tacheles“-Oberen wohl noch geraume Zeit ins Land gehen, bevor politisches Organisieren Fuß fasst. So zumindest wird alles im Katzenjammer enden. Vielleicht sollte man Nokia in Bochum auch noch in die Konferenz mit einbeziehen oder andere nicht mehr existierende Unternehmen? „Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!“ Mit sozialistischen Grüßen.

 

2. Hallo, Bernd Riexinger! Immer mehr Interessierte machen sich endlich daran, die tatsächliche Situation auf dem Arbeitsmarkt zu analysieren. Dass man bei einer gerechten Verteilung der noch bezahlten Lohnarbeit auf eine tägliche Lohnarbeitszeit von ungefähr 3,5 Stunden kommen dürfte, muss dir bekannt sein. Dass die Partei, die sich „Die Linke“ nennt, immer noch nicht auf jedem zweiten Wahlplakat radikale Verkürzungen der Lohnarbeitszeiten fordert, ist daher mehr als verwunderlich.

Wenn eure Partei an ihrer derzeitigen Mindestlohnforderung festhalten will, wird es ohne ein vorgeschaltetes Grundeinkommen niemals funktionieren. Wie sollen denn die möglichen Erwerbsfähigen nach den Vollzeitbeschäftigten, denen nur noch durchschnittlich 25,25 Stunden im Monat von den Unternehmen bezahlt werden, allein mit einem Mindestlohn auskommen? Es sind nur noch durchschnittlich 25,25 Stunden, die für 34 Millionen mögliche erwerbsfähige Menschen im Monat von den Unternehmen bezahlt werden. Wann will eure Partei eigentlich endlich einmal hierzu mit der Wahrheit herauskommen? Mit freundlichen Grüßen.

 

3. Hier die Erfolgsmeldung einer jungen alleinerziehenden Mutter aus unserer „Face­book“-Gruppe! Nach dem dritten einstweiligen Anordnungsverfahren, einer Hauptklage und einer Verfassungsbeschwerde wegen der Nichtzahlung ihres Al­lein­er­ziehendenzuschlages lenkte jetzt im dritten einstweiligen Anordnungsverfahren das Jobcenter Oldenburg ein und versprach die Nachzahlung für den letzten Halbjahreszeitraum und die zukünftige Zahlung. Ob sie jetzt auch für die noch nachzuzahlenden Zeiträume, die mit dem Hauptverfahren geltend gemacht wurden, ist der alleinerziehenden Mutter allerdings noch nicht bekannt. Sie hofft jetzt auf die Vernunft der zuständigen Mitarbeiterin aus der Rechtsabteilung des Jobcenters. Dem zuständigen Richter des Hauptverfahrens wurde dies auch so mitgeteilt.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner unsozialer Politik) –
siehe auch „Scharf links

 
Mein Gott, Christian: Job weg, Frau weg, Haus weg („Bild“-Zeitung)

 

Verse, die ich mir
auf Steinbrück mache

Steinbrück und Hartz

Als es damals um Hartz IV ging,
schien ihm das Wenige noch um vieles zu viel.
Heute, da er sich
für das Amt des Kanzlers bewirbt,
ist ihm das Viele noch immer zu wenig.

 

Der Kanzlerkandidat I

Wenn einer kandidiert,
um deutscher Kanzler zu werden,
und der Kandidat klagt darüber,
sein künftiges Gehalt
sei zu niedrig,
dann verfällt seine Kandidatur,
noch bevor man ihn wählt,
wegen Unterbezahlung im Amt.

 

Der Kanzlerkandidat II

Wenn einer kandidiert,
um deutscher Kanzler zu werden,
und der Kandidat klagt darüber,
sein künftiges Gehalt
sei zu niedrig,
dann ist er für die Wahl
ungeeignet.
[Rechtzeitig noch
lässt er es uns wissen.]

 

Steinbrück-Distychon

Einer, der kandidiert für den Posten des Kanzlers der Deutschen,
sei ein Vertreter des Volks, keiner, der geifert nach Geld.

Rudolph Bauer

 

Wirtschaftskriminelle treiben mithilfe von Computern zehn Euro ein

Helmut Minkus Wir alle freuen uns sehr darüber, dass wir seit Anfang dieses Jahres nicht mehr die sogenannte Praxisgebühr für die Krankenkassen zahlen müssen. Sie ist endlich, nach vielen Diskussionen, per Gesetz abgeschafft worden. Die FDP hat versucht, damit Lorbeer zu ernten. Selbst der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, hat sich für die Abschaffung ausgesprochen und sah in der Gebühr keinen Sinn mehr.

Nun haben wir auf der Montagsdemo ein Thema weniger. Doch für mich und wahrscheinlich noch viele andere Bundesbürger beginnt jetzt ein kleines Nachspiel. Ich habe im letzten Jahr einige Male keine Praxisgebühr bezahlt, wobei mir die Ärzte keine Probleme mehr gemacht haben. Letzte Woche bekam ich aber einen Brief, in dem ich gebeten wurde, meine Praxisgebühren vom dritten Quartal 2012 zu bezahlen – nicht wie üblich von der Kassenärztlichen Vereinigung oder einer von ihr beauftragten Anwaltskanzlei, sondern von meiner Krankenkasse selbst.

Jemand hatte tatsächlich festgestellt, dass ihm laut Gesetz noch zehn Euro fehlen. Doch ich glaube, es war kein Mensch, der das gemerkt hat. Das ist wohl nicht möglich bei sechs Millionen Mitgliedern. Es war sicher ein Computer. Das Schreiben hat weder einen konkreten Absender noch eine Unterschrift. Das kann ich nicht akzeptieren. Ich möchte mit Menschen kommunizieren, denn nur denkende Menschen können eventuell erkennen, was Unsinn ist. Ich werde deshalb das Schreiben zurückschicken. Doch warum erzähle ich Ihnen ein solch abgedroschenes Thema noch hier auf dem Bremer Marktplatz?

Vielleicht, damit es etwas zum Lachen gibt, wenn es nicht so absurd wäre. Die Erde wird auf alle möglichen Arten „wirtschaftlich“ vernichtet und verseucht, von Atomkatastrophen und der Chemieindustrie – und hier versuchen ein paar Wirtschaftskriminelle, mithilfe von Computern zehn Euro einzutreiben. Der größte Teil der Menschheit hängt am Tropf der Armut und wird um seine Grundbedürfnisse betrogen, doch die Betreiber einer milliardenschweren Profitmaschinerie kommen auf die Idee, ihnen gesetzlich zustehenden zehn Euro nachjagen zu müssen. Es fällt mir schwer, solche Perversionen zu akzeptieren.

Wir wollen Atomkraftwerke abschaffen, wir wollen keinen Genfraß als Grundnahrungsmittel haben, wir wollen Volksverdummung verhindern, Behördenwillkür abschaffen, Politik machen und keinen Zwergenaufstand wegen zehn Euro veranstalten. Doch es ist wichtig, das bekannt zu machen, denn an solchen Beispielen kann jeder erkennen, wie unmenschlich und dumm manche Gesetze in unseren demokratischen Systemen sind. Jetzt, da die Gebühren abgeschafft sind, fangen die Kassierer selbst an, „ihre Gelder“ einzutreiben. Das werde ich nicht dulden! Wenn Sie selbst aktiv werden, können auch Sie etwas Interessantes erleben und werden sich nicht so leicht von jedem Betrüger abkassieren lassen.

Helmut Minkus (parteilos)

 

Japan macht den Anfang beim
Ausstieg aus dem „Atom-Ausstieg“

Harald BraunDer neue japanische Premierminister Abe hat der Bevölkerung zu Weihnachten ein besonderes Geschenk gemacht: Er war erst einen Tag offiziell im Amt, als er angekündigt hat, bald eine Reihe der abgeschalteten Atomkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen. Auch der Neubau von Reaktoren soll nach „eingehender Sicherheitsprüfung“ wieder aufgenommen werden. Die Vorgänger-Regierung unter Noda hatte aufgrund der Massenproteste in Japan den längerfristigen „Ausstieg“ aus der Atomkraft verkündet und bisher erst sechs der insgesamt 54 AKWs wieder in Betrieb genommen.

Die verbrecherische Argumentation von Abe ist, es gebe ja auch AKWs, die Erdbeben und Tsunami überstanden haben. Angesichts der großen Erdbebengefahr in ganz Japan bedeutet das, „Russisch Roulette“ zu spielen. Dass die meisten Reaktoren in Japan inzwischen als marode gelten und einem starken Beben nicht standhalten werden, ignoriert die neue Regierung einfach. Dazu kommt die Mahnung vieler Wissenschaftler, dass das alle 70 Jahre stattfindende „große“ Erdbeben erst noch bevorsteht und die Millionenstädte Tokio, Osaka und Kioto bedroht sind. Die großen Stromkonzerne in Japan reiben sich angesichts der zu erwartenden neuen Milliardengewinne bereits die Hände. Die Aktien des Fukushima-Betreibers Tepco schossen direkt nach der Wahl sofort in die Höhe.

Wie wenig überzeugend Abes Argumente sind, zeigt das rigorose Vorgehen der Regierung mit Kundgebungsbehinderungen und Repressionen gegen Anti-AKW-Demonstranten. So wurden vor wenigen Tagen mehrere Demonstranten festgenommen, die gegen die Verbrennung von kontaminiertem Schutt aus der Region Fukushima in der Müllverbrennungsanlage am Rand von Osaka protestiert haben. Unterstützt die Petition zu ihrer Freilassung! Trotzdem lassen sich die Freitagsdemonstrationen der japanischen Atomkraftgegner nicht einschüchtern und werden fortgesetzt. Die Mehrheit der japanischen Bevölkerung ist gegen die Atomanlagen. Über sieben Millionen Japaner(innen) haben das Manifest für die weltweite Stilllegung aller Atomanlagen unterschrieben.

EU-Energiekommissar Oettinger (CDU) kann sich durchaus neue Atomkraftwerke in Deutschland vorstellen, wenn die Technologie Fortschritte mache: „Es gibt in Europa immer noch 140 Atomkraftwerke. Die meisten Regierungen denken gar nicht daran, sie abzuschalten. Wir werden auch in 40 Jahren noch Atomstrom im deutschen Netz haben.“

In Deutschland kommen die großen Atomkonzerne mit dreisten Forderungen an die Öffentlichkeit: RWE fordert vom Bund mindestens zwei Milliarden Euro „Entschädigung“ für den „Atomausstieg“, Vattenfall 3,5 Milliarden, Eon acht Milliarden! Der Kampf für die sofortige und weltweite Stilllegung aller Atomkraftwerke – und zwar auf Kosten der Betreiber – muss unbedingt weitergehen!

Der Versuch einer Renaissance der Atomkraft, das Festhalten an fossilen Energien und das Hintertreiben einer wirklichen Energiewende – das alles sind triftige Gründe, sich in der Initiative für eine Umweltgewerkschaft zu engagieren. Dazu hat ein erstes Treffen von rund 90 Initiatoren aus ganz Deutschland am 9. Dezember 2012 einen wichtigen Schritt gemacht.

Harald Braun

 

Ein Konversionsprogramm für die Bremer Rüstungsindustrie!

Wieland von HodenbergDie Lürssen-Werft hat eine wenig rühmliche Vergangenheit. Das Bremer Unternehmen fertigte bereits für die kaiserliche Marine Kriegsschiffe. Später wurden auch für Hitlers Wehrmacht weit über 200 Schnellboote gebaut. Mit der Übernahme der Peene-Werft in Wolgast wäre die Firma nach etlichen vorherigen Fusionen mit anderen Werften dann der größte Kriegsschiffsproduzent auf dem europäischen Kontinent.

Friedrich Lürßen ist Schatzmeister des 2010 gegründeten „Bundesverbandes der Deutschen Si­cher­heits- und Verteidigungsindustrie“, eines der stärksten Verbände der deutschen Rüstungslobby. Außerdem gehört er zum Präsidium der „Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik“. Für das „Bremer Friedensforum“ ist dies alles kein Grund zur Freude.

Dabei hatte die Lürssen-Werft unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg schon einmal Konversion praktiziert, als die westlichen Besatzungsmächte der deutschen Industrie untersagt hatten, Rüstungsgüter zu produzieren. Damals stellte die Firma Haushaltsgegenstände, wenig später Fischkutter und Handelsschiffe her. Rüstungskonversion war also bei Lürssen durchaus möglich und anscheinend auch erfolgreich.

In der Bremer Rüstungsindustrie hatte es bereits in den 1990er Jahren erfolgversprechende Bestrebungen für Rüstungskonversion gegeben. Hieran sollte angeknüpft werden, und die Firma Lürssen könnte da mit gutem Beispiel vorangehen. Senat und Landesregierung sollten solche Ansätze unterstützen und gemeinsam mit der IG Metall ein neues Konversionsprogramm auflegen! Dies wäre zukunftsfähig, und damit könnten sie wirklich für den Frieden punkten.

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Am Unisee herrscht Gleichberechtigung von Mensch und Hund

Gerolf D. BrettschneiderGerolf: Den Fußweg rund um den Stadtwaldsee haben die Hundehalter als Freilaufgelände in Beschlag genommen. Nachmittags rennen hier große Hun­de im Dutzend frei umher. Für Jogger ist es kaum möglich, eine Runde um den See zu laufen, ohne von Hunden angesprungen zu werden. Im Sommer sind die kleinen Kinder gefährdet, die am Badestrand spielen. In Wien gibt es umzäunte Freilaufgelände für Hunde und Ver­bo­te an allen anderen Orten. So etwas braucht Bremen auch.

Harald Schmid: Hunde müssen auch freilaufen können, aber die Hunde gehen überall ins Schilf und stöbern Vögel und Fische auf. Freilaufende Hunde haben im Schilf nichts zu suchen. Wenn sie in Reichweite der Besitzer bleiben und niemanden extrem belästigen, sollen sie ruhig freilaufen. Ich denke da insbesondere an die alten Hunde, die nur noch hinter ihrem Besitzer hinterherdackeln.

Gerolf: Außerdem, vom Aufscheuchen von Tier und Mensch einmal abgesehen: Die Verkotung des Ufergeländes einschließlich der Liegewiesen ist nur noch widerlich. Aber „wir zahlen schließlich Steuern, da dürfen wir auch das Naherholungsgebiet zum Hundeklo machen. Es ist schließlich sooo weit bis zur Uni-Wildnis, und die Wege sind da sooo matschig, und im Sommer fallen da die Mücken über eine(n) her!“

OJ: Moin, ich laufe seit mehreren Jahren circa zwei- bis drei Mal die Woche um den Unisee. Anzahl der Hunde, die mich in der Zeit angesprungen haben: Null! Klar, äußerst selten gibt es eine Situation, in der man mal etwas abbremst, um den Hund nicht umzulaufen. Vor allem die kleinen Exemplare, die man versehentlich flach treten könnte. Viel häufiger bremsen aber speziell in den wärmeren Monaten die Familien und älteren Menschen, die auch auf dem Weg laufen. Sollen die Ihrer Meinung nach auch weg? Eine wenig Toleranz hilft.

Gerolf: Zu Ihrer Frage: Natürlich nicht. Vermutlich verfügen Sie – anders als ich – über das notwendige Wissen im Umgang mit Hunden, um bei Begegnungen mit fremden Tieren nicht in Gefahr zu geraten. Von der massiven Präsenz freilaufender Hunde am Unisee kann sich ansonsten jede(r) leicht überzeugen. „Toleranz“ sollte stets zuerst von den „Stärkeren“ gefordert werden. Das sind in diesem Fall die mit einem Hund „Bewaffneten“.

Rad- und Autofahrer: Ich wundere mich gerade, was das hier mit dem Verkehrskonzept zu tun hat. Aber es ist wohl so, dass „Hunde“ nebst Radfahrern das beliebteste Feindbild von Bloggern und Leserbriefschreibern sind. Daher konnte das Thema hier anscheinend nicht ausbleiben, so sehr off topic es auch sein mag. Aber Gemach: Die Stadtbürgerschaft hat doch beschlossen, dass es künftig in Bremen in jedem Stadtteil offizielle Freilaufgebiete geben soll. Sofern die Beiräte sich nicht querstellen, darf man bis zum Ende des Jahrhunderts zuversichtlich mit der Umsetzung rechnen.

So lange kann man sich an der Verwaltungsvorschrift zu § 28 StVO (Tiere) Ab­satz 1 (Punkt II) orientieren: „Wenn Hunde auf Straßen mit mäßigem Verkehr nicht an der Leine, sondern durch Zuruf und Zeichen geführt werden, so ist das in der Regel nicht zu beanstanden“. Sprich: Am Hochschulring gehört der Hund an die Leine, auf dem Fußweg darf er frei laufen. Laut Tierhalterhaftung muss der Hundebesitzer natürlich auch dafür sorgen, dass sein Tier nicht die Klamotten anderer Passanten mit seinen Dreckpfoten bestempelt oder Radfahrer zu Fall bringt.

Für die Unsicherheit mancher Menschen bei der Begegnung mit Hunden ist aber weder das BGB noch die StVO zuständig. Würden derlei diffuse Ängste als Grundlage für gesetzgeberisches Handeln genügen, käme man aus dem Verbieten und Reglementieren so schnell nicht wieder heraus. Wer damit ein echtes Problem hat, sollte im Zweifel ein Seminar gegen Hundeangst besuchen. Denn auch wer Hunde partout nicht leiden mag, wird bis auf Weiteres damit leben müssen, dass sie bei uns gehalten werden und in der Öffentlichkeit frei laufen (was übrigens tierschutzrechtlich vorgeschrieben ist). Und Sie wissen schließlich nie, ob nicht Ihr nächster Chef oder Ihre Freundin einen Hund hat. Da wäre es doch peinlich, wenn Sie den Abend zitternd auf dem Schrank verbringen müssten.

Gerolf: Auch hier wieder die Denke: „Erst mein Hund, dann mein Nachbar. Und wenn mein Nachbar mit meinem Hund nicht klarkommt, sollte er sich vielleicht mal einen guten Psychiater suchen.“ (Der Nachbar, wohlgemerkt. Mittlerweile müssen zwar immerhin „Kampfhunde“ zum Un- „Wesenstest“, während ihre Halter von der Frage verschont bleiben, weshalb sie ein Haustier brauchen, das ein Kleinkind töten könnte.) „Oder einfach wegbleiben vom Unisee, wenn er solche Angst hat, und schon ist das Problem gelöst.“

Gestern war wieder so eine Situation: Herrchen, Frauchen, Frauchen, Dobermann, Rottweiler und Schäferhund stellen den an dieser Stelle schmalen Weg komplett zu. Herrchen sagt: „Oh, Entschuldigung“, als er sieht, dass ich mit halbiertem Tempo und sicherheitshalber abgewandtem Blick im Bogen durchs matschige Gras trabe (wobei ich mir prompt nasse Füße hole), ist aber zu höflich, das Gespräch von Frauchen und Frauchen zu unterbrechen. Deshalb tritt niemand einen Schritt zur Seite oder ruft auch nur die unangeleinten Hunde zurück – auch nicht, als der gelangweilte Dobermann auf mich zukommt um abzuchecken, ob nicht vielleicht wenigstens ich ein bisschen „spielen“ will.

Ich empfinde das als Rücksichtslosigkeit und Einschüchterung. Was die Nutzung des Naherholungsgebietes betrifft, wird hier tatsächlich eine Gleichberechtigung von Hund und Mensch eingefordert: „Warum denn auch nicht? Steht doch sogar im Grundgesetz, dass niemand wegen seiner Rasse benachteiligt werden darf! Und ist etwa was passiert? Na, sehn Sie!“

Doch, ich bin hier schon mehrmals von Hunden angesprungen worden. Das ist besonders „lustig“, wenn man im Sommer nur eine kurze Hose trägt. Zum Glück waren es bisher eher kleinere Hunde. Die sind ja sooo süß beim Rumtollen! Die dürfen sich alles erlauben. Die kümmern sich einen Scheißdreck um Herrchens oder Frauchens Gezeter. Auch das finde ich regelmäßig zu beanstanden.

DJ: Erst neulich ist mir ein Radfahrer fast über die Füße gefahren, letzte Woche habe ich beinahe einen Lenkdrachen an den Kopf bekommen, und gestern hat ein Jogger fast mein Kind über den Haufen gerannt, weil er partout nicht sein Lauftempo reduzieren wollte. Und vor Autos hatte ich schon immer Angst. Daher fordere ich Verbote für Radfahrer, Drachenfreunde, Jogger und Autofahrer.

Nein, im Ernst: Es gibt überall rücksichtslose Leute, unter Hundebesitzern genauso wie unter Freizeitsportlern, Radfahrern oder Autofahrern. Und es gibt noch mehr Leute, die es für rücksichtslos halten, wenn sich nicht die ganze Welt um sie und ihre Bedürfnisse dreht. Deshalb gleich nach der Verbotskeule zu rufen, ist einfach Blödsinn. Ansonsten müsste man das ganze Land mit Verboten überziehen – wollen wir das?

Verärgerter Bürger: Was haben die Hunde am Unisee mit dem Verkehrsentwicklungsplan zu tun? Es ist bestimmt eine ärgerliche Sache, wenn man als Hobbysportler sein Tempo halbieren und sogar ins matschige Gras ausweichen muss, weil irgendwelche dösigen Spaziergänger klönend im Weg stehen und nicht daran denken, ihre Hunde oder Kinder rechtzeitig beiseite zu nehmen. Der Verkehrsentwicklungsplan wird aber derartige zwischenmenschliche Probleme nicht lösen und ist dazu auch nicht gedacht. Bitte an die Redaktion: Derart sinnfreie oder offensichtlich nicht zum Thema gehörige Einträge großzügiger löschen, da die Seite hierdurch inzwischen sehr unübersichtlich geworden ist.

Gerolf: Diese Rubrik heißt „Sonstiges“. Auf der Website „Hundesport Bremen“ lässt sich nachlesen, wie der Rundweg um den Unisee als Freilaufgelände be­wor­ben wird: „Ich-treffe-andere-Hunde-Faktor: 90 Prozent“.

Verärgerter Bürger: Die Kategorie „Sonstiges“ ist meines Erachtens für Themen gedacht, die mit dem Verkehrsentwicklungsplan zu tun haben, und nicht als beliebiger Wunschzettel an Vater Staat. Mit Ihrem Thema sind Sie möglicherweise besser im Forum zum Flächennutzungsplan Bremen aufgehoben. Da könnten Sie zum Beispiel vorschlagen, wo die von Ihnen angeregten Freilaufgebiete konkret eingerichtet werden könnten.

Guinefort: Nur ein Problem von Hundebesitzern? Wohl kaum! Viel öfter beobachte ich, dass Jogger und auch manche sportlichen Radfahrer (keine Alltagsradler!) es an Kinderstube vermissen lassen, wenn man ihnen nicht umgehend den Weg freimacht. Dass es dann manchmal so aus dem Wald zurückschallt, wie hineingerufen wurde, muss nicht weiter verwundern. Freizeitsportler sollten zur Kenntnis nehmen, dass sie auf öffentlichen Wegen allenfalls ein gleichberechtigtes Nutzungsrecht in Anspruch nehmen können, aber keine wie auch immer gearteten Vorrechte gegenüber anderen Nutzern. Wer ein Problem damit hat, sollte seinen sportlichen Ambitionen besser auf der Finnbahn oder in einem der zahlreichen Sportvereine nachgehen.

Juri: Nach dem Erlegen durch einen kunstvollen Blattschuss muss das Tier vor der Zubereitung fachgerecht enthäutet und die Innereien entnommen werden. Ratschläge aus dem Metzger- oder Schlachtergewerbe können hier wertvoll sein. Sich des Kopfes als Jagdtrophäe zu erfreuen, trifft nicht jedermanns Geschmack und sollte vor allen Dingen vor Tierschützern und Hundefreunden nicht allzu offen präsentiert werden. Während für die kleineren Rassen ein Römertopf vollkommen ausreicht, können die großen Rassen am Spieß zubereitet werden – ein nettes Barbecue-Ereignis im Sommer auf Parzelle mit Freunden. Wer sich eine neue Freundin sucht, sollte sich eher an Pferdeliebhaberinnen halten. Ein Pferd kommt nicht sabbernd ins Bett gesprungen und steht auch beim Bespringen von Frauchen außer Konkurrenz.

Gegen Trolle: Ist jetzt hier die Trollwiese eröffnet?

Don’t feed the Troll: Bei Foren wie diesem hier handelt es sich um nur eingeschränkt kontrollierte Wildgehege. Immer wieder verirren sich einzelne Trolle hierher. Diese Tierchen sind recht niedlich, richten keinen Schaden an und verziehen sich schnell wieder, wenn man sie in Ruhe lässt. Wenn man diese Schädlinge jedoch aus Unkenntnis oder gar aus (durchaus nachvollziehbarem) Mitleid füttert, bekommen sie schnell Durchfall, kacken alles voll und sorgen dafür, dass die Foren unbenutzbar werden. Auch wenn man sich manchmal fragt, wie diese wenig intelligenten Tiere ohne Hilfe in der Realität überleben können, gilt für sie doch, was auch für Kakerlaken, Ratten und Maden gilt: Wo’s Futter gibt, sind viele davon. Das muss nicht sein. Im Interesse ökologisch gesunder Foren bitte daher folgenden Hinweis beachten: Auch wenn sie noch so putzig sind und sooo süß sabbern: Füttert keine Trolle!

Troll: Danke für den Zuspruch.

Anja B.: Ich kann den Sarkasmus, der aus Juris Beitrag hervorgeht, sehr gut nachvollziehen. Gerade große freilaufende Hunde flößen mir Angst ein. Umzäunte Freilaufflächen für Hunde wären eine gute Lösung, wenn deren Besitzer denn keine geeignet großen Grundstücke haben.

Gerolf: Ich werde hier „verärgert“ weggebellt. Nicht nur von diesem Portal, das doch die Bremer Bürger dazu einlädt mitzuteilen, wo es denn (sonst noch so) „verkehrt läuft“, nein: Realiter wird mir die Finnbahn als „Freilaufgelände“ zugewiesen, damit ich die „Hundesportler“ am Unisee nicht aufscheuche. Nun ist die mit dankenswertem Aufwand eingerichtete und abends sogar beleuchtete Finnbahn zwar eine hübsche Sache, zum einen für Menschen mit Gelenkbeschwerden, zum anderen für ambitionierte Sportler, die auf einer Strecke mit präzise definierter Länge ihre Laufzeiten stoppen wollen. Mir allerdings ist der Boden dort zu weich.

Vor allem empfinde ich es aber als nicht „artgerecht“, stumpf meine fünf oder zehn Runden auf einer ziemlich öden Bahn von 1.667 Metern Länge drehen zu sollen, bis ich mein gewohntes Pensum erreicht habe. Das befriedigt einfach meine geistigen Bedürfnisse nicht. Mir sind nämlich meine Laufzeiten völlig schnurz – deshalb renne ich auch keine Kinder über den Haufen –, wohl aber möchte ich mich stressfrei an abwechslungsreicher, naturnaher, schöner Umgebung erfreuen dürfen. Und was die Radfahrer angeht, so sind sie auf dem schmalen, ufernahen Rundweg um den Unisee tatsächlich so gut wie nie anzutreffen. Die wollen ja von A nach B, dafür gibt es bessere Streckenführungen.

Hier wird schlicht der Sachverhalt geleugnet: die massive Präsenz freilaufender, großer Hunde, das „rege Hundetreiben“, mit dem die Hundesportvereine für den Unisee als Freilaufgelände sogar Werbung machen, einschließlich Wegbeschreibung für die Anfahrt aus dem Umland via Autobahn, ohne die Warnung vor Polizeikontrollen am Badesee zu vergessen – ganz so, wie sich „sportliche“ Autofahrer gegenseitig vor der nächsten Radarfalle warnen. Auch aufgrund solcher augenzwinkernden Einladungen an „vertriebene Hundebesitzer“ sind, anders als die erwähnte Begebenheit mit dem Lenkdrachen, gefährliche (Beinahe-)Zusammenstöße mit Hunden am Unisee nicht zufällig, sondern geradezu zwangsläufig.

Das „rege Hundetreiben“, so die Werbeschrift, werde am Unisee „geduldet“ – richtiger wäre das Wort „erduldet“. Mit stolzem Pfotenabdruck auf der Kartenskizze werden der nördliche Stadtwald, die Uni-Wildnis und der Rundweg um den Unisee, ausgehend vom Badestrand, zum „Gassigehen“ empfohlen. Dieses „Revier“ wird jetzt natürlich verteidigt, nachdem ich mit meiner Eingangsfeststellung oben auf dieser Seite offenbar voll ins Wespennest, äh: ins Hundekörbchen gestochen habe.

Da ich hier nach meinen Vorschlägen gefragt werde: Ich hätte persönlich nichts dagegen einzuwenden, wenn die nur ein kleines Stück abseits gelegene Uni-Wildnis offiziell zum Hunde-Freilaufgelände erklärt würde, zumindest außerhalb gewisser Schutzzeiten für die dort lebenden Tiere. Aber dass mit dem Unisee ein komplettes Naherholungsgebiet für den „Hundesport“ in Beschlag genommen wird, finde ich dreist. Das Seeufer mit dem schmalen Rundweg ist als Hunde-Freilaufgelände schlicht ungeeignet. Das kollidiert einfach viel zu sehr mit den vollauf berechtigten Erholungsbedürfnissen anderer Bürger.

Zu Neujahr habe ich am späten Vormittag auf meiner Runde um den See 30 unangeleinte Hunde vom Kaliber Schäferhund gezählt. Es war nicht weniger als eine Mutprobe, dort lang zu laufen. Es waren auch kaum Spaziergänger ohne Hund unterwegs – nicht einmal solche mit kleinem Hund. Verständlich, denn Herrchen und Frauchen wollen doch nicht, dass ihr kleiner Liebling beim Gassigehen einen Herzinfarkt erleidet. Natürlich sind die Verhältnisse an regnerischen Tagen unter der Woche nicht ganz so schlimm.

Ich sehe mich selbst übrigens durchaus nicht als „Hundehasser“. Vor einigen Wochen habe ich zu meiner eigenen Überraschung festgestellt, dass ich spontane Sympathie für einen sogar größeren Hund empfand, dessen Herrchen mit dem Fahrrad auf dem viel befahrenen Osterfeuerberger Ring unterwegs war. Der Hund lief frei voraus, wandte aber alle paar Sekunden den Kopf zurück, um zu sehen, was Herrchen tat, und um sich zu vergewissern, dass der Abstand gering blieb.

Ich beobachtete einigermaßen fasziniert, wie der Radfahrer sein Tier am Verteilerkreis Utbremen bei brausendem Verkehr über vier Ampeln hinweg lotste, ohne auch nur ein einziges Kommando zu rufen. Ich kann nachvollziehen, dass einem solch ein Begleiter ans Herz wächst. Aber längst nicht alle Hunde sind so wohlerzogen. Als Fremder, der selbst nie einen Hund gehalten hat, weiß man nie, in welcher Ge­müts­ver­fas­sung sich das Tier befindet, das einem gleich begegnen wird, oder welche Launen es plötzlich zu entwickeln vermag. Mit sportlichen Grüßen.

Guinefort: Ihre Ausführungen hat wohl jeder verstanden, auch ohne dass Sie sie mit immer neuen persönlichen Erlebnissen unterfüttern. Mir ging es aber nicht nur um das Verhältnis von Joggern zu Hundebesitzern, sondern um eine allgemeine Anspruchshaltung, die aus dem Verhalten einiger Freizeitsportler spricht. Leider zeigt sich dies nicht nur gegenüber Hundebesitzern, sondern gegenüber allen, die den Fehler begehen, dem schnellen Fortkommen im Weg zu stehen, wie zum Beispiel Familien mit kleinen Kindern oder älteren Menschen. Meinen Sie nicht, dass jeder das gleiche Recht hat, sich stressfrei an abwechslungsreicher, naturnaher, schöner Umgebung erfreuen zu dürfen?

Anja B.: Es wird hier von einigen die Tatsache schlichtweg ignoriert, dass Familien mit Kindern sich nicht in die Naherholungsgebiete oder Parkanlagen trauen, weil freilaufende Hunde dort in Rudeln die Wiesen verkoten, in die sich niemand mehr hineinlegen möchte, ganz zu schweigen von der kläffenden Belästigung. Das betrifft nicht nur den Unisee. Die Parkanlagen in Walle sind im Sommer als Liege- oder Spielwiesen nicht nutzbar. Ebenso um den Werdersee herum.

Kerberos: Hunde brauchen Auslauf. Das ist richtig. Das ist ja auch der Grund, sich in der Großstadt einen zuzulegen. Einen möglichst großen Hund, der den ganzen Tag in der Wohnung verweilt und, wenn Herrchen oder Frauchen von der Arbeit kommt, in öffentlichen Parkanlagen oder Naherholungsgebieten seinen Auslauf bekommt. Warum die Zahl der Hundehalter(innen) in Großstädten zunimmt, kann vielerlei Ursachen haben, die im Psychosozialen liegen mögen und zweifelsohne ein soziologisches Phänomen darstellen. Seien wir froh, dass sich eine derartige Massentierliebe nicht auf Pferde bezieht. Das Pferd steht in der Großstadt den ganzen Tag in der Garage und wird zu seinem artgerechten Auslauf zu den Parkwiesen zum Grasen und Pferdeäpfellegen laufengelassen. Seien wir froh, dass Pferdehalter für den nötigen Stall und die notwendige Pferdekoppel sorgen, statt in Großstädten die Nicht-Pferdehalter aus den öffentlichen Anlagen zu vergraulen.

Janina: Ich bin keine Hundebesitzerin, aber diese Herumhackerei auf Hunden und Haltern geht mir gehörig gegen den Strich. Ich kenne den Unisee von Kindheit an (das heißt fast seit seiner Entstehung) und habe dort noch nie Probleme mit Hunden gehabt. Eher erlebe ich Hundebesitzer als rücksichtsvoller und kommunikativer als den Durchschnitt des sonstigen Publikums dort, und viele von ihnen haben selber Kinder dabei. Und die Bemerkung mit den verschmutzten Liegewiesen ist ja wohl lächerlich: Im Sommer traut sich wegen der Glasscherben und der Grillabfälle doch sowieso kaum noch ein Hundebesitzer an Uni- oder Werdersee.

Leider scheint die ganze Diskussion symptomatisch für die egoistische Einstellung vieler unserer Mitbürger zu sein: Empört den Vorschlag zurückweisen, Sport auf den dafür vorgesehenen Sportanlagen zu treiben, aber mit der größten Selbstverständlichkeit von anderen verlangen, sich auf zugewiesene Areale zu beschränken. Nichts gegen die eigene Hundephobie unternehmen, aber vom Steuerzahler erwarten, dass er die Einrichtung eingezäunter Hundewiesen finanziert. Es als Verletzung des Menschenrechtes der freien Fahrt für freie Bürger betrachten, an einer Fußgängerampel anhalten zu müssen, aber selbstverständlich erwarten, dass sich Alte und Behinderte eine steile Fußgängerbrücke hochquälen. Noch mehr Beispiele gefällig? Eine ganz schön miese Welt haben wir uns da geschaffen, und das ärgert mich weit mehr als ein paar unerzogene Hunde.

Anja B.: Ich denke, dass Hunde in der Öffentlichkeit grundsätzlich angeleint sein sollten und Menschen wegen Hunden nicht auszuweichen brauchen.

Juri: Zur Hundelage in Walle: Bei dem Sauwetter scheint das Auslaufbedürfnis kläffender Vierbeiner in Waller Parkanlagen eher gemäßigt zu sein. Erst im Sommer brauchen die Viecher wieder rudelweise ihren Auslauf. Das hängt aber wohl eher mit der Wetterfestigkeit ihrer Halter(innen) zusammen als mit der artgerechten Haltung.

Anja B.: Janina, ich bin auf dem Lande mit einem Hund und vielen anderen Tieren groß geworden. Ich erwarte nicht, dass Steuerzahler für umzäunte Flächen aufkommen. Dazu können sich die Hundehalter in Vereinen zusammenschließen, aber wie der Kerberos angedeutet hat, ist die Großstadt kein geeigneter Ort für die Haltung großer Hunde. Mir tun die Tiere leid, die in Großstadtwohnungen gehalten werden und unter diesen unsäglichen Bedingungen große Verhaltensstörungen aufweisen.

Guinefort: Eigentlich wollte ich mich zu diesem Faden nicht mehr äußern, da er mit dem Verkehrsentwicklungsplan nicht mal ansatzweise etwas zu tun hat und daher an dieser Stelle so überflüssig wie ein Kropf ist. Aber einige Anmerkungen können meiner Ansicht nach nicht unkommentiert stehen bleiben.

Zu Kerberos: „Warum die Zahl der Hundehalter(innen) in Großstädten zunimmt, kann vielerlei Ursachen haben, die im Psychosozialen liegen mögen und zweifelsohne ein soziologisches Phänomen darstellen.“ – Über die Gründe, wie der Mensch auf den Hund kam, gibt es eine reichhaltige Literatur, die eigentlich keine Frage offen lässt. Einige Stichworte für die Suche: Konrad Lorenz, Erik Zimen, Dorit Feddersen-Petersen. Die Zahl der Hunde in Deutschland nimmt übrigens nicht zu, sondern ist seit vielen Jahren konstant bis leicht sinkend, was vor allem an den gestiegenen Anforderungen an die berufliche und räumliche Flexibilität der Menschen liegt.

Ein interessantes Sujet für eine soziologische Studie (zum Beispiel unter Kommunalpolitikern) wäre vielmehr die Frage, warum Hundehalter wie kaum eine andere Gruppe gesetzlichen Restriktionen ausgesetzt sind, obwohl der soziale Nutzen der Hundehaltung ihre Nachteile bei Weitem überwiegt und auch der ökonomische Nutzen für Länder und Kommunen weit über den damit verbundenen Aufwendungen liegt (vergleiche unter anderem „Ökonomische Gesamtbetrachtung der Hundehaltung in Deutschland“; Ohr, Renate; Zeddies, Götz; Universität Göttingen, 2006). Auch die Zahl der Nutzungskonflikte liegt nach Aussagen mir bekannter Polizeimenschen unter derjenigen anderer Nutzungsarten und rechtfertigt nicht den Grad der Einschränkungen.

Zu Anja B: „Ich denke, dass Hunde in der Öffentlichkeit grundsätzlich angeleint sein sollten“ – Tierschutzrechtlich unzulässig. Nach Tierschutz-Hundeverordnung von 2001 ist jedem Hund ausreichend Auslauf im Freien außerhalb eines Zwingers oder einer Anbindehaltung zu gewähren; nach der amtlichen Begründung der Bundesregierung darf der Auslauf eine Zeitdauer von einer Stunde täglich nicht unterschreiten. Ein allgemeiner Leinenzwang wird auch von den Verwaltungsgerichten überwiegend als unzulässig beurteilt, vergleiche unter anderem OVG Niedersachsen, Aktenzeichen 11 KN 38/04.

Weiter Anja B: „...und Menschen wegen Hunden nicht auszuweichen brauchen.“ – Ich habe studien- und berufsbedingt mehr als zwei Jahrzehnte ohne Hund gelebt, und in der Zeit hat nie ein Hundebesitzer von mir verlangt, ihm auszuweichen. Seit meine Tätigkeit es mir erlaubt, einen Hund zu haben, habe ich selbiges auch noch nie von jemand anderem verlangt. Wenn es mal eng wird (zum Beispiel auf einem zugeparkten Gehweg, wo Hund/Haltergespann einerseits und Kinderwagen andererseits beim besten Willen nicht aneinander vorbeipassen), war es noch nie ein Problem, sich darüber zu verständigen, wer von beiden die Seite wechselt – meistens derjenige, der sich noch nicht im „Engpass“ zwischen Autotüren und Hauswand befindet. Sie werden sich wundern, wie viel ein freundlicher Blickkontakt und ein „Dankeschön“ oder auch nur ein freundliches Kopfnicken ausmachen, um mit Ihrer Nachbarschaft gut auszukommen.

Die Zahl der Menschen, die mir und meinem Hund ohne Notwendigkeit und aus erkennbarer Angst ausgewichen sind, kann ich in zehn Jahren an den Fingern einer Hand abzählen – viel größer ist die Zahl der freundlichen Kontakte, die sich ohne Hund nie ergeben hätten, und (für alle Befürworter von „Hunde an die Leine“ sicher erstaunlich zu hören) die Zahl der vorwurfsvollen Bemerkungen gerade von hundelosen älteren Menschen, wenn die Hündin mal wegen Läufigkeit oder einer Verletzung an der Leine bleiben muss. Wenn Sie also mit dem Schutz hundeängstlicher Menschen argumentieren, begeben Sie sich auf recht dünnes Eis – erstens ist dies wirklich nur eine kleine Minderheit, wogegen die weitaus meisten Menschen Hunden gegenüber positiv eingestellt sind und das auch zum Ausdruck bringen. Und die Angstpotenziale gegenüber einer Vielzahl anderer Dinge (unter anderem Autos oder Radfahrer, wie wir hier an zahlreichen Diskussionen sehen) dürften erheblich höher sein, ohne dass hier jemand ernsthaft ein Verbot fordert.

Zu Anja B: „Mir tun die Tiere leid, die in Großstadtwohnungen gehalten werden und unter diesen unsäglichen Bedingungen große Verhaltensstörungen aufweisen.“ – Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie manche Menschen offenkundig ganz genaue Kenntnis von dem besitzen, was in den Wohnungen ihrer Nachbarn passiert und daraus messerscharfe Schlüsse auf die Allgemeinheit ziehen. Ich habe (übrigens über einen Hundesportverein) Kontakt zu zahlreichen Hundebesitzern mit ihren Tieren, und ich stelle immer wieder fest, dass gerade diejenigen Hunde das problematischste Verhalten aufweisen, die den überwiegenden Teil ihrer Zeit unter vermeintlich „paradiesischen“ Bedingungen auf einem großen Grundstück in ländlicher Umgebung verbringen, wo sie aber weder mental gefordert sind noch die Chance haben, im Kontakt mit Menschen und Artgenossen ein vernünftiges Sozialverhalten zu erlernen. Wenn der Hund ausreichend Bewegung hat und eine Aufgabe bekommt, ist es hingegen ziemlich egal, ob seine „Wohnhöhle“ in einer 30-Quadratmeter-Etagenwohnung oder einem hübsch restaurierten Bauernhaus besteht.

Gerolf: Danke für die Buchtipps. Ich begrüße es, dass Sie sich jetzt versachlichend äußern. Ich kann sogar verstehen, dass Sie sich als „verfolgte Unschuld“ (Ihr Pseudonym) betrachten, nachdem nun das Gelände für den Hundesportplatz am Wetterungsweg gekündigt worden ist, zumal der Verein schon bei der Anlage des Sees Flächen abgeben musste. Aber daraus lässt sich doch kein Gewohnheitsrecht oder -anspruch auf das Gesamtgelände ableiten und nun mit Gewalt durchsetzen, indem die Hunde von der Leine gelassen werden, wozu noch alle Halter von großen Hunden aus der Umgebung eingeladen werden. Auf dem teilweise schneisenartig engen Rundweg um den Stadtwaldsee ist, beispielsweise nahe der Gaststätte „Oliver’s“, nicht mal ein Ausweichen möglich. Da muss dicht an der Hundeschnauze vorbei, wer einmal diesen Weg eingeschlagen hat. Das Freilaufenlassen von Hunden am Seeufer ist deshalb eine Zumutung für die Allgemeinheit, und es ist richtig und wichtig, auf diesem Portal die Notwendigkeit besserer Lösungen zu diskutieren.

Guinefort: Ich gehöre weder dem Schäferhundeverein am Stadtwald an, noch habe ich jemals gehört, dass dieser (oder jemand anderes) einen exklusiven Anspruch auf den Unisee erhoben hätte. Wahrscheinlich gibt es etliche Seiten im Internet, auf denen der See und das umgebende Gelände als ideal zum Joggen, Schwimmen, Tauchen, Windsurfen, Drachensteigen, Grillen, BMX-Rad fahren oder für Kohlfahrten angepriesen werden. Befürchten Sie da auch Besitzansprüche, oder finden Sie das irgendwie verwerflich?

Ich stimme Ihnen zu, dass gegenseitige Rücksichtnahme erforderlich ist, wenn es einmal eng wird. Dies fordert schließlich schon § 1 StVO. Sie werden aber auch einsehen, dass es für das gegenseitige Verständnis nicht sehr hilfreich ist, wenn eine Seite von vornherein mit der Haltung „hoppla, ich habe hier alle Rechte und ihr gar keine“ durch die Gegend läuft. Dies habe ich bei Hundebesitzern noch nie, bei Hobbysportlern dagegen schon häufig erlebt (zugegeben: nicht bei allen. Die meisten sind freundlich oder neutral, und manche Jogger haben sel­ber einen Hund. Aber negative Erlebnisse prägen sich eben mehr ein. Was wohl für alle Seiten gelten dürfte).

Vor allem aber scheint mir die Grundlage für eine derartige Anspruchshaltung doch sehr dürftig zu sein: Das bremische Ortsgesetz fordert das Anleinen von Hunden in eingefriedeten Grünanlagen (wo ist am Rundweg die Einfriedung?), während die berühmt-berüchtigte „Brut- und Setzzeit“ (übrigens eine bremisch-niedersächsische Spezialität) entgegen landläufiger Annahme nur für Feld und Flur gilt. Die StVO (Bundesrecht) lässt das Freilaufen von Hunden hingegen auf Straßen und Wegen mit mäßigem Verkehr ausdrücklich zu, und das Tierschutzrecht fordert dies sogar.

Ich denke, der Verkehrsentwicklungsplan wird für dieses Problem genauso wenig eine Lösung enthalten wie für allfällige Klagen über das rücksichtslose Verhalten von bestimmten Radfahrern, Autofahrern et cetera. Dafür ist das hier die falsche Baustelle. Ich fände es aber durchaus erfreulich, wenn Bürger ihr Miteinander auch einmal regeln könnten, ohne gleich nach der ordnenden Hand von Vater Staat zu rufen. Das oben schon einmal erwähnte Stichwort „Toleranz“ wäre dafür gar kein so völlig falscher Ansatz.

Gerolf: Ich sehe nicht, weshalb am Stadtwaldsee andere Regeln gelten, andere Verhältnisse herrschen sollten als im Stadtwald und im Bürgerpark, der auch nur durch Baumreihen eingefriedet ist. Dort gilt für Hunde selbstverständlich die Leinenpflicht. An der Kreuzung Fürther Straße/Hemmstraße, wo gegenüber der Martin-Luther-Kirche die Jan-Reiners-Dampflok aufgestellt ist, steht am Eingang der schmalen Parkanlage auf der ehemaligen Kleinbahnstrecke außer dem Hinweis „Radfahren erlaubt“ ein Schild: „Hunde sind an der Leine zu führen. Eine Grünanlage für alle Bürger“. Solange solche Schilder am Unisee-Ufer fehlen, ist das dortige Areal eben gerade keine „Grünanlage für alle Bürger“. Ihnen, Guinefort, ist es sehr unangenehm, dass es über diese Frage zu einer öffentlichen Debatte kommen könnte, wie sie hier begonnen wurde, und an deren Ende selbstverständlich eine demokratische Entscheidung der Bürgerschaft stehen sollte, wozu selbstverständlich auch eine Ausweisung von Freilaufflächen für Hunde gehört.

Fischers Fritze: Ich will auch, dass alle Sachen verboten werden, über die ich mich ärgere. Oder geht das nur, wenn ich anfange zu joggen?

Anja B.: Autos brauchen nun mal Straßen und Hunde eben Auslauf. Das ist die gottgewollte Ordnung. Wer dagegen aufbegehrt, wird mit überkommenen NS-Ver­haltenslehren à la Konrad Lorenz, tendenziösen Statistiken und Vorschriftenwust weggebellt. Das Ende der Weisheit wird mit der Beamtendirektive „Ich bin nicht zuständig“ besiegelt.

Stiller Mitleser: Ich glaube, ihr solltet mal alle ins Bett gehen. Das bringt doch hier nichts mehr. Es ist alles gesagt, und bevor ihr euch anpöbelt und Nazivergleiche an den Kopf werft, weil euch die Argumente ausgehen, solltet ihr besser die Klappe halten. Sonst macht ihr euch nämlich unglaubwürdig.

Juri: An Fischers Fritze: Nein. Ich muss mir einen Hund zulegen.

Kerberos: An den stillen Mitleser: Nein, ich gehe jetzt nicht schlafen. Es raubt mir vielmehr den Schlaf, wenn ich daran denke, dass als allgemein bekannt vorauszusetzen ist, dass Konrad Lorenz NS-Wissenschaftler war, der die Rassenideologien der NS-Zeit pseudowissenschaftlich untermauert hat.

Anderer stiller Mitleser: Der Diskussionsverlauf macht an einigen Stellen deutlich, dass hier noch gelernt werden muss, dass heutige Netzbürger(innen) sich nicht von Beschwichtigungsfloskeln oder scheinautoritärem Getue abwimmeln lassen.

Kerberos: Von den Ursprüngen des Hundes als Jagd- oder Weidehund ist die heutige großstädtische Hundehaltung doch weit entfernt. Soziologen wie Jens Lönneker nennen es eher ein „Symptom der Dekultivierung“, wenn Menschen sich einen Ersatz für den Kameraden, das Kind oder die Partnerschaft durch die Anschaffung eines Hundes käuflich erwerben wollen und das zur Vermenschlichung des Tieres führt:

„Bernhard Dieckmann hat in seiner soziologischen Untersuchung der Berliner Hundehalter die Ambivalenz der modernen Mensch-Hund-Beziehung herausgestellt: Der Hund löst im Menschen romantische Naturgefühle aus, aber er ist nur scheinbar ein Naturgeschöpf. Menschen können Hunde überhaupt nur halten, weil sie sie durch Züchtung nach menschlichen Bedürfnissen ‚hergestellt‘ haben. Hunde sind also Geschöpfe des Menschen und völlig abhängig von ihm: Wie Alan Weisman in seinem aktuellen Was-wäre-wenn-Bestseller ‚Die Welt ohne uns‘ schreibt, würden die Hunde ohne ihre Herrchen und Frauchen bald aussterben, im Gegensatz zu Katzen. Kritiker an der angeblich nicht artgerechten Haltung mancher Schoßhündchen sollten das immer bedenken. ‚Herrn Mooshammers Daisy wurde auf dessen Arm sicher artgerecht gehalten‘, schreibt Dieckmann.“

Das führt hin bis zu den bekannten und nicht mehr lebensfähigen Qual­zuch­ten. Hunde sind ein Wirtschaftsfaktor: Alle Ausgaben, die direkt oder indirekt mit der Hundehaltung zusammenhängen, summieren sich auf rund fünf Milliarden Euro im Jahr. Die Einnahmen der Kommunen belaufen sich bundesweit jährlich auf rund 250 Millionen Euro.

An dieser „Dekultivierung“ wird also eine Menge Geld verdient. Da müssen Jogger schon mal ausweichen und öffentliche Parkanlagen, Spielplätze und Naherholungsgebiete zu Hundefreiwildgehegen und Hundeklos zweckentfremdet werden. Die Mehrheit muss der Affektiertheit weniger weichen, der Umsätze und der Arbeitsplätze wegen. Da wir ja einem wirtschaftlichen Wachstumsparadigma folgen, ist es notwendig, dass immer mehr Hunde produziert werden, die dann ihren artgerechten Auslauf brauchen.

Guinefort: Gerolf, wie kommen Sie darauf, dass ich irgendetwas gegen eine öffentliche Debatte zu diesem Thema habe? Wäre dem so, hätte ich mir wohl kaum die Mühe gemacht, auf Ihre Beiträge zu antworten. Den von Ihnen erwünschten Bürgerschaftsbeschluss gibt es längst, und der Ball liegt jetzt bei den Beiräten. Sollte dort jemand von diesem Faden Kenntnis nehmen, ist das sicher ganz hilfreich. Denn der Diskussionsverlauf macht deutlich, dass nicht nur Hundebesitzer Probleme machen, sondern dass auch manche Kritiker wenig Kompromissbereitschaft zeigen, einschließlich des unverhohlenen Bestehens auf vermeintlichen Vorrechten und der Bereitschaft, zu persönlichen Beleidigungen (bis hin zum NS-Vergleich) zu greifen, wenn die Argumente ausgehen. Von Letzterem nehme ich Sie ausdrücklich aus, da Sie trotz aller erkennbaren Emotionen immer sachlich geblieben sind, was Ihnen hoch anzurechnen ist. Die nächste tierische Debatte scheint übrigens eröffnet: „Im Gebiet um Kuhsiel (Kreuzdeich, Lehester Deich, Kuhgrabenweg, Oberblockland) liegt immer wieder Pferdemist auf der Straße.“

Bernd das Brot: Mann oh Mann! Merkt ihr eigentlich, was ihr hier für eine peinliche Vorstellung bietet? Ganz schön traurig, dass intelligente Leute mit anscheinend sogar akademischem Hintergrund nicht dazu in der Lage sind, über ein so banales Thema zu diskutieren, ohne dass es gleich unter die Gürtellinie geht. Alle Jogger sind Rüpel mit Hang zum Größenwahn, und sämtliche Hundebesitzer sind gewalttätige Egoisten mit psychischen Problemen und rassistischer Einstellung. Ja, geht’s noch?!

Fehlt bloß noch, dass Hundebesitzern pauschal eine verkappte sexuelle Beziehung zu ihren Tieren unterstellt wird und dass im Gegenzug irgendjemand alle Sportler wegen der Verstrickung führender deutscher Sportfunktionäre mit dem NS-Regime und der Olympiade 1936 in die braune Ecke rückt. Und wegen der immensen Profite der Sportartikelindustrie und der miesen Arbeitsbedingungen in chinesischen Sweatshops könnte man doch ein Joggingverbot fordern. Ich glaub echt, es hackt! Warum könnt ihr nicht einfach mal locker bleiben?

Juri: Stimmt. Wegen der übermäßigen Haltung von Sportlern müssen Halter von Sportlern ja auch die Fäkalien beseitigen, die Sportler so auf den Gehwegen hinterlassen.

Ich: Hassthreads sind scheinbar nicht totzukriegen. Irgendein Troll legt immer noch einen nach.

Troll: Ich hab doch gar nichts gemacht.

Gerolf: Der tut nix, ich weiß.

Ich: Beißreflex.

Juri: Der will nur spielen.

Ich hab immer recht: Gestern hat mich schon wieder ein Fahrradfahrer böse angeguckt. Bitte strengere Gesetze.

Radfahrer: Guter Versuch, aber nicht glaubwürdig. Das Wort „Bitte“ kommt im Wortschatz von Leuten, die am jeder Ecke ein Verbotsschild aufstellen wollen, doch gar nicht vor. Kasernenhofton ist angesagt: „Nehmen Sie gefälligst den Hund an die Leine!“, „Fahr gefälligst auf dem Radweg!“, „Der Hof hier ist kein Spielplatz!“, „Machst du zu Hause die Türen auch mit dem Fuß auf? Guck dir mal die Kratzspuren an!“

Diskussion von Gerolf D. Brettschneider (parteilos) und anderen
mit Hundefreunden aufBremen bewegen“ (Rubrik „Sonstiges“)

 
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