292. Bremer Montagsdemo
am 23. 08. 2010  I◄◄  ►►I

 

Sie sollen die Regelsätze transparent berechnen, Frau Leyen!

Elisabeth Graf1. Ja, ach: Im Gegensatz zur gängigen Meinung vieler Politiker wollen ALG-II-Bezieher arbeiten! Nach einer aktuellen Studie des „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“ sind fast alle Hartz-IV-Betroffenen an der Aufnahme einer Arbeit interessiert und bemühen sich darum, eine zu finden. 90 Prozent der ALG-II-Bezieher unter 56 Jahren stehen demnach für eine Beschäftigung zur Verfügung. Obwohl sich der Arbeitsmarkt insgesamt erholt haben soll, verzeichnete die Erwerbs­losenstatistik für den Juni 2010 etwa 27.000 mehr Bezieher von Hartz IV als noch ein Jahr zuvor. Es seien aber rund 280.000 weniger Menschen auf der Suche nach einem Job als im Vorjahr. Werden die jetzt alle von privaten Vermittlern „betreut“, oder wurden sie in ominöse Fortbildungsmaßnahmen gestopft, damit sie nun die Statistik aufhübschen?

Langzeiterwerbslose könnten langfristig nicht entsprechend von der Entwicklung profitieren, weil erst die vermeintlich besser qualifizierten ALG-I-Bezieher und erst später die längerfristig Erwerbslosen eine Anstellung fänden. Auch kosteten die Bemühungen der Jobcenter richtig viel Geld, was natürlich gern eingespart wird. Die Behauptung, teure Maßnahmen wie Umschulungen, Weiterbildungen und persönliche Betreuung durch Sozialarbeiter seien nötig, um ALG-II-Bezieher in einem Job unterzubringen, impliziert mal wieder die überall vorhandenen Arbeitsplätze und die dafür massenhaft ungeeigneten, weil ungebildeten Hartz-IV-Betroffenen. Statt ALG-II-Bezieher in Ein-Euro-Jobs zu stopfen, sollte ihnen wieder eine Perspektive aufgezeigt werden, um ihre Motivation zur Aufnahme einer natürlich angemessen bezahlten Tätigkeit auf dem jetzigen Niveau zu halten! Mich wundert es nicht, wenn viele der älteren Hartz-IV-Betroffenen mit einer Art „Abonnement“ auf abgelehnte Bewerbungsanschreiben für sich kaum noch eine Chance sehen, wieder in den Arbeitsmarkt einzutreten und dementsprechend wenig motiviert bei der Suche nach einer Beschäftigung sind.

 

2. Das schwarz-gelbe Gruselkabinett leistet sich einen neuen Gag, indem es Anfang 2011 eine Kommission gegen Altersarmut einsetzen einzusetzen gedenkt. Diese Kommission soll Vorschläge machen, wie jemand, der sein Leben lang Vollzeit gearbeitet hat, auch ein Alterseinkommen erhält, das ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Denn es ist nur logisch, dass niedrige Löhnen und prekäre Beschäftigungsverhältnisse Altersarmut vorprogrammiert haben, weswegen es in spätestens zehn Jahren zu einem deutlichen Anstieg von Altersarmut kommen wird. Die Kommunen mit ihren klammen Kassen sehen eine gewaltige Kostenlawine in Milliardenhöhe auf sich zurollen. Wenn Altersarmut früher vorwiegend „weiblich“ war, weil Frauen weniger Lohn gezahlt wird und die Erziehungsarbeit der Mütter gerne als überwiegend ehrenamtlich geleistete Arbeit betrachtet wurde, so kommen jetzt immer mehr Männer dazu, deren Geld im Alter einfach nicht mehr zum Leben reicht. Ihre Zahl stieg im Vergleich zu 2007 um 6,1 Prozent, die Zahl armer Rentnerinnen „nur“ um 3,8 Prozent. Hier wird keine teure Kommission gebraucht, sondern nur ein bisschen gesunder Menschenverstand, der sich für einen armutsfesten Mindestlohn einsetzt und die vermaledeiten Hartz-Gesetze endlich in die Tonne tritt! Diese wurden nur darauf ausgelegt, eine Absenkung der Löhne durchzusetzen und den Sozialstaat gegen die Wand zu fahren. Aber dazu bräuchten wir Politiker, die sich auch als Volksvertreter und nicht als Volkszertreter begreifen!

 

3. Der unsägliche Philipp Rösler, seines Zeichens Gesundheitsminister, setzte nun durch, dass gesetzlich Versicherte künftig eine Säumnisgebühr von 30 Euro bezahlen müssen, wenn sie den von ihrer Kasse erhobenen Zusatzbeitrag nicht pünktlich bezahlen. Diese Strafzahlungen sollen nicht für Hartz-IV-Bezieher gelten. FDP-Gesundheitsstaatsekretär Daniel Bahr sagte, man wolle die Versichertengemeinschaft davor schützen, dass einige Mitglieder sich der Zahlung entzögen. Lese ich da „Versichertengemeinschaft“? Ja, wenn wir denn mal eine echte hätten, in die ausnahmslos alle ihre einkommensabhängigen Beiträge einzahlen müssten! Rösler sei das Strafgeld auch deshalb wichtig, weil er das Instrument der Zusatzbeiträge mit der Gesundheitsreform ausweiten wolle. Wenn er damit durchkommt und Krankenkassen künftig wirklich einen Beitrag in unbegrenzter Höhe erheben dürfen, dann ist er in meinen Augen wirklich nur noch als Krankheitsminister zu bezeichnen, weil sein unsoziales System krank macht und die bereits Erkrankten, die ihre Behandlungskosten nicht selbst tragen können, am ausgestreckten Arm krepieren lässt! Wozu haben wir eigentlich noch eine Krankenkasse, wenn diese trotz Zuzahlungen nur noch für einen Bruchteil der Behandlung aufkommt? Für eine bloße Überkronung von drei Zähnen musste ich trotz doppeltem Härtefallzuschlag über siebenhundert Euro draufzahlen! Dabei wurden die Kronen wurden nicht mit Edelsteinen besetzt, sondern sind sehr schlicht gehalten.

Doch die FDP scheut wirklich keinen Versuch, die Kosten für die ärztliche Behandlung auf die Kassenpatienten abzuwälzen und das Ganze immer sehr skurril zu begründen. Plötzlich sollen Kassenpatienten wie die erheblich besser Betuchten Honorare für Arztbesuche vorstrecken, um ein höheres Kostenbewusstsein zu entwickeln. Angeblich soll dadurch die Transparenz für Ärzte und Versicherte erhöht werden, weswegen die Möglichkeiten der Kostenerstattung „ausgeweitet“ werden sollen und der Patient von seinem Arzt eine Rechnung bekommt, sie bezahlt und seine Kosten anschließend von der Krankenkasse erstattet bekommt. Ich glaube eher, dass Politiker kein Gespür dafür haben, mit wie wenig Geld immer mehr Menschen über den Monat kommen müssen und davon keinesfalls noch in Vorkasse genommen werden können!

Wenn der Patient auch noch auf der Hälfte seiner Kosten sitzen bleiben soll, kann das gar nicht mehr funktionieren. Gesundheitskosten könnten an ganz anderer Stelle gespart werden, wenn zum Beispiel der Pharmaindustrie Grenzen für ihre unglaublichen Fantasiepreise für Medikamente gesetzt würden, die in Deutschland immer noch weit höher sein dürfen als im Rest Europas. Das Handeln der Gesundheitspolitik ist in dieser Richtig gefragt und nicht im Sinne der FDP, die wieder nur ihre Klientel bedient! Für die Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK ist ohnehin klar, dass Kostenerstattung nicht die notwendige Transparenz schaffe, sondern bloß mehr Verwaltung, denn sie schwäche die Verhandlungsposition und Steuerungswirkung der Krankenkassen und verursache in jeder Hinsicht Mehrkosten. Offenbar soll in Wirklichkeit verhindert werden, dass Menschen sich behandeln lassen, beziehungsweise nur noch, wenn sie dies aus eigener Tasche bezahlen können! Soll der Artikel 1 des Grundgesetzes so abgewandelt werden, dass die Würde des Menschen einkommensabhängig ist? Ist sie das nicht schon längst durch die Hartz-Gesetze?

 

4. Wenn es nach dem Willen zweier Verbände der mittelständischen Wirtschaft ginge, würden den Beschäftigten gleich zwei Wochen Urlaub im Jahr gestrichen. Gegenüber der „Blöd“-Zeitung sagte die Vorstandsvorsitzende Ursula Frerichs, sechs Woche seien zu viel, vier Wochen reichten völlig aus. Sie begründete ihre Meinung damit, dass Deutschland bei den Urlaubstagen weltweit an der Spitze liege und die Beschäftigten im Verhältnis zu anderen Ländern doppelt so viele freie Tage hätten. Nach der permanenten Umverteilung von unten nach oben und einem gigantischen Sturzflug der unteren Lohngruppen besitzt sie die Dreistigkeit zu fordern, dass wir unsere Besitzstände zurückschrauben und die Vier-Wochen-Regelung 2011 auf Probe einführen, um den „Aufschwung“ zu unterstützen. Deutschland liegt bei den niedrigen Löhnen aber an der Spitze Europas! Immer mehr Arbeit in immer kürzerer Zeit, und bei dieser Mehrbelastung auch noch immer weniger Erholungszeit? Um wessen Besitzstände und welchen Aufschwung geht es? Der Präsident des „Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft“ ist nicht ganz so unverschämt und will sich mit einer zeitweiligen Absenkung des Urlaubsanspruchs auf fünf Wochen wegen des angeblich akuten Fachkräftemangels begnügen. Der Raffgier gewisser Unternehmer sind offensichtlich absolut keine Grenzen gesetzt!

 

5. Unter dem Oberbegriff „Bildungspaket für Kinder und Jugendliche“ begleitet uns seit Wochen die nicht abreißen wollende Diskussion um Chipkarten für Kinder, deren Eltern ALG II beziehen. Mit seinem Urteil vom 9. Februar 2010 forderte das Bundesverfassungsgericht eine Neugestaltung der Regelsätze in der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Dabei dürfen die Regelleistungen für Kinder und Jugendliche in Zukunft nicht mehr aus den Leistungen für Erwachsene abgeleitet, sondern müssen eigenständig berechnet werden. Unsere geniale Arbeitsministerin Ursula von der Leyen kennt sich als siebenfache Mutter mit Kindern und deren Bedürfnissen gut aus und erfand so eine Chipkarte, die dafür sorgen soll, dass die Leistungen unkompliziert und unbürokratisch bei den Kindern und Jugendlichen ankommen. In Zukunft soll jedes Kind, dessen Eltern Hartz IV beziehen, eine solche Chipkarte, auch liebevoll als A-Karte bezeichnet, erhalten. Sie soll jährlich mit bis zu 200 Euro aufgeladen werden, sodass monatlich ein fürstliches Guthaben von 16,67 Euro zusätzlich zum Regelsatz für die zweckgebundenen Sachleistungen zur Verfügung stehen wird.

Diese wunderbare A-Karte wird es in Gold, Silber oder Bronze geben, je nachdem, wie viele Geschwister in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ob die Eltern Aufstocker sind oder nur Leistungsbezieher. Kinder von Aufstockern dürfen die A-Karte mit dem goldenen Band ziehen, die von Alleinerziehenden die mit dem silbernen. Kinder mit vielen Geschwistern kommen mit jener mit dem bronzenen Band aus, weil das gelernte Wissen ja auch untereinander weitergeben werden kann. Mit diesem Synergieeffekt können sogar noch Steuern gespart werden! Die A-Karte soll geschmackvoll gestaltet sein. Vor einem dezenten mausgrauen Hintergrund wird sich, ästhetisch ansprechend, ein knalliges magentarotes großes „A“ abheben, das aus den Ausgegrenzten Auserwählte machen wird. „A“ steht für „Auserwählt durch die Arbeitsagentur“! Die Auserwählten, also die Kinder von ALG-II-Beziehern, dürfen sich bei Lernförderung und Teilnahme an Sport- und Kulturangeboten, durch das „Schulbasispaket“ und beim Zuschuss für Mittagessen monatlich mit 16,67 Euro „coachen“ lassen. Weil die gemeinsamen Aktivitäten mit anderen Kindern die soziale Kompetenz und den Teamgeist der Kinder fördern, werden sie in Zukunft auch noch von den Jobcentern unterstützt. So stelle ich mir eine exquisite Förderung im Sinne des Bundesverfassungsgerichtes vor!

Die anzuschaffenden Lesegeräte für die A-Karten können sinnigerweise von dem Geld angeschafft werden, das nun durch die überflüssig gewordene Berechnung der Regelsätze für Kinder und Jugendliche gespart wurde. Nach den Erfahrungen der Bertelsmann-Tochter „Arvato“ ist ein Kartenlesegerät bereits für schlappe 250 Euro zu haben, sodass es für jeden Schüler oder Studenten, der privat sein Taschengeld aufbessern möchte, leicht erschwinglich ist. In gut unterrichteten Kreisen kursiert das Gerücht, die Liberalen stünden von der Leyens Konzept sehr offen gegenüber, weil nun auch jene Unternehmen, die die differenziert ausgestalteten A-Karten herstellen, satte Profite einfahren werden. Allerdings müssten noch Gespräche mit der CSU geführt werden. Koalitionspartner Guido Westerwelle gab sich zufrieden, weil es lovely Zensursula von der Leyen durch ihren Clou mit der A-Karte gelungen ist, zwar den Forderungen des Bundesverfassungsgerichtes Genüge zu tun und den Kindern von ALG-II-Beziehern eine Teilnahme an Bildungsangeboten zu ermöglichen, ohne dadurch jedoch etwa mit höheren Regelsätzen das Lohnabstandgebot zu gefährden! Das soll ihr doch erst mal einer nachmachen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Bloß keine Verteilungsdiskussion: Ein Billionen-Reichtum
verschwindet aus der Statistik („Tageszeitung“)

 

Ist die Hartz-IV-Chipkarte
im Interesse der Kinder?

Harald Braun Arbeitsministerin Ursula von der Leyen gibt sich mal wieder ganz kinderfreundlich: Sie möchte mit einer Chipkarte sicherstellen, dass ein Teil der Hartz-IV-Ausgaben für Bildung und soziale Teilhabe der Kinder ausgegeben werden. Doch erinnern wir uns: Die Regierung erhöht nicht freiwillig die Leistungen für Kinder! Sie wurde vom Bundesverfassungsgericht gezwungen, die Regelsätze neu zu berechnen. Im bisherigen Hartz-IV-Regelsatz sind zum Beispiel 42 Cent monatlich für den Kauf eines Fahrrades vorgesehen. Wenn eine Familie von Geburt an diesen Betrag zur Seite legt, dann kann sie ihrem Kind ein Fahrrad schenken, wenn es in Rente geht! So kinderfreundlich ist die Regierung in Wirklichkeit. Wie makaber und kinderfeindlich das Arbeitsministerium ist, zeigt eine Anordnung der Bundesagentur, dass Kosten für Nachhilfestunden nur gewährt werden, wenn eine lange Erkrankung des Schülers oder ein Todesfall im Elternhaus vorliegt.

Als Vorbild für den Chip wird immer wieder die Stuttgarter „Familiencard“ genannt. Damit können Kinder bis 16 Jahre ermäßigt an der „Stadtranderholung“ teilnehmen oder Kultur- und Sporteinrichtungen besuchen. Das ist ein soziales Zugeständnis, auch um den Widerstand gegen das Milliardenprojekt „Stuttgart 21“ zu dämpfen. Die Chipkarte von Frau von der Leyen ist aber keine zusätzliche Leistung wie in Stuttgart, sondern soll als Teil der Hartz-IV-Leistungen dienen: Statt die Hartz-IV-Sätze zu erhöhen, wird ein Teil der Leistungen aus der Verfügung der Eltern genommen. Ihnen wird dabei noch unterstellt, sie würden das Geld sonst gar nicht für die Kinder ausgeben. Diese Unverschämtheit spricht der sozialpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Karl Schiewerling, offen aus: „Wenn Kinder morgens ohne Frühstück zur Schule kommen, dann steckt dahinter keine wirtschaftliche, sondern eine soziale Armut. Wenn wir für diese Familien die Sätze erhöhen, werden die Kinder immer noch ohne Butterbrot zur Schule kommen“ („Frankfurter Rundschau“, 14. August 2010).

Als Vorwand dienen bekannt gewordene Fälle der Verwahrlosung von Kindern durch die Eltern, bei denen aber oftmals auch Jugendämter in ihrer Aufsichtspflicht versagt hatten. Jetzt sollen faktisch alle Hartz-IV-Familien unter Generalverdacht gestellt werden, unfähig und unwillig zu sein, für ihre Kinder zu sorgen! Das ist eine unglaubliche Diskriminierung, die zurückgewiesen werden muss. Tatsächlich sparen die betroffenen Eltern eher bei sich als bei den Kindern! Die Einführung der Chipkarte für Hartz-IV-Empfänger muss auch deshalb abgelehnt werden, weil dies der Einstieg für die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen sein kann. Statt Disziplinierung, Spaltung und Bevormundung ist eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze notwendig: Die Montagsdemonstrationen fordern 500 Euro! Dieser Fall beweist erneut: Hartz IV muss komplett weg! Stattdessen ist die Einführung von Arbeitslosengeld I für die gesamte Zeit der Arbeitslosigkeit und eine angemessene Sozialhilfe zur Bestreitung eines würdigen Lebensunterhalt zu fordern.

Harald Braun
 
Politisch gewollte Volksverhetzung: Was hat SPD-„Hassprediger“ Sarrazin auf der Bundespressekonferenz zu suchen? („Rote Fahne News“)

 

Man muss den Mund halten, um nicht zwangsentmündigt zu werden!

Hans-Dieter Wege1. Meine Ehefrau, Mutter von fünf Kindern, wurde vor einiger Zeit von den „Sozialbehörden“ zu einer Untersuchung geschickt. Da sie bezüglich des Rentenverfahrens der Meinung war, dass die Arbeit einer Ehefrau, Hausfrau und Mutter gleichberechtigt mit Lohnarbeit gewürdigt werden muss, wurde ihr im Gutachten der Ärztin „querulatorisches Verhalten“ vorgeworfen.

Von einem Schmied hingegen würde man beispielsweise nicht verlangen, er müsse erstens seine Arbeit als Schmied weiterhin verrichten und zweitens noch eine zusätzliche Arbeit etwa als Feinmechaniker ausüben, sobald er erhebliche gesundheitliche Einschränkungen hat. Von einer Hausfrau und Mutter mit schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen wird dies aber verlangt – und nur zu dem Zweck, eine notwendige Rente zu verweigern!

Wenn eine Hausfrau zur Untersuchung dann in gepflegtem äußerlichen Zustand erscheint, versucht man ihr das sogar noch negativ auszulegen. Anscheinend muss man in Deutschland den Mund halten, um nicht zwangsentmündigt zu werden! Das hatten wir schon einmal. Nichts hören! Nichts sehen! Nichts sagen! Nichts unternehmen! Das hätten wohl diese neoliberalen Unterstützer der gegenwärtigen asozialen Politik gern wieder. Deshalb muss unsere Devise immer lauten: Nicht zurückhalten, sondern dagegenhalten! Schluss mit asozialer Politik!

 

2. Bundesarbeits- und Sozialministerin von der Leyen will eine Chipkarte für Kinder einführen. Von der Forderung des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010, eigenständige Bedarfe für Kinder zu ermitteln, ist ansonsten noch nicht viel zu hören oder zu lesen. Meint Frau von der Leyen vielleicht, mit der Einführung dieser Chipkarte für Musikschule, Sportverein, Zoobesuch, Museum oder Ähnliches wäre dieses Ziel erreicht? Man muss sich doch einfach nur einmal am Punkt „Bekleidung und Schuhe“ für Kinder und Jugendliche orientieren. Hier sind für alle Altersgruppen jeweils 9,9 Prozent des monatlichen Regelsatzes nach SGB II vorgesehen. Demnach stehen für Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres im Monat 21,33 Euro, vom siebten bis zum vollendeten 13. Lebensjahr 24,87 Euro und vom 14. bis zum vollendeten 25. Lebensjahr 28,43 Euro (für im Haushalt der Eltern lebende junge Erwachsene) zur Verfügung.

Die durchschnittlichen jährlichen Kosten belaufen sich aber für Kinder, bei gerechneten Tragezeiten von durchschnittlich sechs Monaten, auf ungefähr das Fünffache des im Regelsatz festgesetzten Betrages für Bekleidung und Schuhe. Dies lässt sich hochrechnen nach Angaben der „Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen“, enthalten in Beck’s „Rechtsberater“ von Oktober 1993. Dabei handelt es sich nur um eine Grundausstattung für Bekleidung. Deshalb dürfte eine monatliche Geldleistung hierfür, die nur bei circa 20 Prozent der tatsächlich notwendigen Kosten liegt, zweifellos erheblich zu niedrig angesetzt sein. Wenn hier keine kräftige Anhebung der Regelleistung erfolgt, kann man dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auf gar keinen Fall gerecht werden! Für eine Grundausstattung an Bekleidung und Schuhen für Frauen bei Berücksichtigung der verschiedenen Tragezeiten werden jährlich ungefähr 750 Euro benötigt, also 62,50 Euro im Monat. Auch hier liegen die monatlichen Regelsatzanteile von durchschnittlich 28,42 Euro deutlich darunter.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Ermittlungen der „Verbraucherzentrale“ für eine Bekleidungsliste um Preise von 1993 handelt! Vielleicht sollte sich die Bundesarbeits- und Sozialministerin mal bei ihrem Ehemann schlau machen? Er könnte sie hinsichtlich der notwendigen Regelsätze für Kinder und vielleicht auch für Erwachsene bestimmt aufklären, denn vermutlich geht er mit den Kindern einkaufen, da seine Ehefrau zeitlich sehr eingeschränkt sein dürfte. Im Moment bleibt Frau von der Leyen noch die Super-Mama aus Deutschland, und zwar die mit der Chipkarte und dem Handy für die Sorgen ihrer eigenen Kinder. Aber interessieren diese Ministerin auch die Sorgen der Kinder finanzschwacher Eltern? Sollte es ausschließlich bei der Chipkarte bleiben, wohl eher nicht.

Heinz Buschkowsky hingegen behauptet ungerührt: „Regelsatz oder Kindergeld sind nicht selten der Finanzier des Suchtverhaltens oder der neuesten Unterhaltungselektronik dort, wo Eltern ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.“ Wenn dies wirklich stimmte und die meisten Kinder aus Familien kämen, die schon fast immer auf Sozialhilfe angewiesen sind, dann müssten eigentlich, wenn man den monatlichen Regelsatzanteil für Bekleidung nimmt, der nur 20 Prozent des tatsächlichen Mindestbedarfes beträgt, alle betroffenen Kinder nur noch nackt durch die Gegend laufen, wenn man zum Beispiel Tragezeiten für Bekleidung von sehcs Monaten als Maßstab nimmt. Ist doch eigentlich logisch, oder?

 

3. Ich habe eine Antwort der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg aufgrund meiner Strafanzeige wegen des Verdachtes auf Lohnwucher beim Zeitungsaustragen erhalten. Inhaltlich wird auf den Bescheid der Staatsanwaltschaft Oldenburg Bezug genommen, es wurde aber kein Anlass gefunden, die Entscheidung zu beanstanden. In Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid wird auf Folgendes hingewiesen:

„Der Straftatbestand des Wuchers setzt neben einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches hier jedenfalls nicht ohne Weiteres auf der Hand liegt, die Ausbeutung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, eines Mangel an Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche des jeweiligen Vertragspartners voraus. Dafür sind jedoch keine zureichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Selbst wenn sich Arbeitnehmer aus einer Zwangslage heraus auf eine entsprechende geringe Entlohnung einlassen sollten, würde eine Bestrafung zudem einen dahingehenden, auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Vorsatz der Beschuldigten voraussetzen, für den es ebenfalls keinerlei Anhalt gibt.“

Deshalb vermochte man auf meine Beschwerde nichts zu veranlassen. Leider steht nun in dem Bescheid überhaupt gar nichts von einem öffentlichen Interesse. Es mutet doch seltsam an, dass man auf der einen Seite vom „Fördern und Fordern“ spricht, aber auf der anderen Seite selbst Stundenlöhne nicht beanstandet, die fast in gleicher Höhe liegen wie der auf eine Vollzeitbeschäftigung umgerechnete Regelsatzanteil! So erhält ein Betroffener, der in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, 90 Prozent der Regelleistung, also 323,10 Euro, und seinen Anteil von 200,38 Euro an den Kosten der Unterkunft. Teilt man den Gesamttransfer von 523,48 Euro durch fiktive 162,5 Vollzeitstunden, ergeben sich 3,22 Euro Transferleistung pro angenommener Arbeitsstunde in Vollzeit.

Beim Austragen der „Oldenburger Sonntagszeitung“ verdient man tatsächlich in 32 Stunden 73,60 Euro, also 2,30 Euro pro Arbeitstunde. Dazu erhält man 36,80 Euro steuerfreien Zuschlag, also 1,15 Euro pro Arbeitsstunde. Dies ergibt einen Gesamtstundenlohn für Sonntagsarbeit von 3,45 Euro. Weder die Benutzung des eigenen Fahrrades, beispielsweise durch ein Kilometergeld, noch die anfallenden Reparaturen oder die Arbeitszeit für deren Durchführung werden von der Beschäftigungsfirma übernommen. Diese Beträge müsste man noch vom Stundenlohn abziehen.

Wenn man dies alles berücksichtigt, scheint das öffentliche Interesse eher darin zu bestehen, die Hartz-IV-Empfänger zu möglichst niedrigen Löhnen arbeiten zu lassen, als sie mit ausreichenden Mindestlöhnen aus dem Transfer herauszuholen! Dies widerspricht in meinen Augen eindeutig dem Prinzip des „Förderns und Forderns“. Eigentlich muss sich eine Entscheidung wie die der Generalstaatsanwaltschaft sehr wohl am öffentlichen Interesse orientieren, sonst verkommen Hartz-IV-Empfänger in meinen Augen zu Lohnsklaven. Dies dürfte eindeutig im Widerspruch zum offiziellen Zweck der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze stehen. Anscheinend stimmt selbst dieser Satz nicht mehr: „Wo kein Kläger ist, hilft auch kein Richter“. Deshalb: Hartz IV abschaffen – und den Kapitalismus gleich mit!

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner asozialer Politik)
 
Gasversorger plündert Arge: Überzahlte Gebühren sollen nicht gemeinsam
mit Hartz-IV-Empfängern zurückgefordert werden („Linkes Oldenburg“)
 

 

Neun von zehn Deutschen fordern
eine neue Wirtschaftsordnung

Wolfgang Lange Am letzten Samstag gab es drei Demonstrationen in Bremen. Erstens gegen die Abschiebung der Bremer Roma in den Kosovo: 500 Teilnehmer protestierten, dass von den 350 Roma in Bremen jedes Jahr 25 abgeschoben werden sollen, und zwar auch Familien mit Kindern, die hier geboren wurden. Dies geschieht offenbar europaweit koordiniert: Aus Frankreich wurden letzte Woche mehrere Flugzeuge voller Roma abgeschoben. Im Kosovo erwartet die Menschen absolutes Elend und rassistische Verfolgung. Wird hier die Verfolgung der im Faschismus als „Zigeuner“ verschrienen Sinti und Roma fortgesetzt?

Zweitens gab es auf dem Marktplatz die Kundgebung „Mal richtig abschalten“. Gefordert wurde die sofortige Stilllegung aller Atomkraftwerke, abgelehnt die von den Monopolen gewünschte und von der Regierung geplante Verlängerung der Laufzeiten, die pro Jahr einen Extraprofit von circa eine Milliarde erbrächte. Dafür geht man schon mal über Leichen! Merkels Reise zu den „erneuerbaren Energien“ war eine Lachnummer. Die Kanzlerin tut für die Monopole alles und will uns nur hinters Licht führen! Ihre Regierung geiert selbst schon auf die Milliarden der längst abgeschriebenen Atomkraftwerke.

Drittens wurde auf dem Bremer Flughafen der Ryanair-Schalter blockiert, um gegen die Klimakatastrophe zu protestieren, denn ein Verursacher sind Kurzstreckenflüge, statt günstig mit der Bahn zu reisen. Auch in Stuttgart waren es am Freitag wieder 20.000 Menschen, die gegen das Projekt „S21“ demonstrierten. Hier geht es bekanntlich nicht nur um den altehrwürdigen Kopfbahnhof, sondern gegen ein Verkehrssystem, das noch mehr Güterverkehr auf die Straße statt auf die Schiene bringt und den öffentlichen Nahverkehr behindert.

Jetzt ist bekannt geworden, dass in Bochum bei Opel 1.800 Arbeitsplätze vernichtet werden sollen. Jeder soll hohe Abfindung bekommen, aber was nützt es der Jugend, ihre Arbeitsplätze zu verkaufen? Wir wollen unseren Kindern und Enkeln noch in die Augen sehen können! Die Jugendarbeitslosigkeit ist laut ILO zwischen 2008 und 2009 weltweit um 6,6 auf 80,7 Millionen gestiegen. Das ist eine schreiende Anklage gegen ein System, in dem nicht der Mensch, sondern nur der Profit zählt. In den Industrieländern liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 17,7 Prozent. Weltweit leben 28 Prozent der Jugendlichen in Armut, mehr als 150 Millionen verdienen weniger als einen Euro am Tag!

Soll es das dann für uns sein? Die Menschen finden sich offenbar immer weniger mit der Zerstörung der Lebensgrundlagen ab. Dazu passt eine „Emnid“-Umfage, derzufolge sich 90 Prozent der Befragten eine andere Wirtschaftsordnung vorstellen können, in der Umweltschutz und sozialer Ausgleich im Mittelpunkt stehen. Die kommt aber nicht von allein! Die ILO spricht von „einer verlorenen Jugend“, und ihre Hauptsorge ist, dass die Jugend das kapitalistische System ganz ablehnen könnte und sich revolutionären Bewegungen anschließt. Meine Sorge ist das nicht, im Gegenteil: Das ist genau die richtige Lösung!

Wolfgang Lange (MLPD)
 

 
Am Freitag, dem 27. August 2010, verhandelt das Verwaltungsgericht Bremen, Am Wall 198, um 11:30 Uhr in Sitzungssaal 1 über die Mietobergrenzen von 245 Euro aus Sozialhilfe-Zeiten sowie über eine „BSHG-19-Tätigkeit“, Vorgängerin der Ein-Euro-Jobs. Der Kläger fordert hierfür den ortsüblichen Lohn und würde sich über eine hohe Zuschauerzahl freuen.
 
Am Mittwoch, dem 1. September 2010, findet von 12 bis 13 Uhr eine Mahnwache zum Antikriegstag auf dem Bremer Marktplatz statt. Vorgestellt wird die Aktion „Büroklammern für den Frieden“, dazu findet die Unterschriftensammlung „Den Krieg in Afghanistan beenden – zivil helfen“ statt. Veranstalter sind das „Bremer Friedensforum“ und die „DFG/VK-Bremen“.
 
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz