281. Bremer Montagsdemo
am 07. 06. 2010  I◄◄  ►►I

 

Die Rentenkassen werden durch Einnahmevermeidung geleert

Hans-Dieter Binder1. Frau Merkel spart auf altbewährte Art und Weise: bei den Armen! Zur Begründung dient die Schuldenbremse im Grundgesetz. Es gibt kein Elterngeld mehr für Hartz-IV-Betroffene (diese 300 Euro wurden bisher nicht auf die Leistungen des SGB II angerechnet), außerdem auch keine Rentenversicherungsbeiträge. Bisher wurden Beiträge zur Rentenversicherung aus einem fiktiven Bruttolohn von 205 Euro ermittelt und an die Rentenversicherung gezahlt. Die Bemessungsgrundlage wurde beim letzten Spardurchgang bereits von 400 Euro auf 205 Euro reduziert. Dieser Einnahmeverlust brachte die Nachhaltigkeitsreserve der Deutschen Rentenversicherung zum Abschmelzen. Auch diesmal ist keine Erhöhung der Staatsbeteiligung eingeplant.

Wer sich bei der Bundesagentur für Arbeit direkt (und auch zusätzlich zur Meldung bei der Arge) arbeitssuchend oder arbeitslos meldet, erhält diese registrierten Zeiten als Anrechnungszeit ins Rentenkonto. Diese Bestimmung wurde bisher insbesondere von Erwerbslosen ohne Anspruch auf ALG II genutzt. Aber das Rentenrecht wurde geändert. Diese Zeiten werden bei einem Rentenbeginn ab Dezember 2014 nicht mehr bewertet. Wer eine Rente vor diesem Datum anstrebt, sollte sich bei der Bundesagentur für Arbeit zusätzlich melden. Diese persönliche Meldung muss alle drei Monate erneuert werden. Sie bedingt außerdem eine vorherige sozialversicherungspflichtige Tätigkeit.

Auch nach ausgelaufenem ALG-I-Anspruch ist diese Meldung möglich, folglich auch nach Ende der Sozialversicherungspflicht des ALG II. Nicht groß streiten, sondern einen schriftlichen Antrag unter Vorlage des Ausweises abgeben und eine Ausfertigung mit Stempel wieder mitnehmen. Wie dies geht? Wir gehen mit! Die Antwort kommt per Post. Im April des Folgejahres die entsprechende Meldung zur Rentenversicherung einfordern, wieder schriftlich, persönlich gegen Stempel. Eine Kopie davon bei der Rentenversicherung abgeben, gegen Stempel. Wie dies alles geht? Wir gehen mit!

Frau Merkel sagt: „Wir wollen Sicherheit für jene, die eine große Lebensleistung für diesen Staat vollbracht haben.“ Daher werden die Renten nicht angetastet. Dass die Rentenkassen wieder einmal durch eine Einnahmevermeidung geleert werden, ergibt sich aus der vorherigen Ausführung. Der Einnahmeausfall für die Rentenversicherung beträgt circa 1,8 Milliarden Euro. Die Nachhaltigkeitsreserve liegt bereits jetzt unterhalb einer Monatsausgabe. Die gesetzliche Vorgabe wurde geändert und lässt eine weitere Verringerung als mit dem Gesetz vereinbar zu.

Die sowieso anfallenden Beitragsausfälle aufgrund der Kurzarbeit und der gestiegenen Erwerbslosigkeit sowie der vorzeitigen Verrentung durch Flucht vor dem ALG II kommen noch hinzu. Außerdem hat Frau Merkel den Zuschuss für die vereinigungsbedingten Mehrausgaben an die Rentenversicherung von 200 Millionen Euro gestrichen. So werden Kassen geleert! In der nächsten Runde wird den Rentnern erzählt: Ihr habt über eure Verhältnisse gelebt! So weit zur Sparrunde der Bundesregierung. Ich komme nachher darauf zurück.

 

2. Auch Schleswig-Holstein hat ein Sparkonzept vorgelegt, mit erheblichen Einsparungen. Hamburg hat ebenfalls entsprechende Kürzungen erarbeitet. Die Katze bleibt aber noch im Sack. Bremen will noch nachdenken. Eingespart werden in Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2020 jährlich jeweils zehn Prozent der strukturellen Neuverschuldung von aktuell 1,25 Milliarden Euro. Dadurch soll diese bis 2020 auf null Euro sinken. Zur Begründung dient die Schuldenbremse in der Landesverfassung. In Hamburg fehlen 2011 und 2012 jeweils eine halbe, ab 2014 mehr als eine ganze Milliarde Euro. Zur Begründung dient auch hier die Schuldenbremse in der Landesverfassung.

Schleswig-Holstein und Hamburg haben die HSH-Nordbank. Sie ist die Landesbank dieser Bundesländer. Mit wesentlichem Einfluss der Politik wurde hier viel Geld verbrannt. Die HSH-Nordbank hat im November 2008 30 Milliarden Euro Staatsbürgschaften aus dem Bankenrettungsfonds des Bundes für die Banken erhalten. Mit frischem Steuergeld versorgt, hat die HSH-Nordbank 2009 freiwillig, ohne Rechtsverpflichtung und trotz erheblichem Verlust von circa 360 Millionen Euro zuzüglich der nicht vorgenommenen Wertberichtigungen in Milliardenhöhe den stillen Gesellschaftern eine Dividende von etwa 70 Millionen Euro gezahlt, siehe auch frühere Bremer Montagsdemos. Außerdem wurde jedem Mitarbeiter für das Verbleiben im Unternehmen bis zu 100.000 Euro als Prämie gezahlt, für das Gehen sogar das Doppelte als Abfindung.

So frisch gerettet und mit frischem Geld um sich werfend, hat die HSH-Nordbank von Schleswig Holstein und Hamburg erneut Bürgschaften in Höhe von zehn Milliarden Euro verlangt und bekommen. Deren Betreuung erfolgt durch die Beratungsfirma SAM. Sie war von Ex-Managern der Landesbank Sachsen nach ihrer Entlassung gegründet worden. Die Bank hatte Milliardenverluste geschrieben und war als erste Landesbank 2007 pleite gegangen. Die HSH-Nordbank hat außerdem drei Milliarden Euro Bargeld und frisches Kapital von Hamburg und Schleswig-Holstein erhalten.

Die HSH-Nordbank steht und stand immer unter dem Einfluss der regierenden Politiker. Nur von Verantwortung hat noch niemand gesprochen! Jetzt hat die HSH-Nordbank den Staatsanwalt im Hause. Es gab eine Durchsuchung der brutalsten Art, eine Razzia auch in den Privatwohnungen wegen Verdacht auf Untreue und Bilanzfälschung, so der „Weser-Kurier“ vom 27. Mai 2010. Die Politik hat versagt und versagt auch aktuell! Alle vorstehenden Rettungsaktionen haben weder für Ordnung in den Büchern gesorgt noch für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Steuergeldern. Die HSH-Nordbank ist weiterhin insolvenzgefährdet. Für die Einlösung der Bürgschaften gibt es keine Rückstellung in den Haushalten.

Schleswig-Holstein und Hamburg wollen bis 2020 eine Null bei der Neuverschuldung erreichen. Nach den Milliarden für die HSH-Nordbank nimmt sich das Einsparvolumen beider Länder fast bescheiden aus, es trifft aber hart und unfair. Umso klarer ist die ungleiche Verteilung der Lasten: Auch diese Länder sparen auf Kosten der Armen. Halbherzig ist folgender Kieler Sparbeitrag: „Die Ministerversorgung soll neu geregelt werden. Statt nach 23 soll das maximale Ruhegehalt von 71,75 Prozent der Amtsbezüge erst nach 26 Jahren erreicht sein können. Zudem gäbe es das Ruhegehalt erst ab dem 62. statt bisher nach dem 55. Lebensjahr.“ Jeder Arbeitnehmer erhält seine Rente erst mit 67 Jahren! Die „Eckrente“ wird noch immer auf Basis von 40 Beitragsjahren errechnet, höchstens 60 Prozent des durchschnittlichen Arbeitslohns sind erzielbar. Hier werden weiterhin Begünstigungen festgeschrieben, pfui!

Hamburg wird sein Sparpaket am 16. Juli 2010 verkünden. Elisabeth hat vergangene Woche festgestellt: Wurde jemals woanders als bei den Armen gespart? Die gemeinsame Begründung der vorstehenden Sparbeschlüsse lautet: Wir haben jahrelang über unsere Verhältnisse gelebt! Wir haben die Schuldenbremse in der Verfassung! Dazu ist anzumerken: Die Politik hat über unsere Verhältnisse gelebt und die Erhebung von auskömmlichen Einnahmen unterlassen! Die vorstehenden Stichproben zur HSH-Nordbank zeigen dies ganz deutlich. Lesenswert sind auch die anderen NDR-Artikel zu dieser Zockerbank. Hier wird die wachsende Begehrlichkeit thematisiert, und man erfährt, wie die HSH-Nordbank die Öffentlichkeit verhöhnt.

„Deutschland lebt wie kaum ein anderes Land unter seinen Verhältnissen“, titelte der „Weser-Kurier“ am Pfingstwochenende. Herr Professor Bofinger thematisiert die rapiden Lohnkostensenkungen und die damit verbundene Exportsteigerung von bis zu 70 Prozent. Die Leistungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland hat dadurch ein aktuelles Plus von 895 Milliarden Euro. Die Wirtschaft hat klotzig verdient! Das Geld wurde im Ausland angelegt. Bofingers Fazit sinngemäß: Der Staat hat über seine Verhältnisse gelebt, unsere Überschüsse an Geld haben das Ausland in die Verschuldung geführt. Sein Schlusswort lautet: „Ohne energische Anstrengungen der deutschen Wirtschaftspolitik für mehr Balance innerhalb des Systems wird die Europäische Währungsunion dieses Jahrzehnt nicht überleben.“ Die für mich entscheidende Feststellung ist: „Im finanziellen Sektor führte die Knauserei und das Exportweltmeistertum zu einer riesigen Geldersparnis, die zwangsläufig im Ausland angelegt werden musste.“

Bereits Ende 2005 hat Peter Bofinger diese These vertreten. Das bedeutet doch, diese Krise wurde ausgelöst durch den Überfluss an vagabundierenden Kapital und durch die Unterlassung des Staates, für auskömmliche Einnahmen zu sorgen. Die Kürzung bei den Armen bedeutet einen weiteren Einbruch der Nachfrage. Die Kürzungen sind insgesamt nachfrageunfreundlich! Die Erhöhung der Einnahmen ist der einzige Weg! Damit wird Geld vom Markt genommen, das überflüssige Spekulationsgeld. Einige Beispiele für leere Kassen und andere Ungereimtheiten stehen unter den vorherigen Bremer Montagsdemos.

Auf die anderen Fehlentscheidungen zum Sparen komme ich nächste Woche zu sprechen. Warum gibt es eigentlich die Schuldenbremse, wer profitiert davon? Warum will die EU einen eigenen diplomatischen Dienst mit neuem Personal und neuen Räumlichkeiten? Wenn an diesem Plan festgehalten wird, ist der Euro keinen Pfifferling mehr Wert! Auch hierauf komme ich zurück. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten! Wer sich in diesen Zeilen wiederfindet, ist herzlich zur Teilnahme eingeladen. Wir haben ein Offenes Mikrofon und genug Platz auf dem Marktplatz!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

Strafanzeige wegen Verdacht auf sittenwidrigen Lohnwucher

An die Staatsanwaltschaft Oldenburg! Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit stelle ich Strafanzeige wegen des Verdachtes auf sittenwidrigen Lohnwucher, Unterlassung sowie Anstiftung zur Schwarzarbeit gegen nachfolgende Personen, Bundesbehörden und Firmen. Für Betroffene oder Behörden, für die nicht die Staatsanwaltschaft in Oldenburg zuständig sein sollte, beantrage ich hiermit gleichzeitig entsprechende Weiterleitung an die dann zuständigen Staatsanwaltschaften.

  1. Firma VDS Verlags- und Direktservice GmbH & Co. KG, Ekernstraße 62, 26125 Oldenburg
  2. Frau Dr. Ursula von der Leyen, Bundesarbeitsministerin, Berlin
  3. Herrn Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg
  4. Herrn Guido Westerwelle, Außenminister, Berlin
  5. Herrn Sigmar Gabriel, Bundestagsabgeordneter, Berlin
  6. Frau Beate Mueller-Gemmeke, Bundestagsabgeordnete, Berlin
  7. Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen
  8. Arge Oldenburg, Stau 70, 26122 Oldenburg

Hans-Dieter WegeBei Behörden und Firmen soll sich meine Anzeige jeweils gegen den Verantwortlichen richten. Begründungen für meinen jeweiligen Verdacht:

Zu 1.) Die Firma VDS vertreibt in Oldenburg kostenlose Zeitungen wie „Oldenburger Sonntagszeitung“ und „Huntereport“. Diese Tätigkeiten scheinen überwiegend als Nebentätigkeiten von Rentnern, Schülern, Erwerbslosen und Hausfrauen, aber auch von Hartz-IV-Empfängern ausgeübt zu werden.

Mir ist persönlich bekannt, dass die Firma VDS mit den von ihr erstellten Arbeitsverträgen anscheinend gleichzeitig zur Schwarzarbeit aufruft, nämlich in der Form, dass sie sich damit einverstanden erklärt, dass Familienangehörige ihrer Arbeitnehmer bei der Verteilung der Zeitungen mithelfen dürfen. Von Bezahlung oder Ähnlichem ist aber in den Arbeitsverträgen nicht die Rede. Wahrscheinlich ist der Firma VDS bekannt, dass ein sehr großer Zeitaufwand notwendig ist, um alle Vertriebsstücke zu verteilen.

Der aus arbeitsrechtlichem Sinn erforderliche Beginn und das Ende der Beschäftigung sowie der damit verbundene tägliche Stundenansatz werden in den Arbeitsverträgen – in meinen Augen auch rechtswidrigerweise – gar nicht erst erwähnt. Es ist mir persönlich bekannt, dass die Firma VDS einer ihrer Arbeitnehmerinnen, die auf SGB II angewiesen ist, im Monat April 2010 einen durchschnittlichen Stücklohn für die Verteilung von insgesamt 3.680 Exemplaren von ungefähr drei Cent gezahlt hat, mit einem Gesamt-Monatsnettoeinkommen von 111,53 Euro. Die Arbeitnehmerin hat die Steuerklasse III/2.

Im Gegensatz hierzu zahlt ein anderer Oldenburger Vertrieb für die Zustellung von „Bild am Sonntag“ und „Welt am Sonntag“ hierfür für jede der Zeitungen durchschnittlich 45 Cent, also das Fünfzehnfache. Dies würde für die bei der Firma VDS beschäftigte Arbeitnehmerin bedeuten, dass sie, wenn sie in ihrem Verteilungsgebiet die gleiche Anzahl dieser Zeitungen verteilte, auf einen ungefähren Monatslohn von brutto 1.656 Euro kommen würde. Damit würde diese Arbeitnehmerin gleichzeitig aus dem SGB II herausfallen.

Es dürfte für die Tätigkeit vollkommen uninteressant sein, ob es sich um kostenlose Zeitungen handelt oder um solche, die man bezahlen muss. Auch sind „Bild“ und „Welt“ meiner Kenntnis nach schon weitaus länger am Markt als die beiden kostenlosen Sonntagszeitungen, sodass man sich durchaus seitens der Firma VDS an den Tarifen der Springer-Zeitungen hätte orientieren können. Verteilte die Arbeitnehmerin in ihrem Bezirk die entsprechenden „Bild“ und „Welt“, erzielte sie ja tatsächlich diesen Lohn. Dadurch lässt sich der praktizierte Lohnwucher der Firma VDS beweisen.

Wenn man sich an den Lohnvorstellungen der Gewerkschaft Verdi orientiert, die hierfür einen Stundenlohn von umgerechnet 7,50 Euro für angemessen hält, dürfte auch nach dieser Berechnung die Firma VDS eindeutig Lohnwucher betreiben. Denn mir ist persönlich bekannt, dass die beschriebene Arbeitnehmerin bei Umrechnung und Verteilung des angegebenen Monatsverdienstes höchstens auf einen Stundenlohn von 3,48 Euro käme, ohne dass man hier eventuelle Sonntagszuschläge berücksichtigt. Für Wartezeiten von jeder angefangenen Stunde will die Vertriebsfirma hierzu im Gegensatz dann allerdings zehn Euro bezahlen. Auch hierdurch wird der praktizierte Lohnwucher in meinen Augen eindeutig ersichtlich und bekräftigt meinen Verdacht.

Zu 2., 4. bis 8.) Die unter den fortlaufenden Nummern genannten Personen beziehungsweise Behörden wurden zu diesem Thema von mir erstmalig am 26. April 2010 mit der Bitte informiert, mich zu unterstützen und gegen diesen in meinen Augen praktizierten Lohnwucher vorzugehen. Ich hatte hierzu eine Frist bis zum 31. Mai 2010 gesetzt, ohne allerdings – mit Ausnahme des Bundesministeriums für Arbeit – eine Antwort oder Unterstützung zu erreichen. Da aber genau diese Personen allesamt aufgrund ihrer Abgeordnetentätigkeiten oder aufgrund ihrer Stellung in der Regierung dem Steuerzahler in Deutschland verpflichtet sind, wären sie in meinen Augen auch dazu verpflichtet gewesen, zumindest eine eigene Überprüfung vorzunehmen, gerade um nicht der Mitwisserschaft bezichtigt werden zu können. Ich halte dieses daher für eine Unterlassung im Zusammenhang mit einer Straftat, die daher in meinen Augen eine Ermittlung rechtfertigt.

Zu 7. und 8.) Diesen beiden Behörden werfe ich vor, nicht gründlich genug überprüft zu haben. Der Arge in Oldenburg liegt beispielsweise der Arbeitsvertrag zwischen der oben beschriebenen Arbeitnehmerin und der Firma VDS vor. Die Arge hätte bei gründlicher Überprüfung den Lohnwucher und die Anstiftung zur Schwarzarbeit erkennen müssen. Leider ist sie hier nicht eingeschritten, zumindest ist mir das nicht bekannt. Somit ist auch hierzu die Anzeige gerechtfertigt, wie ich glaube. Das Gleiche muss auch für die Regionaldirektion in Niedersachsen gelten. Es drängt sich mir der Verdacht einer rechtswidrigen Unterlassung zum Nachteil der Steuerzahler auf.

Zu 3.) Herr Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, hat in der Presse und in den Medien in Deutschland eine „Anweisung“ veröffentlicht, nach der die Argen in Deutschland, im Gegensatz zur bisherigen Rechtssprechung bis in die höchste Arbeitsgerichtsbarkeit, erst bei Löhnen von deutlich unter drei Euro in der Stunde automatisch gegen Lohnwucher ermitteln sollen. Laut der gängigen Rechtssprechung der Arbeitsgerichte liegt Lohnwucher allerdings schon bei Löhnen von einem Drittel unterhalb der geltenden Tariflöhne oder der allgemeinen ortsübliche Löhne vor.

Hierin glaube ich eine Anstiftung zur rechtswidrigen Unterlassung zum Nachteil aller Steuerzahler, allerdings auch zum Nachteil konkurrierender Firmen, zu erkennen – sowie praktisch die Anstiftung der Arge-Mitarbeiter zum Lohnwucher, zum Nachteil aller Menschen in Deutschland, die Steuern und Sozialabgaben zahlen, sowie selbstverständlich auch für alle hierdurch benachteiligten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Folge von diesem Lohnwucher betroffen werden. Aus all diesen Gründen glaube ich, dass meine Strafanzeige gegen all die oben aufgeführten Personen und Behörden oder der Firma gerechtfertigt ist. Für weitere eventuelle Nachfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner kriegerischer und asozialer Politik)
 
„Luxus-Griechen fressen Deutschland auf“: Die Werktätigen Europas
sollen für die Bankgeschäfte haften („Klartext-Info“)

 

Versorgung Bedürftiger ist Aufgabe des Staates, nicht einer Wohlfahrtsorganisation

Elisabeth Graf1. Das Bundessozialgericht urteilte letzte Woche in Kassel, dass Erwerbslose sich ihren Wohnort frei aussuchen dürfen. Demnach können Hartz-IV-Bezieher nicht dazu gezwungen werden, in einer billigen Unterkunft auf dem Land wohnen zu bleiben. Ein heute 57-jähriger arbeitsloser Musiker klagte, weil seine Arge nicht die höheren Kosten nach seinem Umzug übernehmen wollte. Der Musiker war für etwa ein Jahr aus seiner Heimatstadt Berlin in ein Dorf bei Erlangen in Bayern gezogen und musste dort für Miete und Heizung nur rund 193 Euro im Monat bezahlen. Als er dann Anfang 2008 in die Hauptstadt zurückkehrte, wollte ihm das Jobcenter Steglitz-Zehlendorf ebenfalls nur diesen Betrag als Wohnkosten bewilligen – obwohl die Obergrenze für eine angemessene Miete in Berlin damals bei rund 360 Euro lag und seine neue Bleibe mit 300 im Monat sogar noch deutlich weniger kostete.

In der menschenverachtenden Behördensprache hört sich das so an, dass der Hartz-IV-Empfänger ohne Grund mit seinem Umzug höhere Unterkunftskosten verursacht habe und sich eine Unterkunft hätte suchen können, die genauso billig wie in Bayern sei. Der Kläger bezog sich auf die Angemessenheit der Kosten in seiner jetzigen Wohnung. Wenn Erwerbslose bei einem Umzug in eine andere Stadt immer für die höheren Unterkunftskosten selbst aufkommen müssten, würde das bedeuten, dass sie letztlich immer am günstigeren Wohnort zu bleiben hätten. Das widerspräche dem in der Verfassung geschützten Grundsatz der Freizügigkeit. Das Gericht teilte diese Ansicht, und so muss das Jobcenter die vollen Unterkunftskosten zahlen. Wer hätte das gedacht: Erwerbslose sind noch immer als Menschen und nach dem Grundgesetz zu behandeln, auch wenn sie keine Arbeit haben! Eigentlich sollte dies eine Selbstverständlichkeit sein, die nicht erst eingeklagt werden muss (Aktenzeichen B4 AS 60/09 R).

 

2. Trotz des angeblichen Rückganges bei den Arbeitslosenzahlen haben es Menschen jenseits der 50 überdurchschnittlich schwer, einen Job zu finden. Einige von ihnen müssen beim Weg zurück ins Arbeitsleben wieder ganz unten anfangen. So erging es auch der 54-jährigen Einzelhandelskauffrau Anita Schmidt. Nachdem ihr Arbeitgeber Insolvenz angemeldet hatte, bezog sie ALG I. Weil ihr Lohn zuvor aber so niedrig gewesen ist, musste sie es noch zusätzlich mit ALG II aufstocken, um auf die Summe zu kommen, die mutmaßlich als Existenzminimum reichen soll. Frau Schmidt steckt in dem typischen Kreislauf aus Bewerbungsschreiben, Trainingsmaßnahmen und Praktika. Zwei Wochen lang arbeitet sie im Schuhgeschäft in einem Münchener Vorort, kostenlos, was ihr von der Bundesagentur für Arbeit vermittelt wurde. Die Hauptaufgabe der Fachkraft besteht darin, Schuhkartons zu zerkleinern. Neun Stunden am Tag steht sie in einem großen Container, zerrt Pappdeckel auseinander und schneidet sie klein. Obwohl ihr die Geschäftsführerin bereits beim Vorstellungsgespräch erklärt hatte, dass es keine Aussichten auf Übernahme gäbe, muss sie dieses sinnlose „Praktikum“ machen. Ich hätte mich dagegen gewehrt, denn es liegt doch auf der Hand, dass sie sich umsonst ausbeuten lassen soll und dadurch nicht die mindeste Chance erhält, wieder auf den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen. Vermutlich werden Überfünfzigjährige in solche „Maßnahmen“ der Verfolgungsbetreuung gesteckt, damit dieser Personenkreis wieder für eine Zeit lang aus der Arbeitslosenstatistik herausgehübscht werden kann.

 

3. Auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit ist nachzulesen, dass die Diakonie einen Geschäftsführer auf 400-Euro-Basis sucht. Dieses überaus großzügige Stellenangebot kommt von der Sozialstation in Brackenheim in Baden-Württemberg. Für die geringfügige Beschäftigung als nicht sozialversicherungspflichtige Fachkraft wird lediglich erwartet, dass der Bewerber fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Kontaktfreude, Kommunikationsfähigkeit sowie Fähigkeit zum integrativen Handeln mitbringt, die zielorientierte Leitung eines interdisziplinären Teams übernehmen kann, über Führungskompetenz verfügt, Souveränität in Auftreten und Handeln an den Tag legt und selbstverständlich Mitglied in einer christlichen Kirche ist. Mit diesen Fähigkeiten ausgestattet, wird es ihm sicher leicht fallen, die Verantwortung für die laufenden Maßnahmen der Gesellschaft sowie die wirtschaftliche Sicherung, die Leistungsabrechnung mit den Kassen und weiteren Stellen sowie die Erschließung von weiteren Finanzierungsquellen zu übernehmen und flexibel bei der Personalverantwortung für alle die Gesellschaft betreffenden Personalangelegenheiten nebst Kontaktpflege mit weiteren Leistungserbringern mitzuwirken.

Für einen fähigen Mitarbeiter wird es natürlich ein Klacks sein, die anfallende Arbeit in nur 15 Prozent der Arbeitszeit zu erledigen, was bei einer 40-Stunden-Woche sechs Stunden wöchentlich ausmacht. 15 Prozent von der Entgeltgruppe 10 entsprechen 383,67 Euro von 2.553,78 Euro. Das liegt unter 400 Euro und ist somit ein Minijob. Wenn die 15 Prozent in Höhe von rund 384 Euro durch 24 geteilt werden, ergibt dies etwa 16 Euro Stundenlohn. Allerdings vermag ich es mir nicht vorzustellen, wie sich das alles in nur sechs Stunden pro Woche erledigen lässt. Durch vermutlich unbezahlte Überstunden sieht die Rechnung dann schon wieder ganz anders aus. Ob die wohl keinen Ein-Euro-Jobber mehr bekommen haben, weil diese Tätigkeit absolut nicht „zusätzlich“ ist? 400 Euro sind ja eine Menge Geld! Als ob es nicht schon völlig ausreichte, dass das „Diakonische Werk“ als Teil der Armutsindustrie kräftig am Elend der Erwerbslosen verdient, erdreistet es sich ausgerechnet im Bereich der ambulanten Pflege schwerstkranker und sterbender Menschen, für die Geschäftsführung einen Minijob zu vergeben.

 

4. In Nürnberg erstürmten letzte Woche etwa 20 Aktivisten in weißen Overalls und Atemschutzmasken das Rathaus. Unter dem Motto „Kürzt euch doch selber“ marschierten sie in die Büros und trugen Stühle, Pausenbrote der Angestellten, Ordner, Pflanzen und andere Bürogegenstände auf den Hauptmarkt. Ein Angestellter ist über dieses Überfallkommando offenbar so verärgert, dass er kurzzeitig sechs der „Möbelpacker“ einschließt. Als einer von ihnen durch ein Fenster klettert, wird der Stadt-Mitarbeiter nervös und öffnet die Bürotür. Während der eine Teil der Gruppe das Büroinventar mit rot-weißen Absperrbändern einwickelt und Flugblätter verteilt, hängt der andere ein Transparent unter den Rathausfenstern auf: „Wir zahlen nicht für eure Krise! Kürzt euch doch selber!“. Die alarmierte Polizei löst nach einer halben Stunde die Veranstaltung auf, nimmt drei junge Aktivisten zwischen 16 und 18 Jahren fest und lässt sie später wieder frei.

Eine Gruppe mit dem Namen „Tatort Alltagskrise“ bekennt sich zu der Aktion. Eine Teilnehmerin erzählt, sie wollten damit auf die katastrophale Situation der kommunalen Haushalte und die Einschnitte im sozialen und kulturellen Bereich aufmerksam machen. Immer mehr Kosten würden auf die Bürger verlagert, was sich an steigenden Preisen für öffentliche Dienstleistungen, etwa beim Eintritt in Schwimmbäder, ablesen lasse. Die aktive Gruppe besteht aus circa 20 Personen, die alle zur Schule oder zur Uni gehen oder sich in einer Ausbildung befinden. Bereits im letzten Jahr machten die jungen Menschen von sich reden, als sie das Möbelhaus Ikea besetzten, um auf die steigenden Lebenshaltungskosten aufmerksam zu machen, oder indem sie als Kellner verkleidet durch U-Bahn-Züge gingen, Sekt ausschenkten und die Erste-Klasse-Tickets von Fahrgästen verlangten, um auf die wachsenden Preise bei Fahrkarten aufmerksam zu machen. Mir persönlich gefallen solche kreativen und gewaltfreien Aktionen gut!

 

5. Am vergangenen Wochenende ging in Berlin das 16. Bundestreffen der „Tafeln“ zu Ende. Auf dem Alexanderplatz wollten die Veranstalter ein „Zeichen für mehr Solidarität und Mitmenschlichkeit“ setzen. Neben den „Tafel“-Verantwortlichen und ihren Helfern waren die Bürger der Stadt sowie Prominente aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eingeladen. Den Höhepunkt des 16. Bundestreffens bildete das gemeinsame Essen an einem 200 Meter langen Tisch, einer Tafel also, auf der bestimmt mehr zu spachteln drauf stand, als je auf den Tischen der Ärmsten der Armen in unserem eigentlich so reichen Land. Hier stand bestimmt nichts, was bereits das Haltbarkeitsdatum überschritten hatte oder was Geschäftsinhaber ohne ordnungsgemäße Entsorgung loswerden wollten. Die mittlerweile 872 „Tafeln“ versorgen regelmäßig rund eine Million bedürftige Personen mit Lebensmitteln. Beschämenderweise sind ein Viertel davon Kinder und Jugendliche. Der Bundesverband warnt angesichts der aktuellen Spardiskussion vor weiteren Kürzungen bei den Sozialleistungen, weil unter der schlechten Finanzlage der öffentlichen Kassen diejenigen besonders zu leiden haben, die auf die Angebote der „Tafeln“ angewiesen sind. So forderte der Vorstandsvorsitzende, auf weitere Kürzungen etwa beim Arbeitslosengeld II zu verzichten. Wenn die Zahl der Bedürftigen noch weiter ansteige, seien die Kapazitäten der „Tafeln“ bald erschöpft. Wolfgang Wieland, Bundestagsabgeordneter der Grünen, bezeichnete die „Tafeln“ als Ausdruck wachsender Armut und Versagens des Staates. Werner Schulten, Bundesvorstandsmitglied der Linkspartei, forderte die Überwindung des „Tafel“-Systems. „Die Versorgung Bedürftiger gehört zu den Aufgaben des Staates und nicht eines Charity-Modells.“

 

6. Langsam, aber sicher zeigt das schwarz-gelbe Gruselkabinett, dass wir es hier nicht mit einem Bienenkorb, sondern mit einem ausgewachsenen Hornissenschwarm zu tun haben. Auch das Familienministerium soll Geld einsparen, und die Ministerin spricht davon, „intelligent“ sparen zu wollen. Doch ihre Sparideen sehen meiner Meinung nach gar nicht danach aus! Mit ihren Sparvorschlägen droht Kristina Schröder, die Erfolge ihrer Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen zu zertrümmern und bestehende Ungerechtigkeiten zu verstärken. Wenn die Höchstgrenze von 1.800 Euro beim Elterngeld tabu sein soll, will sie offenkundig die Untergrenze beschneiden, also bei denen, die ohnehin schon nichts haben. Soll es das Elterngeld zukünftig nur noch für Reiche geben? Wer arbeitslos ist, einen Teilzeitjob hat oder studiert, bekommt meist nicht mehr als die 300 Euro, welche die Untergrenze ausmachen. Dort noch etwas wegzunehmen, hieße das Elterngeld und damit Elternschaft für Alleinerziehende und Geringverdiener unattraktiv zu machen. Die Besserverdienenden will sich die Ministerin als potentielle Wählerschaft sicher nicht verprellen. Als das Elterngeld 2007 das Erziehungsgeld ablöste, wurden die Studenten, Alleinerziehenden, Geringverdiener und ALG-II-Bezieher schon über den Tisch gezogen, weil sie nur noch ein Jahr und nicht mehr zwei Jahre Geld für die Unterstützung ihrer Elternschaft bekamen. Es ihnen jetzt ganz wegnehmen zu wollen, das zeigt deutlich, welche Kinder willkommen und welche unerwünscht sind!

Ich nenne so etwas den Versuch von staatlich gesteuerter Menschenproduktion. Wer mit dem goldenen Löffel in der Hand geboren wird, soll dafür noch belohnt werden. Aber wehe, wenn die Eltern sich ihr bisschen Geld selbst erarbeiten müssen und nichts ererbt haben! Dann sollen sie lieber kinderlos bleiben. Statt den Habenichtsen immer mehr Geld wegzunehmen, müsste der Staat seiner Pflicht nachkommen, dafür zu sorgen, dass Arbeitgeber so viel Lohn zahlen müssen, dass Arbeitnehmer davon gut leben und sich etwas für die Alterssicherung zurücklegen können. Wenn es Eltern finanziell gut geht, können sie ihren Kindern auch bessere Ernährung, Nachhilfe und Musikunterricht bezahlen. Die Bundesregierung scheint ihre eigene Art zu haben, mit der scharfen sozialen Auslese in Deutschland umzugehen. Die Kinder sind ja leider da, die jetzt aus dem benachteiligten unteren Fünftel stammen, ihre Zukunft negativ sehen und sich keine erfolgreiche Schullaufbahn zutrauen. Statt auch ihnen eine adäquate Förderung zukommen zu lassen, wird augenscheinlich nur dafür gesorgt, dass es nicht noch mehr von ihnen gibt! Menschen mit geringem Einkommen soll demnach so wenig wie möglich staatliche Hilfe zuteil werden, wenn sie Eltern werden wollen.

Auch der Rentenversicherungsbeitragssatz für Hartz-IV-Bezieher soll ganz entfallen, ebenso wie der Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher. Das „Er­werbslosenforum Deutschland“ wirft der Bundesregierung vor, ausschließlich arme Menschen zu belasten: „Poteste und Demonstrationen dagegen werden allein kaum ausreichen. Wir werden bestimmt über andere Widerstandsformen mit sozialen Ungehorsam nachdenken müssen, sollten diese Sozialkahlschläge beschlossen werden. Die Bundesregierung hat sich dafür entschieden, ausschließlich die Ärmsten zu belasten, und zwar so, dass es für Sozialleistungsbezieher und die unteren Einkommensbezieher nicht mehr hinnehmbar ist. Wer Menschen jetzt die Rente klauen will, muss sich nicht wundern, wenn das zu Formen vor sozialen Unruhen führen wird. Diese halten wir dann aber für begrüßenswert“, so Martin Behrsing, Sprecher des „Erwerbslosenforums“. Nachdem die öffentlichen Kassen wegen Milliardenhilfen an Banken und Autoindustrie geplündert sind, erklärt die Ministerin, es seien nunmehr weitere Kürzungen im Sozialbereich unumgänglich. Doch die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer! Wir dürfen es nicht zulassen, dass Kinder aufgrund ihrer sozialen Herkunft beruflich und sozial ins Abseits geraten. Weil die Bundesregierung seit Jahren bewusst auf Steuereinnahmen verzichtet, hat sie das Haushaltsdesaster mit verursacht. „Würden in Deutschland die Topverdiener so besteuert, wie im Durchschnitt der westlichen OECD-Länder, könnte unser Staat jährlich circa 75 Milliarden Euro Mehreinnahmen generieren. Damit wäre das Bankenrettungspaket schon fast finanziert. Aber lieber werden die Armen brutal geschröpft“, so Behrsing.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Menschenwürdiges Leben muss sichergestellt sein: Sozialgericht unter­sagt Bremer Jobcenter, Bedürftigen das Hartz-IV-Geld ersatzlos zu
streichen, wenn sie gegen Auflagen verstoßen („Radio Bremen“)

 

Das „Sparprogramm“ heißt Angriff
auf die Bevölkerung

Jobst Roselius 80 Milliarden sollen in den nächsten Jahren auf Kosten der Masse der Bevölkerung „eingespart“ werden. Davon sind die Arbeitslosen und ihre Familien besonders betroffen. Bisher ist kein Wort davon die Rede, die Verursacher der Spekulationen und die Abzocker zur Kasse zu bitten. Wir werden noch zu beurteilen haben, was Frau Merkel heute gesagt hat. Eines ist aber klar: Wir werden sicher mit vielen anderen unseren Protest und unsere Aktivität vergrößern und verstärken. Wenn einige nur die soziale Schieflage bejammern: Wir sammeln alle Kräfte, das Boot in eine ganz neue Lage und Richtung zu versetzen!

Vor einer Woche war Horst Köhler fast sang- und klanglos zurückgetreten. Keiner weinte ihm eine Träne nach. Seitdem haben wir fast täglich neue Kandidaten: Erst Ursula von der Leyen, dann Christian Wulf und nun auch noch Joachim Gauck. Alles Konservative und mehr oder weniger „gute Christen“. Gaucks Einsatz als Bürgerrechtler und Kämpfer gegen die Stasi-Diktatur und auch als Leiter der sogenannten Gauck-Behörde ist in bestimmtem Maß in Ordnung und zu würdigen, aber jetzt soll der Pastor herhalten als potentieller Rammbock gegen den Linkstrend. Wer auch immer die Wahl gewinnt, die doch so wenig Bedeutung hat, er wird sich der Realität stellen müssen. Mit Festhalten an alten konservativen Werten werden die Fragen gerade der Jugend nicht zu beantworten sein. Der Loslösungsprozess breiter Massen der Bevölkerung vom bürgerlichen Parlamentarismus und vom Staat wird fortschreiten. Die Montagsdemo ist ein Weg, die Menschen zusammenzuschließen und neue Formen der Meinungsbildung und Demokratie zu entwickeln.

Diese Woche ist die Woche der Bildungsproteste in Deutschland und Europa. Eine erste Jugendgruppe ist bereits hier und hat ihre Aktion „Bildungspicknick – gemeinsam Lernen statt gegeneinander“ gemacht. Wir bieten ihnen auch gleich das Offene Mikrofon an, um ihr Anliegen vorzutragen. Alle Bremerinnen und Bremer, alle Montagsdemonstrantinnen und Montagsdemonstranten rufe ich auf: Kommt zur großen Bildungsprotestdemo am Donnerstag, dem 10. Juni 2010, um 11 Uhr ab Hauptbahnhof! Weitere Proteste finden in Berlin am Samstag, dem 12. Juni 2010 statt. Das Motto lautet: „Wir zahlen nicht für eure Krise!“ Abfahrt der Busse ist um 6.30 Uhr am ZOB. Wer für die Mitfahrt einen Zuschuss braucht, komme doch später zu mir, damit wir die Unterstützung regeln können.

Am letzten Montag haben wir zusammen mit dem „Bremer Friedensforum“ gegen die kriegerische Piratenaktion Israels gegen die internationale Solidaritätsaktion durch Hilfslieferungen protestiert. Samstag Mittag gab es eine weitere große Demonstration mit türkischen, arabischen und palästinensischen Organisationen. Erneut wurde eine Hilfslieferung nach Gaza gestoppt und nach Asdod umgeleitet. Ich lehne die Gettoisierung des Gazastreifens und die Politik Israels, Gaza gleichsam auszuhungern, ab! Trotzdem geben wir das Offene Mikrofon an Freunde Israels, um ihre Position darzustellen.

Jobst Roselius

 

Wer hat hier „über seine
Verhältnisse gelebt“?

Harald Braun Die Regierungen in Europa überbieten sich gegenseitig bei der Abwälzung der Krisenlasten auf das Volk. Heute hat die Bundesregierung ihren Katalog der Grausamkeiten vorgestellt. Der Rotstift wird bei den Sozialleistungen angesetzt, um 51 Milliarden Euro bis 2016 aus der Bevölkerung herauszupressen. Bisher ist bekannt: Streichung des Elterngelds für Hartz-IV-Empfänger, Kürzung der Bezugsdauer von ALG I für Überfünfzigjährige, Streichung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger, Kürzung der Ausgaben zur Wiedereingliederung für Langzeitarbeitslose, Vernichtung von 15.000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst.

„Wir haben jahrzehntelang über unsere Verhältnisse gelebt“ – das ist überall die regierungsamtliche Lüge für den Kahlschlag. Was für ein Hohn! Armut und Elend nehmen seit Jahren zu. Täglich verhungern 15.000 Kinder auf der Welt. Hier in einem der reichsten Länder der Welt ist Altersarmut weit verbreitet, und immer weniger Menschen können von ihrer Arbeit leben. Jeder zweite Arbeitsplatz in Bremen ist inzwischen prekär – ungesichert und gering bezahlt, als Leiharbeit oder Minijob. Letzte Woche veröffentlichte die Techniker Krankenkasse ihren Gesundheitsreport und stellt fest, dass die psychischen Erkrankungen 40 Prozent höher sind als vor zehn Jahren. Die Belastung durch Zukunftsängste, Druck am Arbeitsplatz, demütigende Hartz-IV-Gesetze, zerrüttete Familien – diese Verhältnisse machen krank!

In Wirklichkeit hat eine gigantische Umverteilung stattgefunden: Zehn Prozent der Bevölkerung besitzen zwei Drittel der Einkommens in der Bundesrepublik. Die größten Dax-Unternehmen konnten 2009 ihre Gewinne trotz Krise um mehr als 30 Prozent steigern. Vor allem die Banken, die mit ihren Spekulationsgeschäften die größte Weltwirtschafts- und Finanzkrise ausgelöst haben, verdienen sich eine goldene Nase. Unvorstellbare 30 Billionen Dollar brachten die Regierungen der 20 größten kapitalistischen Länder auf, um die Folgen der Krise abzudämpfen und ihre Macht nicht durch Massendemonstrationen, Generalstreiks und Aufstände zu gefährden. Doch jetzt ist dieses internationale Krisenmanagement selbst in eine akute Krise geraten. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ beschwor am 11. Mai 2010 die einmalige Notsituation: „Die Eurokrise und die von ihr ausgehenden Gefahren stellt die internationale Finanzkrise noch in den Schatten. Es geht nicht mehr darum, den Zusammenbruch von Banken abzuwenden, sondern den von Staaten.“

Deshalb haben die Herrschenden ihre Taktik gewechselt: Das Krisenmanagement wird ersetzt durch die rigorose Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung. „Wir zahlen nicht für eure Krise“  – mit dieser Losung waren schon Millionen in Europa auf der Straße. Die Volksrebellion in Griechenland ist ein Signal, dass die ruhigen Zeiten für den Kapitalismus zu Ende gehen. Es ist sehr bemerkenswert, dass sich bei einer Umfrage von „Emnid“ im Februar 82 Prozent der Befragten vorstellen können, in einer sozialistischen Gesellschaft zu leben. Nehmen wir unsere Zukunft selbst in die Hand! Organisieren wir gemeinsam den Widerstand gegen die Regierung! Die Montagsdemo beteiligt sich diese Woche an zwei wichtigen Demonstrationen.

Harald Braun
 
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Bagatellkündigung („Spiegel-Online“)
 
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Polizei provoziert: 40.000 Menschen protestieren gegen
Abwälzung der Krisenlasten („Rote Fahne News“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz