1. Laut einer Pressemitteilung startete die Bundesagentur für Arbeit ein ehrgeiziges Projekt: Neuerdings will sie verständliche Bescheide verschicken, unter anderem die Bewilligungs- oder Ablehnungsbescheide für Arbeitslosengeld II. Dadurch soll die Zahl der Widersprüche reduziert werden, von denen angeblich viele nur deshalb eingereicht würden, weil die Bescheide nicht verstanden worden seien. Mal wieder wird so getan, als ob die ALG-II-Bezieher allesamt dumm und ungebildet seien und als ob nicht vielfach absichtlich oder grob fahrlässig falsche Bescheide herausgeschickt würden, um bei der Agentur für Arbeit Kosten einzusparen! Mir persönlich sind Fälle bekannt, wo ALG-II-Bezieher für einen einzigen Widerspruch bereits mit mehreren Nummern in den Antwortschreiben der Arge versehen wurden. Diese Maßnahme, die offensichtlich heillose Verwirrung stiften soll, war selbst vom Sozialgericht angeprangert worden. Die netten Beispiele für die neuen Easy-Bescheide der Bundesagentur für Arbeit werden an solchen Machenschaften leider absolut gar nichts verändern. Die Rechtswidrigkeit mancher Bescheide lässt sich gut bei Beratungsstellen belegen!
2 Der Bundesgeschäftsführer des Sozial- und Wohlfahrtsverbandes „Volkssolidarität“, Dr. Bernd Niederland, erklärte vor zwei Wochen, dass ein Sparkurs zulasten der sozialen Gerechtigkeit die Zukunftschancen für kommende Generationen verbaue. Er forderte, die Lasten der Krise nicht auf die Mehrheit der Bevölkerung abzuwälzen und die sozialen Infrastrukturen nicht kaputtzusparen. Niederland sagte weiter, dass es bei stagnierenden Löhnen und Renten, einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit und einem realen Armutsproblem nicht angehen könne, Sparmaßnahmen massiv im Sozialen, bei Bildung und Kinderbetreuung anzusetzen. Weder Familien mit Kindern, noch Rentner oder Arbeitslose lebten über ihre Verhältnisse. Deshalb überschreite, wer jetzt die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent erhöhen und gleichzeitig bei Rentenzuschüssen, Bildung sowie Familienleistungen kürzen will, die Grenzen des Zumutbaren. Laut Niederland lägen die Ursachen der hohen Verschuldung in den enormen Aufwendungen, die der Staat tätigen musste, um die Folgen der Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft zu begrenzen. Ob der Staat dies wirklich muss, sei mal dahingestellt! Es kann nicht angehen, dass für die Finanzmarktspekulationen allein die Bürger in Haftung genommen werden! Schließlich ist bereits jetzt ein massiver Abbau sozialer Angebote zu verzeichnen, weil den Kommunen trotz Konjunkturpaketen das Wasser bis zum Halse steht. Wer jetzt weiter bei den Bürgern einspart, nimmt massive Verschlechterungen der Lebensqualität in Kauf, statt die eigentlichen Verursacher dieser Sparzwänge zur Verantwortung zu ziehen. Niederland forderte, wirksame Vorkehrungen gegen weitere Finanzmarktspekulationen zu treffen und die Krisenverursacher stärker zu belasten.
3. Gregor Gysi brachte es in der Debatte über den von CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus schön auf den Punkt: Die Finanzmärkte ziehen die Kanzlerin am Nasenring durch die Manege. Demnach sei es also pro-europäisch, für Aufrüstung, Sozialabbau und falsche Verschuldung zu sein, hingegen anti-europäisch, für Frieden, Abrüstung und Verzicht auf Sozialabbau einzustehen. Dieser Bundestag beschloss zu Beginn der Finanzkrise innerhalb einer Woche, einen Rettungsschirm für Banken und Versicherungen im Umfang von 480 Milliarden Euro aufzuspannen. Der gleiche Bundestag beschloss nun ebenfalls binnen einer Woche, einen Rettungsschirm für Griechenland im Umfang von 110 Milliarden Euro mit einem deutschen Anteil von über 22 Milliarden Euro aufzustellen. Auch diesmal soll wieder innerhalb einer schicksalhaften Woche darüber beschlossen werden, eine Euro-Rettung im Umfang von 750 Milliarden Euro mit einem deutschen Beitrag von 148 Milliarden Euro zu veranlassen. Wenn im Bundestag jemals um eine Million Euro für einen sozialen oder kulturellen Zweck gekämpft würde, dauerte es wohl neun Monate, bis ein klares Nein hörbar wäre! In diesen Wochen wird zwar viel über Geld entschieden, aber nichts für eine überfällige Regulierung der Finanzmärkte getan. Die Bankster dürfen offenbar unbehindert weiter zocken und spekulieren. Leider konnte sich das schwarz-gelbe Gruselkabinett mit dem gigantischen Euro-Rettungspaket durchsetzen. Nicht bloß mir dürfte ziemlich klar sein, dass diese Milliarden natürlich nicht in Griechenland ankommen werden, sondern bei den marodierenden Bankstern!
4. Nun kommt es an den Tag: Bei der Kundenzufriedenheitsumfrage durch die Bundesagentur für Arbeit scheint es sich bei der vermeintlichen Zufriedenheit um reines, oder noch wahrscheinlicher: gefaketes Wunschdenken zu handeln. Eine vom Erwerbslosenverein „Tacheles“ durchgeführte „Kundenzufriedenheitsumfrage“ offenbart schwerwiegende Mängel an der Arbeit der Wuppertaler Arge. Bei der Bewertung der Gesamtzufriedenheit mit ihrer Arbeit lag die Durchschnittsnote aller Befragten bei 4,6. Das schlechteste Ergebnis bei dieser Frage erzielte die Geschäftsstelle 7 der Arge in Oberbarmen mit dem der Notendurchschnitt 5,4. Schlechte Noten gab es auch für den Umgangston und die telefonische Erreichbarkeit der Arge-Mitarbeiter(innen), die fachliche Beratung oder die Bearbeitungsdauer der Anträge. Das hört sich alles vertraut an: so wie wir den Umgang mit der Arge oft erlebten. Es überrascht auch nicht, dass bereits zwei Drittel der Befragten bei der Arge Wuppertal Erfahrungen mit „verloren gegangenen“ Unterlagen gemacht hatten und dass über die Hälfte der Befragten die Wartezeit bis zur Ausstellung einer Eingangsbestätigung mit mangelhaft und ungenügend bewerteten. Neben einer qualifizierten fachlichen Aufklärung und Beratung der Leistungsbeziehenden fordert „Tacheles“ die Erreichbarkeit der Mitarbeiter(innen) zu verbessern und die Bearbeitungsdauer von Anträgen zu verkürzen. Des Weiteren sei die verzögerte Auszahlung der Leistung und der Schwund von eingereichten Schreiben einzudämmen. Ich bin mir sehr sicher, dass die ermittelten Missstände absichtlich „organisiert“ werden: um abzuschrecken, Rechte vorzuenthalten, zu demütigen und Gelder bei den finanziell Ärmsten einzusparen. Die berechtigten, wohlmeinenden Appelle von „Tacheles“ an die Bundesagentur für Arbeit werden meiner Vermutung nach unerhört in vermeintlichem Wohlgefallen verschallen.
5. Die Polizeibehörde ermittelt gegen den „Caritas“-Verband Recklinghausen und Haltern am See. Dem „Caritas“-Verband wird vorgeworfen, Ein-Euro-Jobber und andere von der „Vestischen Arbeit“ bezahlte Arbeitskräfte rechtswidrig bei der Sanierung des „Caritas“-Hauses an der Mühlenstraße 27 in Recklinghausen im letzten Jahr eingesetzt zu haben. Nun geht es um den Verbleib von 70.000 Euro, die der Wohlfahrtsverband bei der Baumaßnahme durch den Einsatz der Ein-Euro-Kräfte an Gewinn gemacht haben soll. Die „Vestische Arbeit“, die die Ein-Euro-Jobber an die „Jugendwerkstatt Haltern“ als Träger der „Arbeitsgelegenheit“ vermittelt und dafür 2.000 Euro gezahlt hatte, gab den Fall an die Staatsanwaltschaft ab. Der „Caritas“-Verband habe die Rückforderung „prompt erfüllt“ sowie Akteneinsicht gewährt. Vereinbart war, dass die Ein-Euro-Jobber „fünf, sechs Stunden Bewerbungstraining pro Woche plus handwerkliche Arbeiten“ ableisten, um sie anschließend in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Da lachen ja die Hühner! Es ist ein offenes Geheimnis, dass von hundert Ein-Euro-Jobbern im günstigsten Fall einer zumindest für eine kurze Zeit auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Stelle findet. „Komisch“, dass solche offensichtlichen Missbrauchsfälle so gut wie nie durch die zuständige Aufsichtsbehörde, die Arge, aufgedeckt werden, die diese Träger ja eigentlich regelmäßig zu kontrollieren hat. Was nicht von sich aus gesucht wird – weil es ein prima Geschäft ist – kann auch nicht gefunden werden! Ich kann es mir nicht vorstellen, dass sie ihre eigenen Verbrechen, äh: Maßnahmen, aufdecken wollten. Wenn solche Maßnahmen bewilligt werden, dann werden Fördergelder veruntreut oder zweckentfremdet. Irgendwie komisch, aber mir kam es noch nie zu Ohren, dass dafür mal die Geschäftsführer der argen Argen zur Rechenschaft gezogen worden wären!
6. Eine 56-jährige Frau, die von einer Hinterbliebenenrente in Höhe von 900 Euro lebt, wohnt mit ihrem Lebensgefährten zusammen, der vom ALG II vegetieren muss. Dadurch würden beide eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft bilden. Obwohl die Frau selbst nicht bedürftig ist, wird sie frecherweise von der Arge als bedürftig nach § 9 SGB II „gerechnet“. Ihre Rente wird als Einkommen in die Bedarfsgemeinschaft eingerechnet, wodurch sie rechnerisch bedürftig wird. Rechnerisch bekommt sie nun circa 125 Euro von der Arge. Da sie ja rechnerisch bedürftig ist, will die Arge sie nun allen Ernstes zwingen, eine Arbeit anzunehmen. Es stört die Arge nicht im Mindesten, dass die Frau ihre Hinterbliebenenrente verlöre, sollte sie sich eine Arbeit suchen und auch noch finden. Will die Arge nur weniger zahlen? Die Arge verkündet der Frau, dass sie trotzdem arbeiten müsse, da sie in der Pflicht sei, alles zu tun, um die Bedürftigkeit zu beenden beziehungsweise zu verringern. Als die Frau daraufhin erklärt, dass sie dann ihren Lebensgefährten aus der Wohnung werfen und somit die Lebensgemeinschaft auflösen werde, ist die Sachbearbeiterin erschrocken und sagt ihr, dass die Arge das so aber nicht wolle.
Doch der zuständige Leistungssachbearbeiter sieht das ganz anders und beharrt auf der Forderung, obwohl die Arge in Zukunft etwa 440 Euro mehr als jetzt zahlen muss, wenn der Lebenspartner eine eigene Wohnung bezieht. Dazu kommt die Kostenübernahme für die Wohnungssuche und eine Erstausstattung, wenn die Arge das Zusammenwohnen eines Paares, auf Neoliberaldeutsch: Bedarfsgemeinschaft, zerstört, weil sich hier leider niemand zur Wehr setzt. Auch wenn die Arge mit dieser brachialen Methode letztlich finanziell draufzahlt, so ist es ihr mal wieder gelungen, den Zusammenhalt, die Stärkung von Erwerbslosen untereinander zu schwächen. So muss sich jeder, der einen arbeitslosen Partner hat, zweimal überlegen, ob er mit diesem unter solchen Umstände zusammenziehen kann. Das gilt vor allem, wenn das Einkommen des Noch-Erwerbstätigen eine gewisse Mindesthöhe nur gerade eben übersteigt. So wird eine Sippenhaftung herbeigeführt, die zum Wegfall aller Ansprüche führen kann und quasi beide in eine gewisse Armut treibt und beide den Repressionen der Arge aussetzt.
Wenn der Gesetzgeber solch idiotische und unsoziale Gesetze erlässt, muss man ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, wo immer das möglich ist. Im oben geschilderten Fall kommen nun eben Mehrkosten auf die Arge zu. Bürokratische Sturheit hat eben auch ihre Schattenseiten! Dieser Fall scheint zudem von keinerlei Sachkenntnis bei der Arge und den Beteiligten getrübt zu sein. Zu einer wirklichen Bedarfsgemeinschaft können immer nur Bezieher von ALG II gehören. Meiner Meinung nach kann eine Rentnerin dafür natürlich gar nicht in Frage kommen! Möglich wäre nur eine Einstandsgemeinschaft nach § 7 Absatz 3a SGB II, aber auch nur dann, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen in der Betrachtung ihrer Gesamtheit vorliegen, also das Paar länger als ein Jahr oder mit einem gemeinsamen Kind zusammenlebt, die Betreffenden Kinder oder Angehörige im Haus versorgen oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Ich persönlich würde ihnen dazu raten, in ihrem „Fall“ einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu stellen und notfalls vor dem Sozialgericht das eigene Recht einzuklagen!
7. Jetzt fordert sogar schon der Präsident des „Zentralverbands des Deutschen Handwerks“, Otto Kentzler, die Abschaffung der Ein-Euro-Jobs. Ich finde, dass er damit völlig Recht hat, weil sich dadurch 1,5 Milliarden einsparen ließen. Es könne nicht sein, dass immer zuerst an Steuererhöhungen gedacht werde, um den Haushalt zu sanieren. Ein wahrer Schnellmerker, nach über fünf Jahren seit Einführung der menschenverachtenden Hartz-Gesetze! Das wäre mal eine Wohltat, denn diese Sklavenjobs dürfen herzlich gerne eingespart werden. Jetzt kommt es bloß darauf an, „etwas Neues zu erfinden“ und salonfähig zu machen, natürlich nur etwas, das den Staat nichts kostet und der Wirtschaft nicht im Wege steht. Gerade in Hinblick auf die erneute Reduzierung des Zivildienstes,die zum Beispiel Pflegeeinrichtungen hart treffen dürfte, müsste so etwas wie „Bürgerarbeit“ aus dem Hut gezaubert werden, wenn die Entwürfe nicht längst fix und fertig unterschriftsreif in der Vorlagemappe lägen. Die völlige Abschaffung der Ein-Euro-Jobs werden die fetten Maden im Speck – verschiedene Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Dekra et cetra – sicher zu verhindern wissen. Denn mit wem sollten die „Sozialkaufhäuser“ und so weiter denn sonst betrieben werden? Genau diese Befürchtung hegte ich heute Morgen, als ich in den Sechsuhr-Nachrichten im Nordwestradio auch etwas von angeblicher „Chance durch Bürgerarbeit“ für rund 33.000 schwer vermittelbare Arbeitslose hörte, die jeder Erwerbslose bekommen sollte. Dieses Projekt solle auf drei Jahre begrenzt sein und schlappe 900 Euro im Monat bringen. Tolle Chance als Müllsammler, so zukunftsweisend und richtig gut bezahlt, prima zum Eingliedern!
8. Erwerbslose melden sich immer häufiger krank. Ein Medienbericht berichtet unter Berufung auf Daten der Techniker Krankenkasse, dass die Fehltage der Empfänger von Arbeitslosengeld I seit 2006 um 28 Prozent auf 22,5 Tage gestiegen seien. Besonders stark zugenommen hätten psychische und Verhaltensstörungen. Hier habe das Plus bei 44 Prozent gelegen. Der Hauptgeschäftsführer des „Paritätischen Wohlfahrtsverbandes“, Ulrich Schneider, führte die starke Zunahme der Krankmeldungen auf das Inkrafttreten der Hartz-Gesetze zurück. Der seelische Druck auf die Arbeitslosen und ihre Familien ist enorm und macht krank. Bei den ALG-I-Beziehern ist es erst die Angst, im Bezug von ALG II wird der Albtraum dann Realität. Hierbei handelt es sich dann ganz praktisch und lebensnah um den sozialen Abstieg und die Armut, in übel riechender Kombination mit Medienhetze, schlechterer medizinischer Versorgung, kleinen, minderwertigen Wohnungen, schlechter Wohngegend durch grassierende Segregation, mangelhafter Ernährung, wenig Teilnahme an Bildung und Kultur, Druck durch Sachbearbeiter, destruktive Verfolgungsbetreuung und last not least schlechten Zukunftsperspektiven.
9. Die Arbeitnehmer in den EU-Staaten sollen länger arbeiten und später in Rente gehen, empfiehlt die EU-Kommission laut einem Zeitungsbericht. Sonst drohe eine „schmerzhafte Kombination aus geringeren Zahlungen und höheren Beiträgen“. Der Vorschlag aus Brüssel: Das Renteneintrittsalter weiter rauf! Demnach soll es regelmäßig so angehoben werden, dass durchschnittlich nicht mehr als ein Drittel des Erwachsenenlebens im Ruhestand verbracht werde. Sollen wir der EU-Kommission vorschlagen, 70-jährige Rentenanwärter dahingehend zu verpflichten, in den Haushalt ihrer 90-jährigen Eltern einzuziehen? Oder soll die Inanspruchnahme der Rente das sofortige Zusammenleben in einem Pflegeheim nach seinem erfolgreichen Berufsleben im Auftrag des Kapitalismus bedeuten? Das alles, um die Pensionen der EU-Beamten und Ratgeber zu sichern, den Sozialstaat abzubauen, die Rente abzuschaffen? Wer schon im Arbeitsleben stirbt, braucht keine Rente mehr! Aber natürlich nur bei den unteren Berufsgruppen.
10. Um das Zocken der Bankster zu bezahlen, will die Bundesregierung nun auch bei den Kosten für Hartz IV sparen. Das Arbeitsministerium plant, noch vor der Sommerpause einen Vorschlag zur pauschalen Bezahlung von Mietkosten für die Hilfebedürftigen vorzulegen. Weil es künftig nur noch eine regional differenzierte Pauschale geben soll, ist die Empörung groß. FDP-Generalsekretär Christian Lindner behauptete zwar, dass damit keine individuellen Leistungskürzungen oder eine Verschlechterung der Wohnsituation verbunden seien. Da jedoch mit einer solchen Pauschalisierung die Bürokratie abgebaut würde, geht die Bundesagentur für Arbeit von einer Rückkehr der Beschwerdeflut gegen Hartz-IV-Bescheide aus. Auch die Sozialverbände lehnen das Vorhaben der Koalition ab, weil durch die Mietpauschalen Familien und Kinder in Hartz-IV-Bezug mutwillig zu einem Umzug in billige und abbruchreife Wohnungen verführt würden. Dieses Vorhaben ist ein trauriger Witz, und ich warte auf massive Gegenwehr gegen solche asoziale Politik.
Wenn mit den Pauschalierungen der Wohnkosten tatsächlich keine individuelle Leistungskürzungen oder eine Verschlechterung der Wohnsituation verbunden wäre, wie uns der FDP-Generalsekretär glauben machen will, dann könnte sich auch kein dreistelliger Millionenbetrag einsparen lassen! Wollen die uns mal wieder für dumm verkaufen? Witz komm raus: Wie soll die Prozessflut eingedämmt werden? Weil Unrecht zum Gesetz geworden ist, wogegen sich dann nicht mehr klagen ließe? Welch kaltblütige Verarschung: Als ob es um eine zu befürchtende Gettoisierung ginge. Die haben wir doch schon längst! Viel schlimmer ist, dass es all die superbilligen Wohnungen nirgends gibt und die ALG-II-Bezieher deswegen ihre real nicht zu senkenden Kosten für die Unterkunft, die die Höhe der Pauschale übersteigen, von ihren kümmerlichen 359 Euro zum Vegetieren abzwacken müssen. So sieht dann die Umsetzung davon aus, einen „Anreiz“ für einen Umzug in eine billigere Wohnung zu schaffen. Hauptsache Verarschung pur, wenn bei den Ärmsten der Armen im Lande gespart wird, um die Profitmaximierung der Reichsten zu fördern! Wenn es keine billigen Wohnungen mehr gibt, dann aber vielleicht ganzjährige Campingplätze, Wohnheime oder Arbeitslager? Wurde jemals woanders als bei den Armen gespart?
Kürzlich habe ich mich als Inhaber eines Sozialtickets, des sogenannten Stadttickets, von Kontrolleuren in der Straßenbahn „erwischen“ lassen: Ich hatte keine Nummer eingetragen. Als man mich bat, diese nachzutragen, obwohl ich sie in meinem Sozialausweisumschlag hatte, weigerte ich mich schlicht, dies zu tun: Ich bin doch nicht im Kindergarten, um zu spielen! So schrieb man mich auf, fragte nach meinem Namen, den ich in diesem Falle natürlich nicht nannte. Allerdings stand er in dem Sozialticket, wodurch man alles leicht über die Polizei rausfand. Beschwerenderweise muss ich auch sagen, dass man nun meine sämtlichen Daten laut in der Bahn herumrief, was mich empörte, weil das die Öffentlichkeit nichts angeht.
Dann erklärte ich, warum ich mich weigerte, die Nummer einzutragen. Erstens ist der Kauf des Sozialtickets ein schlichter Kauf, man geht rechtlich einen Kaufvertrag durch Zahlung des Tickets ein. Zweitens macht die Nummer das Ticket entgegen dem normalen Monatsticket nicht übertragbar. Mir geht es hier um diese Übertragbarkeit, doch besagt das Gesetz laut BGB § 433, dass der Verkäufer einer Sache dem Käufer keine Rechtsprobleme in den Weg stellen darf, was mit der Nummerneintragungsforderung jedoch der Fall ist.
Das Sozialticket wurde eingeführt, um das Fahren mit Bussen und Straßenbahnen der BSAG vor allem für Familien mit geringem Einkommen billiger zu machen. Nun muss jedoch die Nummer der einzelnen Person mit eingetragen werden, wodurch das Sozialticket nicht mehr übertragbar ist. Familien müssen somit für jedes Mitglied ein solches kaufen, statt wie beim Monatsticket nur eines, das alle dann abwechselnd nutzen können. Dies geht bei dem billigeren Sozialticket nicht, das heißt, hiermit wird das Fahren gerade für Familien sogar teurer statt billiger. Dieses Sozialticket ist also Verarschung. Zumindest wurde sein Sinn vollkommen verfehlt.
Herr Eichentopf meinte darauf, dass die Einnahmen der BSAG sinken würden, wäre es übertragbar. Doch ist es sinnvoll, etwas für Einkommensschwache verbilligt anzubieten, wenn man sich Sorgen um Einnahmeverluste macht? Dann müsste man es eben ganz sein lassen. Aber die BSAG gehört der Stadt vollständig, somit eigentlich den Bürgern selbst! Kann man da von Einnahmeverlust reden, wenn das Unternehmen selbst nicht einmal jemandem privat gehört, sondern in Stadtbesitz ist? Und die Stadt hat kein Geld? Wofür gibt es denn den Bund-Länder-Finanzausgleich? Wofür ist die Bundesrepublik ein föderalistischer Staat, wenn da nicht von den anderen ausgeholfen werden mag? Wovon zahlt die BSAG all die Baustellen und die neuen Fahrzeuge, wäre kein Geld da? Dass kein Geld da sei, scheint ein komisches Argument zu sein.
Ich wurde jedoch aufgeschrieben. Zur Klärung solle ich zur BSAG gehen oder 40 Euro zahlen. Also ging ich natürlich zur BSAG und trug meine Meinung vor. Man rief extra den Chef der Abteilung, Herrn Eichentopf, der auch das „erhöhte Beförderungsentgelt“ bearbeitet. Dieser ließ lediglich die Zahlung von 40 auf sieben Euro reduzieren, jedoch nicht aufheben. Nach dieser Auffassung habe ich ohnehin schon nichts mehr falsch gemacht, da ich nur noch eine Bearbeitungsgebühr statt eines Beförderungsentgeltes zahlen soll. Das werde ich selbstverständlich ebenso wenig zahlen, wie ich auch gleich mit aller Deutlichkeit mitteilte.
Herr Eichentopf meinte daraufhin nur, dass die Geschäftsbedingungen der BSAG dies besagen. Ich antwortete, diese seien dann eben rechtswidrig. Das habe jedoch nicht die BSAG zu verantworten, sondern der Senat, welcher die Regeln der BSAG bestimmt. Dorthin ging ich dann und sprach mit einem Herrn Just. Leider hatte dieser ebenfalls kein Einsehen. Ich fragte ihn, bei wem ich mich beschweren könne, wenn mir seine Aussage nicht passt. Das müsse dann schriftlich laufen, was ich auch tun werde, da ich aufgrund von § 433 BGB durch den käuflichen Erwerb des Sozialtickets auch das Recht zu dessen Nutzung habe. Dies muss die BSAG somit ohne Probleme bieten.
Ein erstes Schreiben mit der Aufforderung zur Zahlung von nunmehr zwölf Euro (einschließlich fünf Euro Mahnkosten) habe ich bereits erhalten, diesem auch schon per Fax widersprochen. Man müsse wohl Klage einreichen, wenn man dieser, seiner Auffassung nicht Folge leisten möge, meinte Herr Just. Nun, eine entsprechende Klage wird mit Sicherheit kommen! Ich sehe dieser mit Gelassenheit und Freude entgegen, weil ich mir erhoffe, den Senat hiermit dazu zu bewegen, das Sozialticket doch noch übertragbar zu machen.
1. Petes Beitrag finde ich gut, und es ist auch mutig von ihm, wie er vorgeht. Allerdings sollte schon allein der Begriff „Sozialticket“ offensiv in Frage gestellt werden. Es kann sich bei dem Bremer Ticket nicht um ein Sozialticket handeln, da es ja über die in den Regelsätzen festgesetzten Anteile für den öffentlichen Personennahverkehr hinausgeht. Im Regelsatz sind eben für den Alleinlebenden nur 49 Cent pro Tag für Verkehr vorgesehen, daher dürfte das Ticket nur 15 Euro im Monat kosten. Entsprechend sind es bei Angehörigen von Bedarfsgemeinschaften dann 90, 80, 70 oder 60 Prozent (bei Kindern) von den 15 Euro.
2. Eben habe ich mal die 900 Euro, die Ursula von der Leyen für die von ihr propagierte „Bürgerarbeit“ zahlen will und die ja brutto sein sollen, in den Gehaltsrechner eingegeben. Hier das Ergebnis für einen Alleinlebenden ohne Kinder: Nach Abzug von 184,27 Euro Sozialabgaben und 1,33 Euro Steuern bleiben im Monat 714,40 Euro netto übrig. Die Bundesarbeitministerin und ihr Stab haben anscheinend keine oder nur sehr wenig Ahnung! Noch nicht einmal das gängige Lohnabstandsgebot von 15 Prozent zur Sozialhilfe wollen sie anscheinend einhalten.
Auch dass man mit solch einer Arbeitsaufnahme zusätzliche Kosten gegenüber einem Erwerbslosen wie Mehrverpflegung, Bekleidung oder Fahrtkosten hat, lässt man großzügig außen vor. Der Bruttostundenlohn beträgt übrigens, auf einen 7,5-Stunden-Tag gerechnet, bloße 5,53 Euro. Nach drei Jahren dieser Tätigkeiten würde jeder dieser Arbeitnehmer aufgrund eines viel zu niedrigen ALG-I-Anspruches sofort wieder in Hartz IV fallen. Von seiner Lohnarbeit muss der Mensch auch leben können! Mit dieser „Bezahlung“ muss er wohl eher versuchen zu überleben. Ein sittenwidriger Vorschlag? Eine diesbezügliche Überprüfung scheint mir dringend erforderlich!
Zwischenzeitlich teilte mir ein Mitkämpfer der Bremer Montagsdemo die folgende Richtigstellung mit: Für geförderte Beschäftigungen sind laut § 27 SGB III seit dem 1. Januar 2009 keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung mehr einzubehalten. Dadurch entstehen auch keine Ansprüche nach dem SGB III, also auf ALG I oder ABM. Der Mensch bleibt Erwerbsloser zweiter Klasse!
Am 27. Mai erschien in den beiden großen Bremer Tageszeitungen „Weser-Kurier“ und „Bremer Nachrichten“ ein ausführliches Interview mit dem Bremer Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD). Darin bejubelte er voller Überschwang – sehr zum Entzücken der Handelskammer – den „Fleiß“ des Unternehmertums in der Hansestadt. Völlig unkritisch schloss er dabei die kräftig boomende Rüstungsindustrie in seinen Jubel ein! Dies forderte unseren Protest heraus und veranlasste uns zu einer entsprechenden Pressemitteilung.
Darin verurteilen wir den Zynismus des Senators. Wir heben hervor, dass die von ihm gelobte Spitzentechnologie in hohem Maße der elektronisch gestützten Kriegsführung der Bundeswehr und der Flüchtlingsabwehr aus dem Weltraum dient. Diesen Tatbestand hatte er heruntergespielt und als „abstrus“ bezeichnet. „Bremer Rüstungsbetriebe und Rüstungsexporte über bremische Häfen tragen zur Verbreitung von Kriegswaffen bei, töten Menschen und zerstören Orte in anderen Ländern“, betonen wir stattdessen und werfen ihm vor, dass in seiner gesamten Lubhudelei friedenspolitische Überlegungen überhaupt keine Rolle spielen.
Wir erinnern ihn daran, dass vor 20 Jahren der damalige Senat noch für die Umwandlung von Rüstungs- in Zivilproduktion eintrat. Dieses Konversionsprogramm führte zwischen 1992 und 2001 über 60 betriebliche Projekte durch. Unsere Pressemitteilung fährt mit der Feststellung fort, dass die gleichen Betriebe, die heute Rüstungselektronik herstellen, genauso gut notwendige High-Tech-Produkte zur Erhaltung der Umwelt und zur Energieeinsparung herstellen könnten. Dies würde die wirtschaftlichen Erfolge des Landes Bremen keineswegs schmälern, ein Verlust von Arbeitsplätzen wäre damit nicht verbunden. Das Gegenteil wäre der Fall, bestehende Arbeitsplätze könnten sogar dauerhaft gesichert werden. Daher unser Appell an Senator Günthner: Bremen muss jetzt mit der Neuauflage eines Konversionsprogramms punkten und zugleich ein deutliches Friedenszeichen setzen!
Um 18 Uhr stieß die Gaza-Solidaritätsdemo
zur Montagsdemo hinzu.
An unserem Offenen Mikrofon sprachen
Vertreter des „Friedensforums“...
...und der palästinensischen Gemeinde. Wir alle fordern:
„Schluss mit den Verbrechen der isrealischen Regierung!“
Nur ein Teilnehmer fehlte bei dieser Montagsdemo. Dem neuen Bundespräsidenten
Jens Böhrnsen sei der Besuch dringend empfohlen!
Horst Köhler ist zurückgetreten, nachdem er öffentlich gefordert hat, die Handelswege freizuschießen. Damit geriet er stark in die Kritik – allerdings weniger, weil nicht sowieso allen klar wäre, dass die Bundeswehr in Afghanistan statt „humanitärer“ Ziele die Interessen deutscher Monopole verfolgt, sondern weil er es offen ausgesprochen hat! Aber Köhler hat nicht nur offene Aggression nach außen, sondern auch gegen die Bevölkerung gefordert. Als früherer Chef des IWF war er schon immer dafür, dem Volk die „Daumenschrauben“ anzulegen wie jetzt dem griechischem Volk. Nach Roland Koch ist innerhalb weniger Tage der zweite hochrangige Politiker zurückgetreten. Die latente politische Krise bekommt zunehmend offene Züge!
„Keine Tabus mehr beim Sparen“ und „Kürzungen bei Hartz IV“: So oder so ähnlich lauten seit Freitag die Schlagzeilen nicht nur der „Bild“-Zeitung. Als Erstes sollen bei Hartz IV über 200 Millionen gespart werden, indem nur noch Mietpauschalen bezahlt werden. Wir erinnern uns nur zu gut an die angedrohten Zwangsumzüge! CSU-Seehofer tönte gestern, dass ALG-II- Empfängern die Leistung gestrichen werden soll, wenn sie Arbeit ablehnen – wahrlich kein neuer Lichtblitz! Abgesehen davon, dass das in den Hartz-Gesetzen so schon festgelegt ist, soll da nur einmal mehr gegen die „faulen“ Arbeitslosen gehetzt werden. Schäuble und andere Politiker sprechen schon offen von Steuererhöhungen.
In ganz Europa kämpfen die Menschen gegen die „Sparpläne“ auf dem Rücken des Volkes. In Lissabon gingen am Samstag Zehntausende auf der Straße gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 20 auf 21 Prozent, die Kürzung des Arbeitslosengeldes, das Einfrieren der Löhne im öffentlichen Dienst sowie gegen die Privatisierungspläne. Die Regierung steckt im Dilemma! In Frankreich streikte über eine Million gegen Pläne, das Rentenalter heraufzusetzen, und in Griechenland sowieso.
Letzte Woche wurde bekannt, dass Hypo Real Estate abermals um zehn Milliarden Aufstockung ihres Garantierahmens erhielt, für den der Staat haftet. HRE ist eine der Banken, die auf den Staatsbankrott Griechenlands gewettet haben! Jetzt wurde Spanien von der Ratinagentur Fitch abgewertet und muss jetzt doppelt so viel für Kredite zahlen wie etwa Deutschland. Wird hier der nächste Staatsbankrott vorbereitet? Immer mehr rückt das ganze System in den Brennpunkt der Kritik und der Kämpfe: ein System, das beherrscht wird von einem Konglomerat aus Finanzhaien, Milliardärsfamilien und korrupten Politikern. Wir fordern die Streichung aller Schulden bei den großen Banken und die Aufhebung der Lissabonner Verträge!
Wenn der gemeinsame Kampf der Völker Europas das Krisenprogramm zu Fall bringt, wird es einen neuen Aufschwung im Kampf für eine befreite Gesellschaft geben! Auf diesem Weg brauchen wir starke und kämpferische Gewerkschaften. Am Samstag gab es eine Veranstaltung in Berlin, auf der Betriebsräte von Daimler und Siemens, Verdi-Leute, aber auch Schauspieler Rolf Becker sprachen. Anlass war, dass kämpferische Kollegen in Berlin, Sindelfingen und Kassel aus der IG Metall ausgeschlossen werden sollen, weil sie auf eigener Liste kandidiert haben.
Heute Morgen wurde ein Schiffskonvoi aus acht Schiffen mit 700 Aktivisten völkerrechtswidrig von der israelischen Armee angegriffen, Dabei wurden mindestens 16 Menschen getötet und 50 verletzt. Die Schiffe, die unter türkischer Flagge fuhren, hatten Hilfsgüter für das leidende Volk in Gaza an Bord: Decken, Rollstühle, Arzneimittel. Das ist Staatsterror! Solidarität mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes!