246. Bremer Montagsdemo
am 14. 09. 2009  I◄◄  ►►I

 

Unersetzliche Kulturgüter um der Renditeerwartung willen zerstört

Wieland von HodenbergIm denkmalgeschützen Sendesaal wurde am 13. September offiziell die neue Veranstaltungs-Saison eröffnet. Dies geschah im Rahmen einer Feierstunde zum diesjährigen „Tag des offenen Denkmals“, zu der die „Freunde des Sendesaales“ eingeladen hatten. Damit begann jetzt auch offiziell eine neue Ära für das ehemalige Großstudio von „Radio Bremen“. Am technischen Umfeld wurden einige Renovierungen vorgenommen, und in den anderen ehemaligen Rundfunkgebäuden wird in Kürze eine Reha-Klinik entstehen. Im Anschluss an die Feierstunde gab es noch eine ausgiebige Führung durch die ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden technischen Einrichtungen des Saales, des Regieraums und der alten Hörspielstudios, die von „Radio-Bremen“-Mitarbeiter(inne)n organisiert und durchgeführt wurde.

Vor etwa 150 Gästen begrüße Peter Schulze, Vorsitzender des Vereins und jahrelanger Musikchef von „Radio Bremen“ die beiden Gastredner, Bürgermeister Jens Böhrnsen und Landeskonservator Prof. Georg Skalecki, sowie den Sendesaal-Retter Dr. Klaus Hübotter und den neuen „Radio-Bremen“-Inten­danten Jan Metzger. Böhrnsen betonte in seiner Rede die überregionale Bedeutung des Bremer Sendesaals als Kulturdenkmal, Konzertsaal und anspruchsvolles Aufnahmestudio. Vor nicht allzu langer Zeit war das noch ganz anders, denn da sah der Bürgermeister diese Bedeutung offenbar nicht. Damals handelten er und der damalige Intendant Heinz Glässgen ganz im Interesse zweier Immobilienhaie, die den Saal unbedingt abreißen wollten, um dort Wohnblocks und einen Supermarkt zu errichten. Erst als Hübotter ins Spiel kam, sahen sich wohl beide zu einer Haltungsänderung veranlasst.

Peter Schulze skizzierte in seiner Begrüßungsrede noch einmal kurz die Stationen des jahrelangen Widerstandes gegen die Abrisspläne. Er und der Landesdenkmalpfleger Dr. Skalecki würdigten besonders auch die Verdienste von Klaus Hübotter, der den Saal und die umliegenden Funkhausgebäude zwecks Erhaltung und Weiterbetrieb aufgekauft hatte. Seitdem steht jetzt alles unter dauerhaftem Denkmalsschutz. Skalecki verurteilte zudem in seinem längeren Grußwort scharf die verheerende Kulturpolitik vor allem in den „neuen Bundesländern“, die hier um einer kurzsichtigen Renditeerwartung willen das Grundgesetz bricht und nur nach der neoliberalen Verwertungslogik handelt. So würden unzählige unersetzliche Kulturgüter für immer zerstört. Er betonte, Bremen sei deshalb eine positive Ausnahme, weil es hier einen geschichtsbewussten Bürgersinn gebe: Bremische Investoren gingen traditionell verantwortungsvoller und mit Sinn für Stadtgeschichte mit den Kulturgütern um. Damit ließ er durchblicken, dass mit hiesiger Denkmalpflege ein Kahlschlag wie anderswo nicht zu machen ist. Hierfür bekam er lang anhaltenden Beifall.

Interessant war übrigens, wer zu dieser Feierstunde nicht gekommen war: Heinz Glässgen, der jetzt nicht mehr Intendant ist, und der frühere Bürgermeister, Kultursenator und Klaviermusikliebhaber Henning Scherf, der sich auch nicht gerade um den Erhalt des Sendesaals die Beine ausgerissen hatte. Jetzt kann Scherf als Pensionär auch in Zukunft – wenn er nicht gerade reuevoll über seine verfehlte Agendapolitik nachdenken muss – in aller Ruhe die berühmte Klangqualität des historischen Sendesaals genießen! Dort findet übrigens vom 19. bis 25. Oktober ab 10 Uhr der „Bremer Klavierwettbewerb 2009“ mit Teilnehmer(inne)n aus 19 Ländern statt. Der Eintritt ist frei.

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)
 
Das „Bremer Friedensforum“ ruft auf zur Mahnwache gegen die Rüstungs­hochburg Bremen am Freitag, dem 18. September 2009, von 12 bis 13 Uhr an der Domsheide, vor dem „Kapitel 8“
 
Sozialgesetzgebung muss überdacht werden: Die Einführung von
Hartz IV hat Menschen in Not gestürzt („Radio Bremen“)
 
Volle Piste blubbern: Schafft Münte auch mit Hartz IV
eine glatte Landung? („Spiegel-Online“)
 
Nullwahlkampf im Edelschlafwagen: Die Kanzlerin schwebt mit dem
Rheingold-Express über die Finanzprobleme hinweg („Stern“)
 
Abgrenzung nach rechtsaußen verweigert: Piratenpartei
macht sich unwählbar („Spiegel-Online“)
 
Systematische Manipulation: Von wirklich freien, gleichen und geheimen Wahlen kann in Deutschland keine Rede sein („RF-News“)

 

Mit Hetztiraden
ganze Arbeit geleistet

Elisabeth Graf1. In Nürnberg wird ein Sozialgeldbezieher sowohl anonym als auch ganz offen beleidigt, seit er seine inzwischen weitgehend beigelegte Auseinandersetzung mit dem Sozialamt öffentlich machte. Der 44-jährige Thomas Müller leidet unter der Schlafkrankheit, Depressionen, schwerem Asthma, Schmerzattacken und posttraumatischen Belastungsstörungen. Auch wenn ihm sein komplexes Krankheitsbild nicht auf den ersten Blick anzusehen ist, ist er dennoch zu hundert Prozent erwerbsgemindert. Sein anerkannter Grad der Behinderung liegt bei 50 Prozent.

Weil die Miete von Thomas Müller über der niedrigen Obergrenze liege, schickte ihn das Sozialamt zum Gesundheitsamt, um dort seine Umzugstauglichkeit (was für ein grauenhaftes Behördendeutsch!) überprüfen zu lassen. Weil er sich jedoch von den Amtsärzten so schlecht und unmenschlich behandelt fühlte, stellte er die Zusammenarbeit mit ihnen ein, bekundete aber gleichzeitig, sich von anderen Experten begutachten lassen zu wollen. Alle ahnen schon, was im Zuge der Verfolgungsbetreuung als nächstes geschah: Das Sozialamt kündigte daraufhin an, die Hilfe wegen „fehlender Mitwirkung“ zum Ende des Monats komplett einzustellen – was sonst!

Auch wenn die Drohung bestimmt wegen der Veröffentlichung des Streites wieder zurückgezogen wurde, landen in seinem Briefkasten seither beleidigende Zettel, auf denen beispielsweise „Stinkfaule fette Sau!“ oder „Du A...!“ steht. Auch bei der Lokalredaktion der örtlichen Zeitung kamen ähnliche Schmierfetzen an. Dort wird Thomas Müller von einem der Schreiberlinge als „notorischer Faulenzer“ bezeichnet, dessen Übergewicht „vom guten Essen und zu wenig Bewegung“ komme und der bloß zu faul zum Umziehen sei. Ein anderer Schmierfink unterstellt ihm Hypochondrie und eventuell ein übler Sozialschmarotzer zu sein. Er begrüßt deswegen ausdrücklich, dass ihm die Behörde das Geld entziehen wollte.

Die meist gleichgeschalteten Massenmedien haben mit ihren pauschalisierenden Hetztiraden gegen Erwerbslose ganze Arbeit geleistet und die lieben Mitmenschen zu wahren Gesundheitsexperten „ausgebildet“, die nun den „fachlichen Rat“ erteilen, Herr Müller sei nur umzuschulen oder möge doch endlich Selbstmord begehen. Wenn er das nicht freiwillig täte, könnten „sie“ auch ein wenig „nachhelfen“. Thomas Müller tat das einzig Richtige und erstattete Anzeige. Solch eine Flut von Beleidigungen bis hin zur Morddrohung darf er sich nicht gefallen lassen!

 

2. Der DGB-Vorstand fordert ein Überbrückungsgeld vor Hartz IV. Weil nur jeder dritte Erwerbslose überhaupt ALG I erhalte, stürzen die meisten nach dem Verlust ihres Jobs gleich in die tiefen Abgründe von Hartz IV ab. Angesichts der existenzbedrohenden Grausamkeit der Hartz-Gesetze kann solch ein Überbrückungsgeld lediglich aufschiebende Wirkung entfalten, ohne das gesellschaftliche Problem der nicht vorhandenen Jobs und der staatlich verordneten Massenarmut anzugehen. Sollte der DGB wirklich die Interessen der Arbeitnehmer vertreten, so müsste er sich für eine sofortige Aufhebung der Hartz-Gesetze einsetzen und stattdessen eine menschenwürdige und auskömmliche Regelleistung fordern!

Wenn die Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich auf 30 Stunden verkürzt würde, wenn Erwerbslose unabhängig vom Lebensalter entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit eingestellt würden und die Bezahlung der beruflichen Qualifikation adäquat wäre, wobei Arbeitnehmer auf tariflicher Grundlage nicht unter dreizehn Euro pro Stunde mit nach Hause nähmen, wenn gleicher Lohn für gleiche Arbeit selbstverständlich wäre, ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt und die Rente mit 67 wieder zurückgefahren würden, dann könnte der soziale Deklassierungszustand der Lohnarbeit im Kapitalinteresse beendet werden – und der DGB-Mitgliederschwund gestoppt!

 

3. Wenn es nicht so traurig wäre, könnten wir über diesen Schildbürgerstreich lachen: Nach der Bundestagswahl will die SPD mit einem „Sofortprogramm“ 300.000 Kinder aus der Armut befreien, in die sie selbst sie hineinsteckte! Was jedoch mit den restlichen zweieinviertel Millionen armen Kindern geschehen soll, wird leider noch nicht einmal angedeutet. Die jugendpolitische Sprecherin der Fraktion der Linkspartei, Diana Golze, prangert zu Recht an, dass Hartz IV (Kinder-)Armut per Gesetz sei und auch bleibe. Weshalb der dauergrinsende Frank-Walter Steinmeier auf dieses menschenverachtende Machwerk auch noch stolz ist, kann ich nicht nachvollziehen. Es zeigt mir jedoch in wundersame Weise auf, wes Geistes Kind er ist!

Wenn Ernährungswissenschaftler nachweisen, dass sich Familien von Hartz IV höchstens bis zum 20. des Monats ernähren können, am Ende des Geldes also noch ganz viel Monat übrig ist, weshalb Kinder mit knurrendem Magen in Schule oder Kindergarten kommen müssen, dann zeigt dies immer wieder, dass der eingeschlagene Weg der falsche ist. Ein Herumschieben der Eltern zwischen den langen Warteschlangen vor den Schaltern für die Beantragung von Hartz IV oder Kinderzuschlag plus Wohngeld, das holt wohl kaum die Kinder mit ihren Familien aus der Armut, sondern beschönigt nur ein wenig die Statistik, nach der es dann scheinbar weniger arme Kinder gäbe.

Solange die Transferleistungen nicht endlich derart angehoben werden, dass eine Familie tatsächlich oberhalb des Existenzminimums leben kann, betreibt die SPD lediglich Zahlenjongliererei! Zu allem Überfluss treibt die Große Koalition Familien und dabei besonders Alleinerziehende und ihre Kinder von Hartz IV in einen so niedrigen Kinderzuschlag, dass sie weniger haben als zuvor. Für mich ist das schwerer Betrug!

 

4. Da die Umverteilung von unten nach oben munter weitergeht, sind Frauen von unsozialer Krisenpolitik besonders hart betroffen! In Deutschland entwickelten sich die Löhne deutlich schlechter als in den meisten anderen EU-Staaten. Gerade bei den Gehaltsunterschieden zwischen den Geschlechtern zählt die Bundesrepublik zu den Schlusslichtern in Europa. Doch die öffentliche Wahrnehmung scheint sich offenbar nur auf die immer größer werdende Schere zwischen Lohn- und Kapitaleinkommen zu konzentrieren. Dabei profitieren von den liberalisierten Finanzmärkten vor allem Männer. Kinder und Alleinerziehende – und das betrifft zu 95 Prozent Frauen – sind in erster Linie Opfer der Krise. Zur Bewältigung der Krisenkosten diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die von den liberalisierten Finanzmärkten profitiert haben, bedeute daher auch ein Mehr an Geschlechtergerechtigkeit.

Ebenso würde die Erhöhung der Mehrwertsteuer oder ein Abbau sozialer Infrastruktur erneut vor allem einkommensschwache Haushalte und damit besonders Frauen treffen. Um zu einer gerechteren Umverteilung von oben nach unten und auch zu einer zwischen den Geschlechtern zu kommen, führt eigentlich kein Weg daran vorbei, den Spitzensatz der Einkommensteuer zu erhöhen, eine Sonderabgabe auf hohe Vermögen sowie eine ordentliche Erbschaftssteuer zu erheben, die Vermögensteuer wiederzubeleben und eine Steuer auf Finanztransaktionen einzuführen! Allein die Tatsache, dass Frauen oft besser ausgebildet sind und trotzdem im Durchschnitt deutlich weniger als Männer verdienen, führt die neoliberale Logik, wonach sich die „Besten“ durchsetzen, ad absurdum.

 

5. Die Bundesagentur für Arbeit will der Hartz-IV-Klageflut in Berlin mit einer „besseren Informationspolitik“ begegnen. Wie wäre es, wenn die Argen mal die Rechte der Bürger achteten, statt Rechtsbeugung an der Tagesordnung sein zu lassen, weil sie zur Kostenreduzierung beiträgt? Zur besseren Information der Betroffenen sollen künftig besonders geschulte sogenannte Bescheiderklärer sorgen. Die Schaffung dieser Funktion ist eines der Ergebnisse eines Workshops zur Hartz IV-Problematik, den Fachleute von Bundesagentur, Jobcentern, Sozialgerichten, Bezirksämtern und aus der Kommunal- und Sozialpolitik veranstalteten. Da zeigt sich wieder einmal, was für famose Dinge dabei herauskommen, wenn am Grünen Tisch nach „Lösungen“ gesucht wird!

In der vergangenen Woche ging die 75.000. Klage gegen die Hartz-IV-Verwaltung im Berliner Sozialgericht ein. Ein solches Verfahren, das sich häufig um die Kosten für Heizung und Unterkunft, um Einkommensanrechnungen, die Höhe der Regelleistungen oder um Verfahrensfehler und Sanktionen dreht, dauert meist über ein Jahr. Die Antragsformulare sind sehr umfangreich und kompliziert, und die Service-Hotline ist meist völlig überlastet. Wie schön, dass die neuen Bescheiderklärer nun jenen Antragstellern helfen sollen, die mit den Formularen überfordert sind. Ob der Bescheiderklärer ein neuer Ausbildungsberuf wird? Eine Frage habe ich aber noch zu diesem neuen Berufsfeld: Stellen die Argen nun „Hartzer“ dafür ein und holen sie dadurch raus aus Hartz IV? Jedenfalls schafft die Bundesagentur auch mal selbst Arbeitsplätze!

Nun aber mal Spaß beiseite, denn jetzt schlägt es dreizehn: Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht! Welch eine Schnapsidee! Das Einzige, was Abhilfe schaffen könnte, wären richtige Bescheide von kompetenten Sachbearbeitern. Schließlich gibt es diese Klageflut nicht, weil die ALG-II-Bezieher die Bescheide nicht verstünden, nein: Die klagenden ALG-II-Bezieher verstehen die sinnlos komplizierten Bescheide nämlich so genau, dass sie erkennen, dass ihnen nur der Klageweg bleibt, um zu ihrem Recht zu kommen. Oder sollen die „Erklärer“ den Probanden etwa erzählen, warum der fehlerhafte Bescheid „in Wirklichkeit eben doch richtig“ sei? Wie wäre es mit wohlüberlegten Gesetzen, die nicht zum Teil gegen die Grundrechte verstoßen? Die Hartz-Gesetze sind mit derart heißer Nadel gestrickt, dass das „Strickzeug“ zum Himmel stinkt und nur ersatzlos in die Tonne getreten werden kann! Es nützt halt nichts, die Schuld immer nur bei den Beziehern der Transferleistungen zu suchen. Der Fehler liegt im System, und das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem!

 

6. Laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung schleppt sich knapp die Hälfte der Beschäftigten auch krank zur Arbeit. Zwei Drittel täten dies vor allem aus Pflichtgefühl, weil sie befürchten, dass andernfalls zu viel Arbeit liegenbleibe. Besonders selten blieben Singles zu Hause, wenn sie gesundheitlich angeschlagen sind. Fast 80 Prozent der Alleinstehenden erklärten demnach, krank zur Arbeit zu gehen. Bei Paaren und Familien gaben dies nur 69 Prozent der Befragten an. Ob als Grund dafür wohl tatsächlich die unterschiedliche Neigung zu Krankheitsverleugnung herhalten kann? Wenn sich dabei Arbeitnehmer eher ins Büro quälen als Selbständige, drängt sich mir doch die Vermutung auf, dass die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Absturz ins soziale Aus mit Hartz IV den Antriebsmotor spielt. Aber laut „Bertelsmann-Stiftung“ sei eine „engagierte Führungskraft“ der Schlüssel, wenn es um einen „gesunden“ Umgang mit Krankheit bei der Arbeit gehe. „Bertelsmann-Stiftung“ eben!

 

7. In der Luthergemeinde Altendorf im Rheinland wird die Sanierung der Christuskirche mit einem Fest abgeschlossen. Die Restaurierungsarbeiten dauerten insgesamt sieben Jahre und wurden im Rahmen des „Essener Konsenses“ überwiegend von Fachfirmen und der „Altenessener Handwerkerinitiative“ durchgeführt. Angeblich ermöglichte dieser Verein dabei arbeitslosen Männern verschiedenen Alters eine berufliche Qualifizierung und Beschäftigung und zum Teil auch die Wiedereingliederung in den regulären Arbeitsmarkt. Somit sei die Sanierung der Christuskirche gleichzeitig auch ein „soziales Projekt“. Für die gesamte Restaurierung wurden insgesamt knapp 1,5 Millionen Euro aufgewendet. Diese Investition sei nur dank einer großzügigen finanziellen Unterstützung der „Stiftung Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-“, der Sparkasse Essen, der Sparkassenstiftung, der „Frau-Otto-Knaudt-Stiftung“ sowie zahlreicher Spenden aus der Gemeinde möglich gewesen.

Nicht erwähnt werden die vielen Steuergelder, die „für“ die Ein-Euro-Jobber verschwendet wurden, die nun ganz und gar nicht zusätzlich oder gemeinnützig waren! Schließlich bekommen die Trägergesellschaften monatlich zwischen 500 und 1.500 Euro pro Nase aus Steuergeldern bezahlt, wodurch sie so konkurrenzlos billig werden, dass sie selbst die Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt vernichten, in die sie integriert werden sollen. Eine perverse Leistung! Es mussten immerhin 30.000 Steine ausgetauscht und Fugen im Umfang von insgesamt 30 Kilometern Länge erneuert werden. Wenn der Träger als gemeinnützig gilt, scheint es das Projekt wohl nicht mehr sein zu müssen! Ein Problem hierbei sind sicher auch die Beschäftigten selbst, die schlecht informiert oder möglicherweise auch noch stolz darauf sind, solch eine wichtige Arbeit verrichten zu dürfen. Lässt sich so ein „Job“ durch Glauben ablehnen? Es wäre auch an der Zeit, dass sich die Gewerkschaften einschalten und die betroffenen örtlichen Handwerker nicht immer bloß laut bellen, sondern auch mal beißen!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

 

Demokratie

1. Die Deutschen haben, und das ist nicht schlecht,
Ein gut durchdachtes Grundgesetz.
So wird geregelt in Artikel 12, zuerst genau in Absatz 1,
Den Beruf frei zu wählen, das bleibt meins.
In Absatz 2, da wird verklungen,
Niemand wird zu bestimmter Arbeit gezwungen.
Es sei denn, sie wird für jedermann zur Pflicht,
Im Rahmen einer öffentlichen Dienstleistungsgeschicht’.
Im Absatz 3 steht, und das ist nicht gehässig,
Zwangsarbeit wird nur durch einen Richter zulässig.
Und dieses gilt, manch einer sieht es mit Verdruss,
Nur bei gerichtlich angeordnetem Freiheitsverschluss.

In Artikel 20 Absatz 1 holt man sich Rat,
Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
In Absatz 2 liest man heraus,
Alle Staatsgewalt geht ausschließlich vom Volke aus.
In Absatz 3 hat man gefunden,
Die Demokratie ist an Ordnung, Gesetz und auch an Recht gebunden.
Folgendes liest man in Absatz 4,
Was ich will verkünden hier,
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen,
Wenn andere Abhilfe nicht möglich ist,
Zum Beispiel, es hilft weder ein Polizist noch ein Jurist,
Ist für niemanden riskant
Zu üben das Recht auf Widerstand.
Und zum Schluss, vergiss es nie,
Nur so bleibt uns die Demokratie!
Hartz IV ist schlecht, und es muss weg,
Man sollte keinem Arbeitslosen darum verwehren,
Hartz IV zum demokratischen Bankrott zu erklären!

 

Hans-Dieter Wege2. Geehrte Frau Bundeskanzlerin! Ganz Deutschland wundert sich seit geraumer Zeit über Ihre Geschenke an die Commerzbank. Wäre es zum Beispiel einem Autobesitzer in Deutschland möglich, für ein Fahrzeug, das nach Gutachten vielleicht 7.000 Euro wert ist, von jemandem 18.000 Euro zu erhalten, der gleichzeitig auch noch damit einverstanden wäre, dass er sein Auto und natürlich auch den Kraftfahrzeugbrief behalten darf?

Ist das oben Geschilderte nicht im Prinzip vom deutschen Staat gegenüber der Commerzbank so praktiziert worden? Diese hatte einen Wert von sieben Milliarden Euro, bekam vom Staat 18 Milliarden – und die Bank selbst blieb Eigentümer. Grenzen solche Geschäfte nicht an Sittenwidrigkeit? Würde man nicht, handelte ein deutscher Beamter so gegenüber Privatpersonen, diesen disziplinarrechtlich bei den Hammelbeinen kriegen?

Hätte man nicht mindestens der Commerzbank auferlegen müssen, dass sie zum Beispiel für finanziell benachteiligte Menschen ein gebührenfreies Konto oder dem Mittelstand in der Krise besonders gute Schuldzinskonditionen einrichten muss? Wohin soll, insgesamt gesehen, diese von Ihnen unterstützte und praktizierte Politik Deutschland letztendlich führen? Ich bitte Sie, diese Fragen ausführlich zu beantworten! Freundliche Grüße.

 

3. Eine erfolgreiche Strategie zur Überwindung von Hartz IV darf in meinen Augen auf gar keinen Fall mit geringfügigen Nachbesserungen versucht werden. Die Forderungen zu geringer Regelsatzerhöhungen oder auch die Abwehr von Sanktionen allein dürften nicht das Mittel der Wahl sein.

Politische oder Gruppen aus der sozialen Bewegung müssen den Menschen Vorschläge machen, mit denen allen sozial und finanziell benachteiligten Menschen wirklich geholfen werden kann. Auch die Interessen Einzelner, wie zum Beispiel der Gewerkschaften in Deutschland, müssen sich diesen Notwendigkeiten unterordnen. Gerade die Gewerkschaften sollten sich diesbezüglich nicht als alleinige Interessenvertretung der betroffenen Bevölkerungsgruppe aufschwingen, denn dafür haben sie sich bisher viel zu ruhig verhalten.

Niemand, der selbst keine bessere Lösung als zum Beispiel das linke bedingungslose Grundeinkommen anzubieten hat, sollte behaupten, ein solches spalte Erwerbstätige und Erwerbslose. Einem verheirateten Erwerbstätigen, der als Leiharbeiter beschäftigt ist, käme es ausschließlich entgegen, wenn seine Ehefrau und seine Kinder über ein BGE individuell abgesichert wären. Das Gleiche gälte für ihn selbst, und zwar auch für den Fall, dass er erwerbslos würde. Heute fiele er dann samt seiner Familie in Hartz IV.

Wenn seitens der Gewerkschaften immer behauptet wird, ein linkes BGE würde die Löhne in Deutschland senken, so dürfte auch dies falsch sein. Man ziehe zum Beweis einen kleinen Unternehmer mit seiner Familie heran, zum Beispiel einen Friseurladen mit zwei Angestellten aus den neuen Bundesländern, davon ausgehend, dass der Unternehmer mit seinem Betrieb 6.000 Euro netto im Monat erwirtschaften muss, um mit seiner Familie über die Runden zu kommen und um seinen beiden Angestellten hiervon den Tariflohn zahlen zu können.

Zur Vereinfachung runde ich diesen einmal auf einen übertariflichen Bruttolohn von vier Euro auf, obwohl fast jedem Menschen in Deutschland bekannt ist, dass der zwischen Arbeitgebervertretung und Gewerkschaften ausgehandelt Tariflohn sogar noch darunter liegt. Das bedeutet für den beispielhaft angeführten Friseur, dass er mindestens von den erwirtschafteten 6.000 Euro einen Bruttolohn für die beiden Vollzeitbeschäftigten von insgesamt 1.344 Euro in Abzug bringen muss. Seiner Familie verblieben 4.656 Euro. So ungefähr wäre das heute!

Mit einem linken BGE sähe das allerdings wie folgt aus, davon ausgehend, dass die Familie des Friseurs vier Personen umfasst. Bei einem BGE von 1.000 Euro pro Familienmitglied sind es 4.000 Euro netto. Der Gewinn vor Lohnzahlung beträgt 6.000 Euro netto. Abgezogen wird der Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde für zwei Vollzeitbeschäftigte, also 3.360 Euro. Dies ergibt als neues Familieneinkommen für den Friseurbetrieb 6.640 Euro brutto. Davon werden 50 Prozent Steuern auf 2.640 Euro abgezogen, also 1.320 Euro. Dies ergibt ein Nettoeinkommen von 5.320 Euro.

Mit einem linken BGE und einem Mindestlohn von zehn Euro in der Stunde, die der Friseur seinen Angestellten zahlen würde, steigerte sich sein eigenes Familieneinkommen um 664 Euro. Ich habe das hier selbstverständlich in vereinfachter Form errechnet und möchte für die vollständige Richtigkeit keine Garantie übernehmen. Aber im Großen und Ganzen kann man meiner Meinung nach selbst an einer solch laienhaften Berechnung sehen, dass sich das BGE selbst für kleinere Unternehmer „rechnen“ kann und es diesen dadurch nicht schlechter gehen wird. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Auch wenn ich hier keine Arbeitszeitverkürzung berücksichtigt habe, bliebe das Ergebnis fast gleich, wenn der Friseurbetrieb statt zweier Vollzeit- vier Halbzeitbeschäftigte in Erwerbsarbeit brächte. Auch für Kleinkünstler(innen), Alleinerziehende und viele Familien, in denen heutzutage ein Ehepartner auf 400-Euro-Basis arbeitet, hätte das linke BGE ausschließlich Vorteile. Hiermit ließen sich Arbeit und Einkommen für jede Art von Tätigkeit wesentlich gerechter verteilen.

Die Gegner eines linken BGE sollten vor einer eventuell berechtigten Kritik erst einmal eine eigene Strategie zur Überwindung von Hartz IV auf den Weg bringen, mit der man wirklich allen in Deutschland lebenden Menschen gleichermaßen gerecht wird, ohne nur an persönliche Besserstellung oder Besitzstandswahrung zu denken. Diese sind garantiert kein Teil des Weges zu einer gerechten Verteilung von Einkommen und der dazu benötigten Arbeitszeiten.

Davon ausgehend, dass jährlich 46 Milliarden Erwerbsarbeitstunden geleistet werden, sollten alle Unternehmen hierfür eine Arbeitskraftabgabe zahlen, nach meiner Vorstellung in Höhe des jeweiligen Mindestlohnes. Für 46 Milliarden geleistete Lohnarbeitsstunden bei einem angenommenen Mindestlohn von zehn Euro würden so 460 Milliarden Euro in den Staatshaushalt zusätzlich fließen. Damit ließe sich leicht ein BGE finanzieren, und zwar für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind.

Das BGE sollte für alle in gleicher Höhe gezahlt werden. Dann könnte auch niemand mehr auf finanzielle Besserstellung pochen, zum Beispiel mit der Aussage, er oder sie habe ja so lange studieren müssen. Jede Arbeit muss gleichberechtigt sein bis zur Höhe des BGE, ob Lohn- oder Hausarbeit, Schule, Studium, Selbstbeschäftigung, freischaffende wie zum Beispiel künstlerische Tätigkeit und Selbständigkeit. Nur die Leistungen, die über das BGE hinausgehen, sollten auch zusätzlich entlohnt werden. Hierfür setzt die Besteuerung ein. Dennoch gibt es ein Mehreinkommen für Mehrleistung durch zusätzliche Arbeit.

Für die Angestellten des Friseurs, die wie ihr Chef bereits ein BGE von 1.000 Euro netto erhalten, bedeutet dies, dass ihr zusätzliches Gehalt für die Friseurtätigkeit nach einem Mindestlohn von 10 Euro natürlich entsprechend besteuert würde, aber eben durch diese Mehrtätigkeit durch Lohnarbeit. Die Höhe der Mehreinnahme würde sich auch nach der geleisteten Arbeitszeit richten. Grundsätzlich sind aber radikale Verkürzungen der Erwerbsarbeit möglich, um niemanden mehr von der Erwerbsarbeit abzukoppeln.

Nur soziale Gerechtigkeit wird den sozialen Frieden in Deutschland erhalten und den Menschen wieder ihre Ängste nehmen. Hartz IV bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, und Angst essen Seele auf! Mit sozialistischem Gruß.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner asozialer Politik)
 
Reicht Ihnen das: 3,94 Euro pro Tag für Essen und Trinken? („Bürgerzeitung“)

 

Mit dem zweiten Mikro
geht es besser

Pete OrdingIch finde die Aktionen dieser Montagsdemo mit ihren Möglichkeiten sehr gut, weil man hier Dinge, die einem missfallen, öffentlich vortragen und mitteilen kann, ohne nun jeden einzeln ansprechen zu müssen, sodass auch Passanten mitkriegen, was sie bisher vielleicht noch nicht wussten. Kritisieren möchte ich an der Montagsdemo, dass man hier schlicht gegen Hartz IV und gegen den als zu gering bezeichneten Regelsatz protestiert. Dies sei zu wenig Geld. Nun ist das einmal Sache dessen, wie man gelernt hat, mit Geld umzugehen, und andererseits, wie viel einem moralisch tatsächlich zustehen sollte, um damit auszukommen, wobei schon wieder die Frage ist, was das genau heißt. „Ich kann mir kein gutes Essen kaufen“ – was ist „gutes Essen“? „Ich kann mir keinen Ferrari dafür kaufen“ – Wer soll darüber entscheiden?

Sollte nicht die Hauptfrage sein: Wer muss das alles überhaupt bezahlen? Wenn ich persönlich, wie manche fordern, 500 Euro monatlich an Arbeitslosengeld II erhielte, würde ich mich einerseits natürlich darüber freuen. Doch es gibt Erwerbstätige, die nicht besonders viel verdienen, aber neben anderen, die so viel beziehen, dass ich gar nicht mehr von „verdienen“ sprechen möchte, für das aufkommen müssen, von dem wir Erwerbslosen leben. Diese Leute rackern sich ab und müssen schuften – während andere aufgrund ihres „Namens“ oder unserer Masse als Konsumenten sich reich stoßen und proportional nicht viel mehr dafür abgeben müssen, wobei wir selbst wirtschaftlich dafür Sorge tragen, dass sie so reich wurden, sind und bleiben.

Solange wir nichts daran ändern, schäme ich mich dafür, dass andere, wie ich einst, dafür schwitzen und noch um ihre Existenz bangen müssen, damit wir mehr oder weniger gut versorgt werden. Ich finde, hier packen wir an der falschen Stelle an! „Lasst das Pferd erst einmal richtig ackern, bevor wir es gut füttern und trainieren“ – das funktioniert nicht. Ich denke auch, dass wir hier viele Leute stark verärgern, wenn wir es hier so aufziehen, dass wir erst mehr Geld fordern, bevor wir dafür sorgen, wo es herkommen soll. Das finde ich nicht in Ordnung, und ich kann mir gut vorstellen, dass viele hier deswegen auch nicht mitmachen möchten.

Dann würde über dieses Mikrofon vielleicht einmal jedem klar, dass die Auffassung, die auch ich bis vor einigen Jahren selbst vertreten hatte, nicht stimmt: Hier zuzuhören, wo immer nur gegebene Missstände vorgetragen werden, die schon lange bekannt und nicht zu ändern sind, da man sich leider schon an sie gewöhnt hat, oder gar einen Kampf dagegen zu führen, das bringe einfach nichts. Doch das ist ein Trugschluss. So habe ich kürzlich eine Klage gegen die Bagis gewonnen und nun mit einem weiteren Antrag Erfolg gehabt, zu dem ich nicht von der Behörde, sondern von den Mitdemonstranten, dem „Sozialen Lebensbund“ und der Agab beraten wurde. Rückwirkend seit Anfang des Jahres soll ich nun 777 statt 719 Euro einschließlich Kosten der Unterkunft, also 464 Euro Nachzahlung erhalten.

Ich hoffe, dass man jetzt auch mal versucht, ans Steuerrecht zu gehen, damit den Staatshaushalt langfristig nicht nur die mehr oder weniger schwer Arbeitenden und die auch nicht sehr viel verdienenden Arbeitnehmer und Klein- bis Kleinstunternehmer tragen müssen. Das finde ich noch übler als Erwerblose und Hilfebedürftige nicht ausreichend zu unterstützen! Ich hoffe auch, hier wird langsam aufgehört, nur vorzutragen, und begonnen, auch aktiv etwas zu tun und dies – sowie dessen Resultate – wiederum vorzutragen, sodass die Öffentlichkeit erfährt, was möglich ist. Das ist wohl auch, wie ich gehört habe, ein Ziel der Montagsdemo, was ich sehr begrüße.

Man sollte einen Weg finden, der allen passt, sodass alle damit leben können, mehr oder weniger zufrieden, aber ohne Existenzproblemen. Alle sollen eine gute Bildung erhalten, sich auch immer ihre Gesundheit „leisten“ und sich ein menschenwürdiges Leben gestalten können. Wie das im Einzelnen erreicht werden möge? Da gibt es viele Wege. Wer bestimmt diese? Ich finde: der einzige Souverän eines Hoheitsgebietes, sei es Bremen, Deutschland oder wo auch immer. Das Volk in Abstimmung selbst, das heißt Demokratie!

Es geht hier nicht nur um das Vortragen von Missständen und Meinungen, auch wenn diese völlig richtig und wichtig sind. Man muss sich auch mit Einzelschicksalen und der Meinung und Einstellung des Einzelnen befassen. Wie können wir das erfahren, wenn immer nur jeder für sich seine Meinung hier präsentiert und vorträgt, ohne auch mal Gegenmeinungen hören zu mögen? Deshalb fordere ich hiermit die Montagsdemo auf, das zweite Mikrofon einzubringen, um damit eine kleine, aber ordentliche Streit- und Diskussionskultur zu gestalten!

Wir sollten uns hier auch austauschen, nicht wie alle Parteien ständig nur vortragen, sodass die Öffentlichkeit sieht, dass man sich zwar nicht immer einig ist, aber dennoch durch Abstimmungen immer zu einem Schluss kommt. Nur das ist Demokratie – und es wäre sowohl kommunal, national wie auch global möglich. Ich bitte um offene Stellungnahme eines mitverantwortlichen Montagsdemonstranten zum zweiten Mikrofon!

Pete Ording (parteilos)

Gerolf: Du „schämst“ dich dafür, dass die Schlechterverdiener in deinem Bekanntenkreis für deinen Lebensunterhalt aufzukommen haben. Die Wurzel der Ungerechtigkeit siehst du offenbar im Steuersystem. Das wäre doch eher ein Grund zur Empörung.

Hans-Dieter: Nicht die Schlechtverdiener kommen für Petes Lebensunterhalt auf, sondern alle Steuerzahler. Im Gewinnekürzen liegt das Würzen, denn in den Profit- und Renditeraten liegt die Wurzel des Übels! Jede(r) Erwerbslose könnte leicht aus dem erzielten Mehrwert der Unternehmer bezahlt werden, aber sie verlagern das auf die Arbeitnehmer. Genau dies gilt es zu verändern. Eine Zähmung des Kapitals ist unmöglich, es muss letztendlich überwunden werden. Ansonsten dürfte es keine gute Zukunft mehr für kommende Generationen geben.

Pete: Ich schäme mich dafür, dass die Schlecht- bis Mittelverdiener dafür aufkommen müssten, wenn ich für mehr Geld kämpfte, und finde es in der Tat ebenso empörend. Ich würde nie für höhere Transferleistungen kämpfen, solange das Steuerrecht nicht dahingehend geändert wird, dass die Geringverdiener weder Sozialabgaben noch die höchsten Steuern zu zahlen haben, gemessen an dem, was sie sich letztlich noch leisten können, ohne besonders sparen zu müssen, nachdem ihrer privaten Festkosten vom Bruttoeinkommen abgezogen sind.

Angesichts existierender Millionengehälter muss endlich mal der Spieß umge­dreht werden, sodass die Superverdiener den Löwenanteil an Steuern zahlen! Ich hätte keine Skrupel, 2.000 Euro monatlich für Transferleistungen zu fordern, wenn entsprechende Gelder, abzüglich sonstiger notwendiger Sozialleistungen, vorhanden wären – aber nicht, solange die Klein- und Mittelverdiener, Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen, aus ihrer harten Arbeit das leisten müssen, von dem wir alle leben.

Hans-Dieter: „Ich bin eigentlich nicht gegen Hartz IV, und ich bin gegen Erhöhung der Regelsatzleistungen, solange schlecht verdienende Mitmenschen diese Leistungen aus ihren Steuern finanzieren müssen“, so ungefähr wurde es auf der Bremer Montagsdemo von dir verkündet, Pete. Du glaubst anscheinend, dadurch würdest du dich solidarisch und sozial gegenüber den Wenigverdienenden in Deutschland verhalten. Ist dir bekannt, dass die Regelsatzleistungen im Jahr ohne die Kosten für die Unterkunft für fünf Millionen Hartz-IV-Empfänger gerade so um die ein Prozent des Bruttosozialproduktes betragen? Viele Hartz-IV-Emp­fänger tragen durch eigene Vollzeit- oder Teilzeitarbeit, durch Rente und Anrechnung eigenen Vermögens nach vielleicht 40 Erwerbsjahren dazu bei, dass genau dieser Betrag noch entsprechend gesenkt wird. Unser Staat holt sich dann sofort über die Mehrwertsteuer innerhalb eines Monates ungefähr ein Fünftel des Hartz-IV-Regelsatzes von den Betroffenen zurück!

Nicht die Hartz-IV-Empfänger sind für eine verfehlte Arbeitsmarkt-, Sozial- oder Steuerpolitik verantwortlich zu machen, sondern ausschließlich die bürgerlichen etablierten Politiker, die Unternehmer-und Arbeitnehmerverbände! An diese „Einrichtungen“ haben sich dann auch deine Kritik und deine Forderungen zu richten, aber auf gar keinen Fall an die Hartz-IV-Empfänger, an die Kranken und Behinderten, an die Alleinstehenden und Familien und weitere mit zu geringen Einkommen. Die Montagsdemonstration ist hierfür garantiert die falsche Adresse und überhaupt nicht zuständig, um hier einen Protest in dieser Sache zum Ausdruck zu bringen. Die Opfer einer verfehlten Arbeits- und Sozialpolitik sollte man auf gar keinen Fall in Mithaftung nehmen, auch nicht moralisch gesehen!

Pete: Doch, das ist Demokratie, denn wählt keiner anders oder engagiert sich anders, ist man letztlich selbst schuld! Auch auf der Montagsdemo wird doch gegen Missstände protestiert, oder ist sie eine parteiliche Sache, der man entweder zustimmt und dafür mitkämpft oder es halt lässt, wie alle Parteien es handhaben? Für eine verfehlte Arbeitsmarkt-, Sozial- oder Steuerpolitik sind auch die Bürger und Wähler verantwortlich, welche diese Parteien immer wieder wählen, und die sich nicht anderweitig zusammenschließen, um es selbst gegebenenfalls besser zu machen.

Nun hat Götz Werner vorgeschlagen, ein Grundeinkommen aus einer weit erhöhten Mehrwertsteuer zu finanzieren. Ich wäre ja eher für eine niedrigere Mehrwertsteuer, man muss die Geringverdiener von ihren Abgabenlasten befreien. Dass man erst alles „Vermögen“ verbraten muss, bevor man ALG-II-leistungsberechtigt wird, finde ich nicht in Ordnung. Aber stellen wir uns einmal vor, das Grundeinkommen würde über eine Einkommen- und Umsatzsteuer mit jeweils hohem Freibetrag und starker Progression finanziert werden, so hätten die Leute ihr Einkommen ohne die bisherigen hohen Steuerlasten, sei es durch Konsum- oder Einkommensteuern, und würden dennoch ihr Grundeinkommen zusätzlich zu ihren Löhnen und Umsätzen beziehen.

Aus den Steuererlösen könnte man vieles sozial sehr gerecht gestalten. Bildung, Gesundheit, Grundsicherung und all diese Dinge wären nur noch eine Frage ordentlicher Verwaltung und nicht mehr eine der Finanzierbarkeit. Das Geld ist in Hülle und Fülle da, es muss nur nach Steuer- und Abgabenrecht sozial gerecht verteilt werden, sodass alles möglich wird. Dann lösten sich alle weiteren Probleme, die wir aus kapitalistisch falschen Gründen haben, wie von selbst. Die Mittel wären da, um Lösungen umzusetzen. Ich hätte auch kein Problem damit, wenn Industrien verstaatlicht würden und die Staatsgewalt auch wirklich vom Volk ausginge. Bei der Enteignung von Boden wären jedoch sicherlich viele dagegen. So ist ein Freund von mir enteignet worden, mit einem Grundstück an einer Ausfallstraße.

Das Bremer „Mayday-Bündnis“ ruft auf zur Demonstration
unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ am
17. September 2009 um 17 Uhr am Ziegenmarkt.

 

Kleines Duell unter Freunden

Gestern das „Duell“, als ob es um das Schicksal Deutschlands ginge! Vier Sender brachten es live. Man sollte dem kaum entkommen können. Heute wundern sich die Medienvertreter, warum es so langweilig war. Dabei wollen alle doch dasselbe, ob Schwarz-Gelb, Rot-Schwarz, Schwarz-Grün, Rot-Grün oder vielleicht doch Jamaika: Das ändert (fast) nichts an der Politik! Die bestimmt in diesem Land das Monopolkapital.

Mit solchen Sendungen wie gestern soll uns weisgemacht werden, wir hätten am 27. September die große Entscheidung. Nach den Wahlen wird die Regierung, egal wie sie heißt, versuchen, uns die Milliarden wieder aus der Tasche zu ziehen, die sie jetzt Banken und Konzernen zugeschoben hat, und es wird Massenentlassungen geben. Jetzt schon angekündigt sind 90.000 Entlassungen in der Autoindustrie, 66.000 im Maschinenbau und 50.000 bei Autozulieferern. Wie weit das klappt, darauf haben wir allerdings Einfluss mit unserem Kampf. Um Kämpfe im Betrieb und auf der Straße zu verbinden, brauchen wir Durchblick über die Herrschaftsverhältnisse. Dafür können wir keine Illusionen gebrauchen!

Wolfgang LangeDie Massenmedien sind ein Teil dieses kapitalistischen Systems. Nehmen wir mal den „Weser-Kurier“. Für diese Woche wurde eine „Podiumsdiskussion mit den fünf Direktkandidaten“ angekündigt. Komisch – ich bin Direktkandidat für die MLPD und habe keine Einladung gekriegt.

Ich schrieb dann folgenden Brief an den Chefredakteur: „Sehr geehrter Herr Haider, beim Lesen Ihrer Zeitung stieß ich heute auf die Anzeige zu den Wahlforen. Sie haben dazu die Direktkandidaten der fünf im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen. Ich selbst bin Direktkandidat im Wahlkreis 55 (Bremen 1) für die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands sowie deren Spitzenkandidat auf der Landesliste Bremen. Finden Sie nicht, dass die tiefe Weltwirtschaftskrise ein Anlass wäre, auch einen Vertreter derjenigen Partei aufs Podium einzuladen, die den Kapitalismus als Wirtschaftssystem insgesamt in Frage stellt und für eine wirkliche Alternative eintritt? Dass Sie Vertreter faschistischer Parteien nicht dazu einladen, kann ich verstehen und halte ich für völlig richtig. Alle anderen aber müssten schon wegen der Gleichbehandlung eingeladen werden. Bei ‚Radio Bremen‘ stehen übrigens alle Direktkandidaten gleichberechtigt auf der Homepage. Ich warte also auf eine Einladung von Ihnen. Unterlagen über mich und ein Foto will ich Ihnen auf Wunsch gern dafür zusenden. Mit freundlichen Grüßen.“

Als Antwort bekam ich: nichts. Die Massenmedien bringen die Parteien, die sich gestern „duellierten“, jeden Tag. Parteien, die dieses System angreifen und offenlegen, werden einfach totgeschwiegen. So einfach ist das! Auch deshalb kann von wirklicher Demokratie hier keine Rede sein. Die Wahlen sind manipuliert, und ihr Ausgang ändert kaum etwas an der herrschenden Politik im Interesse des Großkapitals! Warum dann überhaupt wählen, wenn das sowieso nichts ändert? Viele machen es ja so, die Nichtwähler sind die größte Partei. Aber dadurch ändert sich auch nichts!

Ändern kann man durchaus etwas. Ich für mich ziehe den Schluss: Ich muss diejenige Partei stark machen, die keine Illusionen verbreitet und die voll und ganz und ohne Kompromiss die Interessen der Arbeiter und Arbeitslosen vertritt; die von Anfang an und vorbehaltlos die Montagsdemos unterstützt hat und die bereit ist, dieses System der Monopolherren anzugreifen; und die auch die notwendige Theorie und Vorstellungskraft hat, ein besseres System aufzubauen. Für mich ist diese Partei die MLPD. Deswegen wähle ich sie, und deswegen trete ich für sie als Kandidat an.

Wolfgang Lange ist Bremer Kandidat der MLPD (Offene Liste)
für die Bundestagswahl 2009

 
Am Freitag, dem 18. September 2009, trifft sich um 19 Uhr
die „Wählerinitia­tive Wolfgang Lange“ im
„Jugendfreizeitheim Buntentor“, Geschwornenweg 11a.
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz