Ja, das ist das Los der Frauen: Wir sollen euch Männern immer nur vertrauen! Tun wir es aber, ohne zu fragen, nein, dann platzt uns bald der Kragen!
Wir Frauen sollen bloß wieder zurück an den Herd und Kinder kriegen und nur nicht mit euch Männern im Konkurrenzkampf liegen!
Im Beruf sind wir immer noch unterbezahlt und fühlen uns belogen. Ja, so werden wir in dieser Welt als Frauen betrogen!
Wann tritt endlich Gerechtigkeit ein? Dann könnt ich auch als Frau in der Not Ernährerin der Familie sein.
Denn da hab ich die Möglichkeit, mit meinem Lohn die Familie über die Runden zu bringen, und brauchte nicht mit Vater Staat um jeden Euro zu ringen.
Er müsste für mich kein Hartz IV zahlen, denn mit gerechtem Lohn wär ich davon nicht betroffen. Doch leider kann ich als Frau nur weiter hoffen.
Wir wollen euch Männern gar nicht das Wasser abgraben, denn schließlich sind wir auch froh, dass wir euch haben.
Wir Frauen wollen doch nur Anerkennung und Gerechtigkeit! Die steht uns auch zu! Dafür wird jetzt aber allerhöchste Zeit!
1. Es scheint nicht zu genügen, dass die „Arbeitnehmerkammer Bremen“ in den vergangenen Jahren regelmäßig Untersuchungen zu diesem Themenkomplex vorlegte. Als ob dies zur Problemlösung beitragen könne, legte nun auch erstmals der Senat einen Armutsbericht vor. Offenbar muss der Senat es erst selbst schreiben, bevor er glauben kann, dass Bremen eine geteilte Stadt ist und dass dramatische Unterschiede zwischen den Stadtteilen existieren. Ich werde später noch auf das Theaterstück von Aristophanes zu sprechen kommen, der schon damals schrieb, dass eine Stadt sowohl Stadt der Armen als auch gleichzeitig Stadt der Reichen sei! Es ist ansonsten ja nicht so, dass nicht schon längst bekannt wäre, dass zum Beispiel Männer im privilegierten Schwachhausen acht Jahre länger leben als im finanziell schwachen Gröpelingen.
Der „Weser-Kurier“ schreibt, dass sich Arm und Reich immer konsequenter voneinander trennen, was nicht nur die Teilhabe am öffentlichen Leben, sondern natürlich auch den Wohnort betreffe. Die Segregation, also die soziale Entmischung in den einzelnen Stadtteilen, wächst, die Gettobildung boomt. Als benachteiligt werden immer wieder Tenever und Gröpelingen genannt. 16 Ortsteile werden in den vorliegenden Unterlagen als „gefährdet“ bis „prekär“ eingestuft. Hier bestehe für die Menschen ein Armutsrisiko und die Gefahr, dass sich Armut verfestige. Jedes dritte Kind braucht Hilfe! Der Aufschrei ist erwartungsgemäß groß, wenn gerade Kinder in besonderem Maße von Armut betroffen sind. Wie wir alle wissen, gelten sie ja zu den unschuldig in Armut Verharrenden, also zu den „guten Armen“!
Nur sitzen Kinder nicht wie „Kevin allein zu Haus“ in den benachteiligten Stadtteilen, sondern müssen immer im Zusammenhang mit ihren armen Müttern oder Familien betrachtet werden. So ist es natürlich kein Wunder, dass Frauen laut diesem Bericht zu der Gruppe gehören, deren Gefährdung, von Armut betroffen zu sein, überproportional steige. Bei fast einem Drittel der Mütter wird der Lebensunterhalt von Familienmitgliedern gesichert. Wenn die Beziehungen aber unsicher seien, werde die „Versorgerehe“ zur „Armutsfalle“. Als Hauptgrund für die Armut gilt Arbeitslosigkeit. Vermutlich müsste zunehmend mehr auch die beschämend niedrige Entlohnung gerade weiblicher Erwerbsarbeit genannt werden. Ich finde es skandalös, wie unsere Gesetzgebung zulässt, dass der Arbeitslohn in Bremen von 2000 bis 2006 real um ein Prozent sank, während gleichzeitig die Einkünfte aus Kapital um 23 Prozent ansteigen durften!
Mir persönlich ist es auch ein völliges Rätsel, warum unsere Gewerkschaften nur für einen lächerlichen Mindestlohn von 7,50 Euro „kämpfen“. Existiert diese Arbeitnehmervertretung nur noch pro forma, leidet sie an kollektiver Dyskalkulie – oder wieso merkt sie angeblich nicht, dass sich mit einem solch niedrigen Mindestlohn die Armut nur noch weiter auf dem Niveau von Hartz IV verfestigen und eine Altersarmut unvorstellbaren Ausmaßes zementieren muss? Was der Senat wohl auf den Tisch legen wird, um Maßnahmen gegen soziale Ausgrenzung zu ergreifen? Ob diese ebenso sinnentleert sein werden wie die Mindestlohnforderung der Gewerkschaft?
2. Alle Jahre wieder tagt der UN-Frauenrechtsausschuss und wirft nun der Bundesregierung unzureichendes Engagement in der Gleichstellungspolitik vor. Obwohl Deutschland 1980 die UN-Frauenrechtskonvention unterschrieb, muss der deutschen Regierung vorgeworfen werden, dass sie keine aktiven Maßnahmen ergreift, um die Diskriminierung von Frauen zu beseitigen! Mit „Gender-Mainstreaming“ soll die Politik prüfen, ob Männer und Frauen gleichermaßen von ihrer Politik profitieren. Das Komitee bedauere, „dass die Regierung sich von ihrer ‚Gender-Mainstreaming-Politik‘ abwendet“. Das Finanzministerium teilte ungeachtet der sich verhärtenden Benachteiligung von Frauen in Deutschland lediglich lapidar mit, „Gender-Budgeting“ sei „nicht sinnvoll“. Obwohl der Unterschied zwischen den Einkommen von Frauen und Männern mit 23 Prozent größer ist als in den meisten anderen europäischen Ländern, wird dagegen ebenso wenig unternommen wie gegen die immer weiter auseinander driftende Schere zwischen Arm und Reich!
Nach wie vor sitzen in Deutschland auch zu wenige Frauen in den Chefsesseln. Dabei sieht es die Frauenrechtskonvention ausdrücklich vor, dass ein Staat „zeitweilige Sondermaßnahmen“ vornehmen darf, um Diskriminierungen abzubauen. Die Linkspartei fordert schon lange, dass nur noch Firmen mit Gleichstellungsplan öffentliche Aufträge erhalten sollen. Warum der Ausschuss hingegen ausdrücklich das Elterngeld lobt, bleibt mir ein Rätsel. Soll mal wieder nicht gewusst werden, wie sehr es an den Bedürfnissen der Mehrheit der Eltern vorbeigeht und dass die untersten Einkommensschichten nur noch die Hälfte des Elterngeldes bekommen? Eigentlich verwundert es nicht, dass das Bundesfamilienministerium diese Untersuchung nicht veröffentlicht. Auch dass Deutschland, was die Zahl der Frauen in öffentlichen Führungspositionen angeht, im europäischen Vergleich an drittletzter Stelle steht, wird auf der Website verschwiegen. Stattdessen heißt es: „Allein im Kabinett ist der Anteil von Frauen mit einer Kanzlerin und sechs Bundesministerinnen sehr hoch.“
3. Am Sonntag war Internationaler Frauentag. Solange wir ihn feiern müssen, bedeutet das, dass wir keine Gleichberechtigung haben. Dabei ist die Gleichstellung gesetzlich verankert. Das diesjährige Motto „Noch nicht am Ziel“ ist in meinen Augen beschämend nichtssagend und lapidar. Es reiht sich problemlos in die allzu oft leeren Politikerworthülsen ein. Von Chancengleichheit kann traurigerweise selbst im eigentlich reichen Deutschland noch immer keine Rede sein, wenn gerade durch den Neoliberalismus der Backlash immer stärkeren Rückenwind erhält und die Unterschiede zwischen Männern und Frauen selbstverständlich nur zu unseren Lasten wieder weiter auseinandergehen. Wenn ich mir angucke, dass die Schulabschlüsse der Mädchen und die beruflichen Qualifikationen der jungen Frauen weitaus besser und höher als die der Jungen sind, müssten sich diese Positionen doch auch in den Führungsetagen, auf den Chefsesseln, in Aufsichtsräten und Top-Jobs, in den Spitzen von Politik, Wissenschaft und Forschung weiter fortsetzen und wiederfinden!
Aber weit gefehlt: In den höheren Gehaltsklassen nimmt der Frauenanteil zunehmend ab, bis er sich fast ganz in Luft und keinesfalls in Wohlgefallen auflöst. Es liegt mal wieder an der leidigen Kinderfrage beziehungsweise daran, wer sich um den Nachwuchs kümmert, wenn sich frau aus Karrieregründen keinen langen Erziehungsurlaub nehmen darf. Es liegt auch an den Frauen selbst, dass sie zu zurückhaltend auftreten, wenn es um Lohnforderungen geht. Noch immer müssen Frauen einen Spagat meistern, wenn sie in Deutschland die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unter einen Hut bekommen wollen. Es bedarf da schon eines Spitzengehaltes wie das unserer Familienministerin, um sich die notwendigen Hilfen für die Familienarbeit kaufen zu können.
Frauen werden auch deswegen noch immer so grottenschlecht bezahlt, weil ihre Tätigkeit nach wie vor nicht ernstgenommen wird, sondern als Liebesdienst an der Familie, an Kindern, Alten und Kranken oder als Zubrot zum Hauptverdienst des Ehemannes. Nicht umsonst hört die am besten bezahlte Frauenarbeit geldmäßig bei der Erzieherin gerade da auf, wo die am schlechtesten bezahlte Männerarbeit beginnt! Weil Ehefrauen bei der Krankenkasse mitversichert sind, nehmen sie oft nur einen Mini-Job auf, der natürlich automatisch eine Altersarmut bei den Frauen nach sich ziehen muss. Teilzeitjobs sind immer noch eine Sackgasse für die Karriere. Außerdem ist die Zahl der Mini-Jobs auf Kosten der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsstellen drastisch ausgebaut worden. Die Bremer Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe fordert deshalb verbindliche Regelungen zur Frauenförderung. Die Quote habe sich sehr bewährt – freiwillige Vereinbarungen brächten dagegen nichts.
4. Anlässlich des Internationalen Frauentages brachte die „Tageszeitung“ ein Magazin zum Thema heraus. In einem Interview sagt der Sozialpsychologe Rolf Pohl, dass Frauen kaum noch offen diskriminiert würden, die Männer jedoch weiterhin das Gefühl bräuchten, die Mächtigeren zu sein, denn die meisten Männer hätten Angst vor Frauen. Heute würde sexistisches Verhalten nicht mehr offen formuliert, sondern sei offiziell verpönt. Heute spreche er auch nicht mehr davon, im Patriarchat zu leben, sondern in einer „männlich dominierten Gesellschaft“ mit klaren Geschlechterhierarchien. Niemand sagt mehr: „Eine Frau darf nicht Bundeskanzlerin oder Führungskraft werden“. Aber die Eigenschaften, die etwa dem Amt von Frau Merkel zugeschrieben werden, sind einer positiven Vorstellung von dominanter Männlichkeit entliehen. Auch wenn viele Männer versuchen, in privaten Beziehungen die Idee der Gleichstellung zu leben, hat doch meist automatisch derjenige mit dem größeren Portemonnaie eher den Zugang zur Macht.
Die tabuisierte Frauenverachtung taucht in Witzen immer wieder auf. Die männliche Identität sei so konstruiert, dass sie sich selbst aufwertet, indem sie unbewusst die Frauen abwertet. Deshalb kommt es in reinen Männerrunden manchmal zu Verbrüderungsszenen, in denen Frauen sexualisiert und als minderwertig markiert werden, etwa beim gemeinsamen Puffbesuch: Frauen haben dort Männer zu bedienen, und Männer können ihre heterosexuelle Potenz vor den anderen demonstrieren. Das vorherrschende Männlichkeitsprinzip schreibt dem Mann Autonomie vor und dass er Kontrolle über alles haben müsse. Weil er sie aber weder über seine Sexualität noch über die Frauen hat, mache ihm dies in zweierlei Hinsicht Angst. Da sich Feministinnen der Kontrolle entziehen, reagieren viele Männer nahezu allergisch auf sie.
Es scheint zweifelhaft, dass Eltern ihre Söhne zum Antisexisten erziehen können, solange es gesellschaftlich verpönt ist, dass auch Männer ihre Hilfsbedürftigkeit zugeben. Es hängt sehr davon ab, welche Form von Männlichkeit gerade die Väter repräsentieren. Der Vater kann nach außen wie ein „neuer Mann“ wirken, aber unbewusst weiter seine Frau abwerten, etwa indem er sich als Supervater inszeniert, der alles besser kann. Dann hat er wieder das traditionelle Männlichkeitsbild vermittelt. Die meisten Männer reagieren leider eher peinlich berührt, wenn sie dazu aufgefordert werden, sich mit ihren Ängsten auseinanderzusetzen.
5. Aus der Freiheit, den eigenen Körper zu präsentieren, ist das Diktat der ständigen Sexiness der Frau geworden. Ähnlich wie die Autorin irritiert es auch mich immer wieder, wenn ich ganz junge Frauen sehe, die sich in modische Kleidung zwängen, die sich bestimmt nicht körperlich angenehm anfühlen kann. Da werden die Füße in unbequeme, zu kleine und der Jahreszeit nicht angemessene Schühchen gequetscht, da wird in Mini-Rock und Seidenstrumpfhöschen in winterlicher Kälte gebibbert, um allzeit schön und sexy zu sein. Es soll schon das erlaubt sein, was gefällt, aber warum wird diese Freiheit heute so restriktiv genützt? Warum pochen heute Feministinnen auf das reichlich lästige „Recht“, sich ihre Beine rasieren zu dürfen, während ganz junge Mädchen eine komplette Intimrasur praktizieren, weil alles andere in der Clique als „eklig“ gelten würde?
Warum müssen eigentlich auf einmal dauernd alle sexy sein wollen? Weil das, was früher in erster Linie als äußerer Zwang wahrgenommen wurde, heute nach innen gerutscht ist? Die Disziplinierung des möglichst normgerecht erotischen Körpers – die Normen gibt es gratis aus der Mainstream-Popkultur – geschieht eben nicht, weil frau muss, sondern weil sie will. Ist das nun selbstbestimmt sexy – oder sexistisch? Es wäre schön, wenn mit dem neofeministischen Slogan „Frauen dürfen sexy sein wollen, aber sie dürfen es nicht müssen“ alles gesagt wäre. Der Sexismus ist auch heute noch omnipräsent. Von Plakatwänden und aus dem Fernsehen werden uns Waren mit Bildern von Frauen mit sexuell attraktiven Körpern verkauft.
Politikerinnen und Stars der Unterhaltungsbranche müssen beständig damit rechnen, dass ihr Äußeres einer erbarmungslosen Analyse unterzogen wird, während Männer nur bei auffälligsten Style-Querschlägern mit Kommentaren zu rechnen haben. Frauen zeigen sich und ihre ausgezogenen Körper oft so verletzlich, während Männer die ihren eher zugeknöpft und unangreifbar präsentieren. So erscheint es halt auch als normal, wenn Frauen sich sehr viel Zeit für die Herstellung ihrer äußeren Fassade widmen, um möglichst gut und sexy auszusehen! Faktoren wie Bequemlichkeit oder Beweglichkeit werden dabei dann vollkommen außer Acht gelassen. Die immer unrealistischeren Anforderungen an junge Frauen, sexy, schlank und zu allen Demütigungen bereit zu sein, wie ein werdendes „Supermodel“, werden in der Bewertung von jungen Körpern, anhand ihrer sexuellen Attraktivität, als selbstverständlich etabliert.
6. Gestern Abend sah ich mir im „Concordia-Theater“ mit einigen Mitstreitern der Montagsdemo die Komödie „Plutos, oder: Wie der Reichtum sehend wurde“ von Aristophanes an. Schon etwa vierhundert Jahre vor unserer Zeitrechnung war offenbar genauso aktuell, was uns heute auf den Nägeln brennt und uns die Zornesröte über die ungerechte Verteilung von Reichtum und Besitz ins Gesicht schießen lässt. Der anständige Chremylos muss in Armut leben, während zahlreiche Verbrecher ein immer größeres Vermögen anhäufen. Um zu erfahren, ob sein Sohn auch vom Weg der Tugend abkommen soll, um später ein besseres Leben als sein Vater führen zu können, wendet er sich an das Orakel von Delphi. Er trifft auf seinem Weg auf einen alten, gebeugten Mann: Plutos, den Gott des Reichtums. Weil dieser zudem blind ist, kann er nicht sehen, wie ungerecht er seine Gaben verteilt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er fragt, warum die Reichen denn so ein großes Übel seien. Chremylos antwortet so wunderbar, damals so gültig wie heute, gerade in Bezug auf die sogenannte Bankenkrise:
Ein Übel, eine Pest sind sie, ein Aussatz
Von außen Biedermann, von innen Kehrichtgrube!
Stets gut gewaschen, werfen sie mit Dreck
Stets gut gekämmt, verwüsten sie unser Land
Stets gut gekleidet, ziehen sie uns aus
Stets gut genährt, verordnen sie uns Hunger
Stets gut gelaunt, rührt sie nicht unser Jammer
Stets gut versichert, säen sie den Sturm
Und ernten Dividenden und Renditen!
Und wenn’s wo kracht, begraben uns die Trümmer.
Sie machen ihren Schnitt – wir sind’s, die bluten!
In ihren Taschen klimpert unser Geld
In ihren Häusern sind wir nicht gelitten
In ihren Straßen räumen wir den Müll weg
In ihren Speichern häuft sich, was uns mangelt
In ihren Köpfen sind wir nichts als Zahlen
In ihren Augen sind wir Lumpenhunde
Vor ihren Pflügen gehen wir als Ochsen
In ihren Mühlen werden wir zermahlen
Auf ihrem Amboss werden wir zerhämmert
Von ihren Rednern werden wir belogen
In ihren Kriegen lassen wir uns schlachten!
Und du fragst mich, ob sie ein Übel sind?
Sie sind die Geißel und die Schrecken dieser Zeit
Und kein Spartiate dringt, kein Perserkönig
Barbarisch auf uns ein wie deine Reichen!
Wir waren begeistert von dem Stück, das sich in praktisch jede Epoche des vermaledeiten Kapitalismus hineinsetzen lässt. Doch in der Pause nutzte ich die Zeit und las auf den Aushängen, dass die Arbeitsagentur die Schauspieler in dieses Theater vermittle. Böses ahnend – zum Beispiel Ein-Euro-Jobs – fragte ich mich durch und erfuhr, dass alle Akteure ausgebildete Schauspieler seien, die zum Teil frisch von der Schule kämen und hier von der Arbeitsagentur eine „Chance“ erhielten, die als „eine Art Fortbildung“ zu verstehen sei und ein halbes Jahr dauere. Aha, sie erhalten keinen Cent für ihre tollen Auftritte, sondern müssen darauf hoffen, dass sich im Zuschauerraum ein Theaterregisseur befinden möge, der an den Schauspielern Interesse zeigt!
Dafür ist dieses sehenswerte Stück in meinen Augen allerdings gänzlich ungeeignet, weil nur die Hauptrollen herausragen und identifizierbar sind und außerdem Masken getragen werden. Selbst Ein-Euro-Jobber erhalten eine geringe Mehraufwandsentschädigung von etwa 160 Euro monatlich zum spartanischen Arbeitslosengeld II. Das müsste den talentierten Schauspielern auch gegeben werden! Das Argument, dass andere in einer Fortbildung auch kein zusätzliches Geld bekämen, zählt für mich nicht, denn andere müssen nur Gelerntes aufnehmen und es nicht mittels einer Sonderdarbietung repräsentieren. Gerne wüsste ich, wie viel Geld das „Concordia-Theater“ pro Nase, pro Monat für die „Fortbildung“ der Schauspieler bekommt. Sind es hier, wie bei anderen Trägern, auch zwischen 300 und 1.500 Euro?
Der Karneval war kaum vorbei, da stürzte in Köln das gesamte Stadtarchiv in den Orkus. Da fasst mensch sich fassungslos an den Kopf! Und dies, weil sich ein paar „Kölsche Oberjecken“ mit einer durch Sozialkahlschlag erkauften U-Bahn-Trasse schon zu Lebzeiten ein Denkmal setzen wollen. Zwei Menschenleben und Millionenwerte an unersetzlichen Kulturgütern fielen diesem Größenwahn zum Opfer, nur damit später die Pendler ein paar Sekunden Zeit einsparen. Ist es das wirklich wert? Wie jetzt langsam durchsickert, sind die Verantwortlichen mit ihrem U-Bahn-Projekt im wahrsten Sinne des Wortes bodenlos leichtsinnig umgegangen und haben dabei wohl sämtliche geologischen Unwägbarkeiten und Sicherheitsmaßnahmen außer Acht gelassen. Die Stadt Köln steht hier voll in der Verantwortung! Sie war übrigens schon zur Römerzeit besiedelt und ist eine der ältesten Städte überhaupt. Entsprechend umfangreich war auch das historische Archiv. Eines scheint allerdings sicher: Solch ein Desaster wäre den alten Römern nicht passiert!
Nicht in der Römerzeit, aber schon 1952 wurde der Bremer Sendesaal erbaut. Das Fundament und die Bausubstanz sind noch heute genauso gut wie damals! Der Saal war ein Geschenk der damaligen Besatzungsmacht USA an „Radio Bremen“ und die Stadt. Doch ganz uneigennützig dürfte dieses Geschenk wohl nicht gewesen sein. Jahrelang vom Abriss bedroht, stellte jetzt die Stadt den Sendesaal nach langem Hin und Her wieder unter Denkmalschutz. Viele Bremerinnen und Bremer und vor allem Klaus Hübotter retteten den Saal vor der Abrissbirne zweier profitgieriger Immobilienhaie, während die Leitung von „Radio Bremen“ einem Exitus jahrelang zustimmte. Der „Weser-Kurier“ schreibt an diesem Montag: „Da hatte man in einigen Chefetagen schon lustvoll von der Abrissbirne geträumt, aber die Bürgerinitiative ‚Freunde des Sendesaales‘ brüllte Protest, kämpfte und steht heute als Löwe des Tages da.“
Gestern nun fand ein eindringliches Wiedereröffnungskonzert mit Bremer und internationalen Künstler(inne)n statt. Auch eine Art „Ode an den Sendesaal“ war dabei. Am Schluss spielten Mitglieder der „Kammerphilharmonie Bremen“ und der „Bremer Philharmoniker“ ein Werk von Peter Tschaikowsky. Eingeladen waren etwa 150 Menschen. Als Rahmenprogramm gab es kleine Häppchen, eine gelöste Stimmung und verschiedene Getränke. Peter Schulze, Vorsitzender der „Sendesaal-Freunde“, und Klaus Hübotter lobten mir gegenüber ausdrücklich den Anteil der Bremer Montagsdemo am Rettungserfolg! Totgesagte leben länger, und es zeigt sich einmal mehr, dass hartnäckiger Widerstand und andauernde Proteste doch etwas bewirken. Das gibt Hoffnung, dass auch wir als Montagsdemo auf unserem ureigensten Sektor etwas erreichen können!
Zum Tag der Frau gab es viele Beiträge in den Medien. Für mich ist es sehr wichtig, dass Männerbünde wie das Schaffermahl geknackt werden, siehe 221. Bremer Montagsdemo (Punkt 2). Dies hilft Frauen auf dem Weg in die Unternehmensleitungen.
Die Armut ist weiblich! Ein armes Kind hat auch immer einen armen Erziehungsberechtigten, meistens eine arme Mutter! Ob der Richter am Bundesverfassungsgericht am Frauentag an die vorliegende Verfassungsbeschwerde gedacht hat (Punkt 4)? Allein die vielen gefundenen Fehler und Ungereimtheiten schreien nach einer zügigen Terminierung! Die Schuhe besohlen für 64 Cent? Ich habe bei der Nachfrage meinen Schuster zu heftigem Kopfschütteln gebracht. Schon die Schnürsenkel sind teurer. Er klagte auch sein Leid, dass viele Schuhe überhaupt nicht mehr zu besohlen sind. Es sind „Wegwerfschuhe“! Als ich ihm zeigte, dass der Posten 7 in Abteilung 3 (Nummer 03.221.01) mit dem Betrag von 64 Cent die Bezeichnung „Reparatur und Miete von Schuhen“ trägt (siehe „Paritätischer Wohlfahrtsverband“, Seite 30), da wollte er sich ausschütten vor Lachen. Leider sind diese Sonderheiten für die Hartz-IV-Opfer bittere Gegenwart. In Syke und auch in Schleswig gibt es keinen Schuster mehr.
Elisabeth ist auf den Armutsbericht und die Zweiteilung der Gesellschaft seit vielen Jahrhunderten eingegangen. Zwei Gründe mehr, es zu ändern. Wir müssen diese Armut beenden, weil sie sich als Benachteiligung in allen Bereichen auswirkt. Wir können es uns nicht leisten, Kinder und Heranwachsende ihrer Zukunftschancen zu berauben. Wir wollen es nicht zulassen! Wir sind auf eine solidarische Gesellschaft angewiesen. Daher Montagsdemo, Kopf zeigen! Ich will die Zukunft positiv gestalten!
Und nicht vergessen: gegen jeden Bescheid fristgerecht Widerspruch einlegen. Die Höhe des Regelsatzes wurde falsch ermittelt: Er ist zu niedrig. Bei einer Familie müssen alle Erwachsenen den Widerspruch unterschreiben. Bitte immer wieder, gegen jeden neuen Bescheid. Auch die Zahl der Widersprüche landet in einer Statistik! Wenn die Bagis oder Arge einen Widerspruchsbescheid erlässt, bitte fristgerecht Klage erheben. Das Sozialgericht wird das Verfahren auf Antrag bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts ruhend stellen. Wie dies geht? Wir gehen mit!
Das Bundesverfassungsgericht hat sich diese Verfahren für 2009 vorgemerkt. Ab Position 21 stehen die Verfahren zum Regelsatz. Eine schmerzliche Warteliste für Hartz-IV-Opfer. Leben kostet jeden Tag – nicht nur die Zeit! Mein Aufruf zur Widerlegung der Einzelpositionen gilt. Auch wer keine Transferleistungen erhält und ein Haushaltsbuch führt, kann dazu beitragen, diese Ansätze zu erschüttern. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft positiv gestalten!
Ich komme vom „Gesprächskreis zu Ein-Euro-Jobs“ bei der „Blauen Karawane“, der sich vor drei Jahren aus Menschen gebildet hat, die als „Ein-Euro-Jobber(innen)“ tätig waren, aus Mitarbeiter(inne)n von Beschäftigungsträgern, die solche „Jobs“ anbieten, und anderen Interessierten. Viele von euch haben die „Öffentliche Verhandlung gegen Ein-Euro-Jobs“ oder den 1. Bremer „Ein-Euro-Jobber(innen)-Tag“ noch in Erinnerung. Unser Ziel heute wie damals ist, dafür zu sorgen, dass das Thema auch nach vier Jahren nicht einschläft: Die Verantwortlichen in den Apparaten, Behörden und all den Einrichtungen, die von Ein-Euro-Jobs profitieren, müssen immer wieder damit konfrontiert werden, was sie da machen!
Dazu dient der geplante 2. Bremer „Ein-Euro-Jobber(innen)-Tag“, den dieser Kreis seit Langem vorbereitet. Alle Betroffenen sind eingeladen, dort zusammenzukommen, sich zu informieren und miteinander zu beraten. Der 1. Bremer „Ein-Euro-Jobber(innen)-Tag“ war von der „Bremer Arbeit GmbH“ unterstützt worden, und den Teilnehmer(inne)n wurde ihr magerer „Ein-Euro-Lohn“ bezahlt. Jetzt hat die Bagis ganz kurzfristig Probleme gemacht und bisher die Zahlung der 1,20 Euro pro Stunde nicht zugesagt. Unser höchst ausgewogenes Ankündigungsblatt ist ihr noch viel zu „tendenziös“, zu einseitig. Ja! Trotz aller Zurückhaltung in der Ausdrucksweise ist es einseitig aus der Sicht der von Ein-Euro-Jobs und anderen Maßnahmen wie Entgeltvariante oder Arbeitsbeschaffung betroffenen Menschen geschrieben. Das ist nun mal so!
Man könnte denken: Wie naiv waren wir eigentlich zu glauben, dass die Bagis mit unserem Vorhaben einverstanden sein würde? Nun – erst seit Jahresbeginn hat die Bagis Funktionen übernommen, die vorher die „Bremer Arbeit GmbH“ ausgeübt hat. Und bei der Bagis weht ein anderer Wind! Das brauche ich euch nicht zu erzählen. Das wissen alle, die mit ihr zu tun haben. Die Bagis wünscht keine Öffentlichkeit. Wir suchen die Öffentlichkeit – im Interesse der Menschen, die vom Gesetzgeber vieler ihrer bürgerlichen Rechte beraubt worden sind, die wir mit ihnen zusammen auf politischer Ebene einfordern. Dazu ist Selbstorganisation nötig. Die Bagis wirft uns vor, wir würden für die im öffentlichen Beschäftigungssektor Beschäftigten mehr Geld fordern, als die Niedriglöhner(innen) in der freien Wirtschaft verdienen.
Nein! Wir fordern für alle Menschen eine Bezahlung, die ein Leben ohne Armut ermöglicht – und unser „Ein-Euro-Jobber(innen)-Tag“ soll beitragen, Menschen zusammenführen, die sich für ihre berechtigten Interessen einsetzen. Wer von euch selbst betroffen ist, betroffen war oder betroffen sein könnte, ist herzlich willkommen zu der Veranstaltung. Wer jemanden kennt, sage ihm oder ihr Bescheid. Wir freuen uns! Wer nicht für die ganze Veranstaltung Zeit hat – sie beginnt am Freitag, dem 20. März 2009, ja schon morgens um 9 Uhr im Kulturzentrum Schlachthof –, ist herzlich eingeladen, ab 15 Uhr an der Aktion mit dem Blauen Kamel teilzunehmen, eine Demonstration vom Schlachthof zum Hauptbahnhof. Kommt zahlreich!