1. Die Experten schlagen wieder mal Alarm, weil sich in den deutschen Großstädten immer mehr Problemviertel bilden. Dabei hausen finanziell Schwache und Migranten immer isolierter in abgetrennten Vierteln. Durch die soziale Entmischung entstehen immer mehr Gettos von aus der Gesellschaft Ausgegrenzten. Wegen der staatlich verordneten Armut durch das vermaledeite Hartz IV werden immer mehr finanziell schwache Menschen von den argen Argen dazu gezwungen, in die als problematisch geltenden Wohnviertel zu ziehen, weil nur hier die Mieten noch bezahlbar sind. So wundert es mich gar nicht, wenn zum Beispiel von 2,81 Millionen türkischstämmigen Migranten sogar fast ein Drittel in 1.500 Quartieren mit geringem Kaufkraftniveau in 550 Kommunen leben. Auswertungen der Pisa-Studien belegen, dass die schulische und soziale Trennung eine gravierende Barriere für Bildung bedeuten. Aber wer will wirklich gebildete Migranten, die dann ihre Rechte kennen und sich wehren können? Ich persönlich halte diese Segregation für politisch gewollt, nach dem Motto: „Eure Probleme und eure Armut kotzen mich an, damit möchte ich nichts zu tun haben“! Aus den Augen, aus dem Sinn, schön weggedrängt, was unangenehm berühren müsste, könnte, sollte!
2. Im Jahr 2004 eröffnete eine Frau in Wiesbaden einen Secondhandladen für Kinderbekleidung als „Ich-AG“ und erhielt dafür sogar einen Gründerpreis. Nun muss sie wegen eines „gemeinnützigen“ Unternehmens – eines Secondhand-Kaufhauses, in dem Ein-Euro-Jobber als Verkäufer arbeiten – um ihre Existenz fürchten. Die Ladeninhaberin beklagt, dass sie seit August 30 bis 40 Prozent weniger Umsatz mache. Träger des Kaufhauses sind die „Bau-Haus-Werkstätten“, eine „gemeinnützige“ Einrichtung, die Langzeitarbeitslose angeblich wieder ins Berufsleben eingliedern soll. Der dortige Geschäftsführer schwelgt im Erfolg. Von den 1.300 Kunden, die monatlich im Durchschnitt kämen, seien 57 Prozent Hartz-IV-Bezieher. Ganz ungeniert gibt er zu, dass der Erfolg auf die Qualität des Personals zurückzuführen sei: Die Beschäftigten gingen so freundlich und engagiert auf die Kunden zu. Ja, verdammt noch mal, offensichtlicher geht’s wohl gar nicht mehr! Wer bloß soll denn hier bitte noch integriert werden? Den Langzeitarbeitslosen fehlt bestimmt kein Ein-Euro-Job, sondern eine anständig bezahlte Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt!
Es liegt in der Natur der Ein-Euro-Jobs, dass sie selbstverständlich für die anderen Händler mit ähnlichen Waren auf dem regulären Markt eine nicht überbietbare Konkurrenz darstellen. Die normalen Händler beschweren sich zu Recht darüber, dass sie gar nicht mithalten können, denn sie müssen ihr Personal bezahlen, während die „Bau-Haus-Werkstätten“ nicht nur das Personal umsonst bekommen, sondern pro Kopf außerdem auch noch ein paar Hundert Euro extra! Da kann sich der Träger so richtig eine goldene Nase verdienen – und die ausgebeutete Ein-Euro-Jobber verdrängen nicht nur eine „Ich-AG“, sondern vernichten Existenzen, die dann ebenfalls ALG-II-Bezieher werden und sich ihr mageres Salär auf diese Weise aufbessern können. Da ist ein ganz pervers-perfider Kreislauf in Gang gesetzt worden! Noch-Verdiener bekommen nun einen Eindruck davon, was die Hartz-Gesetze auch für sie an Bedrohung bedeuten und wie schnell es jeden treffen kann, selbst am Tropf der Verfolgungsbetreuung hängen zu müssen. Wie gut, dass sich nun einzelne Händler zusammentun, um sich bei der Industrie- und Handelskammer über diesen im Prinzip unlauteren Wettbewerb durch die ausgenutzten Ein-Euro-Jobber zu beschweren!
3. Entgegen den vollmundigen Beteuerungen des Kölner Arge-Pressesprechers werden Lebensmittelgutscheine keineswegs nur in den gesetzlich klar geregelten Fällen wie Alkoholmissbrauch, Drogenabhängigkeit und unwirtschaftlichem Verhalten anstelle von Bargeld ausgegeben. Hier soll offenbar der Eindruck erweckt werden, als ob die Arge nie oder nur ganz selten auf Lebensmittelgutscheine zurückgreife. Die Praxis sieht allerdings ganz anders aus! Allein am 2. Januar dieses Jahres wurden in lediglich einer Arge circa 30 Gutscheine ausgegeben, jedoch mit solidarischer Hilfe und Empörung der Betroffenen in Bargeld zurückgetauscht. Schließlich müssen sich auch Erwerbslose nicht alles gefallen lassen! Diese Praxis löst auch zunehmend Unmut unter den Arge-Mitarbeitern aus. Nur wollen diese wahrscheinlich aus Angst, selbst bald auf der anderen Seite des Schreibtisches sitzen zu müssen, sich nicht öffentlich dazu äußern.
So war dann am 2. Februar 2009 „Zahltag“ bei der Arge in Köln-Mülheim. Auch den Mitarbeitern der argen Argen ist dieser Begriff inzwischen vertraut: Wenn die Piratenflaggen vor der Tür auftauchen, wird in der Regel ganz schnell die Strategie fallengelassen, Hartz-IV-Beziehern, die aus welchen Gründen auch immer am Monatsanfang kein Geld bekamen, mit Lebensmittelgutscheinen abspeisen zu wollen. Ungefähr 20 engagierte Menschen, die sich selber Meute nennen (von Meuterer abgeleitet) unterstützen solidarisch ALG-II-Bezieher bei ihren unangemeldeten Besuchen bei den Argen. Das Erstreiten von Bargeld war eingebettet in eine Kampagne der „Kölner Erwerbslosen in Aktion“, die sich zum Ziel erklärt hatte, die Lebensmittelgutscheine abzuschaffen. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit werden, weil offenbar eine Weisung „von oben“ gekommen ist, die Gutscheine dem Bargeld vorzuziehen. Die „Meute“ schulte die rund 50 Menschen, die allein in der einen Stunde zwischen 8 und 9 Uhr eingetroffen waren, weil sie kein Geld bekamen, wie sie sich gegen die Lebensmittelgutscheine erfolgreich zur Wehr setzen können. Ich würde es sehr begrüßen, wenn solche Aktionen sich auch in Bremen etablieren könnten!
4. Während der Sendung von Anne Will am vorletzten Sonntag log Laurenz Meyer, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, dass sich die Balken bogen. Er erdreistete sich zu der Behauptung, dass ALG-II-Bezieher zusätzlich zum Bezug einen 400-Euro-Job ohne Abzug haben könnten und die Minijobs eben deshalb eingeführt wurden. Wollte da einer den ALG-II-Beziehern etwas Gutes tun? Pustekuchen, hier wollte offenkundig jemand vor einem Millionenpublikum Lügen darüber verbreiten, wie gut es den „faulen“ Hartz-IV-Beziehern „in Wirklichkeit“ gehe! Selbst wenn Anne Will es richtiggestellt hätte, was sie nicht tat, so wäre irgendetwas im Gedächtnis hängen geblieben. Klar, dies soll Neid und Missgunst bei der erwerbstätigen Bevölkerung schüren, dass Erwerbslose ohne Arbeit mehr Geld vom Amt bekämen, als Werktätige in ihrer Lohntüte haben! Leider weiß kaum jemand, dass von einem 400-Euro-Lohn nur 100 Euro zu hundert Prozent behalten werden dürfen, von den verbleibenden 300 Euro jedoch lediglich 20 Prozent, sodass letztlich nur 160 Euro im Portemonnaie landen und die Arge die restlichen 240 Euro einstreicht beziehungsweise anrechnet!
5. Anlässlich der Niederschlagung der Bremer Räterepublik vor 90 Jahren war ich am Sonntag auf dem Waller Friedhof und verlas anschließend im „Westend“ folgenden Beitrag:
Nur wenige Wochen hatte die Bremer Räterepublik Bestand, deren Niederschlagung vor 90 Jahren wir heute hier gedenken. Sie wurde vom Kern der bremischen Industriearbeiterschaft getragen. Selbstverständlich sah die Reichsregierung in Berlin diesem Treiben in Bremen nicht einfach tatenlos zu, sondern setzte sich militärisch durch, damit die alte Ordnung wiederhergestellt wurde. Wo kämen wir da hin, wenn in Deutschland jeder Hans und Franz machen könnte, was er wollte? Wenn politische Gegner nicht gnadenlos vernichtet werden, breiten sich womöglich noch weitere Unruheherde mit solch abstrusen Ideen von Basisdemokratie oder einer Diktatur des Proletariats aus! Selbstverständlich war dafür auch der Preis eines Blutbades nicht zu hoch.
Man stelle sich mal vor, dass sich ein Verbot des Religionsunterrichts überall durchgesetzt hätte. Dann besäße der Papst ja überhaupt keinen Einfluss mehr, und Benedikt XVI hätte nicht so leicht die Exkommunikation des Holocaust-Leugners Bischof Williamson aufheben können. Schließlich ist der Papst doch immer noch unfehlbar! Dankenswerterweise besaßen die Banken bereits damals einen so staatstragenden Einfluss, dass sie der Bremer Räterepublik mit Kreditverweigerung den Geldhahn zudrehen konnten. Auch heute tragen sie maßgeblich dazu bei, die Regierungsgeschäfte zu lenken, denn natürlich müssen Politiker komplett damit überfordert sein, sich nur dem eigenen Gewissen gegenüber verpflichtet zu fühlen. In der Räterepublik hätten sie dies sogar noch dem Wähler gegenüber tun müssen!
Heute entgehen sie dieser Überlastung durch die finanzielle Unterstützung der Banken. Da wäscht dann eben eine Hand die andere, wenn die Kreditinstitute mal in Not geraten. Selbstverständlich ergibt es mehr Sinn, das bislang versteckte Vermögen, das die Bundesregierung mal eben so aus dem Ärmel schüttelte, den Bankhäusern in den Allerwertesten zu schieben, als es etwa in die Bildung der Kinder von Erwerbslosen und anderen Überflüssigen zu stecken. Angesichts der Tatsache, dass es nie wieder Vollbeschäftigung geben wird, würde damit ja das kostbare Geld zum Fenster hinausgeworfen, weil die Nachkommenschaft wegen ihrer Bildungsferne sowieso keinen Ausbildungs-, geschweige denn Arbeitsplatz finden wird! Mit ihrer Krise unterstützen die Banken die Politiker bei deren Umverteilung von unten nach oben. Schließlich müssen die Großbesitzer auch immer das Risiko tragen. Da können die Dividendenzahlungen der Dax-Konzerne gar nicht hoch genug ausfallen!
Wie gesagt: Eine Hand wäscht die andere. In den vergangenen 90 Jahren konnten die Politiker dazulernen. Niemand käme heute mehr auf die Idee, politisch Andersdenkende oder gesellschaftlich Überflüssige zu erschießen. Nein, dafür gibt es heute ja ALG II, denn Hartz IV ist die arbeitsmarktpolitische „Endlösung“ in der Erwerbslosenfrage! Das ALG II ist quasi einem Töten per Gesetz gleichzusetzen. Wie sollte man sonst mit dem abgehängten Prekariat umgehen? Letztlich würde es den Staat zu viel Geld kosten, wenn weiterhin die Stärkeren den Schwächeren zur Seite stehen würden – das kann doch heute jedes Kind einsehen, das eines Leistungsträgers natürlich nur.
So kommt es einer Fürsorgepflicht des Staates für seine gesellschaftlich etablierten anständigen Bürger gleich, wenn die Bezieher von Transferleistungen dafür selbstverständlich eine Gegenleistung entrichten müssen. Deswegen ist dies auch nicht etwa mit Zwangsarbeit zu verwechseln. Zur notwendigen Schädlingsbekämpfung gehören dann auch die weisen Worte des ehemaligen SPD-Arbeitsministers Franz Müntefering, wer nicht arbeite, solle auch nicht essen. Da liegt es auf der Hand, dass von den Argen zur Abschreckung vor der Erwerbslosigkeit gern auch denkbar viele Gründe konstruiert werden können, um eine möglichst hohe Zahl von Sanktionen auszusprechen. Wenn Arbeitslose nicht parieren, dann rechtfertigt das eben auch eine Kürzung bis zu hundert Prozent! Sollten arme Menschen dann um Jahre früher sterben, weint ihnen niemand eine Träne nach, weil sie ja ohnehin zu nichts mehr zu gebrauchen waren!
Hartz IV verhindert außerdem die Erwerbslosigkeit unter den Richtern, weil wegen der steigenden Klageflut der ALG-II-Bezieher immer mehr neue Richterstellen besetzt werden müssen. „Wer nicht bereit ist, aus der Geschichte zu lernen, der ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen“, sagt George Santayana. Seit über vier Jahren gibt es nun die Bremer Montagsdemo, die Betroffene bei ihrem Gang zur Bagis begleitet, die mit zur Klageflut beiträgt. Wir sind basisdemokratisch und überparteilich, nutzen ein offenes Mikrofon, an dem jeder seine Meinung kundtun kann, sofern sie nicht faschistisch ist. Jeden Montag um 17:30 Uhr treffen wir uns auf dem Bremer Marktplatz.
Zuerst möchte ich mich bei Dagmar Stuckmann bedanken. Aus ihrem Konzept zu dem Buch zur 100-jährigen Geschichte des „Bremer Internationalen Frauentages“, „Gebt Raum den Frauen“, hat Frau Stuckmann mir Materialien zur Verfügung gestellt. Das Buch wird in anderthalb bis zwei Jahren erscheinen.
Die Bremer Räterepublik wurde auch von Frauen vorbereitet und getragen. Sie haben demonstriert, agitiert und waren Kuriere für geheime Flugschriften. Es wird berichtet, dass auch Frauen Waffen forderten, um die Räterepublik zu verteidigen. Stellvertretend für die Unterstützerinnen möchte ich Charlotte Kornfeld, Elise Kesselbeck, Käte Ahrens, Gesine Becker und Marie Griesbach nennen. Letztere, die wegen ihrer roten Haare „die Rote Marie“ genannt wurde, war noch 1918 wegen Hoch- und Landesverrat zu einer vierjährigen Zuchthausstrafe verurteilt worden, denn sie hatte Antikriegsmaterial verteilt. Auf die Frage des Richters, ob sie sich denn nicht als Deutsche fühle, antwortete sie: „Ich fühle mich als Mensch“. Ihre Strafe fiel höher aus als die ihrer Mitangeklagten. Auf politischen Versammlungen auch in Bremen waren ihre Hauptforderungen: „Verkauft eure Arbeitskraft so teuer wie möglich! Fordert Einsicht in die Gewinne und ihre Verteilung!“ Sie war eine glänzende Rednerin und von der Reaktion gefürchtet.
Der Krieg hatte auch innerhalb Deutschlands verheerende Auswirkungen: Hunger, Kälte und Krankheit durch Mangelernährung. Der tägliche Überlebenskampf war der Kampf der Proletarierin. Im „Steckrübenwinter“ zur Jahreswende 1916/17 mit bis zu minus 22 Grad Celsius, der auch als „Hungerwinter“ bezeichnet wird, kam es zu Hungerdemonstrationen, die hauptsächlich von Frauen getragen wurden. Anna Pöhland schrieb ihrem Mann, der im Krieg war, von der Demonstration anlässlich einer Knochen- und Schälrippenvergabe, angeordnet durch die Militärbehörde: „Da der Andrang in der Osterstraße nicht mehr zu bewältigen war – die Frauen standen in Sechserreihen mehrere Straßenzüge lang –, wurde nun auf dem Schlachthof der Verkauf eingerichtet, doch als ich bereits eine Stunde dort gestanden hatte, hieß es, dass die Karten, die man erst lösen musste, verausgabt waren. Da waren wir mit einigen Genossinnen bereit zu demonstrieren. Wir gingen zu den Frauen und sagten, dass wir zur Lebensmittelkommission gehen wollten. Es dauerte eine Viertelstunde, da hatten wir einige hundert Frauen, die dahin zogen.“
Knochen und Rippen wurden vergeben! Da fragt man sich: Wer bekam das Fleisch? Anfangs noch Hungerrevolten, bekamen Demonstrationen bald auch politischen Charakter. Bereits 1916, nach der Festnahme von Karl Liebknecht wegen seiner Antikriegsrede am 1. Mai, kam es auch in Bremen zu Demonstrationen. Darunter waren viele männliche und weibliche Jugendliche und Frauen. „Tausende von Arbeiterfrauen, deren Männer vielfach den Rock des Kaisers trugen, drangen in Kolonnen in die Innerstadt ein. Die berittene Polizei antwortete mit Säbelattacken“, beschrieb Charlotte Kornfeld die Auseinandersetzungen. Sie war Redakteurin der „Arbeiterpolitik“ und arbeitete und lebte mit Johann Knief zusammen.
In der Stadt Bremen mit damals halb so vielen Einwohner(innen)n wie heute gab es etwa 12.000 Arbeiterinnen; 3.400 waren gewerkschaftlich organisiert. Die Organisierung der Dienstboten war ein Hauptanliegen von Elise Kesselbeck. Sie war 1892 nach Bremen gekommen, um als Dienstmädchen eine Stellung anzutreten, und hatte sich in der Dienstbotenbewegung engagiert, die um die Jahrhundertwende entstand und die Abschaffung der reaktionären Gesindeordnung anstrebte. Elise Kesselbeck war in der SPD aktiv und organisierte sich gegen Ende des Ersten Weltkriegs bei den „Bremer Linken“, die sich im November 1918 als „Internationale Kommunisten“ konstituierten. Auf der vom Arbeiter- und Soldatenrat am 10. 11. 1918 einberufenen Frauenversammlung, bei der es um das Frauenwahlrecht für die Bürgerschaft ging, wurde Elise Kesselbeck zusammen mit Anna Stiegler ins Büro gewählt. 2.000 Menschen, hauptsächlich Frauen, waren gekommen.
Käte Ahrens, Herausgeberin der Zeitung „Der Kommunist“, begründete auf dieser Versammlung die Notwendigkeit des Frauenwahlrechts: „Der revolutionäre Umwälzungsprozess ist nicht von selbst gekommen. Wir Linksradikalen und die Unabhängigen haben auf ungesetzlichem Wege, etwa durch Flugblätter, tüchtig vorgearbeitet. Wir wollen jetzt nicht mehr fordern, wir wollen dekretieren, die Gesellschaft kann keinen Tag ohne Frauenarbeit existieren!“ Es ist bekannt, dass Frauen, als Schwangere getarnt, Flugblätter unter ihrer Kleidung versteckten. Warum nun waren diese Diskussionen notwendig? Nachdem Alfred Henke im bürgerlichen Parlament immer wieder auf dem Frauenwahlrecht bestanden hatte, wurde er in der revolutionären Situation schwankend und wollte die Umsetzung auf zwei weitere Jahre verschieben, um die Frauen erstmal politisch zu bilden. Mit dieser Vorgehensweise zog er sich den Zorn der bürgerlich-liberalen wie den der linken Frauen zu. Das Frauenwahlrecht wurde durchgesetzt.
Er schien vergessen zu haben, was Rosa Luxemburg sagte: „Die Proletarierin braucht politische Rechte, weil sie dieselbe wirtschaftliche Funktion in der Gesellschaft ausübt, ebenso für das Kapital rackert, ebenso den Staat erhält, ebenso vom ihm ausgesogen und niedergehalten wird wie der männliche Proletarier. Sie hat dieselben Interessen und benötigt zu ihrer Verfechtung dieselben Waffen. Ihre politischen Forderungen wurzeln tief in dem gesellschaftlichen Abgrund, der die Klasse der Ausgebeuteten von der Klasse der Ausbeuter trennt, nicht im Gegensatz von Mann und Frau, sondern im Gegensatz von Kapital und Arbeit.“
Die 20-jährige Gesine Becker – verheiratet, ein Kind – war eine der wenigen Frauen im Arbeiter- und Soldatenrat. Dort forderte sie energisch die Gleichstellung der Frauen bei den Arbeitseinkommen und der Erwerbslosenfürsorge sowie die Erhöhung der Versorgungssätze der „Kriegerfrauen“. Sie kämpfte aktiv gegen den Paragraphen 218, der für sie die Ausnahmebestimmung gegen das weibliche Geschlecht ist: „Der Paragraph 218 hat nur für Frauen des Proletariats Geltung, die durch ihn zu Gebärmaschinen herabgedrückt werden.“
Die Bremer Räterepublik ist durch den Angriffsbefehl der Mehrheitssozialisten Ebert und Noske an die Division Gerstenberg blutig niedergeschlagen worden. Im Anschluss daran hatte Elise Kesselbeck die Aufgabe, im Gewerkschaftshaus die Trauerfeier für die Opfer des 4. Februar zu gestalten. Sie umrahmte die Gedenkstunde mit Gedichten von Heinrich Heine und Ada Negri und rief die Überlebenden zum Befreiungskampf für das Proletariat auf. Und wo stehen wir heute?
Noch immer sind hauptsächlich Frauen zuständig für die Reproduktions- und Familienarbeit. Die unsichtbare, auf Unentgeltlichkeit basierende Ökonomie, die als Grundlage für jede bezahlte Arbeit dient, ist immer noch eine sehr weibliche Welt – und in einer gewinnorientierten Wirtschaft, in der alles lediglich nach seinem finanziellen Wert beurteilt wird, hat sie einen niedrigeren Status als je zuvor. Die unentgeltliche Aneignung häuslicher Arbeitsleistung ist eine der Grundlage für kapitalistisch orientierte Wirtschaftssysteme. In diesen hat die betriebswirtschaftliche Orientierung grundsätzlich Vorrang vor der volkswirtschaftlichen. Die weiblich zugeordneten Reproduktionsarbeiten rechnen sich jedoch vorrangig gesamtgesellschaftlich, denn bis heute werden 70 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt; diese Aufgabe wird weitgehend von Frauen geleistet.
1,6 Millionen Frauen sind auf staatliche Unterstützung angewiesen. Die größte Gruppe mit 26 Pozent sind alleinerziehende Frauen. Seit Qualifizierungsmaßnahmen für Berufsrückkehrerinnen in eine „Soll-Bestimmung“ (SGB III, Paragraph 8) umgewandelt wurden, haben Frauen, die längere Zeit Erziehungs- oder Pflegearbeiten geleistet haben, kaum Aussichten auf eine Finanzierung von Weiterbildung durch die Agentur für Arbeit. Im Erwerbsleben sieht es nicht viel besser aus. Jede siebte erwerbstätige Frau kann ihren überwiegenden Lebensunterhalt nicht aus ihrer Erwerbstätigkeit bestreiten. Die von Frauen am häufigsten ausgeführte berufliche Tätigkeit die der Raumpflegerin.
Dort, wo Frauen arbeiten, verdienen sie selbst auf gut bezahlten Arbeitsplätzen durchschnittlich etwa 25 Prozent weniger als Männer. 2003 war die Hälfte der Studierenden, die einen Abschluss vorweisen konnten, weiblich. Beim wissenschaftlichen Personal jedoch betrug der Frauenanteil nur noch 28,6 Prozent. Im Jahre 2004 waren Professorinnen mit rund 13 Prozent und C4-Professuren mit etwa neun Prozent an den Universitäten vertreten. Daran wird deutlich: Mit den höheren Positionen und Verdienstmöglichkeiten verringert sich der Frauenanteil an den Universitäten.
Die Kategorie „Erwerbsbeteiligung“, die von dem Statistischen Bundesamt angewandt wird, weist den Anteil der 15- bis 64-Jährigen in der Bevölkerung aus, die entweder einen Erwerbsarbeitsplatz haben oder als arbeitslos registriert sind. Diese Definition ist aus frauenpolitischer Perspektive hoch problematisch: Personen, die als „arbeitssuchend“ bei der Arbeitsagentur gemeldet sind, treten in der Statistik nicht in Erscheinung. Das gilt auch für diejenigen, die wegen einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft – das Zusammenleben mit einem oder mehreren anderen Menschen wird als ökonomische Einheit definiert – keine finanziellen Unterstützungsleistungen von der Arbeitsagentur beziehen.
Personen, die erwerbstätig sein wollen, wenn ihnen ein angemessener Arbeitsplatz angeboten würde, werden als „Stille Reserve“ bezeichnet. Hierbei handelte es sich 2003 in der Mehrzahl um Frauen: 83 Prozent. Es sind mehr als eine Million weiblicher Personen. Die stetige Entwicklung der Produktivkräfte, in der in immer kürzerer Zeit immer mehr produziert wird, geht nicht einher mit kürzeren Arbeitszeiten, sondern mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen und mit deren Verlagerung in „Billiglohnländer“. Ein kontinuierlicher Zuwachs von Erwerbslosigkeit ist die Folge.
Der Reichtum, den die „lebendige Arbeitskraft“ schafft, schlägt sich in den verschärften kapitalistischen Konkurrenzkämpfen als Armut für die Arbeitenden nieder. Der Abbau staatlicher Systeme der sozialen Absicherung tut ein Übriges dazu. Das trifft Männer wie Frauen. Deshalb möchte ich schließen mit den Worten: „Solange sie uns entzweien, bleiben sie doch unsere Herren. Darum vorwärts und nicht vergessen: die Solidarität!
Michael Glos hat seinen Hut genommen, es herrscht Chaos in der Regierung. Der nächste Wirtschaftsminister gehört wieder den alten Rittern, den bekannten Blutsaugern der Zeit der Bauernkriege, an: der Freiherr von und zu Guttenberg. Da kann er dann gleich der Frau Schaeffler beim Gewichtheben mit Conti mit ein paar Milliarden unter die Arme greifen. Hinter den Kulissen hat schon das Hauen und Stechen begonnen, wer, was und wie viel abkriegt vom großen Kuchen des Konjunkturpakets und in der Parteienhierarchie. Im Moment scheint mal wieder die CDU vorn zu liegen beim Fetzenfliegenlassen. Frau Merkel ist noch zu sehr mit dem Papst beschäftigt und blickt nicht durch. Wenn das so weitergeht, steht uns ein wahrhaft heißes Frühjahr bevor!
Aber die SPD braucht sich nicht ins Fäustchen zu lachen, sie kann schnell wieder zu diesem Chaos-Club dazugehören. Sie deckt mit Minister Tiefensee und manchem Aufsichtsrat, mit willfährigen Betriebsräten und gekauften Gewerkschaftsoberen wie dem „Arbeitsdirektor“ Hansen, die ganze Bespitzelungsaffäre bei der Bahn. Nach Lidl, Telekom und jetzt der Bahn ist die Stasi jetzt in nur etwas modernerer Form im westdeutschen Kapitalismus eingezogen und verinnerlicht. Diese Schnüffelmethoden werden nicht die letzten sein, in der Wirtschaft wie in der Politik. Die Datenschützer kämpfen fast vergebens. Mancher Betroffene glaubt immer noch, dass so etwas gar nicht möglich sei. Der andere Teil ist maßlos empört. Die Datenschützer sagen aber auch, dass die meisten Betriebsräte diese Gefahren viel zu leicht nähmen. Das ist wieder diese Denkweise der SPD-geschwängerten Gewerkschaftsvertreter, die lieber mit Intrigen und Heuchelei den reibungslosen Ablauf des Einlullens der Kollegen zugunsten des Kapitals betreiben.
Am Sonntag fand bei Sonnenschein die Gedenkfeier zu Ehren der Verteidiger der Bremer Räterepublik unter großer Beteiligung statt. Im Anschluss daran gab es im „Westend“ noch ein Kulturprogramm, bei dem Elisabeth für die Bremer Montagsdemo einen Beitrag gehalten hat. Diese gelungene gemeinsame Aktion sollte vielleicht ein Anstoß sein, zum 1. Mai eine neue überparteiliche Plattform anzustreben, die die kämpferischen Kollegen zusammenfasst und den eingefahrenen Gleisen der kraftlosen Gewerkschaftsführung in Bremen etwas entgegensetzt.
In München fand die Militärtagung statt, früher verniedlichend Wehrkundetagung genannt. Einerseits versuchen die dortigen Damen und Herren uns Friedensgesäusel in die Ohren zu blasen, andererseits verabreden sie neue strategische Schachzüge. Daran sind alle Imperialisten beteiligt. Der Iran bleibt ihr oberster „Schurkenstaat“, auch wenn der Begriff nicht mehr so verwendet wird. Natürlich geht es auch um den der Krieg in Afghanistan und an der Grenze zu Pakistan. Da ist eine Umfraganalyse der ARD interessant, die in Afghanistan durchgeführt wurde. Die Hauptaussage lautet: Die Bevölkerung hat kein Vertrauen mehr in die Regierung Karsai, eine korrupte Regierung von Gnaden der USA. Genauso sieht es mit dem Vertrauen in alle ausländischen Militärverbände aus. Diese Ergebnisse müssen veröffentlicht werden, und eine breite Diskussion muss beginnen mit dem Ziel: Alle ausländischen Truppen raus aus Afghanistan! Rückzug aller deutschen Truppen, wo sie sich auch immer befinden!
Am kommenden Montag wollen wir die bundesweite Delegiertenkonferenz am 28. Februar 2009 in Kassel vorbereiten. Dazu müssen wir hier auf dem Marktplatz in freier Diskussion Forderungen für die Konferenz aufstellen und unsere beiden Delegierten in geheimer Abstimmung wählen. Weiter müssen wir unsere Kandidaten benennen, die für die zentrale Koordinierungsgruppe oder die Revisorengruppe kandidieren sollen und wollen. Ich möchte euch deshalb aufrufen, euch zu überlegen, ob ihr als Delegierte oder Kandidaten für die Koordinierungsgruppe, die in der Regel an drei oder vier Samstagen im Jahr tagt, kandidieren wollt. Die Kadidatenliste wird erst vor der Wahl geschlossen. Also diskutiert das untereinander und macht beim nächsten Mal Vorschläge! Außerdem brauchen wir noch Helfer für den Wahlvorgang. Ich habe bei Udo und Hannelore angefragt, ob sie es machen würden, sie haben schon Erfahrung damit. Aber ihr Gesundheitszustand ist nicht so, dass sie fest zusagen können. Also auch dafür bitte Freiwillige! Ruft die euch bekannten Mitstreiter an, dass sie zahlreich kommen, damit wir auch einen guten Rückhalt für unsere Wahl haben!
1. Frau Merkel hat gesagt, die Schulden aus der Wiedervereinigung seien inzwischen getilgt worden. Das ist nicht richtig. Diese Schulden haben nur einen neuen Namen bekommen und wurden in den normalen Haushalt des Bundes aufgenommen. Hat Frau Merkel das gar nicht bemerkt – oder, gemeinsam mit Herrn Steinmeier, bewusst gelogen? Frau Merkel, die Bundeskanzlerin – jetzt noch?
Auf der 216. Bremer Montagsdemo habe ich erneut die unterlassene Steuerfahndung und Ähnliches als Quelle für die leeren Kassen gesprochen, etwa die Behinderung der entsprechenden Mitarbeiter durch eigene Vorgesetzte. Bisher war mir nur die Fehlverwendung der Planstellen für Betriebsprüfer in Bremen bekannt. Diese Dienststelle befindet sich auf dem „Weg der Besserung“. Am 3. Februar 2009 stand im „Weser-Kurier“, dass die Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft leidet: „Steter Wechsel bremst die Ermittler“. Die Stellen in der Wirtschaftabteilung der Staatsanwaltschaft seien zum Teil über Jahre unbesetzt geblieben, so der Personalratsvorsitzende. Dies ist kein neuer Engpass. Die Verjährung, die auch Herrn Zumwinkel half, hat auch in Bremen einen Teil der bisherigen Arbeit vernichtet, zum Wohle der Täter, und es wird nie geklärt, wie teuer den Bürger diese Unterlassungen zu stehen kommen!
2. Der § 22 SGB II regelt, dass die angemessenen „Kosten der Unterkunft“ – normalerweise Miete genannt – und die Heizkosten dem Leistungsempfänger von der Arge erstattet werden, in tatsächlicher Höhe. Die Kosten der Unterkunft sind von der Gemeinde zu zahlen. Die Freie Hansestadt Bremen erhält von der Bundesregierung eine teilweise Erstattung dieser Kosten. Folglich fallen die Kosten der Unterkunft unter die Regelungshoheit der Gemeinde. Bremen hat dazu eine Verwaltungsanweisung erlassen. Eine solche ist allerdings keine Rechtsgrundlage.
Veröffentlicht wurde zunächst nur eine elfseitige Kurzfassung. Die Arbeitsunterlage der Bagis, die Vollversion mit 57 Seiten mit Stand vom 1. Dezember 2008 wurde von der Freien Hansestadt Bremen jetzt ebenfalls veröffentlicht, nachdem die Vollversion zunächst nur beim „Sozialen Lebensbund“ zu finden war (Stand: 1. November 2007). Wer Änderungen zwischen beiden Fassungen feststellen will, muss sie miteinander vergleichen.
Beide Verwaltungsanweisungen sind überholt, weil die Ergebnisse der Abteilungsleiterbesprechungen dort nicht „eingepflegt“ werden. Auch die Sachbearbeiter erhalten diese Entscheidungen nicht. Es gibt angeblich nicht einmal eine gesonderte Aufzeichnung über sie. Nur in den Sitzungsprotokollen steht etwas davon, aber ist es vollständig? Jedenfalls sind darin teilweise Namen genannt. Können diese Entscheidungen deshalb nicht veröffentlicht werden?
Die Änderung in § 22 SGB II zum 1. Januar 2009 macht es möglich, und die Bagis besteht darauf: Wer umzieht und „angemessen“ gewohnt hat, darf in der neuen Wohnung nicht mehr bezahlen. Die Bagis zahlt, wenn die neuen Kosten der Unterkunft zwar „angemessen“, aber höher sind, auch nur die Kosten der Unterkunft in der bisherigen Höhe. Dies bedeutet aber nicht, dass, wer aus Kostengründen in eine zu kleine Wohnung gezogen ist, nunmehr auf diese Miethöhe begrenzt ist. Wer in einer zu kleinen Wohnung haust, wohnt eben nicht angemessen! Die Wohnung mit der angemessenen Wohnfläche darf somit teurer sein. Die angemessene Wohnungsgröße richtet sich nach dem Bremischen Wohnungsbauförderungsgesetz.
Es gibt weitere Ausnahmen. Die in der „Verwaltungsanweisung Wohnen“ auf Seite 29 genannten Untergrenzen sind falsch, obwohl der Hinweis auf die Rechtsgrundlage richtig ist. Für eine Person beträgt die Untergrenze 44 Quadratmeter Wohnfläche – und nicht 25, wie es diese Verwaltungsanweisung aussagt. Wie gesagt, Verwaltungsanweisungen sind keine Rechtsgrundlage, sondern nur eine Anweisung an die Verwaltung! Viele andere Aussagen dieser Verwaltungsanweisung stimmen ebenfalls nicht mit den Rechtsgrundlagen überein. Entscheidungsbedarf wird auch dort genannt, wo einfach nur zu bewilligen ist.
Bei den Wohnungsbeschaffungskosten kommt es nur auf den vorherigen Antrag an, nicht auf die vorherige Genehmigung. Es steht alles in den vorherigen Beiträgen zur Bremer Montagsdemo (und weiter unten in der Antwort des Senats zur Frage 11). Wer Kürzungen hinnehmen soll, einen Umzug plant oder wissen will, wie dies geht: Wir gehen mit! Wer wenig Geld hat und nicht ALG II oder Grundsicherung bezieht, sollte einfach mal lesen. Studenten, Auszubildende oder Umschüler machen viel zu wenig von den Möglichkeiten Gebrauch. Kosten der Unterkunft gelten in diesen Fällen nicht als Leistungen nach dem SGB II – diese Leistungen können somit selbst bei Ausschlusstatbeständen beantragt werden!
Die Bagis fordert noch immer zum Umzug auf. Abgearbeitet werden jetzt die Überschreitungen der Mietobergrenzen dieser Verwaltungsanweisung um 30 Prozent. Die Bagis macht immer noch keine rechtsfähige mehrstufige Angemessenheitsüberprüfung. Dr. Christian Link hat die richtungweisenden Urteile des Bundessozialgerichts ausgewertet und eine Handlungsanleitung für diese einzelfallbezogene mehrstufige Angemessenheitsüberprüfung erarbeitet. Die Bagis wird sich umstellen müssen. Ohne die Beachtung dieser Grundsätze sind keine gerichtsfesten Bescheide möglich. Kernfrage ist die Miete pro Quadratmeter bei einer Neuanmietung. Dies muss die Bagis endlich umsetzen, siehe weiter unten in der Antwort des Senats zur Frage 12.
Das Sozialgericht der Freien Hansestadt Bremen hat mit Beschluss vom 22. Janaur 2009 die jetzigen Mietobergrenzen als nicht ausreichend begründet und zu niedrig verworfen. Das Sozialgericht Bremen ist erst seit dem 1. Januar 2009 für Klagen zum SGB II zuständig. Es hat im Eilverfahren entschieden, vorläufig die Werte der neuen, seit 1. Januar 2009 gültigen Wohngeldtabelle anzuwenden. Die exakte Bestimmung der „angemessenen“ Kosten der Unterkunft bleibt dem Hauptverfahren vorbehalten. Die vorläufig akzeptierte Miete beträgt 358 Euro plus Heizung für eine Person. Die Größe der Zweizimmerwohnung beträgt 48 Quadratmeter.
Das Sozialgericht hat auch nachvollziehbar begründet, warum die bisherigen Mietobergrenzen falsch sind. Die Berichte der „Gewos GmbH“ sind keine ausreichende Grundlage. Das Gericht hat keine Ermittlungen zur aktuellen Miete bei Neuanmietung angestellt. Dieser Beschluss des Sozialgerichts Bremen wurde am Sonntag in der Deputationssitzung besprochen. Es gab keinen Beschluss zur Erhöhung der Mietobergrenzen in Bremen. Jeder, der einen Teil seiner Kosten der Unterkunft selbst tragen muss, sollte einen Widerspruch einlegen, für ältere Bescheide einen Antrag auf Überprüfung stellen und notfalls Klage erheben, für die aktuellen Kosten im Eilverfahren. Wie dies geht? Wir gehen mit!
Die Wohngeldtabelle nennt folgende Bruttokaltmieten: für eine Person 358 Euro, zwei Personen 435, drei 517, vier 600, fünf 688, sechs 771 Euro. Damit kann jeder seine Mietkürzungen überprüfen. Bei diesen Beträgen jeweils einen eventuellen Zuschlag aufgrund der aktuellen Mieten bei Neuanmietung berücksichtigen!
Das Bundessozialgericht hat ein Urteil zu den Tilgungsraten bei selbstgenutztem Wohneigentum gefällt (Aktenzeichen B 14/11b AS 67/06 R). Eine interessante Entscheidung! Wer Tilgungen leistet, sollte den Antrag auf Übernahme als Kosten der Unterkunft stellen, und zwar in voller Höhe, weil die „angemessene“ Miete ungeklärt ist. Zitat: „Der Grundsicherungsträger hat im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei einem Eigentümer von selbstgenutztem Wohneigentum von angemessener Größe die Kosten zu übernehmen, die er unter vergleichbaren Voraussetzungen für eine angemessene Mietwohnung tragen würde.“ Wie dies geht? Wir gehen mit!
3. Der Bremer Senat hat eine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ zum Thema „Wohnungszustände und soziale Lage in der Stadtgemeinde Bremen“ beantwortet. Diese Anfrage wurde am 15. Oktober 2008 gestellt und am 3. Februar 2009 vom Senat beantwortet. Die Mailinformation stammt vom Mittwoch, dem 4. Februar, 15:26 Uhr, also just dem Tag, als zur Frage der Mietobergrenzen eine Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht stattfand. Das Lesen lohnt sich.
So stellt der Senat in Antwort zu Frage 2 fest: „Aus Sicht des Senats ist eine Wohnung dann adäquat, wenn sie unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße ausreichend groß ist, besondere Anforderungen (zum Beispiel aufgrund des Alters oder einer Behinderung) berücksichtigt und den gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere der Landesbauordnung, siehe Antwort zu Frage 8) entspricht.“ Anmerkung: Die „angemessene Wohnungsgröße“ richtet sich nach dem Bremischen Wohnungsbauförderungsgesetz; in der Landesbauordnung stehen andere Vorschriften zur Beschaffenheit der Wohnungen.
In der Antwort zur Frage 6 heißt es: „Der Senat stellt für den Wohnungsmarkt der Stadtgemeinde Bremen in Bezug auf Haushalte mit geringem Einkommen eine ausreichende Angebots- und Nachfragerelation fest. Ein zusätzlicher Bedarf besteht bei preiswerten Kleinwohnungen, insbesondere für Alleinstehende.“ Anmerkung: Für eine Person beträgt die Untergrenze 44 Quadratmeter Wohnfläche! Bezeichnet der Senat dies als „Kleinwohnung“?
Die Antwort zur Frage 11 wird viele erstaunen, denn entsprechende Anträge werden meistens abgelehnt. Die Frage betreffs der akzeptierten Umzugsgründe lautet: „Werden in diesen Fällen Umzugskosten, Kosten für Einrichtungsgegenstände, Kaution, Deponat und sonstige Kosten übernommen? Wenn ja, in welcher Höhe?“ Die Antwort: „Bei einem Wechsel der Wohnung entstehen Kosten für die Wohnungsbeschaffung und den Umzug. Das sind alle Kosten, welche mit einem Wechsel der Wohnung verbunden sind. Über eine Übernahme solcher Kosten entscheiden das Amt für Soziale Dienste respektive die Bagis im Einzelfall. Ist ein Umzug erforderlich und sind die damit verbundenen Aufwendungen notwendig und der Höhe nach vertretbar, werden sie in der Regel bewilligt. Entsprechendes gilt für Kautionen oder Deponate.“
Anmerkung: Für Deponate werden Rückzahlungsvereinbarungen getroffen und monatlich die Regelleistungen gekürzt. Diese Verträge sind rechtswidrig! Das Deponat ist erst bei Beendigung der Hilfebedürftigkeit oder des Mietvertrages rückzahlbar. Gleiches gilt etwa für Genossenschaftsanteile als Voraussetzung für einen Mietvertrag. Die weitere Antwort zur Frage 11 verweist auf Seite 14 oben auf die Kurzform der „Verwaltungsanweisung Kosten der Unterkunft“ vom 1. September 2008, von der oben erwähnten vollständigen Version steht hier nichts. Die Verwaltungsanweisung für die Empfänger(innen) von Grundsicherung nach SGB XII wurde bisher nicht veröffentlicht. Es soll gemäß der Antwort aber eine geben, mit Stand vom 27. November 2008!
Bei Frage 12 geht es um die mehrstufige Einzelfallprüfung. Die Frage beinhaltet die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die Antwort des Senats lautet: „Die Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft setzt eine Einzelfallprüfung voraus. Das Amt für Soziale Dienste respektive die Bagis setzen diese Aufgabe entsprechend der Verwaltungsanweisungen zu den Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II respektive § 29 SGB XII um.“ Anmerkung: Diese Verwaltungsanweisungen stimmen nicht mit der Rechtslage überein, siehe oben.
Die Bewertung der in der Verwaltungsanweisung genannten Mietobergrenzen sieht der Senat in der weiteren Antwort zur Frage 12 wie folgt: „Zur Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten in der Stadtgemeinde Bremen stellen die von der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales festgelegten Mietobergrenzen Richtwerte dar, die der Verwaltung die Erfüllung des Gebots der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle erleichtern und die Fälle individueller Abwicklung begrenzen.“ Anmerkung: Damit ist jegliche Grundlage für eine Kürzung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft aufgrund dieser Verwaltungsanweisungen rechtswidrig, auch aus der Sicht des Senats. Aber genauso werden die Kürzungen vorgenommen, vom Amt für Soziale Dienste bereits zur Sozialhilfezeit und jetzt auch von der Bagis!
Auf Seite 16 steht am Schluss des oberen Absatzes, dass der Senat sich nicht für diese sozialen Härten verantwortlich fühlt: „Stellt sich im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit der anfallenden Kosten der Unterkunft heraus, dass keine der vielfältigen, im gesetzlich zugelassenen Rahmen anerkannten Möglichkeiten zum Zuge kommen kann, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft wegen Besonderheiten des Einzelfalles in voller Höhe zu übernehmen, können nur die Betreffenden selbst einen Weg zur Finanzierung eines offenen Kostenanteils suchen; andernfalls sind sie zur Kostensenkung verpflichtet. Soweit sich daraus soziale Härten ergeben, sind diese durch die gesetzlich vorgegebenen Grenzen bedingt. Der Senat trägt durch seine Regelungen nicht dazu bei, soziale Härten entstehen zu lassen.“
Anmerkung: Es steht nirgendwo, dass die Leistungsempfänger die Minderzahlung durch ihre Regelleistung ausgleichen müssen oder auch nur sollen! Der Senat ist verantwortlich für die Kürzungen der Kosten der Unterkunft und damit auch für die Unterschreitung des zur Verfügung stehenden Regelsatzes. Dieser ist die Mindestsicherung und darf nicht „angeknabbert“ werden, außer bei Sanktionen – dort steht eindeutig die Kürzung der Regelleistung. Bei den Kosten der Unterkunft steht dies nicht! Hier ist das Urteil des Verfassungsgerichts zu beachten.
Nochmals: „Der Senat trägt durch seine Regelungen nicht dazu bei, soziale Härten entstehen zu lassen.“ Anmerkung: Der Senat hat per Verwaltungsanweisungen bereits zu Sozialhilfezeiten die mehrstufige Einzelfallprüfung verhindert, und er hat seine Anweisungen an die Bagis, trotz der Bundessozialgerichtsurteile vom November 2006 nicht entsprechend angepasst! Das BSG hat aber nur die alten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts aufgegriffen. Der Senat hat die Gesetzesverstöße angeordnet und bis heute nichts zur Wiedergutmachung des auf senatorische Anordnung begangenen Unrechts getan, im Gegenteil: Es wird weiterhin die mehrstufige Einzelfallüberprüfung nicht vorgenommen und aufgrund der Mietobergrenzen der Verwaltungsanweisungen die Leistung teilweise verweigert! Dabei werden diese Grenzen starr und nicht als Richtwerte wie in der Antwort zu Frage 12 berücksichtigt!
Es wäre noch viel anzumerken. Am Dienstag, dem 17. Februar 2009, ist diese Antwort des Senats Gegenstand der Stadtbürgerschaft. Eine spannende Debatte! Die Verkündung des Urteils zu den Mietobergrenzen ist vom Oberverwaltungsgericht auf den Folgetag verschoben worden, um 12 Uhr, Am Wall 198, Sitzungssaal 4. Wer Interesse hat, kann gerne zuschauen! Die Fehler bei der „Ermittlung“ der Regelsätze hat derweil das Hessische Landessozialgericht mit entsprechenden Gutachten herausgearbeitet, siehe vorherige Bremer Montagsdemo. Es ist unfassbar! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft positiv gestalten!
Obwohl wir bei der 218. Montagsdemo in Bremen am 9. Februar 2009 um 17:30 Uhr mit nasskaltem Wetter zu kämpfen hatten, bleibt es doch länger hell, und wir bemerkten, dass mehr Menschen über den Marktplatz kamen und für kurze Gespräche offen waren. Unser Flugblatt wurde gut genommen. Um unseren Lautsprecher versammelten sich wieder mehr als 25 Teilnehmer.
Wichtiges Thema war das Gedenken an die Verteidiger der Bremer Räterepublik, das am 8. Februar um 11 Uhr auf dem Waller Friedhof unter relativ großer Beteiligung linker Organisationen und Parteien stattgefunden hatte. Bei Sonnenschein und flatternden roten Fahnen gab es dort Beiträge zur Einordnung der Ereignisse vor 90 Jahren in die Geschichte und die jetzigen Aufgaben. Dargestellt wurde die besondere Rolle kämpferischer Frauen in den Tagen der Räterepublik. Es gab auch einen Beitrag von einem linken Jugendlichen. Durch unser gemeinsames Auftreten – auch die Initiative Bremer Montagsdemo gehörte zu den Veranstaltern – setzten wir bewusst einen Gegenpol zur Veranstaltung von SPD und Gewerkschaften eine Woche zuvor, die mit dem ehemaligen Bürgermeister Koschnik einen typischen Vertreter der Richtung aufgeboten hatte, die in der Nachfolge von Ebert, Noske und Scheidemann Politik macht und heute die Hartz-Gesetze gutheißt. Nach unserer Gedenkveranstaltung gab es noch ein Kulturprogramm im nahegelegenen Kulturzentrum „Westend“ bei Kaffee und Kuchen. Hier kam dann auch der Beitrag unserer Initiative zu Gehör.
Auf der Montagsdemo wurde weiterhin auch von der Sitzung der Sozialdeputation berichtet, wo man an bestimmten Vorgängen und Entscheidungen nicht vorbeikommt, weil die Dienstanweisungen der Hartz-IV-Behörden gegen die Menschen nicht mehr haltbar sind. Am kommenden Montag wollen wir, die Initiative Bremer Montagsdemo, mit Wahlen und Forderungen die 6. bundesweite Delegiertenkonferenz der Montagsdemobewegung vorbereiten. Wir werden in geheimer Abstimmung Delegierte wählen und Kandidaten für die zentrale Koordinierungsgruppe benennen. Wir freuen uns auf rege Beteiligung und große Unterstützung!