216. Bremer Montagsdemo
am 26. 01. 2009  I◄◄  ►►I

 

Die Heuchelei vom Kampf
gegen die wachsende Kinderarmut

Elisabeth Graf1. Klammheimlich, still und leise soll ein ganz perfider Gesetzentwurf eingebracht werden, der den in Wohngemeinschaften Lebenden nicht mehr zugesteht, Wohngeld entsprechend ihrem tatsächlichen Anteil an der Miete zu bekommen. Es sieht so aus, dass die Bundesregierung einen weiteren Akt zur Verarmung und Vereinzelung der Bevölkerung durchziehen will. Es soll nur noch dann der Antrag auf Wohngeld in angemessener Höhe bewilligt werden, wenn niemand sonst in der Wohngemeinschaft lebt, dem wegen höheren Einkommens einfach das Bezahlen der Miete auferlegt werden könnte. Dann könnten Wohngemeinschaftsmitglieder nicht mehr die Miete zu gleichen Teilen unter sich aufteilen, wie das normalerweise praktiziert wird.

Es ist ja klar, dass durch solcherlei Praxis niemand mehr mit einer Person zusammenziehen will, die finanziell arm und damit wohngeldberechtigt ist, weil die anderen dann für sie potentiell überproportional Miete bezahlen müssten. Auf diese Weise wird die Zahl der Wohngemeinschaften drastisch abnehmen müssen, außer wenn sich nur Wohngeldberechtigte zusammenschließen würden. Aber offenkundig soll erreicht werden, dass wer Wohngeldanspruch hat, fast automatisch dazu verurteilt sein soll, allein in einer Ein-Zimmer-Wohnung vor sich hin vegetieren zu müssen. Ich weiß nicht, wie die Regierung diesen Gesetzentwurf begründet, denn wie kann es rechtens sein, dass andere Erwachsene neuerdings für Mitbewohner mitbezahlen sollen, für die sie gar nicht unterhaltungspflichtig sind?

Diese Praxis wird bereits bei Hartz-IV-Beziehern in meinen Augen völlig ungesetzlich betrieben. Geld wird mit dieser Vorgehensweise allerdings kaum gespart werden können, weil es viel mehr kostet, Ein-Personen-Haushalte zu finanzieren, als Wohngeld für Wohngemeinschaftsbezieher zu bezahlen. Da liegt die Annahme doch auf der Hand, dass finanziell arme Menschen vereinzelt und in Kleinstwohnungen separiert werden sollen, um sich nicht gegen die Verarmungspolitik der Bundesregierung auflehnen zu können! Bei Hartz IV ging es noch nie um Einsparungen, sondern immer um Unterdrückung, Angstmachen und dem Zwang zur Aufnahme von Niedrigstlohnarbeit. Es soll verhindert werden, dass Menschen sich zusammenschließen und sich wehren!

 

2. Es ist doch kaum zu glauben, dass viele chronisch kranke Hartz-IV-Bezieher allen Ernstes wählen müssen, ob sie Lebensmittel oder Medikamente kaufen, weil sie zu den Armen in unserer Gesellschaft gehören! Das ist eine bewusste Bankrotterklärung des ehemaligen Sozialstaates an neun Millionen Hartz-IV- und Sozialhilfe-Beziehern, Ein-Euro-Jobbern, Aufstockern und Niedriglöhnern, armen Rentnern, Kindern, Wohnungslosen und Migranten. Natürlich können Menschen, die bereits 82 Euro für verschreibungspflichtige Medikamente und andere Zuzahlungen bezahlt haben und finanziell arm sind, eine Befreiung erwirken. Für Menschen mit einer chronischen Erkrankung, die als solche anerkannt wurde, müssen nur 41 Euro bezahlt werden. Als chronisch krank gilt, wer über ein Jahr lang wegen derselben Krankheit in jedem Quartal den Arzt aufgesucht hat und das nachweisen kann. Mit diesem Wissen könnten sich einige vielleicht etwas Geld einsparen.

Aber es reicht sicherlich nicht für Diäten, die eingehalten werden müssen, für die vielen nicht verschreibungspflichtigen Medikamente, die manchmal über 100 Euro monatlich extra kosten. Es gibt immerhin 600.000 Menschen mit Allergien und Unverträglichkeiten, die auf nicht verschreibungspflichtige Medikamente angewiesen sind. Sie müssen sich tatsächlich zwischen Lebensmitteln und Medikamenten entscheiden! Der Öffentlichkeit wird hingegen vorgetäuscht, es würden alle Menschen in Deutschland medizinisch versorgt. Es soll eben verheimlicht werden, dass unsere Regierung finanziell Schwache, Kranke, eben Überflüssige, einfach wie Müll behandelt! Selbst wenn die arge Arge einen Mehrbedarf wegen einer Krankheit bewilligt, wird der tatsächliche Bedarf bei mehreren Krankheiten eben nicht addiert, sondern nur der eine Mehrbedarf bezahlt. So wird wieder ein Stückchen näher an das sozialverträgliche Ableben herangerückt!

 

3. Die Bundesregierung sieht trotz der Klagewelle von Hartz-IV-Beziehern keinen Grund, die umstrittenen Sozialgesetze nachzubessern. Angeblich sei es das „das gute Recht der Betroffenen, ihr Recht zu suchen“, sagte ein Ministeriumssprecher am Freitag in Berlin. Scheinbar ist das Ministerium bemüht, die Anwendung der Sozialgesetzgebung zu verbessern und die Entscheidungen der Gerichte in die Arbeit der Ämter einfließen zu lassen: „Nö, alles nicht so dramatisch!“ Im vergangenen Jahr gingen „lediglich“ 174.618 neue Verfahren bei den erstinstanzlichen Sozialgerichten ein, gut 38.000 mehr als 2007. Das entspricht einem Zuwachs um knapp 28 Prozent. Am häufigsten wird über Kosten der Unterkunft, die Anrechnung von Einkommen sowie die Rechtmäßigkeit von Sanktionen gegen Leistungsempfänger gestritten.

Diese impertinente Ignoranz, die nach außen hin gezeigt wird, die ist einfach nur erschreckend menschenverachtend! Von hinten durch die Brust ins Auge findet die Bundesregierung die Klageflut jedoch derart bedrohlich für ihre Verfolgungsbetreuung, dass sie den Klageweg erschweren will. Deutlicher lässt sich kaum zeigen, dass sie uns samt unseren Belangen nur noch als überflüssigen Unrat betrachtet, für den keine Gesetze nachgebessert werden müssen, weil wir ihnen eben nicht das Schwarze unter dem Fingernagel wert sind! Gleichzeitig sollen wir unserer Rechte beraubt werden, indem der Klageweg erschwert wird. Zum Beispiel muss der Gegenstand der Klage erst einen bestimmten Geldwert erreicht haben, bevor die Klage zulässig ist, oder aber sie kann nicht mehr kostenlos sein. In Deutschland sind natürlich nach wie vor alle vor dem Gesetz gleich – wenn sie sich denn ihr Recht kaufen können!

 

4. Das Unternehmen „Schulbusse Sonnenschein“ in Offenbach zahlt offensichtlich Hungerlöhne. Lachhafte 13,50 Euro verdiente ein Busfahrer nicht etwa in der Stunde, sondern gar für einen lieben langen Arbeitstag. Er sollte Behinderte von ihrem Wohnort zu ihren Werkstätten und wieder zurück fahren. Weil er täglich gut 5,5 Stunden unterwegs war, kam er auf einen Stundenlohn von schlappen 2,45 Euro. Andere Kollegen arbeiten sogar für einen noch geringeren Stundenlohn! Als der Busfahrer sich jedoch weigerte, dafür noch mehr zu arbeiten, wurde er wenige Wochen später fristlos entlassen. Das Unternehmen behauptete, der Busfahrer habe eine Krankheit vorgetäuscht.

Glücklicherweise wehrte sich der Busfahrer und zeigte, dass es sich lohnt, sich nicht alles gefallen zu lassen: Er erwirkte einen Vergleich, nach dem ihm ein Mindestlohn von 1.500 Euro monatlich zusteht. Dass Menschen aus Angst vor Arbeitslosigkeit und Verfolgungsbetreuung solche grottenschlechten und sittenwidrig bezahlten Jobs wie dieser Busfahrer annehmen, ist ein Paradebeispiel dafür, warum das menschenverachtende Hartz IV eingeführt wurde! Wir protestieren zu Recht gegen solche niedrigen Wucherlöhne, aber es schreit niemand auf, wenn Tagesmütter zu ähnlichen Stundenlöhnen arbeiten. Das ist dann wohl normal, ist ja typische Frauenarbeit, und die wird halt nicht wertgeschätzt!

 

5. Am 27. Januar 2009 wird beim Bundessozialgericht der Kinderregelsatz verhandelt. Ein Bochumer Hartz-IV-Anwalt beklagt, dass die Regelleistungen für Kin­der hinten und vorne nicht ausreichen, gesundheitliche und körperliche Unversehrtheit damit nicht zu gewährleisten ist. Er bemängelt, dass die Benachteiligung durch die Herkunft festgeschrieben ist, was die Entfaltung der Persönlichkeit enorm behindert. Durch die willkürliche Festlegung des Kinderregelsatzes auf 60 beziehungsweise 80 Prozent des Erwachsenenregelsatzes wird den tatsächlichen Bedürfnissen von Kindern wie dem wachstumsbedingten Bedarf an Kleidung und Ernährung in keiner Weise Rechnung getragen. Auch lassen sich 13-Jährige nicht auf eine Stufe mit Säuglingen setzen.

Ich bin schon sehr gespannt, wie das BSG es abzubügeln versuchen wird, dass das Grundgesetz durch unrealistisch zu niedrige Kinderregelsätze verletzt wird. Leider kann ich nicht darauf vertrauen, dass die Kinderregelsätze angemessen erhöht werden, weil ja das Lohnabstandsgebot auf Biegen und Brechen eingehalten werden „muss“. Oder warum sonst lesen wir alle paar Tage einen neuen Bericht über die steigende Kinderarmut – und die verlogene Politikerkaste unternimmt nichts wirklich Veränderndes dagegen?

 

6. Sollen Kinder vielleicht neuerdings durch finanzielle Kürzungen gefördert werden, oder warum wurden mit der Einführung von Hartz IV die Leistungen von 1,5 Millionen Schulkindern gekürzt? Anfang 2008 bildete sich ein „Bündnis gegen Kinderarmut durch Hartz IV“. Es setzt sich dafür ein, dass die Kürzungen der Regelsätze für Kinder ab dem Schulalter sofort rückgängig gemacht werden. Weil die „staatlichen“ Medien darüber nicht berichteten, ist dieser Umstand den meisten Menschen gar nicht bekannt. Vermutlich geschieht das exakt im Interesse der Bundesregierung, die diese Kürzungen ja nicht freiwillig zurücknehmen will.

Da die Regelsätze von Kindern Prozentsätze des sogenannten Eckregelsatzes für Alleinstehende sind, wurden sie mit der Einführung von Hartz IV scheinbar erhöht, der Eckregelsatz von 297 Euro im Jahr 2004 auf 345 Euro ab 2005. Wenn dieser nach denselben Kriterien bemessen worden wäre wie bei der Einführung des sogenannten Statistik-Modells im Jahre 1990, hätte er 398 statt 345 Euro betragen müssen! So wurde der Eckregelsatz von 2005 „unsichtbar“ in erheblichem Umfang meisterlich gekürzt, indem einfach einige regelsatzrelevante Ausgaben nicht mehr wie vorher zu 100 Prozent anerkannt wurden, sondern zum Beispiel das Telefon nur noch zu 60, Ausgaben für Freizeit, Unterhaltung, Kultur zu 70 Prozent.

Ganz niederträchtig trat Hartz IV mit einem um rund 13,5 Prozent gekürzten Eckregelsatz ins Leben, der als Erhöhung erschien und auch kräftig so verkauft wurde. 1,5 Millionen Kindern zwischen sieben und 17 Jahren wurde mit Einführung von Hartz IV abgesprochen, dass sie höhere Aufwendungen haben, weil sie wachsen. Da ein 13-jähriges Kind im Durchschnitt etwa zehnmal so viel wiegt wie ein Säugling und mehr als dreimal so groß ist, braucht es eben auch mehr zu essen als ein Säugling. Das streiten die Hartz-IV-Parteien ab. Auch wenn Eltern die Richtlinien für gesunde Ernährung kennen und einhalten, würden sie eine solche spätestens für Kinder ab dem Schulalter nicht mehr bereitstellen können.

Es ist also schlicht gelogen, dass der „Sozialstaat“ Schulkindern mit Hartz IV eine ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährung ermögliche, die Eltern aber unfähig seien, dieses großherzige Angebot für ihre Kinder zu nutzen! Wenn ein Familienvater mit seinem monatlichen Nettogehalt aus der Gastronomie plus Kindergeld auf 1.593 Euro kommt und als erwerbsloser Hartz-IV-Bezieher auf 1.592 Euro käme, dann sind nicht etwa die Transferleistungen zu hoch, sondern die Gehälter in dieser Branche unanständig zu niedrig! Wenn die Bundesregierung die wirklichen Gründe offen zugäbe, warum sie die Sätze so niedrig hält, dann müsste sie sagen: „Wir erkennen den Wachstumsbedarf bei Kindern im Schulalter deswegen nicht an, weil wir ihre Eltern dazu zwingen, äh motivieren wollen, auch für Hungerlöhne zu arbeiten!“

Klar, das käme gar nicht gut an; es widerspräche der Hetze über die Arbeitsunlust der ach so faulen Erwerbslosen. Wie gesagt, das Lohnabstandsgebot muss ja gewahrt werden, koste es, was es wolle! Die Bundesregierung kann auf diese Weise 350 Millionen Euro pro Jahr an Kosten für die Kinder von Hartz-IV-Eltern einsparen und lieber den „notleidenden Banken“ die Hand unter den Allerwertesten halten! Alles Gesülze vom Kampf gegen die wachsende Kinderarmut ist also eine gigantische Heuchelei!

 

7. Letzte Woche Mittwoch hörte ich mir beim „Offenen Plenum“ der Linkspartei einen Vortrag des von mir geschätzten Bremer Wirtschaftsprofessors Wolfram Elsner mit dem Titel: „Die fundamentale Krise der neoliberalen Gesellschaftsutopie und die Schocktherapie der Herrschenden“ an. Demnach befinden wir uns momentan in einer systemischen Krise, die nicht mehr nur aus einer Immobilienkrise besteht, sondern in einer Krise der Beschäftigung, der Arbeit, der Ressourcen, sogar der Landwirtschaft: Äcker werden umkämpft von Autofahrern und den Hungernden dieser Welt. Wir befinden uns in einer sozialen, einer politischen Krise mit fallender Wahlbeteiligung, in einer moralischen Krise, wo eingeheimst und korrumpiert wird, wo sich Mafiastrukturen durchsetzen, bei zweistelligen Millionengehältern durch 400-prozentige „Lohnerhöhung“. Der Neoliberalismus ist als Gesellschaftsutopie nicht realisierbar. Wir müssen wieder zu einem Kapitalismus zurückkehren, in dem es sich halbwegs leben lässt.

Naomi Klein beschrieb in einem Buch die „Schockdoktrin“ als Kern des Neoliberalismus, die nach einer anderen Logik verfährt. Der Neoliberalismus löst mit seiner politischen Schockstrategie keine Probleme, sondern verschärft sie noch. Das bedeutet Geld- statt Warenproduktion, keine Marktwirtschaft, keine Haftung für Produkte, sondern bloße Klientelbedienung, also für die Superreichen. Ihre Instrumente sind weitere Umverteilung von unten nach oben, die weitere Spaltung und Verarmung der Gesellschaft, das Schüren von Angst. Die Leute sollen 24 Stunden am Tag Angst haben, nur an ihr tägliches Überleben denken müssen. Das Konjunkturpaket II entstand nicht aus der Unfähigkeit von Bundeskanzlerin Merkel, sondern ist bewusste Strategie. Der Druck soll von den Ärmsten nicht fortgenommen werden.

Nach 30 Jahren Sprüchen, dass kein Geld da sei, sehen wir, wie mal eben mit den Banken Verhandlungen über fast 600 Milliarden Euro geführt werden! Aber für Hartz-IV-Kinder sollen keine zehn Millionen Euro da sein? Frei nach dem Motto „Krise als Chance, oder: Alles schrumpft sich gesund“? Die Leute können auf jede Schweinerei vorbereitet werden. FDP: „Wir bedienen uns über.“ Banker: „Kaufen, wenn das Blut auf der Straße liegt.“ Warum profitiert „Die Linke“ nicht wirklich von dieser Krise? Im Moment fördern die Medien alles, was der SPD schadet. Ex-Kanzler Schröder wollte Veränderungen in Deutschland durchsetzen, obwohl die SPD damit als Partei für Soziales geopfert werden musste. Trotz mehr Erkenntnis herrscht mehr Angst vor. Die Leute werden im Schockzustand gehalten, es wird ein Krieg nach innen geführt. Der Neoliberalismus bedeutet sozialen Mord, Nationalismus nach innen, Aggressivität nach innen und außen. Die Banker bekamen 480 Milliarden für die Sanierung der Banken, und trotzdem funktionieren die Banken nicht. Es gibt keine demokratische Kontrolle, aber ohne Demokratie ist keine Transparenz herzustellen. So werden die realen Ausfälle hoch sein, und die Steuerzahler sollen dafür geradestehen.

Wie wurde die Finanzblase eigentlich möglich? Durch Zwangsarbeit, Zwangsverarmung? 25 Prozent von 20 Milliarden Euro wurden der Bevölkerung einfach weggenommen, was zu einer Armut im Alter von gigantischem Ausmaß führen wird. In den letzten acht, neun Jahren ist die Lohnquote von 70 auf 63 Prozent abgestürzt, wohingegen das Geldvermögen explodierte. Rentable Anlagemöglichkeiten existieren für die Industrie nicht mehr. Jetzt kaufen Hedgefons profitable Unternehmen auf, filetieren sie, veräußern sie gewinnbringend weiter. Doch durch das Konjunkturpaket II bekommen Menschen mit einem Jahresgehalt von unter 13.000 Euro ganze sieben Euro monatlich mehr. Je mehr Einkommen vorhanden ist, desto größer wird ihre Steuerersparnis ausfallen. Die stärkste Progression findet bei den kleinen Einkommen statt. Deutschland hat sich zu einer Steueroase für Reiche entwickelt, zum stärksten lohnsteuerfinanziertem Staat in der OECD. Die niedrigsten Gehälter werden am meisten belastet.

Wenn wir einen gesetzeskonformen Steuervollzug hätten, wären im Jahr 15 Milliarden Euro an Steuergeldern mehr vorhanden. In Frankfurt haben 70 Steuerfahnder über fünf Jahre hinweg eine Milliarde Steuern eingetrieben. 70 Fahnder wurden mit Mobbing von oben bedroht, mit dem Amtspsychiater ausgeschaltet, weil sie dem kriminellen Treiben der herrschenden Oligarchie (der gesetzlosen Herrschaft der Reichen, die nur an ihrem Eigennutz interessiert sind), die die aufstrebende Plutokratie (die Herrschaft der durch Vermögen legitimierten Reichen) bedienen soll, im Wege standen. 2009 ist ein entscheidendes Jahr, in dem sich klären wird, ob es einen Wirtschaftskrieg gibt. Wolfram Elsner schloss mit der Frage, wo wir stehen, wenn der Neoliberalismus gewillt ist, zu bleiben und die Schockdoktrin zu „fahren“ und noch zu verschärfen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend)
 
Bei Nichtbewerbung Sanktion: Hartz-IV-Empfänger
sollen als Spitzel arbeiten („Bild“-Zeitung)

 

Europaweit Demos und Streiks

Manche hat die umgehende Grippe auch trotz Impfung ins Bett verschlagen. Aber wie viele Menschen müssen das ohne jeden Schutz abwettern! Im südlichen Afrika zum Beispiel greift die Cholera-Epidemie immer weiter um sich, weil die Menschen kein sauberes Wasser haben. Wasser soll zur Handelsware werden. Wer nichts kaufen kann, dem wird nichts gegeben. Wer nichts hat, kann auch die Schläge der Weltwirtschaftskrise nicht abwehren. Der frisch vereidigte Obama hat für die USA ein 819-Milliarden-Konjunkturpaket geschnürt. Mal sehen, was es und wem es etwas bringt!

Jobst RoseliusAber in vielen Ländern sieht es anders aus. Da ist die politische Krise weit fortgeschritten: In Island, wo der Staat zuerst bankrott wurde, haben die Demonstrationen, die größten seit 1949, so zugenommen, bis zu täglichen Aktionen, dass die Regierung jetzt abtreten muss und es Neuwahlen gibt. In Belgien musste schon im letzten Jahr die Regierung ausgewechselt werden. Nach der Jugend sind es in Griechenland jetzt die Bauern, die sich gegen die Regierungs- und EU-Politik wehren. Nicht anders in Lettland: Dort demonstrieren Zehntausende in Riga und anderen Städten gegen den Ausverkauf der Interessen und der Zukunft der Jugend. Gegen die Wut der Jugendlichen setzt die Regierung auf harte Polizeimethoden.

In Frankreich wurde für den 29. Januar 2009 mal wieder zu einem Ge­neralstreik aufgerufen. In Deutschland herrscht noch eine Abwartehaltung, dank der lähmenden Politik der Großen Koalition. Aber es wird überall diskutiert, was man machen kann und womit man sich auseinandersetzen muss. In verschiedenen Bereichen des öffentlichen Dienstes hat die Tarifrunde begonnen. Dank der spekulativen Preissteigerungen müssen wir allen Kollegen, die um den Erhalt ihrer Lebensgrundlage und um höhere Löhne kämpfen, den Rücken stärken!

Immer mehr Firmen und Betriebe gehen in Konkurs, ob es die Schichau-Seebeck-Werft in Bremerhaven ist oder der Chiphersteller Qimonda in München und Dresden. Es ist ein Run auf die Kurzarbeitergelder entstanden. Die großen Konzerne versuchen dabei, für sich noch etwas zusätzlich abzusahnen, auf Kosten der Allgemeinheit. Und wenn diese Mittel verbraucht sind, dann geht es mit dem Kürzen erst richtig los.

„Wettbewerb im Kapitalismus“ wurde leider nicht zum „Unwort des Jahres“ gekürt, obwohl es eines der verlogensten und negativen Stichworte ist. Ein Beispiel ist die Förderung der Gigaliner: 60 Tonnen Last, 25 Meter lang. Diese LKWs sollen Ladung zurück von der Schiene auf die Straße bringen. Kaputte Straßen, verpestete Luft und zunehmende Unfälle, aber der „Wettbewerb“ kann siegen: So will es die EU. „Wettbewerb“ in allen möglichen und unmöglichen Feldern, auch das will die EU mit ihren „Lissabonner Ideen“.

Alles soll käuflich werden, die reaktionärsten Ideen oder die widerlichsten Süchte. Neben der Existenz unendlich vieler Armer hat man nun statistisch nachgewiesen, dass elf Millionen Menschen in Deutschland massiv süchtig sind, nach Alkohol, Tabak, Drogen und Glücksspiel. Auch das gehört nach der Logik des Systems zum Wettbewerb und zu den Profitfeldern für Abzocker und kriminelle Kapitalistenvertreter.

Ich sage nein dazu! Helft lieber mit, den Wettbewerb für eine ganz andere Welt zu organisieren, so wie wir sie uns vorstellen, wo die egoistischen und kriminellen Zocker und Betrüger keine Chance mehr haben, ihre Macht und ihre Perversität über die Menschheit auszugießen!

Jobst Roselius
 
Mittelstand geht leer aus: Regierung plant 100-Milliarden-Rettungsfonds
für „notleidende Konzerne“ („Spiegel-Online“)
 
Ein Prozent der Bevölkerung besitzt ein Viertel des Vermögens: Aber zahlt es auch ein Viertel der Steuern? („Spiegel-Online“)

 

„Holterdipolter, wir wollen Folter!“

Wieland von HodenbergZum alljährlichen Neujahrsempfang der Bundeswehr hatten diesmal der Befehlshaber des Wehrbereichs I „Küste“, Konteradmiral Jens-Volker Kronisch, und der Wehrbereichspräsident Peter Alexander Sauer eingeladen. Uneingeladen versammelten wir uns vor dem Rathaus mit etwa 40 Menschen zu einer großen Mahnwache. Dazu hatten das „Bremer Friedensforum“ und die DFG/VK-Gruppe Bremen aufgerufen. Unser Protest richtete sich logischerweise gegen die zunehmende Anzahl und Intensität der Bundeswehr-Auslandseinsätze.“

Der Kälte wacker trotzend, skandierte eine kleine Theatergruppe viele ironische Sprechchöre. „Holterdipolter, wir wollen Folter“ oder „Jede Bombe und jedes Gewehr macht die Welt viel sicherehr“ – so schallte es den ankommenden Gästen immer wieder entgegen.

Unser Protest galt auch Bürgermeister Jens Böhrnsen, der – wie schon seine Vorgänger – jedes Jahr ranghohen Bundeswehroffizieren zusammen mit Vertretern des öffentlichen Lebens das Rathaus für diese Zweckentfremdung zu Füßen legt. In seiner devoten Begrüßungsrede verharmloste Böhrnsen die Bundeswehr als wiederaufbauende Friedensengel und Beschützer der Handelswege, die sich jetzt „in der Mitte Bremens“ und „im Zentrum der Gesellschaft“ befänden. Schöner lässt sich die von ihm mitbetriebene allgemeine Militarisierung wirklich nicht ausdrücken!

Wir vom „Friedensforum“ sind absolut enttäuscht davon, dass Böhrnsen als langjähriges Mitglied der europäischen Bürgermeister-Initiative „Mayors for Peace“ („Bürgermeister für den Frieden“) diesem Anspruch so gar nicht gerecht wird. Er ist bis jetzt wohl eher ein „Kriegsförderungs-Bürgermeister“, weil er weiterhin eifrig die Bundeswehr hofiert und militaristische Traditionen wie das Taufen von Korvetten und Fregatten vollzieht – oder von seiner Stellvertreterin Karoline Linnert vollziehen lässt!

Wir erneuern hiermit unsere dringende Forderung an Herrn Böhrnsen, seine Position zu den Bundeswehrempfängen und zur Bremer Rüstungsproduktion endlich aufzugeben und sich für eine wirkliche Friedenspolitik zum Wohle der Bremer Bevölkerung einzusetzen. Ich denke, dass ich dies auch im Sinne der Montagsdemo sagen kann!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)
 
Hamas verhandelt nicht mit Israel: „Wir können nicht Leuten die Hand schütteln, die unsere Frauen und Kinder ermorden(„Spiegel-Online“)
 
„Besonders Berlin, Köln und Bremen“: „Wir werden eine Armee
senden mitten in eure Stadt(„Berlin-Online“)

 

Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Politikkrise?

Hans-Dieter Binder1. Die Neuverschuldung wird wohl über 50 Milliarden Euro betragen. Das folgt aus dem Haushaltsansatz des Bundes. Hinzu kommen die Schulden in den Sondervermögen und die Risiken der Bürgschaften. Das Finanzministerium sieht heute die Zahl von bis zu einer Billion „faulen“ Wertpapieren als „ungesichert“ an, siehe siehe 215. Bremer Montagsdemo. Warum diese Distanzierung? Es hagelte Proteste gegen die beschlossenen und geplanten Programme der Bundesregierung, denn bei einem Volumen von einer Billion Euro für „faule“ Wertpapiere sind die gefällten Entscheidungen der Bundesregierung überwiegend falsch!

Jetzt haben sich die Versicherungskonzerne gemeldet, so der „Weser-Kurier“ vom 24. Januar 2009. Sie sehen in dem Rettungsschirm und in den Stützungsaktionen für die Banken eine Benachteiligung und Wettbewerbsverzerrung: Die Versicherungen sitzen auf Massen von Hybridanleihen, die kaum noch etwas wert sind. Kursverluste für Versicherungsaktien wurden am Freitag sichtbar. Wie viel selbst gewolltes Risiko soll dabei auf den Steuerzahler abgewälzt werden? Die Deutsche Bank hat sich im Mai 2008 mit Hybridanleihen eine Milliarde Euro neues Kapital besorgt, Verzinsung acht Prozent. Die ersten Experten sehen einen Rechtsanspruch der Versicherungskonzerne auf eben diese staatliche Unterstützung. Bei der Altersvorsorge stehen Banken und Versicherungen in direktem Wettbewerb. Die Bundesregierung wird auch hier einspringen. Damit ist die eine Billion Euro als Risikofaktor endgültig überschritten.

Die Bundesregierung erwägt die Verlängerung der Staatsbürgschaften von drei auf fünf Jahre. Damit wäre der Abschreibungsdruck für die „faulen“ Wertpapiere geringer. Die Risiken könnten weiterhin versteckt werden, dank geänderter Bilanzierungsvorschriften. Nur die Normalisierung des Geldhandels der Banken untereinander bleibt dann für weitere Jahre ein Wunschdenken. Die „Bad Bank“ zulasten der Steuerzahler ist immer noch in den Überlegungen der Bundesregierung präsent. Diese „Bad Bank“ wäre jetzt kaum auf die „faulen“ Wertpapiere der Banken zu begrenzen. Das Volumen von über einer Billion Euro sprengt jegliche Vorstellungskraft. Das dürfen wir uns und unseren Enkelkindern nicht antun!

 

2. Je länger der Schirm aufgespannt ist und je mehr „Wohltaten“ zugesagt werden, umso sichtbarer werden die Webfehler. Die HSK hat als erste Bank angekündigt, 70 Millionen Euro Dividende an stille Gesellschafter auszuzahlen, siehe 215. Bremer Montagsdemo – trotz über einer Milliarde Euro Jahresverlust, trotz bereits erhaltener 30 Milliarden aus dem Rettungsfonds des Bundes. Herr Steinmeier will jetzt den freiwilligen Verzicht der Aktiengesellschaften auf Dividendenzahlungen. Dass dieser Verzicht freiwillig sein soll, bestätigt die Webfehler dieser Aktionen. Dass nicht einmal alle Unternehmensformen angesprochen wurden, zeigt Unwissenheit dieses Kandidaten.

Bei diesem Volumen von über einer Billion Euro bleibt nur die Verstaatlichung aller dieser Steuergeld nehmenden Unternehmungen! Insofern sind die Vereinbarungen des Rettungsschirmes und der anderen Bürgschafts- oder Unterstützungsaktionen nachzubessern, mit jedem einzelnen Unternehmen. Die Gelegenheiten zur Vertragsänderung kommen zwangsläufig. Sie müssen genutzt werden!

Ein weiteres Indiz für Webfehler sind die ungeplanten Personalwechsel an der Spitze des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, alle aus persönlichen Gründen! Richtige Personalauswahl sieht anders aus, eine vernünftige Arbeitsmöglichkeit auch. Vom „Dreigestirn“ ist einer übriggeblieben!

Die Deutsche Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht haben in der Einschätzung der Krise Fehler begangen. Beide sollen umstrukturiert und miteinander verschmolzen werden. So werden Fehlleistungen vertuscht! Aufklärung der Sachverhalte und Verantwortlichkeiten wäre jetzt angesagt!

 

3. Die „Uni-Profi-Rente“ ist ein Produkt für Riester-Fondsparpläne (gewesen?). Sie hat die Aktienbestände jetzt umgeschichtet in Anleihen. Damit profitieren die Sparen nicht mehr von einem eventuell wieder steigenden Aktienkurs, so der „Weser-Kurier“ vom 22. Januar 2008. Von einer Vertragskündigung rät Arno Gottschalk von der „Bremer Verbraucherzentrale“ ab. Für das eingezahlte Geld bleibt nur ein Trost: Die garantierte Rückzahlung der eingezahlten Beträge am Ablauftag der Anlage. Für künftige Beiträge kann ein Wechsel erwogen werden. Aus meiner Sicht sollte der Sparer sich fragen, ob ein Riester-Vertrag wirklich richtig ist. Nochmals die vielen Unwägbarkeiten prüfen!

Die Investmentgesellschaft hat mit der Umschichtung zweifelsohne auf weiter fallende Aktienkurse gesetzt. Die Vorzüge der gesetzlichen Rentenversicherung werden von keinem Unternehmen, das eine private Rentenversicherung anbietet, erreicht! Daher sollte die Bundesregierung die gesetzliche Rentenversicherung für diese Zusatzversicherungen öffnen. Der Vertragsbruch dieser Vereinbarungen im Lisabonner Vertrag wäre zu negieren. Dies wäre die richtige Antwort für eine krisenbeständige Altersvorsorge. Die Rentenversicherung kann das zusätzliche Geld jetzt gut gebrauchen. Wie nachstehend für die Krankenkassen geschildert, ist auch die Rentenversicherung von Beitragsausfällen durch diese Krise bedroht: Beim ALG-II-Bezug werden die Rentenversicherungsbeiträge aus einem fiktiven Bruttoarbeitslohn von 205 Euro monatlich gezahlt. Die Schwankungsreserve könnte die Rentenversicherung zur kurzfristigen Finanzierung an die Bundesregierung verleihen. Die Fremdfinanzierung des Bundes würde sinken, und es wäre Geld aus dem Kasino genommen.

 

4. Die Krankenkassen werden über die Zusatzbelastung Gesundheitsfonds hinaus belastet. Die Beiträge für Kurzarbeiter sind entsprechend dem Lohnverlust der Arbeitnehmer niedriger. Bei Erwerbslosigkeit fallen die Beitragszahlungen noch niedriger aus. (Die Bestimmungen für die Beitragsermittlung für ALG-II-Betroffene sind rekordverdächtig umständlich! Danach ist für jede(n) nur der verminderte Krankenkassenbeitrag zu zahlen (ab Punkt 1.2). Schon lange ist der Beitrag zur Krankenversicherung bei ALG-II-Bezug nicht kostendeckend.

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesundheitsfonds auch die Möglichkeit der Insolvenz von Krankenkassen geschaffen. Um dies zu verhindern, können Krankenkassen mit Beitragsausfällen aufgrund der Wirtschaftskrise für diese Ausfälle ein zinsloses Darlehn erhalten, so der „Weser-Kurier“ vom 24. Januar 2009. Ausfälle wird jede Krankenkasse aus den vorstehend genannten Gründen haben. Die Beitragssenkung zum 1. Juli 2009 von 15,5 auf 14,9 Prozent (für ALG-II-Betroffene wird nur der verminderte Beitrag gezahlt) wird wahrscheinlich auch zu den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zählen – wobei die Erhöhung des Steuerzuschusses von drei Milliarden Euro für 2009 und sechs Milliarden für 2010 gegenzurechnen ist.

Die Krankenkassen erheben teilweise bereits jetzt einen Sonderbeitrag von den Versicherten. Die Arge verlangt in solchen Fällen von den Betroffenen, ihr Sonderkündigungsrecht auszuüben und in eine Krankenkasse ohne Zusatzbeitrag zu wechseln. Dies ist in der neuen Handlungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit nicht vorgesehen. Auch bisher gab es Krankenkassen mit unterschiedlichen Beitragssätzen. Eine Aufforderung der Arge zum Wechsel in eine Kasse mit niedrigeren Sätzen war unzulässig.

Wer mit seiner bisherigen Krankenkasse zufrieden ist und zu einem Kassenwechsel durch die Arge aufgefordert wird, sollte sich dies schriftlich geben lassen. Einen entsprechenden Bescheid kann der Sachbearbeiter „aus dem Stand“ ausfertigen. Dagegen sind dann Rechtsmittel möglich. Argumente für den Widerspruch liefert die bisherige Krankenkasse. Es kann zum Beispiel die Teilnahme an einen längerfristigen Programm dieser Kasse sein. Im Idealfall gibt es solche Gründe, und die Krankenkasse unterstützt den Verbleib des Mitglieds durch Freistellung von den Risiken eines Klageverfahrens. Es geht dabei nicht um Verfahrenskosten, weil Verfahren vor den Sozialgericht kostenlos sind, sondern um die Beitragsdifferenz, die eventuell von der Arge nicht übernommen beziehungsweise zurückgefordert wird. Wenn die Krankenkasse keine Unterstützung anbietet, sollte der Mensch sich eine günstigere Kasse wählen.

Manche Krankenkassen gehen sehr ruppig mit den Rückkehrern um: Es wird Beitrag rückwirkend eingefordert, obwohl keine Leistungsansprüche gestellt wurden. Es ist ratsam, dagegen Widerspruch einzulegen und notfalls Klage vor dem Sozialgericht zu erheben. Für die privat Krankenversicherten besteht die Versicherungspflicht erst ab 1. Januar 2009, daher ist auch in der gesetzlichen Krankenversicherung keine rückwirkende Beitragszahlung ab 1. April 2008 durchsetzbar, siehe 215. Bremer Montagsdemo. Wie dies geht? Wir gehen mit!

 

5. Der „Weser-Kurier“ vom 19. Januar 2009 zeigt die Spaltung der Gesellschaft sehr deutlich. Nein, das Blatt hat dies nicht in einem Artikel herausgestellt, sondern zwei Artikel übereinander zeigen diesen Kontrast. Erstens: „Schulbücher – unbezahlbarer Luxus?“ Es gibt 48 Euro pauschal pro Schüler. Zweitens: „Keine Spur von Finanzkrise beim 180. Stiftungsfest der Eiswette„. Der Spendenrekord beläuft sich auf 302.000 Euro. Nichts gegen die „Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger“, das Geld gönne ich ihr. Allerdings kann nur gut ausgebildeter Nachwuchs unseren Wohlstand sichern, und dazu sind vernünftige Schulbücher unverzichtbar!

Steueroasen sollen trockengelegt werden“, heißt es dazu mal wieder. Das ist lobenswert, doch Herr Steinbrück sieht die Balken im eigenen Auge nicht! Der Prozess gegen Herrn Zumwinkel ist für den Fiskus durch das Geständnis noch mit einer Einnahme verbunden. Ins Gefängnis kommt Herr Zumwinkel nicht, auch wird nur ein Teil seiner Taten geahndet. Fünf Jahre beträgt die Verjährungsfrist. Die Staatsanwältin, die Herrn Zumwinkel verhaftet hat, ist gegangen. Wurde wieder eine erfolgreiche Ermittlerin vorsätzlich kaltgestellt – wie der Sekt, um dies zu feiern? Besonders beachtenswert finde ich die verbreiteten Gerüchte um die Tochter. Gleichzeitig werden mit dem Einbruch Öffentlichkeit und Medieninteresse hergestellt und mit der Zahlungseinstellung an die Privatuni die eventuelle Solidarität in Witten gebrochen.

Anderen Steuerfahndern ergeht es ähnlich. Ich habe vor langer Zeit darauf hingewiesen, dass die Deutsche Bank noch nie eine Großbetriebsprüfung hatte. Kein Prüfer hat das Thema angefasst – oder wurde „beseitigt“? Kein Privatunternehmen könnte sich eine solche Handlungsweise leisten. Wenn es nicht im Stern stünde, würde uns dies keiner glauben! Anlässlich des Zumwinkel-Prozesses wurde ein Bericht über die Grenzkontrollen zur Schweiz gebracht. Es ging um die Auffindung von unangemeldetem Bargeld. Auf die Niederschlagung der Fahndungserfolge der Zöllner in der Vergangenheit wurde nicht hingewiesen. Zu diesem Thema und weiteren steuerlichen Ungereimtheiten siehe 170. Bremer Montagsdemo.

Die Betriebsprüfer und Steuerfahnder in Bremen haben es auch schriftlich bekommen, dass sie etwas Wesentliches übersehen haben. Bremer haben am meisten freiwillige Steuern aufgrund der Steueramnestie gezahlt und sich damit freigekauft. Der zuständige Abteilungsleiter der Betriebsprüfung und Steuerfahndung ist inzwischen Chef der „Schlapphüte“ in Bremen. Die Umsatzsteuer ist insbesondere durch die Besonderheiten im deutschen Recht ein Milliardengrab, siehe 80. Bremer Montagsdemo. Der Gesetzgeber könnte diese Betrugsmöglichkeiten einfach verhindern, doch tut es nicht! Die Mitarbeiter(innen) in den Umsatzsteuerabteilungen der Finanzämter müssen dies aushalten. Schade um das viele Geld – über eine Milliarde Euro pro Jahr! Insgesamt ist festzustellen: Eine Steuergerechtigkeit ist nicht vorhanden. Die Finanzämter sind nicht in der Lage, die Umsetzung der geltenden Steuervorschriften zu gewährleisten.

 

6.Attac“ hat einen Wunschtermin der Gewerkschaften aufgegriffen und international umgesetzt. Im Rundbrief vom 16. Januar 2009 heißt es: „Beim Vorbereiten unserer Neujahrsaktion in Berlin war niemand darauf gefasst, dass es kurz vor Jahresende im Nahen Osten Krieg geben würde. Seitens ‚Attac‘ läuft die Mobilisierung für einen intelligenten Umbau unseres Wirtschaftssystems nach der offensichtlichen Pleite des Finanzmarktkapitalismus mit Hochdruck an. So ruft ‚Attac‘ zur Demonstration am 28. März 2009 in Berlin und Frankfurt auf und wird bis dahin mit Aktionen und politischen Gegenstimmen weiter von sich reden machen.“ (Eine Veranstaltung von „Attac“ zur Gewässerprivatisierung beginnt am Dienstag dieser Woche um 19 Uhr im DGB-Haus.)

Die Gewerkschaften haben für den 16. Mai 2009 eine Demonstration in Berlin geplant, im Anschluss an einen Kongress. So wird Herr Sommer im „Weser-Kurier“ vom 23. Januar 2009 zitiert. Warum die Gewerkschaften nicht auch zum 28. März 2009 aufrufen, erläutert Frank Bsirkse in einem Brief an die Landes- und Bezirksleitungen. Demnach hält der Verdi-Bundesvorstand es „nicht für realistisch, binnen eineinhalb Monaten zweimal zu zentralen Demonstrationen in Berlin zu mobilisieren“, sondern wolle „stattdessen alle Kraft auf die gewerkschaftliche Demonstration im Mai konzentrieren.“ Die Mobilisierung hierzu könne gut mit der zentralen Kampagne „Stimmen für den Mindestlohn“ verbinden werden. Der Aufruf von Herrn Sommer wird allerdings den Ankündigungen von Herrn Bsirske in keiner Weise gerecht.

Die bundesweite Montagsdemo wird im September 2009 in Berlin demonstrieren. Das Delegiertentreffen ist am 28. Februar in Kassel. Auf der Bremer Montagsdemo werden die Delegierten am 16. Februar 2009 gewählt. Kommt bitte recht zahlreich zu diesem Termin! In den folgenden Nachbesprechungen werden wir die Fragen dazu erörtern. Auch hier ist zahlreiche Teilnahme hilfreich für eine lebendige Diskussion. Ich persönlich habe nichts gegen drei Großdemonstrationen in Berlin: Im Superwahljahr geht einfach jede(r) zu jeder Demo! Ab 2010 schaffen wir dann hoffentlich gemeinsame Termine in Abstimmung zueinander. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
„Auf mich hat man sich konzentriert“: Zumwinkel fühlt sich „befreit“ von der „Hinrichtung“ in „diesen elf Monaten“ („Frankfurter Allgemeine Zeitung“)

 

Das Ehrenmänner-Delikt namens Steuerhinterziehung

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlEs war fast wieder Eiseskälte und der Marktplatz deshalb auch wieder sehr leer bei der 216. Montagsdemo in Bremen am 26. Januar 2009 um 17:30 Uhr. Wenigstens die umliegenden erleuchteten Büros vermittelten uns etwas Betriebsamkeit. Dass die Montagsdemo ein bekannter Treff ist, zeigte sich an lange nicht gesehenen Mitstreitern oder auch Personennachfragen. Schließlich kamen wir wieder auf fast 30 Zuhörer und Teilnehmer.

Wir sprachen über die Kämpfe, die sich in vielen kleineren Ländern, von Griechenland über Island nach Lettland, gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen vieler Menschen durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise entwickeln. Das „Wohl des Kindes“, das in den Medien vorangetragen wird, um in der bürokratischen Praxis dieses Staates so mit Füßen getreten zu werden, und viele Beispiele aus der „Welt der Hartz-IV-Betroffenen“ setzten die Beiträge fort.

Und dann das neueste „Ehrenurteil“ für den „Ehrenmann“ Zumwinkel und seinesgleichen – zuerst die „Ehrenmänner“ Peter Hartz, Ackermann und wie sie alle heißen! Da werden Akten zurückgehalten, damit die Verjährung funktioniert, da werden eifrige und ehrliche Staatsanwälte und Richter versetzt, weggemobbt, damit die „Ehrenmänner“ freie Bahn haben auf ihren Weg in den „Ehrenlebensfeierabend“. Das passiert überall ganz offen! Genauso offen geht das, nur in umgekehrter Richtung, wenn Richter und Staatsanwälte zu „sozial“ sind und die Einsparquote torpedieren: Auch sie werden dann versetzt und weggemobbt.

Wie viele Akten da schon beiseite geschafft und vernichtet worden sind oder zur geheimen Staatssache erklärt wurden, kann man nur ahnen. Klar wird dabei nur immer wieder: Im staatsmonopolistischen Kapitalismus sind Staat und Konzerne zu einer unauflöslichen Einheit verschmolzen, die sich die ganze Gesellschaft untergeordnet hat, mit gleichgeschalteten Medien für den Betrug, solange er denn hält. Dann greift man zur Gewalt, wofür die Gesetze des Überwachungsstaates weiter ausgebaut werden. Gegen die ständig sinkende Akzeptanz unter den Menschen können sie freilich wenig machen, wir aber viel. 2009 wird ein Jahr der Proteste, nehmen wir die wichtigsten davon wahr!

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
 
Bremer Hartz-IV-Betroffene können nach einem Beschluss des Sozialgerichts auf höhere Mietobergrenzen hoffen. Der dritte Teil der Hauptverhandlung findet am 4. Februar 2009 um 9:30 Uhr beim Oberverwaltungsgericht, Am Wall 198, statt. Wer Interesse hat, kann gerne zuschauen!
 
„Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz“: Warum bekommen Kinder nur 60 Prozent der Regelleistung für alleinstehende Erwachsene? („Spiegel-Online“)
 
„Hartz IV wird Prüfung in Karlsruhe nicht unbeschadet überstehen“: „Das Gesetz wird völlig neu geschrieben werden müssen – im Geist des sozialen Rechtsstaats, ohne Kleinlichkeiten, bürokratische Schikanen und Verwaltungsexzesse“ („Süddeutsche Zeitung“)
 
Arbeitsmarkt flexibel wie nie: Zahl der Erwerbslosen steigt
im Januar um ein Zehntel („Spiegel-Online“)
 
Sinnlose Frage nach Ablehnungsgründen: AGG-Anwälte raten Arbeitgebern,
Bewerbern solche Auskünfte nicht zu erteilen („Frankfurter Allgemeine“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz