1. Nun ist es endlich auch beim DGB angekommen, dass sie ihre Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn verschärfen müssen. In einem Interview sagte DGB-Chef Michael Sommer, die bisher genannte Untergrenze von 7,50 Euro in der Stunde sei nicht mehr zeitgemäß, sondern viel zu niedrig. Sommer sprach zwar davon, diese Untergrenze deutlich anheben zu müssen, verhüllte sich aber über die konkrete Höhe in nebulöses Schweigen. Leider reicht es nicht aus, erst auf dem DGB-Kongress 2010 über eine Aufstockung der Forderung reden zu wollen! Wenn der DGB nicht mehr zu bieten hat als weiterhin an die Bundesregierung zu appellieren, doch bitte stärker gegen Lohnsenkungen oder gar Lohnverzicht in der Finanzkrise vorzugehen, dann lachen sich die Unternehmer doch nur ins Fäustchen und machen weiter wie bisher! Für die Krise müssen gefälligst diejenigen bezahlen, die sie verbockt haben!
2. In Hattersheim wird, wie vielerorts auch, ein neuer Drogeriemarkt eröffnet. Ein paar Demonstranten protestierten dagegen, dass der „Schlecker XL-Markt“ seinen Mitarbeitern nur noch XS-Löhne zahlen und sie mit nur noch halb so viel Gehalt wie bisher abspeisen will. „XL Schlecker – XXL Lohndrücker“, stand auf dem Plakat eines Teilnehmers. Der DGB-Ortsverband lud zu der Kundgebung ein, um die Geschäftspraktiken von Anton Schlecker anzuprangern. Ein Gewerkschafter kritisierte zu Recht, dass Schlecker eine neue Firma gegründet habe, um Stundenlöhne gemäß Einzelhandelstarifvertrag zu umgehen. Bisher bestehende Arbeitsplätze werden hier mal eben so mittels Dumpinglohn vernichtet! Weil wir noch immer keinen Mindestlohn haben, kann Schlecker „einfach“ den Mitarbeitern aus den bisherigen, kleineren Filialen kündigen, ihnen dann nur noch die Hälfte des ohnehin kargen Lohnes von 12,98 Euro auszahlen und ganz frech davon auszugehen, dass der restliche Bedarf zum Leben aus Steuermitteln, eben Hartz IV, aufgebracht wird.
Im Moment existieren vier „XL-Märkte“ in Hessen, und es steht zu befürchten, dass sich dieser asoziale Trend ausbreitet und die Mitarbeiter nicht wissen, was sie erwartet. Der Begriff „asozial“ erhält hier eine ganz neue Dimension! Warum machen die Leute das mit, weshalb wehren sie sich nicht? Ob auch dann noch gearbeitet würde, wenn der Lohn irgendwann geviertelt wird? Mir kann wirklich niemand erzählen, dass es erstrebenswert sein kann, für drei Euro die Stunde arbeiten zu gehen und zur Krönung obendrauf zusätzlich Hartz IV beantragen zu müssen. Wer kann dabei noch zufrieden sein? Heißt die Devise: „Hauptsache, ich tue irgendetwas, egal, zu welchen Konditionen?“ Oder sollen sich die Angestellten des Schlecker-Imperiums demnächst ihr Gehalt auch noch selbst mitbringen? Wenn das „Gehalt“ so reduziert wird, dass zusätzlich Hartz IV beantragt werden muss, wird es ja bereits zur Hälfte mitgebracht! Es kann doch wohl kaum jemand erwarten, dass er für solch einen mickrigen Stundenlohn gute Arbeit geliefert bekommt – deshalb wurden ja vermutlich die verfassungswidrigen Sanktionsmöglichkeiten geschaffen. Steinmeier verspricht vier Millionen neue Jobs. Na, seht ihr, geht doch! Weg mit den Sozialschmarotzern in Armani-Anzügen!
3. Eine neue Generation von Stromzählern erobert den Markt, so könnte lapidar formuliert werden. Doch in einem aktuellen Gutachten wird angeprangert, dass die „smarten“ Stromzähler gegen das Datenschutzgesetz verstießen, es sei denn, die Kunden würden dem Ausforschen freiwillig zustimmen. Aber so naiv kann doch wohl niemand sein! Die so erhobenen Verbrauchsinformationen von Privathaushalten sind in der Regel personenbezogene Daten und ermöglichen ein totales Ausspionieren der Bewohner, denn jetzt kann über die „intelligenten“ Stromzähler individuell Auskunft über die Lebensverhältnisse der Nutzerinnen und Nutzer gegeben werden! Von wegen, die Zähler sollen dabei helfen, den Stromverbrauch genauer zu berechnen und so Energie zu sparen: Big brother is watching you! Wenn der Stromlieferant erfahren kann, was die Bewohner wann an- und ausschalten, wie viele Menschen in der Wohnung leben und was sie dort so treiben, dann kann er diese Informationen ja auch mal eben weitergeben! Ich mutmaße, dass genau dies geplant ist.
Warum sonst sind die Ableseintervalle so kurz eingestellt, dass alle 15 Minuten die Daten abgelesen werden, um „Lastprofile“ zu erstellen, angeblich, um zu wissen, wann viel und wann wenig Strom ins Netz gespeist werden muss? Technisch wäre auch eine sekundengenaue Speicherung kein Problem. Wie wäre es mit einer Fernabfrage durch die argen Argen, die dadurch ebenso simpel wie effizient ermitteln könnten, ob eine Person mehr oder weniger im Haushalt oder keiner da, gar unerlaubterweise heimlich ortsabwesend ist? Den umworbenen Kunden ist all das wahrscheinlich noch überhaupt nicht klar. Ich hoffe, dass es möglich ist, mit simplen Tricks die Signale dieser Chips zu stören! Noch ist ja nicht von Zwang die Rede, solche Stromzähler haben zu müssen. Aber so manch einer mag geneigt sein, sich freiwillig dem „smarten“ Stromableser zu unterwerfen, wenn dieser Tarif zum Beispiel unschlagbar billig ist und der Regelsatz nun mal viel zu niedrig. Die Handybesitzer unter uns sind es ja schon gewöhnt, mit einer elektronischen Fußfessel herumzulaufen und jederzeit geortet werden zu können. Aber ich möchte nicht, dass eine derartig ausgefeilte Form der Verfolgungsbetreuung zur Gewohnheit wird!
4. Die sozialen Träger und Vereine in Berlin-Neukölln stellen einen extremen Anstieg an Ordnungswidrigkeitsanzeigen gegen ALG-II-Bezieher durch das jeweilige Jobcenter fest. Besorgniserregend ist hier die Tatsache, dass trotz beantworteter Anhörungen, die den Vorwurf inhaltlich jeweils entkräften, dennoch rechtswidrig Ordnungsgelder erhoben werden, die zudem in der Höhe vollkommen unangemessen sind. Auf diese Weise kriminalisiert das Jobcenter Neukölln massenhaft ALG-II-Bezieher durch falsche Ordnungswidrigkeitsanzeigen und versucht dadurch, von eigenen rechtswidrigen Handlungen abzulenken. Toll, dass jedem Leistungsempfänger der Gang zum Anwalt freisteht! Er muss sich gegen diese existenzielle Bedrohung durchboxen, bis er sich mit Beratungsschein sein Recht erkämpfen kann.
Dabei werfen die Sachbearbeiter des Jobcenters gerne Versäumnisse gegen die Mitwirkungspflicht oder verspätete Veränderungsmitteilungen vor. „Dafür“ findet im Gegensatz zum gesetzlichen Auftrag niemals eine Beratung statt. Hinweise werden lediglich mündlich gegeben, ansonsten beruft sich die Behörde bequemerweise auf die bei Antragstellung unterschriebenen Pflichten, so wie denn auch allgemein lieber gefordert als gefördert wird. Als reichte das noch nicht aus, weist besagtes Jobcenter einen aberwitzig hohen Postverlust auf, dass bereits gekalauert wird, am Wochenende würden regelmäßig Postverbrennungen durchgeführt, um der Postflut „beizukommen“. Natürlich trägt der Gesetzgeber die Schuld daran, wenn die Überlastung des einzelnen Sachbearbeiters nicht durch sinnvolle Maßnahmen aufgehoben wird. Leider ist nicht davon auszugehen, dass nun auch jeder Sachbearbeiter der Behörde in Zukunft von Amts wegen eine Ordnungswidrigkeitsanzeige erhält, wenn er falsche Bescheide versendet oder der Beratungspflicht nicht nachkommt.
5. Ein Mann, der gegen den zu niedrigen Regelsatz beim Bundesverfassungsgericht klagt, kann bei seiner eigenen Verhandlung nicht dabei sein, weil er seine Familie schützen muss. Aufgrund mehrfacher Berichterstattung in der örtlichen Tageszeitung über seine jahrelangen sozialen Aktivitäten und nun auch wegen der Hartz-IV-Klage und dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wird die Familie zunehmend verbal attackiert, verfolgt und aggressiv beschimpft. Die Familienmitglieder leiden natürlich unter den Angriffen in der Öffentlichkeit. Es ist einer Demokratie unwürdig, wenn Zivilcourage mit Pöbeleien bestraft und überhaupt derart auf Menschen als Sündenböcke losgegangen wird, die den Mut haben, sich gegen soziale Ausgrenzung, Armut und Unrecht zur Wehr zu setzen! Wegen der öffentlichen Hatz gegen ihn und seine Familie will sich der Kläger aus der Öffentlichkeit und der Erwerbslosenarbeit zurückziehen. Nun hat der Mob wohl sein Ziel erreicht. Hoffentlich wird das Gericht ihm Recht geben!
6. Es ist überaus beschämend, dass in der reichen Bundesrepublik inzwischen drei Millionen Kinder arm sind. Nach Angeben des Deutschen Kinderhilfswerks haben zu niedrige Löhne einen entscheidenden Anteil an der Kinderarmut in Deutschland. Das Einkommen der Eltern reiche oft nicht mehr aus. Ein Ausweg ist ein flächendeckender Mindestlohn, der diesen Namen auch verdient. Auch das dreigliedrige Schulsystem zementiert soziale und finanzielle Nachteile, weil eine frühe Selektion der Kinder erfolgt. Wenn nicht die sogenannten Eliten darauf bestünden, unter sich zu bleiben, müsste diese Ausgrenzung gar nicht erfolgen! Dank der staatlichen Armutsverordnung mit Hartz IV werden es täglich mehr, ihre Zahl hat sich in nur fünf Jahren verdoppelt! Wir brauchen keinen „Weltkindertag“ oder den gebetsmühlenartig in bestimmten Intervallen vorgetragenen Stoßseufzer, dass die Kinderarmut steigt, sondern es sind Taten erforderlich! Hartz IV muss endlich durch eine armutsfeste Transferleistung ersetzt werden! Ein flächendeckender Mindestlohn, der zum Leben ausreicht und vor Altersarmut bewahrt, muss sofort geschaffen werden! Kinder brauchen tatkräftige Unterstützung und keine Worthülsen von Politikern, denen das Wohl aller Kinder in Wirklichkeit völlig schnuppe ist! Welche Bundesregierung auch immer nach der Wahl gebildet wird: Sie muss endlich handeln, für Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung sorgen und das antiquierte dreigliedrige Schulsystem abschaffen!
7. Allen Lobhudeleien über die Bewältigung der Krise zum Trotz rechnet die OECD damit, dass die Arbeitslosenquote in Deutschland im zweiten Halbjahr 2010 auf „stolze“ 11,8 Prozent klettern wird. Deutschland und zahlreiche andere Industrienationen müssen sich wegen der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegszeit auf dramatische Folgen für den Arbeitsmarkt einstellen. Im Gegensatz zu Ländern wie Irland, Japan, Spanien und den USA stehe Staaten wie Deutschland und Frankreich der schlimmste Anstieg noch bevor, schreiben die Arbeitsmarktexperten. Von Anfang 2008 bis Ende 2010 sei mit zusätzlichen 1,8 Millionen Arbeitslosen zu rechnen. Daher sei es unerlässlich, dass die Regierungen in den kommenden Monaten den Arbeitssuchenden zur Seite stehen. Oh je, wenn das Schlimmste erst noch bevorsteht, kann ich mir lebhaft vorstellen, mit wie viel Druck im Zuge der Verfolgungsbetreuung die argen Argen den Erwerbslosen wohl zur Seite stehen werden, um irgendwie doch noch die Statistik aufhübschen zu können!
8. Bei der Bundestagswahl geht es für die Stromkonzerne ums Ganze. Falls Union und FDP gewinnen, sollen die Kernkraftwerke länger laufen – und die Betreiber im Gegenzug zahlen. Von den Atom-Milliarden könnten ausgerechnet Solar- und Windfirmen profitieren. Für die Ökobranche ein echtes Dilemma. Doch nun könnten die Grenzen verschwimmen: Schwarz-Gelb will bei Regierungsübernahme nicht bloß die Atomindustrie profitieren lassen, sondern die Hälfte der zusätzlichen Gewinne soll der Staat abschöpfen dürfen. So würden längere Laufzeiten für die deutschen Kernkraftwerke allen Ernstes einen Milliardensegen für Solar- und Windkraftfirmen bedeuten! Soll sich die Ökobranche nun über die möglichen Extra-Subventionen freuen – oder die Atom-Milliarden aus ideologischen Gründen ablehnen? Für die Ökobranche wäre es ein Danaergeschenk, sie fürchtet eine Investitionsbremse. Der Präsident des „Bundesverbandes Erneuerbare Energie“ findet deutliche Worte, wenn er sagt, dass sie keine falschen Freunde bräuchten, die ihr Wachstum mit vergifteten Geschenken lähmen wollten. Die Situation entspricht der Haltung der Grünen: Sie sind zwar gegen Atomenergie, aber gleichzeitig für den Lissabonner Vertrag, der klar die Förderung der Atomenergie vorsieht!
1.
Am nächsten Sonntag wieder mal
Quält sich der Mensch: Er muss zur Wahl.
Man ist für Frieden, nicht für Krieg –
Rot, Grün, Schwarz, Gelb setzt nur auf Sieg.
Im fremden Land, das ist bekannt,
Fahren sie Menschen vor die Wand.
Des Volkes Mehrheitsmeinung als Beschluss
Macht keinem Abgeordneten Verdruss.
Sie handeln bloß nach dem Gewissen,
Der Wähler wird dabei beschissen!
Jede Partei zählt das Prozent,
Des Wählers Meinung wird verpennt.
Oft fischen sie noch an den Rändern,
Als würden Wahlen was verändern.
Doch Wahlen wären längst verboten,
Änderten sie der Wirtschaft Quoten.
Der Mensch an sich bleibt armes Schwein!
Lässt er das Wählen diesmal sein?
Doch ist es Bürgerpflicht, drum geht zur Wahl,
Auch wenn’s danach mal wieder wird zur Qual!
Macht alle Kreuze bei den Linken,
Denn nur den Linken soll man winken!
Vielleicht war dann zum allerletzten Mal
Der Gang zur Urne eine große Qual?
Hofft auf die Linken, setzt auf Optimismus,
Vielleicht kommt freiheitlicher Sozialismus!
Er muss ja nicht werden zur großen Qual,
Wie es heute ist die Bundestagswahl!
2. Geehrte Frau Bundeskanzlerin! „Als Säugling kommt man auf die Welt, wird nicht gefragt, ob’s auch gefällt.“ Nur eines ist mit Sicherheit klar: Jedem Neugeborenen in Deutschland werden sofort Schulden von circa 19.000 Euro, Tendenz stark steigend, angedichtet, obwohl es genau genommen unmöglich ist. Hierzu habe ich nur eine Frage, die ich Sie bitten möchte, mir zu beantworten: Müssten nicht eigentlich die größten Nutznießer dieser Verschuldung, die Banken, Konzerne, Reichen und Superreichen, diese Staatsverschuldung mit einer Sanierungsabgabe bezahlen?
3. Vor einigen Wochen konnte man in den Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Sender vernehmen, dass bei der Abwrackprämie Missbrauch in zehntausendfacher Weise betrieben wird, indem anscheinend Personenkraftwagen statt zur Verschrottung ins Ausland geschafft werden. Die Täter sollen hierfür bestraft werden, da es sich bei den Fahrzeugen nach Meinung der Regierung um „toxischen Schrott“ handelt.
Nun gibt es bei uns in Oldenburg ein sogenanntes Mehrwerthaus. Diese Einrichtung wird von der Arge unterstützt, die Mitarbeiter sind fast ausschließlich Ein-Euro-Jobber. Hier verkauft man Gegenstände wie Elektrogeräte, sogenannte weiße Ware, Möbel und Bekleidung. Der Leiter der Arge Oldenburg verkündete öffentlich in der Presse, es gehe auch die Sperrmüllmenge erheblich zurück, wenn die Bürger solche Gegenstände dem „Mehrwerthaus“ zur Verfügung stellten.
Seltsam: Wenn abzuwrackende Autos „toxischer Müll“ sind, wie können dann Waschmaschinen der ältesten Generation einen „Mehrwert“ darstellen? Für Hartz-IV-Betroffene wurden hier uralte energiefressende Geräte zum Kauf angeboten. Pro Stück wollte man sogar noch fast 100 Euro haben. Die Ärmsten der Armen werden so abgezockt, einmal durch den überhöhten Preis für „toxischen Müll“ und zum zweiten Mal, indem sie gezwungenermaßen energiefressende Geräte kaufen müssen, die sie dann, sollten sie wirklich noch länger funktionieren, über die Energiepreise vielleicht ein zweites oder drittes Mal bezahlen.
Zu diesen Schweinereien hatte ich diverse Fragen an den Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg, die ich ihm öffentlich zur „Einwohnerfragestunde“ während einer Ratssitzung stellen wollte. Dieser lehnte allerdings die Beantwortung ab. Auch der ehemalige Wirtschaftminister Michael Glos, den ich im Zusammenhang mit der von ihm vorgeschlagenen Förderung energiesparender „weißer Ware“ wie Kühlschränke und Waschmaschinen anschrieb, hat mir die Beantwortung meiner Fragen verweigert.
Wie können in einem demokratischen Staat, der sich „vorsorgender Sozialstaat“ nennt, auf der einen Seite Gebrauchsgegenstände zu „toxischem Müll“ erklärt werden und auf der anderen Seite zu „Mehrwert“? Meine Meinung: Asoziale Politiker muss man abwählen!
4. Am 15. September 2009 luden „Attac“ und die „Landesarbeitsgemeinschaft bedingungsloses Grundeinkommen“ der Linkspartei Nordrhein-Westfalen anlässlich der „Woche des Grundeinkommens“ ins Duisburger DGB-Haus ein. Werner Rätz, Mitbegründer von „Attac Deutschland“, sprach zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen – Ausweg aus Krise und Sozialabbau nach der Wahl?“
Zur Einschätzung der Krise kann man Werner Rätz wohl beipflichten, doch in meinen Augen ergeben sich auch Widersprüche aus seinen Aussagen. Diese beschrieb „Scharf links“ wie folgt:
„Der Weg zum bedingungslosen Grundeinkommen ist für Werner Rätz ein Weg der kleinen Schritte, gemeinsam mit Bündnispartnern, auf dem zunächst Elemente eines Grundeinkommens durchgesetzt werden könnten. Zu diesen Elementen gehören:
- eine armutsfeste, sanktionsfreie und individuelle Grundsicherung für Erwerbslose
- die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung, die Kranken- und Rentenversicherung umfasst und in die sowohl alle steuerpflichtigen Einkommen als auch alle in der Bundesrepublik tätigen Unternehmen Beiträge abführen sollen
- die vorrangige Absicherung von Personengruppen wie Kinder und Alte durch eine Kindergrundsicherung sowie eine gesetzliche Mindestrente
- die Freistellung von Zeiten etwa für gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeiten
- der Ausbau der sozialen Infrastruktur wie Mobilität und Zugang zu Kommunikationsmitteln für alle
- Mindesteinkommen gegen den Hunger in den Ländern des Südens
Jedes einzelne dieser Ziele würde einen Bruch mit dem bisherigen Paradigma des Wirtschaftens darstellen, obwohl auch alle zusammen noch weit vom angestrebten Ziel eines weltweiten bedingungslosen Grundeinkommens entfernt wären.“
Wenn man davon ausgeht, dass es sich um ein linkes BGE handeln muss, welches man fordert, muss man sich die Frage stellen, wer in diesem Moment in Deutschland dafür die Bündnispartner werden sollen. Die Besitzstandswahrer und Lebensstandardssicherer werden es wohl höchstwahrscheinlich nicht mittragen. Genauso wird es sich bei den Lobbyisten eines kapitalistischen Wirtschaftssystem verhalten.
Spricht man von der Notwendigkeit eines internationalen BGE, was absolut richtig ist, bedeuten Sanktionen für uns hier in Deutschland etwas ganz anderes als für die Menschen in der sogenannten Dritten Welt. Dazu müsste man erst einmal klären, was überhaupt alles Sanktionen sein können. Es muss nicht immer gleichbedeutend damit sein, dass einem etwa finanzielle Transferleistungen auf Null oder um einen prozentualen Anteil gekürzt werden.
Gerade für Menschen in wirtschaftlich schwächeren Ländern, die auch nicht nur im Süden unserer Erdkugel liegen, dürfte die Gemächlichkeit von existenzieller Bedeutung sein. Wie viele Kinder sterben in jeder Sekunde auf der Erde an Unterernährung oder Krankheiten? Wie viele werden als Kindersoldaten eingesetzt, können keine Schulen besuchen und müssen stattdessen auf Plantagen schuften, von morgens bis abends und oftmals ohne jeden Lohn?
Wenn man auf der einen Seite feststellt, dass immer mehr Geld vorhanden ist, wieso sollte man es auch noch in Versicherungen anlegen, wenn eigentlich jeder vernünftig wirtschaftende Staat die Gesundheitsversorgung auch in eigener Regie übernehmen könnte, gänzlich ohne Profitgedanken? Das Gleiche gilt für die Sicherheit der Gesundheit, Betreuung und Pflege der Menschen im Alter.
Im Moment formiert sich eine Grundeinkommensbewegung, die Vorstellungen eines Götz Werner oder Dieter Althaus vertritt. Diese Konzepte lassen sich nur über hohe Verbrauchssteuern oder höhere Produktion und dazugehörenden Absatz von Waren finanzieren. Solchen Vorschlägen, die sich als weiterer Klimakiller erweisen, dürfen die Menschen auf gar keinen Fall hinterherlaufen! Ich halte es für einen Trugschluss zu glauben, man hätte für eine neue soziale Idee alle Zeit der Welt. Im Gegenteil, die Bevölkerung muss so schnell wie möglich beteiligt und umfassend informiert werden!
Eine Partei wie „Die Linke“ muss, wenn sie wirklich einen basisdemokratischen, freiheitlichen und ökologischen internationalen Sozialismus vertritt, als beispielhafte Vorreiterin für die absolut notwendigen Veränderungen der Gesellschaft ihre Mitgliedschaft so schnell wie möglich über diese Konzepte abstimmen lassen. Es geht hierbei keinesfalls um das „Recht auf Faulheit“, sondern bereits um einen wichtigen Beitrag für eine reelle Chance zum Überleben der Weltgemeinschaft insgesamt.
5. Seit Jahren werden in Deutschland im Jahr circa 46 Milliarden Stunden Erwerbsarbeit geleistet. Würde diese von allen erwerbsfähigen Arbeitnehmern gleichmäßig geleistet, beliefe sich die Belastung mit Erwerbsarbeit für den Einzelnen auf 1.045 Stunden jährlich. Das wären 87 Stunden im Monat, wenn man Krankheitstage und Urlaubstage nicht berücksichtigt. Teilt man die monatlichen Erwerbsarbeitstage durch den Faktor 21,67 (Durchschnittszahl der Werktage), kommt man auf vier Stunden pro Tag.
Damit jeder Erwerbstätige mit seinem Nettolohn und einem Lohnabstandsgebot von 15 Prozent über der Pfändungsfreigrenze liegen würde, müsste folgender Verdienst von einem Ledigen (steuerklasse I, keine Kinderfreibeträge) erreicht werden: Bruttolohn 1.579,50 Euro, Lohnsteuer 138,75 Euro, Solidaritätszuschlag 7,63 Euro, Kirchensteuer 12,48 Euro, Rentenversicherung 157,16 Euro, Arbeitslosenversicherung 22,11 Euro, Pflegeversicherung 19,35 Euro, Krankenversicherung 129,52 Euro.
Mit dem oben angegebenen Bruttolohn würde ein lediger Arbeitnehmer einen monatlichen Nettoverdienst von 1.092,50 Euro erzielen. Dafür müsste er aber auf einen Stundenlohn von 18,15 Euro brutto kommen. Nur wenn man diese Mindestbedingungen erfüllt, kann man eigentlich von einer Vollzeitbeschäftigung reden, die zumindest die größte Armut durch eigene Erwerbsarbeit verhindert.
Wenn die Gegner eines bedingungslosen Grundeinkommens, die meist gleichzeitig Befürworter von Vollbeschäftigung sowie Bürger- und Erwerbslosenversicherung sind, müssten sie derzeit, wollten sie wirklich die Abkopplung von Millionen Menschen von der Erwerbsarbeit beenden, für einen Mindestlohn von 18,15 Euro kämpfen und natürlich für den Vierstundentag.
Zum linken BGE mit Mindestlohn und radikaler Erwerbsarbeitsverkürzung reden die Gegner dieser drei berechtigten Forderungen immer ganz schnell von einer Utopie, obwohl solche Forderungen die Triade auch in Einklang bringen können. Muss man die Zwanzigstundenwoche und den Mindestlohn von 18,15 Euro nicht viel eher als Utopie bezeichnen? Zumindest sind das die realen Zahlen, um die Abkopplung aller erwerbsfähigen Menschen von der Erwerbsarbeit zu beenden.
Mit dem jährlichen Gesamteinkommen von brutto circa 900 Milliarden Euro, erzielt durch 44 Millionen Erwerbsarbeitnehmer, ließe sich ein BGE für die doppelte Anzahl der Menschen finanzieren. Das wäre keine Utopie, sondern Realität. Ich hoffe, dass ich hiermit die Menschen noch einmal zum Nachdenken über ein schönes Leben für alle Menschen anregen kann.
Im Herbst 2004 hörte ich im örtlichen Büro der Grünen von einem Parteimitglied: „Wir hoffen, dass Hartz IV verfassungswidrig ist“. Dann bräuchten sie offenbar keine „Gewissensbisse“ wegen ihrer opportunistischen Zustimmung zu diesem monströsen Gesetzeswerk mehr zu haben. Nicht erfüllt hat sich bisher die Hoffnung auf juristische Korrektur des Regelsatzes auch für viele, die sich von der „Klageflut“ gegen Hartz IV haben mitreißen lassen: Konsterniert lauschen sie Richtersprüchen, die einer Willkürgesetzgebung ohne jeden Realitätsbezug ihren Segen erteilen. Wird Ende Oktober auch noch die Hoffnung platzen, das Verfassungsgericht könne mittels einer Mäkelei am Kinderregelsatz das bisherige Berechnungsverfahren endlich kippen?
Falls aber das Gericht dem Gesetzgeber aufgeben sollte, entweder eine bessere Lösung zu finden als die mit Hartz IV praktizierte oder zum alten System der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zurückzukehren, will dann die MLPD wirklich Letzteres befürworten – statt für die kapitalistische Gegenwart ein Grundeinkommensmodell vorzurechnen, das ihre berechtigten bisherigen Einwände aufhebt? Die scheinen mir zumindest mit Kurzbegründung aber nicht allzu viel Tiefgang zu haben, verglichen etwa mit der Ausarbeitung von Thomas Löding. So könnte man das Grundeinkommen ja auch aus der von der MLPD vorgeschlagenen Steuer auf Unternehmensumsätze finanzieren. Die Erwerbslosen werden nicht satt allein von der Verheißung einer besseren sozialistischen Zukunft – und die Sozialhilfe-Vergangenheit war trostlos. Damals sind doch die Methoden der Verfolgungsbetreuung und Unterdrucksetzung durch Zahlungsverzögerung überhaupt erst entwickelt worden!
Als Rechtanwalt vertrete ich verschiedene „Hartz-Betroffene“. Natürlich ist es richtig und wichtig, sich auch rechtlich gegen falsche Bescheide, Willkür und so weiter zu wehren und auch immer wieder die Grundfragen von Hartz IV vor die Gerichte zu bringen. Das hat, oft im Zusammenwirken mit den Montagsdemos und ähnlichen Initiativen, auch immer wieder zu einzelnen wichtigen Urteilen im Sinne der Betroffenen geführt – in Teilfragen!
Völlig richtig ist aber, dass es eine Illusion ist, Hartz IV über eine Klagewelle wegzubekommen. Die Grundgedanken von Hartz IV wurden mittlerweile vom Bundessozialgericht, aber auch vom vielfach zu Unrecht als großem Hoffnungsträger angesehenen Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt! Gegen alle berechtigten Einwände, dass die Hartz-Sätze völlig willkürlich allein vom sogenannten Lohnabstandsgebot ausgehen und den realen Bedarf nicht beachten, wird zumindest in den höchstrichterlichen Urteilen immer auf den „weiten Bemessungsspielraum des Gesetzgebers“ abgestellt.
Es stimmt, dass angesichts des wachsenden Unmuts über die Kinderamut bei den skandalösen Regelsätzen für Kinder von den Gerichten einige Korrekturen verlangt wurden (teilweise hat die Regierung auch Änderungen durchgeführt). Diese beziehen sich aber ausdrücklich nur auf diese spezifische Seite der Hartz-Gesetze, ohne jene in der Gesamtheit in Frage zu stellen.
Hartz IV kann man nicht einfach wegklagen. Man kann Hartz IV auch nicht „abwählen“, wie es die Linkspartei propagiert. Ich kann mich nur an einen Fall erinnern, dass ein reaktionäres Sozialgesetz zumindest faktisch kaum umgesetzt wurde: Das war die weitgehende Streichung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sie scheiterte an der selbständigen Streikbewegung 1996, ausgehend von den Belegschaften der großen Industriebetriebe wie Daimler und Opel. Hartz IV muss weg – und das muss durch den Kampf der Bevölkerung erreicht werden. Ein großer Trumpf dabei ist die in immer noch hundert Orten aktive Montagsdemobewegung.
Was die „Gegenwartsforderungen“ der MLPD angeht, so darf es natürlich kein einfaches Zurück zu den „alten“ Regelungen der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe geben. Wir fordern die Erhöhung des Arbeitslosengeldes und die unbegrenzte Fortzahlung für die Dauer der Arbeitslosigkeit sowie eine Erhöhung der Sozialunterstützung. Man muss auch der Bespitzelung und Entwürdigung der „Leistungsempfänger“ und jedweder Behördenwillkür entgegentreten.
Mein Hauptanliegen liegt daher nicht in der Kritik am „bedingungslosen Grundeinkommen“, und schon gar nicht unterstütze ich verschiedene reaktionäre Kritiken an diesem Konzept. Aber hier nur drei Einwände:
Mich betrübt, dass es offenbar nicht möglich ist, den Gedanken des bedingungslosen Grundeinkommens abzulehnen, ohne dessen Befürworter der Faulheit oder des Schmarotzertums zu bezichtigen – typischerweise (was hier nicht geschieht) in Einklang mit Clement und Müntefering mit den Worten des Apostels Paulus: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“ –, obwohl diese Befürworter vielleicht schon seit Jahren kein faires Angebot zu existenzsichernder Erwerbsarbeit mehr erhalten haben. Das unsägliche Nazi-Wort vom Schmarotzer ist geeignet, das fragile Bündnis der Arbeitenden mit den Arbeitslosen zu sprengen. Die fragen sich nämlich, wo bei diesem Tiervergleich noch ein Unterschied zu der Missbrauchshetze etwa eines Thilo Sarrazin besteht.
Es geht auch nur um eine Teil-Entkopplung der Leistung von einer Gegenleistung, weil ja nur das Existenzminimum abgesichert werden soll, nicht aber der weiterhin durch Erwerbsarbeit zu erzielende höhere Lebensstandard. Ignoriert wird hier, dass der Leistungsempfänger durchaus bereit sein mag, der Gesellschaft im Rahmen seiner Kräfte eine Gegenleistung zu erbringen, für die sich sonst kein Geldgeber findet. Dass ein Grundeinkommen auf einen subventionierten Niedriglohnbereich hinauslaufe, wäre im Übrigen nicht der Fall, wenn es wie vorgeschlagen aus einer Unternehmensumsatzsteuer finanziert würde.