Ich möchte diesmal ein delikates Thema ansprechen, nicht unbedingt delikat für mich, jedoch für jene von uns, denen Moral und Sitte am Herzen liegen. „Kommt bald ein Bordellverbot?“ ist die bewegende Frage, die uns ein buntes Boulevardblatt mit großen Buchstaben entgegenhält.
Ernstzunehmende Gründe werden genannt: „Traumatisierungen wie bei Folteropfern“, „mehr als 90 Prozent der Prostituierten verkaufen ihren Körper nicht freiwillig“, „Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel“, auch „tagtäglich schwere Körperverletzung durch gewalttätige Freier und Zuhälter“.
Die derzeitige Gesetzeslage (Prostituiertenschutzgesetz) führe zu einem dauerhaften Verstoß gegen die in Artikel 1 festgelegte Menschenwürde und sei somit verfassungswidrig. Eine Klage beim Bundesverfassungsgericht soll geprüft werden, wozu 184 Abgeordnete als Unterstützer benötigt werden. Erhoben wird die Forderung nach Strafbarkeit der „Freier“ wie in Schweden oder Frankreich (nordisches Modell).
Schlimme unmenschliche Zustände, denen dringend ein Riegel vorgeschoben werden muss, wie ich meine. Hier muss eingeschritten werden. Aber ist die Ursache dieser Zustände das Prostituiertenschutzgesetz? Hat das Prostituiertenschutzgesetz diese Gewalttaten hervorgerufen?
Das Boulevardblatt verweist auf eine Forschungsarbeit der Sozialethikprofessorin Elke Mack, die uns sicherlich Antwort auf diese Frage liefert. Sie ist Inhaberin der Professur für Christliche Sozialwissenschaft und Sozialethik (Katholisch-Theologische Fakultät).
Frau Prof. Dr. Elke Mack stützt sich unter anderem per Link auf einen Artikel des „Tagesspiegel“ vom 7. August 2018. Demzufolge wurden „im vergangenen Jahr 671 Menschen in Deutschland sexuell ausgebeutet, zur Arbeit oder etwa auch zum Betteln gezwungen.“
Ja. Richtig. Sehr bedauerliche Opfer von Straftaten. Solche Verbrechen müssen unbedingt strafrechtlich verfolgt werden. Ein Zitat aus der Forschungsarbeit: „Das Dilemma dieser ausländischen Frauen in der Prostitution besteht darin, dass sie neben ihren Sprachbarrieren die sofortige Abschiebung in ihre Heimatländer fürchten müssen, wenn sie den Mut besitzen, sich an die deutschen Sicherheitsbehörden zu wenden.“
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Mack, es ist richtig, dass die überwiegende Mehrheit der sogenannten Prostituierten aus dem Ausland kommt, überwiegend aus Rumänien, Bulgarien, Polen; deutlich weniger, dennoch zahlreich, aus Südeuropa, aus Italien oder Spanien. Dies sind EU-Länder. Frauen aus diesen Ländern haben keine Abschiebung zu befürchten.
Frau Prof. Dr. Mack meint jedoch Frauen, die aus Staaten außerhalb des EU-Gebietes kommen und in Deutschland keinen Aufenthaltsstatus haben. Ja, aber Frau Prof. Dr. Mack, eine Strafbarkeit für „Freier“ würde diesen Frauen doch zu keinem Aufenthaltsstatus verhelfen. Sie müssen ohnehin ständig mit einer Abschiebung rechnen. Wäre ein unbegrenzter Aufenthalt im Zusammenhang mit Zeugen- und Opferschutz bei Mithilfe zur Strafverfolgung gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution nicht sinnvoller?
Eine andere Passage aus der Forschungsarbeit: „Psychologisch betrachtet ist deshalb Prostitution ein Preisgeben der eigenen Intimität auf Kosten der eigenen Identität. Sie kann von ihrem Prinzip her kein Ausdruck sexueller Selbstbestimmung sein, weil sie grundsätzlich immer mit einer fundamentalen Form der intimen Selbstausbeutung und systemisch mit der teilweisen Selbstaufgabe verbunden sein muss.“
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Mack, das ist eine Meinung, die ich akzeptieren und respektieren kann. Jedoch hat jedes Individuum das Recht, die Intimität seiner Fortpflanzungsorgane selbst zu bestimmen, also das Maß der Intimität hoch oder niedrig anzusetzen und somit das Recht, dieses Maß der Intimität jederzeit zu ändern. Niemand ist jetzt gezwungen, das Maß an Intimität seiner Identität den Moralvorstellungen anderer anzupassen.
Wenn eine Frau ihre Haare als Intimität ansieht, die sie der Öffentlichkeit nicht preisgeben möchte, hat sie das Recht dazu. Wenn also ein erbärmlich feiger Rüpel einer Muslima das Kopftuch herunterziehen würde, wäre dies eine Verletzung ihrer Intimität.
Andererseits können wir wohl kaum Nudistencamps verbieten, weil geile Spanner aus der Ferne kostenlose sexuelle Reality-Ausbeutung betreiben, auch wenn das Maß an Intimität der Nudisten nicht katholisch-theologischen Moralvorstellungen entsprechen sollte, Frau Prof. Dr. Mack.
Warum werden gewisse Körperregionen als intimer angesehen als andere? Wegen der Scham. Woher kommt die Scham? Von den monotheistischen, abrahamitischen Weltreligionen. Nach dem „Sündenfall“ haben sich Adam und Eva ihrer Nacktheit geschämt. Also müssen wir das auch. Bevor europäische Entdecker, Eroberer und Missionare kamen, kannten viele Völker die Scham nicht und auch die sogenannte Prostitution war denen völlig unbekannt.
Das kennen wir aus „Arte“-Dokus: Die vielen nackten Stämme in den Dschungeln von Südamerika und Neuguinea, Brüste, Lendenschurze, Penishalter (Zitat). Wirklich schamlos, bar jedweder Intimität, wobei es sich in diesen Dokus sicherlich um ältere Aufnahmen handelt, denn mittlerweile wurden auch diese letzten Stämme mit der Scham beglückt, sodass auch sie ihre Intimität mit T-Shirts und Bermudashorts bedecken und „Prostituierte“ zur Deckung des illegalen schambehafteten Sexbedarfs der waldrodenden Arbeiter die Pistenränder säumen.
Die Venus erinnert hingegen an eine vergangene Zivilisation, die Scham und Intimität anders gesehen hat. Der David war eine Auftragsarbeit der Stadt Florenz. In der Sixtinischen Kapelle, eine Auftragsarbeit des Vatikans, musste Michelangelo die Intimitäten auf Drängen und Drohen des Papstes widerwillig bedecken. Der Diskobolos erinnert daran, dass einmal schamlos Sport betrieben wurde.
Ich will jetzt niemanden von seiner anerzogenen Scham befreien. Mir selbst geht es gut mit meiner anerzogenen Scham, von der ich mich auch nicht befreien will. Von einem als allgemein geltenden gesellschaftlichen Konsens über Intimität kann in unserer Gegenwart der westlichen Zivilisationen jedoch nicht mehr die Rede sein.
Das hier ist der Klopfer aus der Forschungsarbeit: „2019 haben die USA die Bundesrepublik im weltweiten Sicherheitsranking wegen unzureichender sicherheitspolitischer Maßnahmen gegen den ansteigenden Menschenhandel in Deutschland auf Stufe 2 herabgestuft.“
Ein Land mit mittlerweile jährlich mehr als 20.000 Todesopfern bei Schießereien und weltweit dem größten Markt für Pornographie und „Prostitution“ – trotz Strafbarkeit – stuft Deutschland im Sicherheitsranking ab; ausgerechnet im Jahre 2019, bei einem gewählten Präsidenten, der Herabwürdigung von Frauen zur Sozialethik erhoben hatte. Das kann nicht Ihr Ernst sein, Frau Prof. Dr. Mack.
Bis zu dieser Stelle hat es mir dann gereicht. Nicht ein Hinweis, inwiefern das Prostituiertenschutzgesetz Ursache für schlimme Gewalttaten gegen Frauen und für Menschenhandel ist. Schade. Dennoch habe ich Verständnis dafür, dass sich Frau Prof. Dr. Mack als Inhaberin eines Lehrstuhls einer katholisch-theologischen Fakultät in dieser Thematik beherzt ins Feld wirft.
Seit Jahren überkommt mich das Kopfschütteln, wenn ich hin und wieder manche dilettantische Doku über „Prostitution“ in Deutschland sehe. Da stehen junge rumänische Frauen an einer Landstraße in Deutschland mit viel Fernverkehr, um dort den Markt der notgeilen Fernfahrer abzugraben. Die große Frage, die dabei aufgeworfen wird: Dürfen die das? In Deutschland ist „Prostitution“ ja legal. Oder?
Das Team interviewt dazu die Behördenleiterin des zuständigen Ordnungsamtes. Die blättert hochwichtig mit Brille auf der Nase in irgendeinem Leitz-Ordner. Klappt ihn wieder zu. Stellt ihn ins Regal. Zuckt mit den Achseln: „Die dürfen da stehen.“
Nein! Dürfen sie nicht. Lesen Sie doch mal das Prostituiertenschutzgesetz, statt sinnlos irgendwo zu blättern. Wilder Straßenstrich entspricht in keiner Weise den Anforderungen des Gesetzes. Die Behördenleiterin hätte jetzt nur die Pflicht, ein paar ihrer Mitarbeiter(innen) hinzuschicken: „Darf ich mal bitte Ihren Gewerbeschein sehen, junge Frau?“
Genau so verlief auch mal eine Doku über die Zustände des wilden Straßenstrichs Berlin, Kurfürstenstraße. Fazit solcher Sendungen ist dann jedes Mal: Die Legalisierung ist gescheitert. Nein. Hier scheitern die Exekutivorgane an der Umsetzung oder Durchsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes.
In Bremen ist durch die Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt ein Bordell geschlossen worden. Rechtliche Grundlage dafür war das Prostituiertenschutzgesetz. Hier wurde das Gesetz endlich einmal umgesetzt.
Was bringt ein Verbot der Sexdienstleistung im Zusammenhang mit Strafbarkeit der „Freier“, wie in Schweden? Warum ausgerechnet Schweden und nicht wie in Thailand? In Thailand ist „Prostitution“ auch verboten. Oder Frankreich? In den meisten Staaten der Erde ist „Prostitution“ verboten beziehungsweise als sittenwidrig eingestuft.
Bei einem Paris-Besuch bin ich dort mit meiner Frau vor dem Regen in eine Boutique geflüchtet, bis wir dann merkten, dass es sich um ein getarntes Bordell handelte. So viel zum nordischen Modell in Frankreich.
Schauen wir in die USA. Nevada ist der einzige Bundesstaat, in dem Sexarbeit legal ist. In den anderen 49 Bundesstaaten herrscht florierender Straßenstrich. Die Etablissements sind getarnt als Saunaclubs, Hostessenservice, Escort Service, Stundenhotels oder Massagesalons. Trotz Strafbarkeit für die „Freier“.
Sowohl in den USA als auch in Schweden kommt Mann deswegen nicht ins Gefängnis. Das ist mit umgerechnet circa 100, 200, vielleicht auch 300 Euro Geldstrafe behaftet. Wenn Strafbarkeit auch hier in Deutschland mit Geld bewehrt sein sollte, wäre das dann ja nichts anderes, als geblitzt zu werden oder falsch zu parken. Ärgerlich, erwischt worden zu sein! Bezahlt Mann halt. Damit soll Gewalt gegen Frauen und Menschenhandel verhindert werden?
Ertappt zu werden, wäre das nächste Problem. Wie sollte eine mit Geldstrafe bewehrte Strafbarkeit umgesetzt werden? In den USA arbeiten Polizistinnen undercover als „prostituierte“ Lockvögel mit aggressiver Ankoberei auf dem Straßenstrich. In Deutschland ist dies nicht möglich, da Polizistinnen auch undercover nicht zu Straftaten anstiften dürfen. Letztendlich fänden die Tatbestandsvoraussetzungen unter vier Augen in geschlossenen Räumen statt.
Wie sollte also ein Verbot umgesetzt werden? Mit einer Sittenpolizei, die Kopulationsdelikte verfolgt? Selbst wenn eine solche Sittenpolizei die Beteiligten in einer Razzia während der Kopulation in crimine flagranti ertappen sollte, ist Sex in geschlossenen Räumlichkeiten für sich allein genommen nichts Strafbares.
Wie könnte die Beweislast gegen den Beschuldigten erbracht werden, dass eine Geldübergabe stattgefunden hat, und wenn doch, was nahezu unwahrscheinlich ist, wofür das Geld übergeben wurde? Beschuldigte einer Straftat haben das Recht zu schweigen. Damit soll Gewalt gegen Frauen und Menschenhandel verhindert werden?
Wenn zwei erwachsene Menschen sich innerhalb geschlossener Räumlichkeiten begegnen, geht es ja auch prinzipiell niemanden etwas an, was sie miteinander vereinbaren und miteinander tun. Dies geht keinen Polizisten etwas an, keinen Sittenwächter oder Moralapostel, erst recht auch keinen Zuhälter, Kidnapper, Menschenhändler.
In Schweden gelten „Prostitiuerte“ übrigens als der letzte Abschaum, denen das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wird. Durch erheblich konsequentere Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes wären die Bordelle im Visier der Gesundheitsämter, Ordnungsämter, Finanzämter, Gewerbeaufsichten, was sie nicht wären, wenn sie durch Verbot in die Illegalität getarnter Etablissements abtauchen würden.
Gewalt gegen Frauen, insbesondere von Männern an Frauen, ist in unserer Gesellschaft ein Problem, dass ich hier an dieser Stelle keinesfalls bagatellisieren oder verharmlosen möchte. Menschenhandel und Gewalt gegen Frauen gehören strafrechtlich verfolgt. Dazu haben wir ausreichend Paragraphen im Strafgesetzbuch, wie Freiheitsberaubung, Nötigung, Körperverletzung, Vergewaltigung, Schutzgelderpressung, Bedrohung.
Was die Sexarbeit angeht, wirft sich jedoch die Frage auf, ob Sex gegen Geld tatsächlich niemals einvernehmlich stattfindet. Damit wirft sich dann auch die Frage auf, ob Pornoindustrie und Sexcam-Industrie auch verboten werden sollten, denn schließlich handelt es sich bei diesen Industrien auch um Sex gegen Geld. Wenn jedoch Sex gegen Geld im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes überwiegend selbstbestimmt und einvernehmlich stattfinden sollte, könnte sich ein Verbot als verfassungswidrig erweisen.
Falls es dennoch mit einem Verbot hart auf hart kommt, gibt es ja noch diese Lösung: Entweder kalt duschen oder die Sexpuppe Trixie bestellen. Für so manche männliche Sehnsüchte ist Trixie genau richtig: sieht heiß aus, fühlt sich weich an, redet nicht und schreibt keine Forschungsarbeiten.
Aber bis dahin: Aurica ist wieder da. Sie ist aus Rumänien und ganz furchtbar nett. Sie geht hier zwei bis drei Monate ihrem Gewerbe nach. Dann macht sie für vier bis sechs Wochen Urlaub, dann wieder zwei bis drei Monate Gewerbe. Aurica hat 3.000 bis 4.000 Euro Nettoeinkünfte im Monat nach Abzug von Steuern, Raummiete, Krankenversicherung. Wenn du ihr sagst: „Arbeite doch bei Penny an der Kasse oder im Callcenter“, zeigt sie dir einen Vogel.
Wir hätten uns alle für sie gewünscht, dass sie Tierärztin geworden wäre... Ist sie nun mal nicht. In Rumänien kostet eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 55 Quadratmetern monatlich 300 Euro. Klingt günstig. Bei einem Mindestlohn in Rumänien von 470 Euro monatlich bleibt auch dort zum Leben nicht viel übrig. Aurica ist fiktiv, dennoch repräsentativ und verdeutlicht die sozioökonomischen Ursachen für Frauen aus den Armenhäusern der EU, sich für die legale Sexarbeit in Deutschland zu entscheiden.
Was ich bis jetzt ausgelassen habe, sind Frauen, die Dienstleistungen von Männern in Anspruch nehmen und somit ebenso von einer schwerlich beweisbaren Strafbarkeit betroffen wären. Das ist wohl seltener, da laut offiziellen Statistiken zehn Prozent der Gewerbetreibenden der Sexdienstleistungsbranche aus Männern bestehen.
Frauen outen sich auch seltener. Pia Klemp beschreibt eine solche Frau, die einmal wöchentlich einen Sexworker zu sich nach Hause bestellt. Das ist zwar eine Romanfiktion, bei der ich jedoch davon ausgehe, dass Pia als feministische Vertreterin ihres Geschlechts durchaus Realität widerspiegelt und sich in Frauenbelangen bestimmt besser auskennt, als ich es vermag.
Auch Frauen schauen sich Pornos an, gehen in Stripclubs oder bestellen sich Stripper zum Junggesellinnenabschied, wobei es durchaus vorkommt, dass sie die adonisgleich gestählten Körper anfassen. Mir gegenüber hat eine Frau einmal geäußert, sie könne sich nicht vorstellen, dass eine Frau freiwillig „Prostitution“ betreibe. Was hätte sie auch anderes sagen sollen, in einem Großraum mit vielen Menschen, die mithören, ohne dabei einem „Schlampen- und Hurenklischee“ zum Opfer zu fallen?
In einem späteren vertrauten Gespräch unter vier Augen sah sie das dann auch differenzierter, wobei sie von Richard Gere in der Rolle des „American Gigolo“ schwärmte. Sie würde solch einen Traumtypen – auch gegen Geld – nicht von der Bettkante stoßen. Wenn eine Frau sich gegenüber einem Mann so outet, muss zuvor viel Vertrauen aufgebaut worden sein, da sie sich sonst in der Gefahr anzüglicher Diffamierungen sieht.
Ich sehe die sogenannte Prostitution und Pornographie vor allem als Kanalisierung zivilisatorisch bedingter Scham an. Verbote und Strafen werden nichts ändern, eher im Gegenteil die bürgerliche Heuchelei im Umgang mit der „Prostitution“ fördern. Ich bin auch der felsenfesten Überzeugung, dass eine bessere Gesellschaftsform, die Ausbeutung und Plünderung beseitigt, nicht mit Verboten erreicht wird, sondern durch Überzeugungsarbeit.
Und ich werfe die Frage auf, inwiefern eine Strafbarkeit von Sex gegen Geld zwischen Erwachsenen für „Freier“ wegen schwieriger bis unmöglicher Beweisbarkeit Gewalt gegen Frauen und Menschenhandel verhindert. Dieses sinnlose Räuber- und Gendarm-Spiel zwischen Sexarbeiterinnen und Polizei zelebriert Frankreich seit Jahrhunderten.
Keiner Frau kann verboten werden, auf der Straße zu stehen. Keinem Hotelier kann verboten werden, seine Zimmer stundenweise zu vermieten. Was seine Hotelgäste in den Zimmern machen, ist Privatsache, und kein Staatsanwalt kann eine gerichtsfeste Beweislast erfüllen. „Ein jeder hat für unschuldig zu gelten, bis seine Schuld bewiesen ist“, stammt aus der französischen Menschenrechtserklärung von 1789.
Alle Jubeljahre gibt es dann eine Razzia, und Sexarbeiterinnen werden in die „Grüne Minna“ geladen und zum Polizeirevier gekachelt. Sie werden dann unter dem Vorwand der Personenidentifizierung für maximal einen Tag lang festgehalten, jedoch mangels Beweisen wieder freigelassen. Kein Haftrichter ordnet in solchen Fällen U-Haft an.
Jetzt hat die Staatsmacht für einen Tag lang lediglich auf einer Straße dem Gewerbe geschadet. Mehr ist aber nicht passiert. Mehr würde auch nicht passieren, wenn statt der Sexarbeiterinnen die „Freier“ alle Jubeljahre auf einer Straße in die „Grüne Minna“ gezerrt werden.
Ähnliche Possen in den USA: Undercover-Cops werden zwar eingesetzt, jedoch nicht in den getarnten Bordellen und auch nicht dort, wo wirklich Straßenstrich betrieben wird. Die Frauen kennen sich ja untereinander, und wenn eine „Neue“ kommt, wird sie von den anderen Frauen gleich abgecheckt. Oder es wird der „Beschützer“ gerufen, der sich die „Neue“ ansieht, und der stellt ganz harmlose Fragen, denn sie könnte ja ein Cop sein: „Bist du neu hier in der Gegend? Ich hab dich hier noch nicht gesehen.“
Also stellen die Cops Fallen dort, wo kein Straßenstrich stattfindet. Da geht ein unbescholtener Mann seines Weges daher und wird von einer Frau aggressiv angekobert: „Let’s have fun in my room, baby. I’ll give you a special price.“ Was eine echte „Prostituierte“ nie machen würde, denn der „Freier“ könnte ja ein Cop sein.
Er lehnt ab. Die Undercover-Cop, Mitte 30, hakt sich bei ihm ein, zieht ihn, während sie weiterhin verbal auf ihn eindringt. Er gibt nach und willigt dann doch ein, und in der dunklen Gasse, nach der Geldübergabe, stürzen sich die Kollegen auf ihn. Ehe er sich’s versieht, hat er Handschellen statt seines nachgiebigen Seelenfriedens.
Ein paar Tage später bekommt er Post. Er kann die Geldstrafe zahlen. Sie wird ihm erlassen, wenn er an einem eintägigen Gesinnungskursus mit Vortrag und Diskussion teilnimmt, der ihm dazu verhelfen soll, seine unmoralische Einstellung gegenüber Frauen zu ändern. Er nimmt an diesem Kursus teil. Eine erwachsene Frau hält einen Vortrag darüber, dass sie, minderjährig, als 16-Jährige von einem erwachsenen Mann zur (hier kann man es ja deutlich sagen) sexuellen Ausbeutung gedrängt wurde.
Brechen wir diese Geschichte mal hier ab. Anstiften zu Straftaten darf die deutsche Polizei schon mal nicht. Im deutschen Strafrecht nimmt der „Vorsatz“ einen hohen Stellenwert ein. Es gibt Straftaten, die passieren garantiert immer vorsätzlich – Bankraub, Autodiebstahl –, aber der Mann hatte keinerlei Vorsatz, zur „Prostituierten“ zu gehen.
Was diesen Gesinnungskursus angeht: Deutschland hat ein stark ausgeprägtes Individualfallprinzip. Der Mann hat keine Minderjährige der sexuellen Ausbeutung zugeführt. Er ist durch Anstiftung von einer gestandenen, erwachsenen Frau zur „Tat“ (?) gezerrt worden.
Die Geschichte hat eine Pointe: Was hat er jetzt gelernt? Gehe nie deines Weges auf der Straße, und wenn doch, benutze nur Straßen, in denen Straßenstrich stattfindet. Nur dort wirst du garantiert von keinem Cop angestiftet. Ich finde, unsere Polizeikräfte sollten an effektiveren Hebeln angesetzt werden zur Strafverfolgung von Gewalt gegen Frauen, Menschenhandel oder Kindesmissbrauch.
Die entsetzliche Wahrheit ist jedoch, dass Gewalt gegen Frauen überwiegend innerhalb von Partnerschaften verübt wird. Niemand kommt auf die Idee, deswegen die Ehe zu verbieten oder unter Strafe zu stellen.
Während eines Straßenfestes in Bremen-Walle hielt der damalige Oberbürgermeister Jens Böhrnsen eine Rede. Er ist in dem Stadtteil aufgewachsen in einer Zeit, in der Hafen wie „Prostitution“ in Walle blühten. Der Straßenstrich auf dem Waller Ring lag auf seinem Schulweg. Als Junge habe er dabei verschämt den Blick von den Frauen abgewandt. Neben mir stand ein Freund, der meinte: „Und bis heute hat er noch nicht weiter darüber reflektiert.“
Es ist schon merkwürdig, wie viele brave Bürger auf die Nähe von Sexarbeiterinnen reagieren. Dabei sehen die doch ganz normal aus, oder sind das etwa Aliens mit zwei Köpfen und acht Beinen? Es sind ganz normale Menschen, deren Anblick dem ehemaligen OB Bremens sicherlich nicht außerordentlich geschadet hat. Er wurde kein Zuhälter, kein Sittenstrolch oder Triebtäter. Sein Lebensweg verlief in soliden Bahnen: Jurastudium, Verwaltungsrichter, Oberbürgermeister.
Der Band „Die Taschen waren voller Geld“ erzählt von der Geschichte der Hafenbars in Bremen-Walle. Wenn damals die Frauen außerhalb ihres Sexgewerbes nach ihrem Beruf gefragt wurden, antworteten sie: „Ich bin freiberuflich tätig.“
Gehen Sie behutsam mit Ihrem Körper um und viel behutsamer mit dem Körper anderer. Wenn die Chemie stimmt, klappt’s auch mit der Nachbarin. Ganz gleich welchem legalen Gewerbe sie nachgeht. Was wir jedoch auf keinen Fall brauchen, sind Moralwächter über unsere Intimität.
Aktiver Massenwiderstand gegen die globale Umweltkatastrophe ist dringender denn je! Vor Kurzem wurde der neue „Sachstandsbericht“ des Weltklimarats IPCC veröffentlicht. Die Zusammenfassung zehntausender Umweltforschungsarbeiten verbreitet eine sehr widersprüchliche Botschaft. Warnend wird festgestellt, dass die Klimakrise wesentlich schneller voranschreitet als in früheren Prognosen angenommen: „Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle gesichert werden kann, schließt sich rapide.“
Extremwetterereignisse mit Hitzewellen, Megawaldbrände, Dürren und Starkregenfälle haben stark zugenommen und werden zukünftig noch stärker zunehmen. Hunderte Millionen Menschen werden schon in den nächsten Jahren unmittelbar betroffen sein. Der Bericht untermauert, dass einige Zerstörungsprozesse inzwischen unumkehrbar geworden sind, zum Beispiel das Abschmelzen der Gletscher und damit der Verlust einer der wichtigsten Trinkwasserreserven der Menschheit oder das Auftauen der Permafrostböden und damit das Entweichen von gigantischen, darin gebundenen Kohlendioxid und Methangasmengen – was wiederum die Erderhitzung weiter beschleunigt.
Trotz seiner eindringlichen Mahnung verharmlost der Bericht zugleich die Situation, da er sich weitgehend auf die Klimafrage beschränkt. Viele Wechselwirkungen zu anderen Zerstörungsfaktoren werden ausblendet: zum sich vergrößernden Ozonloch, zum Umkippen der Regenwälder, zum dramatischen Artensterben, zur Vermüllung, Vergiftung und radioaktiven Verseuchung der Erde. Alle diese Faktoren verstärken sich gegenseitig. Wir müssen vom Beginn einer globalen Umweltkatastrophe sprechen, die die Existenz der ganzen Menschheit bedroht!
Der Bericht dokumentiert, dass alle Klima-Vereinbarungen wenig gebracht haben, im Gegenteil: Der Klimagas-Ausstoß ist seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 weiter gestiegen! Kein Wunder, denn laut OECD haben sich die weltweiten Subventionen fossiler Energieträger „seit Paris“ noch einmal deutlich erhöht, auf 650 Milliarden Dollar.
Der IPCC-Bericht ist eine Bankrotterklärung des Pariser Klimaabkommens mit seinem sogenannten 1,5-Grad-Ziel. Die Einschätzung der „Umweltgewerkschaft“ bestätigt sich: „Der in Paris ausgehandelte Klimavertrag ist im Wesentlichen ein Betrug, denn er wird die Entwicklung zu einer globalen Klimakatastrophe nicht bremsen, sondern beschleunigen – und er verdeckt die Hauptursache der Klimakrise: die kapitalistische Konkurrenzwirtschaft.“
Man könnte nach der dramatischen Beurteilung der Lage annehmen, dass die Wissenschaftler eine sofortige „Abschaffung“ des Kapitalismus mit seinem umweltzerstörenden Profitmaximierungsgesetz fordern würden. Weit gefehlt! Stattdessen wird weiter auf das gesetzt, was doch offensichtlich gescheitert ist: die „Aufforderung“ an Regierungen und Unternehmen, ihre „Klimaanstrengungen“ zu verdoppeln und zu verdreifachen, „grüne“ Technologien „noch viel stärker“ zu fördern und so das Ruder noch herumzureißen.
Um den offensichtlichen Bankrott des Pariser Klimaschutzabkommens zu vertuschen, flüchtet sich der Bericht in die neue Behauptung, dass die 1,5-Grad-Erwärmung nur „zeitweise“ überschritten werden könnte, dass also die Temperatur nach einigen Jahrzehnten wieder unter 1,5 Grad Zuwachs zurückgehen würde – obwohl der Bericht selbst schon von „irreversiblen“ Klimazerstörungen spricht. Für wie blöd halten uns diese grünen Kapitalismusverteidiger eigentlich?
Wir sind uns sicher: Dieser Bericht wird die begonnene Strategiediskussion in der Klima- und Umweltbewegung weiter befeuern. Umweltkatastrophe, Hochrüstung und Weltkriegsgefahr bringen immer mehr Menschen gegen den Kapitalismus auf. Die Kapitalismuskritik wird wachsen, der Antikommunismus wird an Wirkung verlieren.
Die „Umweltgewerkschaft“ wird alles tun, um aus der Enttäuschung vieler umweltbewegter Menschen eine bewusste Entscheidung für einen gesellschaftsverändernden Umweltkampf zu machen. Das heißt den Betrug der offiziellen Klimapolitik der Regierungen und das „Greenwashing“ der Konzerne aufdecken, für eine dauerhafte und überparteiliche Organisierung in der „Umweltgewerkschaft“ überzeugen und auf einen entschlossenen Kampf zur Überwindung des Kapitalismus im Schulterschluss mit der Arbeiterbewegung orientieren!
Jetzt schon vormerken: Am 24. September 2023. organisiert die „Umweltgewerkschaft“ eine Veranstaltung zum Thema: „Die globale Umweltkatastrophe hat begonnen – Was tun? Mit welcher Perspektive?“ (ab 15 Uhr in der Zionsgemeinde, Kornstraße 31).
Kein Tag vergeht ohne massive Medienpräsenz der AfD. In Umfragen steht sie schon bei 21 Prozent. Regierungsparteien und CDU überschlagen sich im Versuch, die AfD rechts zu überholen. Innenministerin Nancy Faeser will eine „Rückführungsoffensive“ von Asylbewerbern. Das ist nichts anderes als massive Abschiebung! Dazu will sie die Abschiebehaft auf 28 Tage verlängern, ohne jegliche Straftat oder Vorwurf dafür – es reicht, wenn das Herkunftsland als „sicher“ erklärt wurde.
Zimmer von Geflüchteten sollen nicht mehr als geschützter Wohnraum gelten, sondern jederzeit und gewaltsam betreten werden dürfen: Die Tür eintreten und mit vorgehaltener Waffe unschuldige Menschen gewaltsam rausholen. AfD-Faschist Krah, Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl, meint: „Was wir brauchen, sind Pushbacks, egal was der EuGH dazu sagt.“ Pushbacks heißt, Flüchtlingsboote brutal ins offene Meer zu drängen, wie vor ein paar Wochen, als mehr als 500 Menschen ertranken.
Die AfD will spalten. Sie ist eine extreme Monopolpartei, extrem unsozial. Bei über 75 Prozent der Abstimmungen in Bundestag hat sie gemeinsam mit der Kapitalistenpartei FDP gestimmt, zum Beispiel gegen die Erhöhung der Mütterrente, gegen die Erhöhung des Steuerfreibetrags für Niedriglöhner, gegen die Erhöhung der Steuern für Besserverdienende. Die AfD leugnet die Umweltkatastrophe und fordert weiter Politik im Interesse der Automonopole und keinerlei Beschränkung der Verbrennung fossiler Brennstoffe.
Wie es aussieht, wenn solche Leute in der Regierung sind, sieht man in Italien: Die faschistische Ministerpräsidentin Meloni hat dort jetzt des Bürgergeld für alle Bedürftigen unter 65 gestrichen. Hunderttausende werden in Armut und Hunger getrieben! Deswegen, liebe Protestwähler, nicht zurück zu den „bürgerlichen Parteien“, sondern vorwärts zum Kampf um den echten Sozialismus! Protest ist links! Zusammenhalt aller Ausgebeuteten und Unterdrückten, weltweit! –
Am 6. August war 78. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshioma. Hunderttausende verloren ihr Leben oder siechten langsam dahin. USA und Russland drohen beide mit Atomkrieg, Deutschland ist beteiligt an der Weltkriegsvorbereitung. Jetzt wurde beschlossen, dass Rheinmetall eine Fabrik in Düsseldorf baut für den Tarnkappenjet und Atombomber F-35. Regierungsparteien, CDU und Linkspartei (jedenfalls deren Mehrheit und Führung) sind für Waffenlieferungen an Ukraine und die Nato-Strategie „Sieg über Russland“. Der Hauptfeind steht aber im eigenen Land! Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter! Schluss mit Waffenlieferungen und Weltkriegsvorbereitung! –
Zum Beitrag von Frank. Ich bin völlig anderer Meinung: Prostitution soll verboten werden! Sie ist der widerwärtigste Ausdruck davon, dass im Kapitalismus alles, auch Liebe und Sexualität, zur Ware wird und dass Frauen aufs brutalste ausgebeutet werden. Im Parteiprogramm der MLPD steht dazu: „Kampf gegen alle Formen der besonderen Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen und Mädchen! Für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung! Bestrafung sexueller Ausbeutung und Gewalt! Kampf dem Sexismus, der Pornografie, der Prostitution und dem Menschenhandel!“ In der Sowjetunion wurde nach der Oktoberrevolution die Prostitution verboten und allen Prostituierten eine Ausbildung ermöglicht.