Heute Morgen im Radio: Eine Jugendliche mit Realschulabschluss schrieb – und man muss sich das wohl mal auf der Zunge zergehen lassen – sechshundert Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz, ohne auch nur eine einzige Zusage erhalten.
„Hm, da muss man doch montags einfach mal Front gegen Ausländer und Islamisierung machen!“ – Aber waren es eigentlich Arbeitgeber muslimischen Glaubens, die diesem jungen Mädchen keine Chance einräumen wollten? „Religion is the opium of the poor“, schrieb Ernest Hemingway.
Die Deutschen scheinen immer noch gut genug dafür zu sein, sich die falschen Sündenböcke auszusuchen. Traurig, aber wohl wahr! „Montags auf die Straße“ wäre ja in Ordnung, bloß sollte es um die Zukunft aller Menschen in diesem Land gehen. Dafür muss es sich doch zu kämpfen lohnen! Das Amen spare ich mir besser.
1. Liebe Bremerinnen, liebe Bremer, liebe Montagsdemonstranten, herzlich willkommen zur 503. Montagsdemo! Besonders begrüßen möchte ich auch die Menschen, die heute gekommen sind, um ihrer Trauer, ihrer Betroffenheit und Wut über den feigen faschistischen Mordanschlag in Paris Ausdruck zu verleihen. Am Wochenende waren 1,5 Millionen Menschen in Paris auf der Straße, Millionen in ganz Frankreich und auch hierzulande ungezählte Menschen. Sie bekunden Trauer, Entsetzen und Solidarität.
Gleichzeitig gibt es Trittbrettfahrer wie „Pegida“. Die Drahtzieher von „Pegida“ sind Faschisten und Rassisten, von Anfang an – und jetzt gibt rufen sie zur Demo gegen die islamistischen Täter auf! Dabei sind sie genauso menschenverachtend: Sie versuchen von den Verantwortlichen für Armut und Hunger, Arbeitslosigkeit und Unterdrückung abzulenken und Sündenböcke zu schaffen. Da kommt ihnen so ein mörderischer Anschlag gerade recht!
So auch heute hier in Bremen. Es macht mich schon stutzig, dass der Organisator der heutigen „Mahnwache ‚Wir sind Charlie‘“, Oliver Meier, ein Mitglied der „Bürger in Wut“ ist – ein Haufen, der nicht weit weg von „Pegida“ und AfD steht. Hier segelt einer unter falscher Flagge! Seine Kundgebung ist noch nicht mal angemeldet, aber der „Weser-Kurier“ druckt die Ankündigung seiner „Mahnwache“ ab, ohne den Veranstalter zu nennen. In den Medien wird versucht, „Pegida“ großzureden. Jeder Termin wird sofort veröffentlicht. Ihre Teilnehmerzahlen sind extrem übertrieben, in Wirklichkeit sind die Antifaschisten viel stärker: Am Freitag gingen allein in Dresden 35.000 Menschen gegen „Pegida“ auf der Straße.
Die Politiker vor allem von CDU und CSU versuchen, diese faschistische Plattform salonfähig zu machen: Man müsse den „Dialog“ mit ihnen suchen, es seien schließlich „besorgte Bürger“. „Pegida“ kommt aber nicht von allein oder aus der „Mitte der Gesellschaft“, genauso wenig wie der faschistische „Islamische Staat“, der „Nationalsozialistische Untergrund“ oder der staatliche Terror, sondern wird bewusst aufgebaut. Deswegen: Keine Toleranz gegenüber den Drahtziehern – aber auch nicht gegenüber deren Anhängern!
Man muss schon wissen, mit wem man sich einlässt, wenn man von einer „Überfremdung“ und dem „Untergang des Abendlandes“ durch „Islamisierung“ faselt. Früher waren es die „Juden und Zigeuner“, heute sind es die „Fremden“, die Flüchtlinge und Muslime: Hauptsache, man hat einen Sündenbock! Besonders empörend ist es, wenn diese Bande versucht, an die Montagsdemonstration anzuknüpfen. Es ist kein Zufall, dass Oliver Meier von den BiW gerade für Montag um 17:30 Uhr zum Marktplatz lädt. Das ist genau die Zeit und der Ort, wo seit über zehn Jahren die Montagsdemonstration stattfindet, die alles andere als fremdenfeindlich, reaktionär oder faschistisch ist!
Die Regierenden treiben ein doppeltes Lügenspiel: Merkel marschiert in erster Reihe in Paris mit, gleichzeitig wird das Asylgesetz (mit Zustimmung Kretschmanns von den Grünen) verschärft und ständig gegen alle „Fremden“ gehetzt. Es wird versucht, den faschistischen Anschlag in Paris zu nutzen, um neue „Antiterrorgesetze“ beschließen zu können. Dabei geht es aber ausdrücklich nicht um den faschistischen Terror. Die Herrschaften verstehen unter „Terrororganisationen“ etwas ganz anderes, nämlich sämtliche Befreiungsbewegungen, kurz: alles, was die unbegrenzte Herrschaft des internationalen Finanzkapitals in Frage stellt.
Im Windschatten der Anteilnahme und Betroffenheit über den faschistischen Anschlag in Paris soll die Vorratsdatenspeicherung doch noch eingeführt werden. Das Spenden für „Terrororganisationen“ soll nun ein Straftatbestand werden. Befreiungsbewegungen wie die PKK und „Devrimci Sol“ werden als „Terrororganisationen“ geführt. Wer also in Zukunft Spenden für den Befreiungskampf in Rojava sammelt, soll gleich weggesperrt werden können.
2. Bei Daimler hat schändlicherweise der Betriebsrat eine neue Konzernbetriebsvereinbarung mit abgeschlossen, die sämtliche Kollegen unter Generalverdacht stellt: Alle drei Monate erfolgt nun ein Abgleich mit den Listen von „Verdächtigten“ der deutschen und amerikanischen Geheimdienste – und das kurz nach dem großen NSA-Skandal! Gleichzeitig gibt es den reinsten Abmahnungsterror bei Daimler in Bremen: Die Kollegen hatten gegen die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze durch Fremdvergabe gestreikt: Alle Arbeitsplätze für Kollegen, die nicht mehr hundertprozentig einsetzbar sind, sollen an Billiglohnfirmen vergeben werden.
Das bedeutet noch mehr Leiharbeit, schnellere Bandlaufzeiten, fast jeden Samstag Zwangssonderschicht. Wer sich dagegen wehrt, wird mit Vernichtung seiner Existenz bedroht, durch Kündigung und Schadenersatzforderung in Millionenhöhe. 80 Kollegen wurden noch in der Streiknacht verhört, doch der Versuch, sie zur Denunziation der „Rädelsführer“ zu bringen, blieb erfolglos. 600 Kollegen bekamen eine Abmahnung, und das bei extrem wachsenden Profiten. Um 67 Prozent stieg letztes Jahr der Daimler-Gewinn, aber das reicht nicht: Nummer eins wollen sie sein in der Welt! Wer sich dagegen stellt, wird als „Terrorist“ abgestempelt.
Verbot aller faschistischen Organisationen! Zerschlagung ihrer Organisationen! Hoch die internationale Solidarität! Proletarier aller Länder, vereinigt euch! 13.000 Menschen nahmen teil an der Luxemburg-Liebknecht-Lenin-Demonstration in Berlin, mindestens 50.000 besuchten die Gräber. Es ist die größte Demonstration für den Sozialismus, für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, in der die Einheit von Mensch und Natur wieder hergestellt werden kann!
Bei scheußlichem Nieselregenwetter fand die 503. Montagsdemonstration auf dem Bremer Marktplatz statt. Angekündigt war eine „angemeldete Solidaritätsmahnwache“ einer „Gruppe Artikel 5 Grundgesetz Meinungsfreiheit“, die sich an ein Mitglied der Bremer Montagsdemo gewendet hatte. Auf Nachfrage beim Stadtamt war von dieser „Solidaritätsmahnwache“ nichts bekannt. Inzwischen war auch im Internet der Organisator dieser „Mahnwache“, Oliver Meier, recherchiert. Das Ergebnis: Er gehöre zu der Gruppierung „Bürger in Wut“ und habe auch Verbindungen zur AfD.
Die Montagsdemo war wie immer rechtzeitig auf dem Marktplatz mit Transparenten und Lautsprecheranlage aufgetreten. Um 17:30 Uhr waren in der Nahe der Treppe zur Bürgerschaft mehrere Personen, einer mit Gitarre, aufgezogen, die ausgeteilte Schilder „Je suis Charlie“ hochhielten und Lieder, die auf der Rückseite aufgedruckt waren, sangen. In nicht bekannter Verbindung damit standen einige wenige jüngere Männer, die gleich mit Zwischenrufen unseren Moderator zu stören versuchten. Die Polizei, die sich zwischenzeitlich bei uns nach den Umständen dieses Tages erkundigt hatte, stellte sich dann zwischen die Zwischenrufer und die Montagsdemo.
Unser Moderator eröffnete die Montagsdemo und erklärte unsere Trauer über die feigen Morde und unsere Solidarität mit den Betroffenen der Anschläge in Paris und sprach aber gleich an, dass reaktionäre und faschistische Gruppierungen versuchten, die menschenverachtenden Morde mit ihren reaktionären Forderungen zu vereinnahmen und auf ihre Mühlen zu leiten, und dass wir das entschieden ablehnen und deshalb kein gemeinsames Gedenken veranstaltet würde. Die Redebeiträge der Montagsdemo unterstützten den Moderator und gingen auf die verschiedenen Aspekte und Argumente der politischen Hintergründe ein.
Uns ist klar, dass die Bildung des faschistischen IS und die finanzielle Unterstützung von den USA ausgegangen und mittlerweile das Geschäft der reaktionären Regime im Nahen Osten wie Saudi-Arabien oder Katar ist. Umso schlimmer ist, dass diese Regime auch noch mit deutschen Waffen ausgestattet werden, die schnell in die Hände des IS gelangen können und werden. Dazu gehört auch die völlig unzulässige Vermengung der Religion des Islam mit der faschistischen Ideologie, wie sie reaktionäre Elemente „lehren“ und der faschistische IS praktizieren. Wir kritisieren aber auch die Politik, dass sie die jungen Migranten in Deutschland und anderen Ländern in die Perspektivlosigkeit laufen lässt und damit die Voraussetzungen schafft für Aggressivität und Radikalisierung, weil sie keine Zukunft zu bieten hat.
Immer in Verbindung mit dem Auftreten von rechten und faschistischen Kräften wurde die Politik kritisiert, dass die Arbeit immer mehr verbilligt wird, damit die Gewinne in immer höhere Zonen steigen, wie bei Daimler mit 66 Prozent, und gleichzeitig immer hanebüchenere Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, die immer mehr Menschen trotz Arbeit in die Armut treiben. „Pegida“ und Faschisten bieten aber keine positive und solidarische Zukunft an, sondern wollen Flüchtlinge und Migranten rausschmeißen und auch in Deutschland wieder faschistische Verhältnisse schaffen. Dagegen wehrt sich an vielen Orten eine immer größer werdende Zahl von Menschen.
Es wurde auch von der Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demo in Berlin am Sonntag berichtet – wo Teilnehmer aus der ganzen Welt für eine Welt ohne Ausbeutung und Krieg und für den Sozialismus demonstriert hatten –, die Mut macht, eine andere Welt aufzubauen. Vor der Montagsdemo und auch beim Domläuten waren einzelne Teilnehmer von „Charlie“ zu uns gekommen, um Aufklärung zu erfragen über diese „Mahnwache“ und den Aufruf im „Weser-Kurier“, der keinen Initiator, keine Organisation benannt und damit mal wieder zu Irritation bei den Menschen geführt hatte. Sie waren über unsere Klarstellungen sehr dankbar.
Nachdem die „Mahnwachen“-Leute in ein Lokal abgezogen waren und auch die Faschisten genug hatten, nichts erreicht zu haben, konnte auch die Montagsdemo schließen und zu einer Nachbesprechung gehen, um die weiteren Aufgaben zu besprechen. Die Nachbesprechung konnte feststellen, dass wir gut aufgetreten waren.
1. „Charlie Hebdo“ – Dieses Morden wird die Satire nicht verstummen lassen! „Charlie Hebdo“ lebt! Die Zeichnungen sagen mehr als ein Roman. Sie sind treffender als viele Worte. Im „Weser-Kurier“ waren die 72 Jungfrauen, die auf Märtyrer warten, abgebildet. Die Jungfrauen waren so dargestellt, dass mann ihnen nicht im Dunkeln begegnen möchte. Die Vertreter der Religionen haben klargestellt, dass keine Religion einen Mord rechtfertigt. Die Muslime verurteilen diese Taten.
Die „Tageszeitung“ schreibt: „Der Dachverband der Muslime in Frankreich sprach laut der Zeitung ‚Le Monde ‘ von einem ‚barbarischen Akt ‘ gegen die Demokratie. Der in Frankreich prominente Imam Hassen Chalghoumi erklärte: ‚Die Barbarei der Angreifer hat nichts mit dem Islam zu tun.‘ Auf Hass könne man nicht mit Gegenhass antworten, sagte der aus Tunesien stammende Geistliche dem TV-Sender BFMTV. ‚Die Journalisten sind die Märtyrer der Freiheit ‘, so Chalghoumi. Der Rektor der größten Pariser Moschee, Dalil Boubakeur, sagte, dies sei eine donnernde Kriegserklärung.“
Nur die Politiker, die über eine weitere Einschränkung der Freiheiten nachdenken, verschaffen dadurch dem Terror einen Erfolg! Einen Erfolg in Deutschland? Zum Glück haben die Politiker noch Zeit zum Nachdenken. Die Vorratsdatenspeicherung jedenfalls hat Frankreich nicht geholfen.
2. Die Arbeitslosenzahlen, die Unwahrheit des Monats, wurden wieder veröffentlicht. Die Presse druckt es einfach nach. Es sind nicht die tatsächliche Arbeitslosen, nur die Arbeitslosen gemäß Statistik – siehe vorherige Bremer Montagsdemonstrationen. Ein Mitstreiter hat uns „mit freundlichem Grinsen“ auf den Beitrag von Volker Pispers „Bis neulich 2014 – Die Bananenrepublik“ hingewiesen. Ein treffender Beitrag, vom ZDF wie folgt angekündigt: „Er könnte der Kumpel von nebenan sein, doch wehe dem, der ihn unterschätzt. Volker Pispers ist ein Großmeister des politischen Kabaretts. Seit über drei Jahrzehnten hinterfragt er Politik und Mainstreamkultur, klärt auf und teilt aus, ohne zu belehren.
Anstatt alle paar Jahre ein neues Programm auf die Bühne zu bringen, erfindet er jeden Abend neu, mischt alte Texte mit neuen Erkenntnissen, beobachtet und analysiert, unterhält und regt auf. Sein ständig aktualisiertes Programm ‚Bis neulich‘ bildet unsere Welt ab, wie sie ist: die immer gleichen Absurditäten in immer neuem Gewand. Es geht um Turbokapitalismus und politischen Stillstand, um Kriegstreiber und Steuerflüchtlinge, um Rentenlügen, Medienmanipulation und versuchte Volksverdummung. Ein Abend mit schmerzhaften Einsichten bei hohem Unterhaltungswert. Volker Pispers ist ein gnadenloser Menschenfreund, bitterböse und grundsympathisch. Er beschreibt eine Welt, die manchmal so schlecht ist, dass man nur noch drüber lachen kann. Oder sie ändern.“ Es sind 60 Minuten, die wie im Flug vergehen. Zu den Arbeitslosenzahlen kommt er ab der 35. Minute. Köstlich!
3. Nun zur Miete, den Kosten der Unterkunft. Das Sozialgericht Mainz will’s wissen. Sozialexperte Harald Thomé hat die Information herumgeschickt: „Das Sozialgericht Mainz hat mit Beschluss vom 12. Dezember 2014 (Aktenzeichen S3 AS 130/14) ein Verfahren ausgesetzt, das die Übernahme von Aufwendungen für die Unterkunft im Rahmen von Leistungen nach dem SGB II betrifft. Das Gericht hält § 22 Absatz 1 Satz 1 (2. Halbsatz) SGB II für verfassungswidrig und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt (nach Artikel 100 Grundgesetz). Während eine Verfassungsbeschwerde auch durch einen Nichtannahmebeschluss zurückgewiesen werden kann, den das Bundesverfassungsgericht nicht begründen muss, wird es über den Vorlagebeschluss in der Sache und mit einer schriftlichen Begründung entscheiden.
Damit ist jetzt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zu der Frage zu erwarten, ob die Regelung des § 22 Absatz 1 Satz 1 (2. Halbsatz) SGB II („soweit diese angemessen sind“) vor dem Hintergrund des Karlsruher Hartz-IV-Urteils vom 9. Februar 2010 noch als mit der Verfassung vereinbar gelten kann (vergleiche unsere Verfassungsbeschwerden vom 3. März 2014, anhängig unter 1 BvR 617/14, und vom 3. April 2014, anhängig unter 1 BvR 944/14). Wir dürfen gespannt sein.“
Der erste Satz in § 22 SGB II lautet: „Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.“ Auf dem Prüfstand steht also die Einschränkung im zweiten Halbsatz. In Bremen erhalten die Erwerbslosen monatlich rund 350.000 Euro Euro weniger, als sie tatsächlich für die Kosten der Unterkunft ausgeben. Die Statistik steht im Netz und wird fortgeschrieben. Die Anleitung zum Nachlesen steht auf der Seite zur 501. Bremer Montagsdemonstration.
Die Entscheidung über den Vorlagebeschluss wird leider auf sich warten lassen. Wer in Bremen als Erwerbsloser, Grundsicherungs- oder Sozialhilfeempfänger seine Miete nicht voll erstattet bekommt, kann dies ändern. Die Richtwerte für die Mietobergrenzen sind in Bremen nicht nach den Vorgaben des Bundessozialgerichts ermittelt worden. Es fehlt am schlüssigen Konzept. Wie dies alles geht? Nachlesen auf den vorherigen Seiten der Bremer Montagsdemonstration oder einfach herkommen!
Es geht bereits mit der Verwaltungsanweisung zu den Kosten der Unterkunft los. Diese Anweisung gibt es in Kurz- und in Langform. Dort steht, wie die Verwaltung zu arbeiten hat. Die Verwaltungsanweisung ist nur eine Anweisung an die Verwaltung ohne Außenwirkung! Sie hat keine Gesetzeskraft! Die aktuelle Verwaltungsanweisung ab 1. Januar 2014 hat 87 Seiten Umfang, siehe Übersicht.
Oftmals höre ich, dies dauere doch viel zu lange. Nein, wer aktuell monatlich seine Miete nicht voll erstattet bekommt, kann beim Sozialgericht ein Eilverfahren beantragen. Eilverfahren sind neuerdings bereits ab zehn Euro möglich, wenn kein weiteres Einkommen oder Vermögen vorhanden ist. Es braucht in der Regel weniger als einen Monat zur Entscheidung. Je größer die Not, desto schneller die Entscheidung!
4. Das Jobcenter möchte auch 2015 alle Rentenansprüche ausnutzen. Jeder ältere Erwerbslose wird aufgefordert, von der Rentenversicherung den frühestmöglichen Rentenbeginn ermitteln zu lassen. Diese Aufforderung ist natürlich mit Sanktionsandrohungen versehen, weigern nützt nichts. Ob die Sanktionen vom Gericht akzeptiert werden, ist fraglich, weil das Jobcenter diese Auskunft ebenso gut selbst bei der Rentenversicherung beantragen kann und die Rentenauskunft auch erhält. Das Jobcenter kann sogar den Rentenantrag stellen, wenn der Erwerbslose sich weigert.
Es gibt Gerichtsentscheidungen, die diese Zwangsverrentung verhindern. Es kommt auf die persönlichen Fakten an. Wer nicht verrentet werden will, sollte dies lesen, sich beraten lassen und aktuelle Entscheidungen suchen. Der MDR hat Anfang 2014 darüber berichtet und die Folgen der Weigerung geschildert: Die Zahlung von ALG II wurde eingestellt, weil die Mitwirkung (der Rentenantrag) verweigert wurde. Wurde gerichtsfest eingestellt?
Die Fraktion „Die Linke“ im Deutschen Bundestag hat zu dem Thema eine Anfrage gestellt. In der Auswertung steht auf Seite 6: „Die Ignoranz gegenüber den sozialen Verwerfungen durch die Zwangsverrentungen zeigt sich insbesondere daran, dass bei dem Verweis auf eine vorgezogene Altersrente ‚die Höhe der zu erwartenden Altersrente‘ nicht geprüft wird und keine Rolle spielt (Frage 8). Selbst eine Zwangsverrentung, die durch die Abschläge dazu führt, dass dauerhafte Fürsorgebedürftigkeit im Alter entsteht, hält die Bundesregierung schlicht für ‚zulässig‘.
Diese Aussage der Bundesregierung erfolgt, obwohl erste Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit zumindest in diesem Fall Zwangsverrentungen für unzulässig halten (vergleiche etwa Sozialgericht Duisburg, Aktenzeichen S5 AS 4787/12 ER; Manfred Hammel: ‚Zwangsverrentung von Arbeitslosengeld-II-Empfängern auf Druck des Jobcenters‘, ‚Info Also‘ 4/2013). Diese Rechtsprechung ist der Bundesregierung aber schlicht ‚nicht bekannt‘ (Frage 10). Das sollte sich unbedingt ändern.“
Im Beschluss des Sozialgerichts Duisburg wird auch die Unbilligkeitsverordnung genannt. Die Schärfe der Zwangsverrentung von gesunden, erwerbsfähigen Erwerbslosen mit 63 entsteht dadurch, dass vorzeitig in die Rente Gezwungene nur Anspruch auf Sozialleistungen haben. Der Anspruch auf Grundsicherung entsteht erst mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze beziehungsweise mit dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit. Wer weniger als drei Stunden arbeiten kann, ist erwerbsunfähig.
Zurück zur Anfrage der „Linken“. Auf Seite 5/6 der Auswertung steht dazu: „Einen dramatischen Absturz erleiden diejenigen, deren Rentenanspruch nicht zur Existenzsicherung ausreicht. Diese Personen fallen nicht nur aus dem SGB II heraus, sondern haben – weil sie das reguläre Rentenalter noch nicht erreicht haben – auch keinen Anspruch auf die Grundsicherung im Alter: Sie fallen in die traditionelle Sozialhilfe (vergleiche Frage 11). Dies bedeutet gegenüber Hartz IV und dem SGB II geringere Vermögensfreibeträge, geringere Einkommensfreigrenzen und Rückgriff auf die Einkommen und Vermögen von Eltern (bei 63-Jährigen weniger relevant) und Kindern!
In der ‚Ansparphase‘ sowohl bei Hartz IV als auch in der Sozialhilfe noch geschütztes Altersvermögen sei nun zu verbrauchen, ‚es folgt die Phase des Kapitalverzehrs‘ (Frage 12). In der Kombination dieser erheblichen Hürden ist davon auszugehen, dass ältere Menschen kurz vor dem regulären Ruhestand nicht einmal Sozialhilfe bekommen, sondern gänzlich leer ausgehen. Der mit dem Hartz-IV-Bezug einhergehende soziale Abstieg wird durch vollständige Verarmung zu einem Abschluss gebracht.“
Wer eine vorgezogene Altersrente erwartet, die unterhalb des Zahlbetrags bei ALG II liegt, sollte die Auswirkungen einer ergänzenden Sozialhilfe rechtzeitig überdenken. Nur wer die Regelaltersgrenze erreicht hat oder erwerbsunfähig ist, erhält Grundsicherung. Bei der Grundsicherung müssen die Angehörigen erst ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro Unterhalt erstatten, siehe 502. Bremer Montagsdemonstration. Die Abläufe zum lückenlosen Geldeingang sind genauso wie beim Übergang in die Grundsicherung.
Wer es nachlesen will: Grundsicherung steht im SGB XII Viertes Kapitel, Sozialhilfe im Dritten Kapitel. Die Aufwendungen für die Grundsicherung werden Bremen vom Bund zu 100 Prozent erstattet. Außerdem steht in den Eingangsbemerkungen der Verwaltungsanweisung zur Grundsicherung, dass eigentlich der Bund diese Rahmenbedingungen festlegen müsste.
Wie die Verwaltung in Bremen das 4. Kapitel des SGB II umsetzen soll, steht auf den Folgeseiten. Alles, was vom Gesetzestext abweicht, ist eine Anweisung an die Verwaltung ohne Außenwirkung. Es hat keine Gesetzeskraft! Wieder einmal wird klar: Der Arme ist der „Dumme“. Es muss nicht sein. Gegenwehr ist möglich! Wie dies alles geht? Wir gehen mit! Sei es dir wert! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!