1. Laut einer aktuellen Studie der Bundesagentur für Arbeit waren im Juli 2014 rund 1,7 Millionen Kinder unter 15 Jahren auf Hartz IV angewiesen oder lebten in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft, was einem Anteil von 15,5 Prozent entspricht. Innerhalb eines Jahres sind 7.000 hinzugekommen. Im eigentlich reichen Deutschland ist somit jedes sechste Kind von Hartz IV abhängig. „Besonders zu Weihnachten spüren viele Kinder, dass sie in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen müssen“, mahnt Arbeitsmarkt-Expertin Sabine Zimmermann („Die Linke“).
Sie rügt, dass es besonders für Hartz-IV-Beziehende ungleich schwerer sei, ihren Kindern ein schönes Weihnachtsfest zu bescheren. Während in Berlin jedes dritte Kind von Hartz IV betroffen ist, waren es in Bayern 7,2 Prozent. In den neuen Bundesländern sind 23,5 Prozent aller Kinder von der Hartz-IV-Armut betroffen, die gerne als „von Armut bedroht“ verharmlost wird. Die Kinder sind mit ihren Eltern von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen!
2. Hurra, seit dem 1. Januar 2015 ist es endlich soweit: Wir haben einen Mindestlohn! In Paragraf 1 des im Sommer beschlossenen Mindestlohngesetzes steht, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber hat. Künftig muss jede Stunde Arbeit mit mindestens 8,50 Euro brutto entlohnt werden, was einem Bruttomonatsgehalt von 1.473 Euro entspricht. Das neue Gesetz soll sowohl für Vollzeitbeschäftigte als auch für Minijobber(innen) und Saisonkräfte gelten, wovon laut Bundesarbeitsministerium 3,7 Millionen Menschen profitieren würden. Doch gilt das Gesetz wirklich für jede(n)?
Aber klar, da macht es nichts, dass sowohl Weihnachts- als auch Urlaubsgeld angerechnet werden, wenn sie anteilig mit dem monatlich fälligen Mindestlohn ausgezahlt werden! Es stört ja außer den Betroffenen selbst fast gar keinen, dass 18-Jährige ohne Berufsabschluss, Auszubildende oder Praktikanten, die nicht länger als drei Monate im Pflicht- oder freiwilligen Praktikum arbeiten, ebenfalls rausfallen. Wer beanstandet schon branchenspezifische Sonderregelungen, wonach Zeitungszusteller(innen) zunächst nur einen Anspruch auf 75 Prozent des Mindestlohns, also 6,38 Euro haben, der erst ab dem 1. Januar 2016 auf 7,23 Euro brutto und schließlich am 1. Januar 2017 auf 8,50 Euro brutto erhöht werden muss?
Auch die Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau oder Friseurhandwerk werden noch etwas länger auf den Mindestlohn warten müssen. Wen kümmert es da schon, dass für Langzeitarbeitslose, die also mindestens ein Jahr lang erwerbslos waren, sechs Monate lang kein Mindestlohn gezahlt zu werden braucht? Nein, da wird beileibe nie nicht und niemals nicht ein Drehtüreffekt geschaffen, der Arbeitgebern die Möglichkeit gibt, alle sechs Monate einen neuen Langzeitarbeitslosen auf den noch immer mit unter 8,50 Euro brutto „dotierten“ Platz zu setzen!
Man höre und staune: Auf diese erquickliche Weise erhalten Langzeiterwerbslose endlich die Chance, die einem Sechser im Lotto gleichkommen soll, dass sie mitnichten faul, unpünktlich, nicht belastbar und ohne Tagesstruktur seien, sondern zu guter Letzt beweisen dürfen, dass sie „trotz“ ihrer Arbeitslosigkeit Menschen mit erworbenen Erwachsenen- und Berufsqualifikationen geblieben sind! Sollen wir uns jetzt bei der Gewerkschaft und den Sozialdemokraten, den Christdemokraten und den Grünen für diesen vor Ausnahmen nur so strotzenden Mindestlohn bedanken, der nicht armutsfest ist, von dem niemand auskömmlich leben kann, noch nicht mal für jene, die ihn ausgezahlt bekommen? Oder sollen wir ihn als Treppenwitz der SPD und Offenbarungseid der sozialdemokratischen Bundesarbeitsministerin bezeichnen und ihn angewidert von so viel emphatischer Schaumschlägerei in der nächstgelegenen Güllegrube entsorgen?
3. Zum Jahreswechsel wärmte der Chef der Arbeitagentur mal wieder das Märchen vom Fachkräftemangel auf. Obwohl es gar nicht genügend Arbeitsplätze für jüngere Menschen gibt, sprach sich Frank-Jürgen Weise für eine „freiwillige Rente mit 70“ aus. Nun fordert Weise, „Anreize“ zu schaffen, dass ältere Menschen bis zum 70. Lebensjahr arbeiten können sollen. Er hält „flexible Ausstiege aus dem Erwerbsleben in die Rente“ grundsätzlich für ein gutes Modell. Wie diese „Anreize“ aussehen könnten, ließ Weise weise offen.
Doch liegt es auf der Hand, dass in Richtung einer weiteren, auch ganz und gar unfreiwilligen Erhöhung des Renteneintrittsalters zu einer zusätzlichen Rentenkürzung hart „gearbeitet“ wird. Schließlich reicht weder der neu eingeführte, viel zu geringe Mindestlohn noch die Grundsicherung dazu aus, Armut zu verhindern, weder im Alter noch in den „besten Jahren“. Der im Grundgesetz verankerte Sozialstaat soll offenbar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wie auch immer irgendwie abgebaut werden!
Vor zehn Jahren traten die Hartz-IV-Gesetze in Kraft. Dazu zieht die Bundesregierung eine positive Bilanz. Ihre Rechnung ist einfach: Die damalige Massenarbeitslosigkeit von über fünf Millionen wurde angeblich auf heute 2,7 Millionen Arbeitslose fast halbiert. Der „Stern“ schreibt, Angela Merkel könne „Deutschland jetzt als mustergültig verkaufen und den Ruhm einstreichen, aus dem ‚kranken Mann‘ ein Kraftpaket gemacht zu haben. So tourt sie durch Europa und empfiehlt, es den Deutschen gleichzutun.“ Unsere Bilanz sieht anders aus: Den Beweis, dass neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, treten weder SPD/Grüne, die Hartz IV eingeführt haben, noch Angela Merkel an. Die vorhandene Arbeit wurde lediglich auf mehr Leute verteilt.
Das belegt die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden in Deutschland. Sie liegt mit gut 58 Milliarden Stunden noch unter dem Niveau von 1990 von knapp 60 Milliarden Stunden. Massenhaft Unterbeschäftigung mit Teilzeit- und Mini-Jobs war die Folge. Bereits Mitte 2012 ermittelte das Statistische Bundesamt eine Zahl von 7,4 Millionen Erwerbsfähigen, die entweder arbeitslos oder unterbeschäftigt sind. Auch die Zahl der Arbeitslosen ist manipuliert. So werden 2,4 Millionen Arbeitssuchende aus den Reihen der ALG-II-Bezieher aus unterschiedlichen Gründen nicht zur offiziellen Arbeitslosigkeit gezählt. Dazu zählen unter anderem arbeitslose Menschen über 58 Jahre, die in irgendeine „Maßnahme“ oder „Transfergesellschaft“ wie jetzt bei Opel in Bochum gesteckt werden.
Hartz IV war vor zehn Jahren auch nicht entwickelt worden, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Von Anfang an ging es vor allem um den Zwang, jede Arbeit annehmen zu müssen, und die Lohnkosten zu senken. Das ist auch trefflich gelungen. Die Arbeitslosigkeit wurde nicht beseitigt, sondern Deutschland zum Niedriglohnland Nummer eins in Europa. Mit 24,3 Prozent Niedriglohnanteil liegt Deutschland weit über dem europäischen Durchschnitt von 17 Prozent. 1,3 Millionen Menschen können heute von ihrer Arbeit nicht leben und sind als sogenannte Aufstocker zusätzlich auf ALG II angewiesen. Das ist nichts anderes als ein staatlich finanzierter Lohnkostenzuschuss. Nur 60.000 dieser aufstockenden Beschäftigten werden nach Prognosen durch den neu eingeführten Mindestlohn aus ihrer Situation herauskommen. „Der Mindestlohn ist kaum mehr als ein soziales Trostpflaster und eine politische Mogelpackung“, so der Politologe Christoph Butterwege.
Die deutsche Industrie ging zum Jahreswechsel noch einen Schritt weiter: Sie verlangte von der Bundesregierung das „Ende der Wohltaten“. Welche Wohltaten? Was sie darunter versteht, kündigt jetzt Frank-Jürgen Weise, der Chef der Bundesagentur für Arbeit, schon mal an: Er will die „Rente mit 70“ salonfähig machen. In den Ohren zehntausender älterer Arbeitsloser und derjenigen, die es aus gesundheitlichen Gründen nicht bis ins gesetzliche Renteneintrittsalter schaffen (von den 60- bis 65-Jährigen ist nur noch ein Drittel sozialversicherungspflichtig beschäftigt), muss es wie Hohn klingen, wenn wieder einmal über die „Freiheit des längeren Arbeitens“ philosophiert wird. Sogar der neue thüringische Ministerpräsident der Linkspartei, Bodo Ramelow, signalisierte Unterstützung: „Ich sehe diesen Vorschlag nicht als Quatsch an“. Auch die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Brigitte Pothmer, äußerte sich positiv zur „Rente mit 70“.
Laut einer Umfrage von „Infratest Dimap“ von Anfang 2014 wünschen sich mehr als die Hälfte der Beschäftigten einen früheren Rentenantritt. Das ist genau das Gegenteil dessen, was die Berliner Regierung systematisch vorantreibt. Beschlossen wurde bereits von der letzten Großen Koalition, das Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre im Jahr 2029 anzuheben. Die mit der „Rente ab 67“ verbundene Rentenkürzung wird damit zum Druckmittel, länger zu arbeiten, um der Altersarmut zu entgehen, frei nach dem Motto: Je mehr die Renten sinken, desto mehr Werktätige werden „freiwillig“ länger arbeiten. Zehn Jahre Hartz-Gesetze sind aber auch zehn Jahre Widerstand. Bis heute gehört Hartz IV zu den verhasstesten Gesetzen in Deutschland. Deshalb hat die Montagsdemobewegung eine gute Zukunft: Wir machen weiter, bis die Hartz-Gesetze vom Tisch sind!
Immer wieder werde ich von Personen angeschrieben und gefragt, warum ich als „Kommunist“ für ein Grundeinkommen eintrete. Selbstverständlich trete ich dafür trotzdem weiterhin ein, auch ohne eine Bedingungslosigkeit zu fordern, die es hierfür nicht geben kann.
Ich habe mich zwischenzeitlich davon überzeugen lassen, dass die geforderte Bedingungslosigkeit eine Unmöglichkeit ist und eher Befürworter eines Grundeinkommen und dessen Gegner spaltet als zusammenführt. Nichts auf der Erde gibt es ohne Bedingungen, und deshalb bestimmt auch kein Grundeinkommen.
Die erste Bedingung würde nämlich schon mal lauten: Es müsste jedem Menschen solidarisch in gleicher Höhe gezahlt werden, egal wie alt und welcher Herkunft, und zwar ohne vorherige Bedürftigkeitsprüfung und egal ob arm oder reich, und zwar in ausreichender Höhe, mindestens aber in Höhe der derzeit geltenden Pfändungsfreigrenzen.
Die zweite Bedingung wäre, dass alle Arbeit gleich besteuert werden müsste und das Grundeinkommen zumindest teilweise aus dem erwirtschafteten Mehrwert der Unternehmen finanziert wird, vielleicht aus einer zusätzlichen Arbeitsmarktabgabe in Höhe des jeweiligen gesetzlichen Mindestlohnes. So wären zum Beispiel auch Kleinstunternehmer finanziell abgesichert.
Das wäre in meinen Augen zumindest schon mal solidarisch und könnte die Menschen im Sozialbezug und in Arbeit zusammenbringen mit einer Forderung, für die es sich solidarisch zu kämpfen lohnt. Für ein schönes Leben für alle, lasst es uns anfassen! Auf Parteien sollten sich die Menschen hierzu wohl eher nicht verlassen.
1. Es gab viele Jahresrückblicke. Am treffendsten fand ich den von Urban Priol – 90 kurze Minuten, die sich lohnen: „Tschüssikowski 2014, Jahr der Weltmeister und der Kriegstreiber, der Steuerhinterzieher, Selfies und Streikwellen. Mautdebatten und Mauerfalljubiläum, Putin-Angst und Pegida-Wut. Eine Welt im Wahnsinn – und mittendrin eine Bundesregierung im Stillstand? Höchste Zeit für eine Abrechnung, findet Kabarett-Anarcho Urban Priol. Mit gewohnt spitzer Zunge und scharfen Pointen holt er einmal mehr aus zum unterhaltsamen Rundumschlag. Weder Politik noch Gesellschaft werden verschont, wenn der ehemalige Anstaltsleiter des ZDF die Höhe- und Tiefpunkte des Jahres Revue passieren lässt.“
Es gab auch einige Rückblicke auf Hartz IV, aber keinen Hinweis auf die Plünderung der Steuersäckel durch die Senkung der Körperschaftsteuer beziehungsweise die Steuerunterlassung bei der Zerschlagung der „Deutschland AG“ (siehe 388. und insbesondere 452. Bremer Montagsdemonstration, Abschnitt 6) und andere „Begleiterscheinungen“. Der DGB hat die Auswirkung beschrieben, seine Veröffentlichung trägt den Titel: „Zehn Jahre Hartz IV – ein Grund zum Feiern?“ Eine treffende Analyse!
Seite 4 unten: „Eine nachhaltige Überwindung der Bedürftigkeit gelingt vielen nicht. Schnell wird dies den Betroffenen selbst zugeschrieben, während allzu gerne ausgeblendet wird, dass Niedriglohnbeschäftigung hierzulande schnell zur beruflichen Sackgasse werden kann und relativ hohe Mieten beziehungsweise unfreiwillige Teilzeitarbeit oder gesundheitliche Einschränkungen das Hartz-IV-Risiko deutlich steigen lassen.“
Seite 5 oben: „Mehr als 15 Millionen Menschen haben zumindest zeitweilig mit Hartz IV Erfahrung machen müssen. Dies sind zweieinhalb Mal so viele Menschen wie monatlich unterstützt werden müssen. Je länger Menschen auf Hartz IV angewiesen sind, desto eher sinkt der Lebensstandard, zeigen sich gesundheitliche Probleme und drohen Qualifikationen entwertet zu werden. Die Gefahr einer sozialen und arbeitsmarktpolitischen Abwärtsspirale steigt. Doch politische Antworten auf den hohen Anteil dauerhaft Bedürftiger und der hohen Fluktuation am Rande des Hartz-IV-Bezugs gibt es bisher nicht.“ – Meine Anmerkung dazu: Aktuell sind etwas über 50 Prozent vier Jahre oder länger auf Hartz IV angewiesen. Das ist nachzulesen in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, siehe vorige Bremer Montagsdemonstration.
Seite 7: „Reformbedarf. Das Hartz-IV-System ist äußerst komplex und schnell überfordert, da immerhin fast zehn Prozent der Bevölkerung unter 65 Jahren auf existenzminimalem Niveau abgesichert und deren Integration gefördert werden soll und dies durch ein unübersichtliches Steuerungssystem noch erschwert wird.“ – Meine Anmerkung: Der DGB hat sich aus der Steuerung des SGB II ausbooten lassen beziehungsweise der DGB wurde nicht ins Boot gelassen. Der DGB hat Sitz und Stimme in der Bundesagentur für Arbeit, aber leider nicht in der „Abteilung SGB II“.
Auf den folgenden Seiten stehen die Vorschläge des DGB zur Nachbesserung des Systems. Der „Spiegel“ schrieb: „Zehn Jahre Hartz IV: Linke kritisiert ‚Armut per Gesetz‘ mit der Forderung, Hartz IV durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung zu ersetzen“.
Der DGB hat sich schon im September 2013 zu den geplanten Änderungen im SGB II geäußert: „Mit scharfen Sanktionen setzen die Jobcenter derzeit die Mitwirkungspflichten von Hartz-IV-Empfänger(inne)n durch. Doch der enorme Druck, drakonische Zumutbarkeitsregeln und niedrige Regelsätze wirken sich auf alle Arbeitnehmer aus. Sie akzeptieren eher miese Arbeitsbedingungen, wenn bei Jobverlust Hartz IV droht. Der DGB fordert deshalb eine grundlegende Reform von Sanktionen, Zumutbarkeit und Regelsätzen.“ Es folgt eine gute Analyse der Missstände entlang den Reformvorschlägen. Die Fraktion „Die Linke“ in Bremen hat eine Anfrage zu den Sanktionen der Jobcenter in Bremen gestellt; mit der Antwort des Senats kann es leider dauern.
Nun soll der Mindestlohn niedrige Löhne anheben. Dies klappt nicht bei allen Betroffenen. Elisabeth hat die Besonderheiten für die Zeitungszusteller benannt. Allein daraus wird sichtbar, wie erfolgreich die „Bearbeitung“ der Abgeordneten des Deutschen Bundestags etwa durch die Zeitungsverleger war, siehe 481. Bremer Montagsdemonstration. Von unserer Zeitungszustellerin haben wir eine nette Abschiedsinformation erhalten: Um einer weiteren Lohnkürzung zu entgehen, will sie künftig länger schlafen. Sie trägt seit 20 Jahren die Zeitung hier aus und hat viele Lohnkürzungen hinnehmen müssen. Jetzt ist das Fass übergelaufen: Ausgerechnet der Mindestlohn führt zu weiterer Lohnkürzung! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!
2. Es wird abgelenkt. „Rente mit 70“? Ich komme darauf zurück. Heute geht es mir um den Übergang vom Arbeitslosengeld II in die Rente mit ergänzender Grundsicherung. Das scheint auf dem ersten Blick sehr einfach zu sein: Statt des Jobcenters zahlt die Rentenversicherung, und das Sozialamt stockt eine bestehende Differenz auf. Leider ist es nicht so (siehe 477. Bremer Montagsdemonstration, Abschnitt 5), denn Rente wird rückwirkend gewährt, ALG II dagegen im Voraus gezahlt. Beim ALG II wird aber die am Monatsende eingehende Rente auf die Ansprüche am Monatsanfang angerechnet.
Bei der Grundsicherung wird dieser Renteneingang erst auf den Folgemonat angerechnet, und somit entsteht keine Lücke. Wer Rente beantragen will, kann sich vorher eine Rentenauskunft einholen. Dort stehen die wahrscheinliche Rentenhöhe und der früheste Rentenbeginn. Die Jobcenter verlangen die Rentenauskunft sehr frühzeitig. Diese Auskunft in Kopie dem Jobcenter geben. Parallel dazu prüfen und handeln, wenn der Rentenzahlbetrag niedriger ist als die Leistung des Jobcenters. Der Zahlbetrag der Rente ergibt sich durch die Minderung der voraussichtlichen Rente um die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Es sind die Arbeitnehmeranteile wie bei einem Arbeitsverhältnis.
Einfach formlos Grundsicherung im Alter (SGB XII) beim Amt für soziale Dienste beantragen: „Ich beantrage hiermit Grundsicherung im Alter als Ergänzung zu meiner Rente, siehe Anlage“. Beifügen bitte die Rentenauskunft und den aktuellen ALG-II-Bescheid. Beantragen Sie die Grundsicherung für den ersten Monat als Rentner – den Monat des Anspruchs auf Rente –, auch wenn das Jobcenter für diesen Monat noch zahlt. Den Antrag nachweislich abgeben. Die Formulare können nachgereicht werden. So erreichen Sie, dass bereits im ersten Monat als Rentner ein Anspruch auf Grundsicherung besteht.
Das Jobcenter erteilt Ihnen einen befristeten Bescheid über das Ende des ALG-II-Anspruchs. Die Rentenversicherung teilt Ihnen mit, dass Ihre Rente als Einmalzahlung für bis zu drei Monate mit dem Jobcenter verrechnet wird und ab einem bestimmten Zeitpunkt monatlich an Sie ausgezahlt wird. Diesen Bescheid legen Sie dem Amt für Grundsicherung vor und beantragen die Zahlung der Grundsicherung und die Verrechnung mit dem Jobcenter für die Zeit davor.
Falls die Ämter keinen lückenlosen Zahlungsübergang schaffen und Sie mittellos sind, gehen Sie zur Rechtsantragsstelle des Sozialgerichts (Ausweis und Leistungsbescheide sowie Anträge mitnehmen) und beantragen einstweiligen Rechtsschutz. Wichtig ist, dass Sie die Grundsicherung ab tatsächlichem Beginn des Rentenanspruchs stellen, den Bescheid des Amtes für Grundsicherung auch dahingehend überprüfen und eventuell reklamieren.
Sie werden merken, das Amt für Grundsicherung verlangt alles von Ihnen, obwohl die Grundsicherung genauso hoch wie das ALG II. Die Anweisung an die Verwaltungen über die Kosten der Unterkunft ist identisch, insofern darf es keine Abweisung in der Erstattung der Miete geben. Falls doch, einfach nachfassen. Wer eine Nebentätigkeit hat, verliert bei der Grundsicherung den Freibetrag für die Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, kann aber Werbungskosten geltend machen. Auch Unterhalt, die eigene Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und eventuelle weitere Renten werden ohne Freibetrag vom Leistungsanspruch abgezogen.
Den Freibetrag für Versicherungen von 30 Euro beim ALG II gibt es bei der Grundsicherung nicht. Bei der Grundsicherung werden aber die Beiträge zu einer bestehenden Haftpflichtversicherung sowie einer Hausratversicherung erstattet. Wer eine Versicherung neu abschließen will, sollte sich vorher vergewissern. Die Grundsicherung lässt Anträge für Reparaturen und Ersatzbeschaffungen zu – wie im alten Sozialhilferecht –, falls Sie im Antrag nicht darauf verzichtet haben. Der Verzicht ist zwar jederzeit widerrufbar, aber nicht rückwirkend. Wenn Sie widerrufen, nachdem Ihre Waschmaschine defekt ist, so ist die Reparatur beziehungsweise Ersatzbeschaffung nicht erstattungsfähig.
Grundsicherungsleistungen sind von Ihren Angehörigen nur zu erstatten, wenn diese Menschen 100.000 Euro oder mehr pro Jahr verdienen. Eine Nachfrage des Amtes für Grundsicherung bei Ihren Angehörigen ist nur zulässig, wenn diese Einkommenshöhe vermutet werden kann, zum Beispiel wenn diese Arzt oder Rechtsanwalt von Beruf sind. Sie können bei dem Beruf Zusatzangaben machen. Die Grundsicherung gemäß SGB XII verlangt wie das ALG II gemäß SGB II vorrangig die Verwertung des Vermögens. Bei der Grundsicherung bleiben in der Regel nur 2.600 Euro anrechnungsfrei für eine(n) Über-60-Jährige(n).
Zum Vermögen gehört auch eine Sterbeversicherung, selbst wenn dieser Betrag für die eigene Beerdigung gedacht ist. Dabei gibt es Ausnahmen. Wer seine Beerdigung im Voraus bezahlt hat, lebt mit dem Insolvenzrisiko des Bestatters. Wer ein eigenes selbstgenutztes Haus oder eine solche Wohnung hat, bekommt die Grundsicherung ebenfalls. Für die selbstgenutzte Immobilie gelten höhere Freibeträge. Falls das selbstgenutzte Einfamilienhaus oder die Eigentumswohnung diese Grenzen überschreiten, wird der Erstattungsanspruch des Amtes für Grundsicherung als Hypothek eingetragen. Diese Hypothek kann beim Ableben beziehungsweise bei Aufgabe der Eigennutzung fällig gestellt werden. Diese Entscheidung ist normal mit Widerspruch und Klage anfechtbar.
Wenn Angehörige oder Erbberechtigte den Leistungsberechtigten im Haus oder in der Wohnung gepflegt haben, so können sie in dem Haus weiterhin wohnen bleiben, auch wenn der Leistungsberechtigte in ein Heim gezogen ist. Hierbei gelten viele Besonderheiten. Wer den laufenden Rentennachrichten entnehmen kann, dass er von der Rente allein nicht leben kann, sollte sich umfassend informieren. Mit Abstand lässt sich vieles beachten und regeln. Wie dies alles geht? Kommen Sie zur Bremer Montagsdemonstration! Wir gehen mit!
Wenn wir schon über Vermögen reden, so müssen ältere Erwerbslose mit Erreichen der Altersgrenze beim Schonvermögen einen Vermögensverzehr hinnehmen: „Ab Erreichen des genannten Alters oder Eintritts in den Ruhestand (Termin der Fälligkeit der Versicherungsleistung) ist der geschützte Vermögensbetrag bei Hartz-IV-Bezug monatlich um 1/180 zu kürzen. Die Zahl 180 resultiert aus der durchschnittlichen Lebenserwartung und entspricht 180 Monaten, also 15 Jahren.“ Wann und ob tatsächlich angerechnet werden kann, ist vorhersehbar. Ob dieses Geld vorher für Ausgaben benötigt wird, ist somit in Ruhe planbar.
3. Bremen ist bunt! Hier gibt es keine Veranstaltung der Nazis. Die Bremer Montagsdemonstration hat sich in ihren Anfängen erfolgreich gegen Nazis gewehrt – auch zwischendurch. Die Regeln unseres Offenen Mikrofons lassen keine Nazis und keinen Rassismus zu. Ich habe die Petition gegen „Pegida“ unterzeichnet. Auch so kann klargestellt werden: Ich möchte die Vielfalt Bremens erhalten! Sehr wirksam für ein buntes Köln war die Ausschaltung der Beleuchtung rund um den Dom.
Die Demos gegen „Pegida“ werden zunehmen. Übrig bleiben für „Pegida“ die Nazis. Alle anderen werden sich den Gegendemonstrationen anschließen und auch dort klarmachen, dass sie nicht zur Unterstützung der Regierungsgewalt auf der Straße sind! Warum wir jede Woche in Bremens „guter Stube“ stehen? Wer bis hierher auch nur überflogen hat, bekommt eine Ahnung von der Vielfalt der wünschenswerten Änderungen für eine lebenswerte Zukunft! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!