294. Bremer Montagsdemo
am 06. 09. 2010  I◄◄  ►►I

 

Ab Montag, dem 13. September 20010, ereignet sich wöchentlich um 18:59 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz der Schwabenstreich gegen die Milliardenverschwendung zugunsten der Konzerne.

 

„Jeden Tag im Monat zehn Prozent weniger essen und trinken“?

Hans-Dieter Binder1. Aus aktuellem Anlass: Es werden immer noch die Erstattungen von Miete und Heizkosten nicht im vollem Umfang vorgenommen, leider wieder mit steigender Tendenz. Daher hier im Detail: Miete und Heizkosten wurden im SGB II umgetauft in „Kosten der Unterkunft“. Bei der Miete handelt es sich um die Bruttokaltmiete, das heißt Miete und Nebenkosten inklusive Wasser und Abwasser, jedoch ohne die Kosten der Warmwassererwärmung und ohne Strom. Diese Bruttokaltmiete erscheint in keinem Mietangebot! Ein Wohnungssuchender im Leistungsbezug muss daher viel Energie zur Wohnungssuche aufbringen. Außerdem ist angemessener Wohnraum in Bremen sehr knapp, und oftmals erfolgt die Vermietung über einen Makler.

Die Rahmenbedingungen für die Kosten der Unterkunft in Bremen stehen in einer Verwaltungsanweisung zu § 22 SGB II. Es gibt es auch in Kurzform, die naturgemäß unvollständig ist. Die Mietobergrenzen nach Feststellung der Sozialsenatorin stehen unter Position 5.2 und 5.3, aber nach der gefestigten Rechtsprechung des Sozialgerichts Bremen und des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen sind die Werte gemäß Wohngeldgesetz § 12, Mietstufe IV anzuwenden. Die Sozialsenatorin akzeptiert dies unter Position 5.6. In besonderen Fällen kann die angemessene Miete aber auch höher sein (Position 5.7). Die Kosten der Wohnungssuche bitte festhalten und die Übernahme vorher bei der Bagis beantragen. Der Nachweis der Kosten kann auch gleich als Nachweis für die umfängliche Suche genutzt werden, auch um den Antrag auf Übernahme der Maklerkosten zu begründen.

Bremen hat nun ein neues Gutachten zu den angemessenen Kosten der Unterkunft bestellt. Die Lieferung sollte im August erfolgen. Insofern sind wir an euren und Ihren Erfahrungen der Wohnungssuche interessiert und bitten um Mitteilung der aktuellen Erfahrungen! Die Bagis möchte vor der Anmietung gefragt werden. Auch dies muss nicht sein, aber die vorherige Frage sorgt für etwas mehr Sicherheit. Einer unakzeptable Ablehnung bitte schriftlich geben lassen, den Vermieter oder Makler um circa eine Woche Aufschub bitten und die Hilfe des Gerichts per einstweiligem Rechtsschutz beantragen. Wie dies alles geht? Wir gehen mit!

In der Vergangenheit wurde nach heutiger Akzeptanz der Sozialsenatorin vielen Leistungsbeziehern zu wenig Miete (KdU) erstattet. Die Bagis soll von Amts wegen nachzahlen. Wer seine Miete nicht voll erstattet bekommt, kann unter Punkt 16 und in Anlage 4 nachlesen. Aber auch die dort genannten Fakten entsprechen nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Daher muss, wer seine Miete nicht voll erstattet bekommt, einen Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung die Kostenübernahme stellen. Dies geht vier Jahre rückwirkend bis zum 1. Januar 2006, auch wenn inzwischen die volle Miete erstattet wird und die Kürzungen damals erfolgten, aber bisher nicht nachgezahlt wurden. Die Stichtage für die erhöhten Werte sind einfach gegriffen und nicht durch Veränderungen des Wohnungsmarktes begründet und daher nicht gerichtsfest. Daher den Antrag stellen und bei einer Ablehnung oder nur teilweiser Nachzahlung die Hilfe des Gerichts in Anspruch nehmen. Wie dies geht? Wir gehen mit!

So weit ist das eigentlich nichts Neues. In der Verwaltungsanweisung steht nur, was die Bagis auf erstes Anfordern zahlt beziehungsweise zahlen sollte. Alles kann hinterfragt werden, auch mithilfe des Gerichts. Die Verwaltungsanweisung ist kein Gesetz! Die Heizkosten sind ein weiteres Ärgernis, denn selbst bei angemessenem Heizverhalten kann es zu Kürzungen kommen. Auch dagegen kann mensch sich wehren, siehe nachfolgenden Abschnitt. Wie dies geht? Wir gehen mit!

 

2. Die Hilfe des Gerichts kommt im normalen Klageverfahren meistens erst nach vielen Monaten zur Wirkung, nur im einstweiligen Rechtsschutz kommt sie prompt. Neu ist die Notwendigkeit, auch bei einem gekürzten Betrag, der unter zehn Prozent des Regelsatzes liegt, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, das heißt umgehende Hilfe des Gerichts. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen am 24. Februar 2010 entschieden (Aktenzeichen L7 AS 1446/09 B ER). Nachstehend zitiert die Schlussabsätze:

„3d) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners hat der Antragsteller eine besondere Eilbedürftigkeit für die begehrte Regelung glaubhaft gemacht. Streitgegenstand sind hier Leistungen zur existenziellen Sicherung, die begrifflich im Zeitpunkt des aktuell auftretenden existenziellen Bedarfs benötigt werden und somit nicht beliebig einer Nachholung nach dem späteren Ausgang des Hauptsacheverfahrens zugänglich sind. Aus diesem Grunde geht der Senat bei Grundsicherungsleistungen, von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, in denen entweder Einkommen oder mögliche und zumutbare Hilfe durch Dritte feststellbar sind, grundsätzlich davon aus, dass in der Regel ein Anordnungsgrund besteht, ohne dass eine ausführliche Glaubhaftmachung erforderlich ist.

Es ist verwunderlich, wenn der Antragsgegner hervorhebt, dass im Eilverfahren eine Kürzung von Grundsicherungsleistungen um 20 Prozent bis zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens anerkannt sei. Denn dies entspricht nicht der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen. Der erkennende Senat hat mehrfach hervorgehoben, dass es sich auch bei niedrigeren Beträgen, als sie in diesem Verfahren streitig sind, nicht mehr um Bagatellbeträge handelt. Diese Bewertung gebietet bereits der Charakter von Grundsicherungsleistungen als Sicherung des unbedingt notwendigen soziokulturellen Existenzminimums. Der verweigerte Rechtsschutz wird nicht dadurch plausibler und erträglicher, wenn – wie vorliegend das Sozialgericht im aufgehobenen Beschluss festgestellt hat – dem Antragsteller zugemutet wird, nicht an einer bestimmten Zahl von Tagen pro Monat nichts zu essen oder zu trinken, sondern an jedem Tag im Monat zehn Prozent weniger zu essen und zu trinken.

Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09; Pressemitteilung Nummer 5/10) wird dieser Begründung endgültig der Boden entzogen, zudem das SG dem Antragsteller nicht offenbart hat, wie er nach Durchführung des Hauptsacheverfahrens die ihm täglich für sechs Monate vorenthaltenen zehn Prozent an Essen und Trinken existenzsichernd nachholen soll. Artikel 1 Grundgesetz gewährleistet ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das bedeutet nicht nur die Sicherung der physischen Existenz, sondern auch ein Mindestmaß an Teilhabe an gesellschaftlichem, kulturellem und politischem Leben. Dieses Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss vom Grundsicherungsträger und notfalls durch die Rechtsschutz gewährenden Instanzen eingelöst werden. Daran hat sich das Sozialgericht nicht gehalten.

Es kommt hinzu, dass die Argumentation des Sozialgerichts vom Antragsteller nur als zynisch empfunden werden kann. Es geht hier ausschließlich um die das Sozialrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten bestimmenden Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese Aufwendungen stehen nicht zur Disposition des Antragstellers (wie zum Beispiel Ausgaben für Essen und Trinken), weil er entsprechende Beträge monatlich an den Vermieter beziehungsweise an den Stromlieferanten abführen muss. Das Sozialgericht geht offenbar davon aus, dass ein über Art 1 Grundgesetz als Existenzminimum gewährleistetes Wohnen nur •ein Dach über den Kopf‚ bedeutet, nicht aber auch das Wohnen in Räumen mit einer angemessenen Raumtemperatur (so aber die Rechtsprechung des Senats: Beschluss vom 28. Mai 2009 – L7 AS 546/09 ER). Das Sozialgericht mutet faktisch dem Antragsteller zu, dass er im jetzigen Winter jeden Tag für ein paar Stunden in seiner Wohnung im Kalten sitzen soll, obwohl er die Abschläge ungekürzt an den Stromlieferanten in der Höhe abführen muss, als ob er in beheizten Räumen wohnen würde.“

Der Kläger hatte 33,66 Euro an Heizkosten monatlich nicht erstattet bekommen. Fazit: Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht über die Regelsatzhöhe hat klargemacht, wie sehr der Regelsatz heruntergebrochen wurde und dass keinerlei Spielraum vorhanden ist. Auch die Bagis erstattet Abschlagszahlungen an Energielieferanten, Vermieter und Wasserwerke teilweise nicht in voller Höhe. Wer hiervon betroffen ist, kann einen Widerspruch einlegen und die Hilfe des Gerichts im einstweiligem Rechtsschutzverfahren beantragen. Wenn der Bescheid bereits rechtskräftig ist, einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X stellen und ebenfalls die Hilfe des Gerichts im einstweiligem Rechtsschutzverfahren beantragen. Natürlich ist der Antrag nach § 44 SGB X auch in allen anderen Notlagen möglich, nämlich immer, wenn der Bescheid rechtskräftig geworden ist und die Kürzung zukünftig oder laufend erfolgt. Wie dies geht? Wir gehen mit!

 

3. Die neu erstellten Heizkostenspiegel sind an die Verwaltungsanweisung angehängt. Dort sollen die Höchstwerte für die Heizungskosten ablesbar sein. Dem Mieter obliegt es, bei Überschreiten dieser Grenzwerte Argumente und Gründe für die Angemessenheit zu liefern. Die Entstehung des Heizkostenspiegels ist jedoch zu hinterfragen. Wie jede Statistik hat er sicher Unzulänglichkeiten, beispielsweise sind Dachgeschosswohnungen nicht extra ausgewiesen. Leider sind die einfachen Wohnungen nicht die am besten isolierten. Ich habe auch keine Ausführungen über die Berücksichtigung von Besonderheiten im Heizkostenspiegel gefunden. Solche Information steht aber den Gerichten zur Verfügung. Diese erweiterten Nachweise kosten in jedem Fall Zeit, in der Geld fehlt, wenn die Bagis sofort auf den aus ihrer Sicht angemessenen Betrag kürzt.

Daher Widerspruch einlegen und sofort die Kürzung für den Zahlbetrag und die Differenz für die laufenden Abschläge per einstweiligem Rechtsschutz einfordern. Wie dies geht? Wir gehen mit! Dies geht jetzt auch für kleine Beträge, siehe vorhergehenden Abschnitt. Die Entscheidung über die tatsächliche Angemessenheit kann dann ohne Geldnot erfolgen. Falls der Bagis erlaubt wird, auf sofortige Kürzung zu verzichten, kann das einstweilige Rechtsschutzverfahren entfallen, und dem Sozialgericht wird viel Arbeit erspart! Wer die Frist des Widerspruchs verpasst hat, stellt auch hier einen Antrag nach § 44 SGB X. Die Rahmenbedingungen sind die gleichen. Wie dies geht? Wir gehen mit!

 

4. Hier meine Wünsche an die Verwaltung:

  1. Die Veröffentlichungen unter „Soziales Bremen“ entsprechen nicht den Vorgaben des Bremer Informationsfreiheitsgesetzes. Wo steht zum Beispiel, dass diese Verwaltungsanweisung auch vom Sozialamt anzuwenden ist? Wo stehen die Ausführungsbestimmungen für die Ermessensspielräume? In welchem Abstand werden Änderungen eingearbeitet?
  2. Die Möglichkeit nutzen, ALG-II-Bewilligungen auch für zwölf Monate vor­zunehmen.
  3. Vom Finanzamt lernen: Gerichtsentscheidungen auch für die anderen Leistungsempfänger anwenden, und zwar durch entsprechende Anmerkungen in den Bewilligungsbescheiden. Dann ist bereits der Widerspruch überflüssig.
  4. Das Sozialgeheimnis besser schützen, zum Beispiel dem Leistungsempfänger nicht dauernd externe Bescheinigungen abverlangen, aus deren Notwendigkeit klar hervorgeht: Dies ist ein Leistungsempfänger!
  5. Die Briefe der Bagis an die Kunden würden jedem Unternehmen die Kundschaft vergraulen, insbesondere bei Überzahlungen.
  6. Äußerungen von Mitarbeitern wie „Sie liegen dem Staat auf der Tasche“, „Sie haben sich gut eingerichtet im Leistungsbezug“ und Ähnliches mit Sanktionen ahnden Dazu den Sanktionskatalog mit dem Personalrat erarbeiten.
  7. Die Erreichbarkeit muss während der normalen Arbeitszeit auch außerhalb der Öffnungszeiten gewährleistet sein. Eine Vorsprache wegen akuten Geldmangels oder die Vorlage eine Mietangebotes können nicht auf drei Arbeitstage begrenzt werden. Die Verhinderung einer Vorsprache ohne Termin ist ein weiteres Unding!

Dies kann bei Bedarf fortgesetzt werden. Schon die Umsetzung der vorstehenden Vorschläge vermindert die Unzufriedenheit und sorgt somit für Entspannung vor den Schreibtischen. Geld wird trotzdem gespart: im Verwaltungsaufwand. Macht mit und gebt uns eure Erfahrungen frei und eure Wünsche! Der „Soziale Lebensbund“ macht jeden ersten Dienstag im Monat um 19 Uhr im „Hibiduri“ (Ecke Friedrich-Ebert-Straße/Thedinghauser Straße) eine Veranstaltung zur Begleitung: Reden wir über Begleitung zum Amt!

 

5. In Bremen sind nächstes Jahr Wahlen. Am 9. September 2010 tagt die „De­putation für Soziales, Jugend, Senioren und Ausländerintegration“ um 14 Uhr im Siemenshochhaus an der Cotrescarpe 72. Auf der Tagesordnung erscheint kein Hinweis auf das bestellte Gutachten, das Thema steht aber über den Punkt Heizkosten drauf. Ich hoffen, dass diesmal ein wirkliches Gutachten erstellt wird und nicht wieder nur ein Bericht, noch dazu mit unrichtigen Annahmen und Unterstellungen. Mieten sind ein zentrales Thema! Wir werden keine Zwangsumzüge und kein Aushungern hinnehmen! Inzwischen dürfen Zuschauer offiziell teilnehmen. Daher last uns zuhören und bei Bedarf die Präsenz erhöhen!

Es wird auch über die Entwicklung der Ausgaben für Soziales beraten. Dabei wird gern übersehen, dass Bremen allein im Jahr 2005 durch die Einführung des ALG II 60 Millionen Euro gespart hat! Als Unterstützer für Betroffene sind wir Motor zum Thema in Bürgerschaft, Deputationen und Öffentlichkeit. Wir machen Werbung für die Macht des Kreuzes auf dem Wahlzettel: einfach wegkreuzen! Darum jeden Montag um 17:30 Uhr auf dem Bremer Marktplatz bei der Demo Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Doppel-Äff in der Zwickmühle: Darf man denn in diesem Land
gar nicht mehr das Volk verhetzen? („Spiegel-Online“)

 

Wahnvorstellungen eines Sauriers

Frank Kleinschmidt Eine Debatte über Integration von Migran­t(inn)en in unserer Gesellschaft könnte ja sinnvoll sein, wenn diese sachlich geführt und nicht auf von keinerlei Sachkenntnis getrübten Vorstellungen eines Herrn Sarrazin basieren würde. Nicht, dass unsere derzeitige Finanz- und Steuerpolitik – sowie die durch die Bankenkrise hervorgerufenen Hunderten von milliardenschweren steuerfinanzierten Rettungspaketen – unseren Staatshaushalt gefährden, nein: Es sollen laut Sarrazin imaginäre „Kopftuchmädchen“ sein, die unsere Staatskassen plündern.

Darüber hinaus mag die Bestimmung, welche Folgen von Aminosäuresequenzen welche vererbbaren Eigenschaften beinhalten, den Biologen vorbehalten bleiben. Herrn Sarrazins mangelndes Verständnis über biologische sowie sozioökonomische Zusammenhänge lassen zumindest Zweifel aufkommen, ob er von höheren Primaten abstammt und nicht eher in direkter Linie von Sauriern. Die sind jedenfalls ausgestorben – so wie Herrn Sarrazins Ansichten zum Aussterben verurteilt sind. Die Evolution selbst weiß nichts von solchen absurden Ideen, denn sie basiert auf Naturgesetzen und nicht auf den Wahnvorstellungen eines Sauriers.

Frank Kleinschmidt (parteilos, „so:leb – Sozialer Lebensbund“)
 
Aber kaum ohne Goldenen Handschlag: Sarrazin verlässt
die Bundesbank freiwillig („Spiegel-Online“)

 

Ich kann diesen Faschingshitler nicht mehr sehen

Elisabeth Graf1. Weil die Hartz-Gesetze so schwammig formuliert und Sachbearbeiter absichtlich oder aus Unwissenheit falsche Bescheide verschicken, muss oft vor Gericht um Hartz IV gestritten werden. Gleich in mehreren Prozessen, bei denen es um Kosten der Unterkunft und Vermögen ging, haben Sozialgerichte nun zugunsten von Arbeits­losengeld-II-Beziehern entschieden. Erhalten solche eine befristete Beschäftigung und ziehen währenddessen in eine neue und teurere Wohnung, muss die Arge nach einem Urteil des Bundessozialgerichts auch diese Unterkunftskosten grundsätzlich übernehmen.

In einer weiteren Entscheidung urteilte der Senat, dass die Arge ALG II nicht mit Blick auf ein erst in Jahren zu erwartendes Vermögen als Darlehen gewähren darf. Nur Vermögen, das sich voraussichtlich innerhalb von sechs Monaten verwerten lasse, könne auf das Arbeitslosengeld II mindernd angerechnet werden, urteilte derselbe Senat. Auch könnte es sich für Langzeitarbeitslose lohnen, gegen die Anrechnung der Abwrackprämie als Einkommen auf Hartz-IV-Leistungen zu klagen. Die Arge Cottbus nahm in zwei Fällen wegen mangelnder Erfolgsaussicht ihre Sprungrevisionen zurück. Damit sind für den Hartz-IV-Bezieher günstige Urteile des Sozialgerichts Cottbus in Kraft, wonach die Abwrackprämie als zweckgebundene Einnahme gewertet wird, die nicht auf Hartz IV angerechnet werden darf. Wieder ein Beweis dafür, dass es sich immer lohnt, sich zu wehren, sich für sein Recht einzusetzen!

 

2. Langsam kann ich seinen Namen nicht mehr hören: den von Thilo Sarra­zin! Eigentlich sind die Thesen, die er in seinem Buch und in einer Fülle von Interviews seit vergangener Woche ausbreitet, derart haarsträubend dämlich, dass sich eine sachliche Auseinandersetzung verbieten müsste. Es tut mir in der Seele weh, wenn gebetsmühlenartig der ganze gefährliche Schwachsinn – dass die Intelligenz und die Dummheit vererbbar seien und sich die angeblich überdurchschnittliche Fertilitätsrate der Dummen zu einem gesellschaftlichen Problem entwickelt habe –, so leicht und wie selbstverständlich überall heruntergeleiert wird. Die „Dummen“ gehören natürlich zu einem Großteil den Muslimen an, und alle sind selbst schuld, dass... Nein, verdammt, ich bete jetzt nicht auch noch mal diesen rassistischen Müll herunter, es wissen ja alle, wovon ich spreche! Wäre Sarrazin Mitglied der NPD, erführe er keinerlei Beachtung, aber er ist nun mal Parteigenosse der SPD und will das erstaunlicherweise immer noch bleiben.

Auch bekomme ich es richtig mit der Angst zu tun, wenn ich dem Rauschen im medialen Blätterwald lausche und hören muss, dass dieser Hass­prediger nun mehr oder weniger offenen Zuspruch von etlichen Angehörigen der sogenannten Eliten bekommt und ihm auch der überwiegende Teil der Medien sekundiert. Aus den Löchern traut sich jetzt die ganze aufgewiegelte Volksmenge, die ihre menschenfeindlichen Haltungen bisher nur hinter vorgehaltener Hand am Stammtisch zu flüstern wagte. Hat der rechte Mob etwa schon die Meinungshoheit im deutschsprachigen Internet erlangt? Warum muss so ein Machwerk über auflagenstarke und leider viel beachtete Zeitungen wie den „Spiegel“ und die Gazette mit den vier Großbuchstaben oder in dieser obskuren Sendung „Hart aber fair“ derart verbreitet werden? Die Blattmacher scheinen genau zu wissen, dass inzwischen wieder Platz für die kalte neoliberale Menschenfeindlichkeit in Hülle und Fülle vorhanden ist.

Mit großem Entsetzen vernehme ich immer wieder auch den Zuspruch, den dieses Lebewesen erfährt, dass nämlich diese Thesen aufgestellt werden können müssen und dass er ja eigentlich Recht habe, sich das nur keiner sonst zu sagen traute, blablabla. Offenbar bemerkt jetzt sogar die SPD – beziehungsweise ein Teil von ihr – im zweiten Anlauf endlich, wie sie sich selbst mit einem solchen Mitglied schadet. Auch der Vorstand der Deutschen Bank horcht auf und überlegt, wie er sich von ihm trennen kann. Die Bevölkerung ist nach einer „Emnid“-Umfrage im Hinblick auf die beantragte Entlassung Sarrazins aus dem Bundesbank-Vorstand gespalten: 45 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, dass Bundespräsident Wulff die Entlassung unterschreibt, 41 Prozent lehnen dies jedoch ab. Der ehemalige Berliner Finanzsenator will sich jedenfalls nicht mit einem Rauswurf abfinden und droht damit, vor Gericht zu ziehen. Hat er noch nicht gelernt, dass es aus dem Wald so herausschallt, wie hineingerufen wurde?

Bezeichnete ich Herrn Sarrazin öffentlich als personifizierten Schlaganfall oder als graumelierten Faschingshitler, müsste ich mit einer Anzeige wegen Beleidigung rechnen. Darum mache ich das auch gar nicht! Aber für mich erweckt es den Anschein, als ob sich hier ein Täter zum armen, verkannten Opfer, gar zum Märtyrer hochstilisieren möchte. Auch „Blöd“ scheint dem Boulevard-Gen zu erliegen, indem es zu seiner Verteidigung titelte, solche Sätze müssten „noch gesagt werden dürfen“! Armer Thilo Sarrazin, sagt er doch nur stellvertretend für viele, was etliche in Deutschland denken, und soll dafür bestraft werden. Armer Thilo Sarrazin, wie ungerecht! Ein echtes Opfer eben. In der Antike wurde der Überbringer schlechter Nachrichten ermordet. Meint Herr Sarrazin, dass er mit seinem Ausschluss aus der SPD und dem Vorstand der Deutschen Bank gar ähnlich behandelt würde? Im Gegensatz zu uns fällt der vermutlich angehende Millionär weich gepolstert, wenn er entlassen und rausgeschmissen wird. Armes Deutschland! Ich möchte mich auch nicht dafür schämen, eine Deutsche zu sein, weil ich in diesem einen Punkt mit Herrn Sarrazin auf einer Stufe stehe!

 

3. Die deutsche Wirtschaft boomt, und auch das Geldvermögen der betuchten Bundesbürger wächst seit Mitte des vergangenen Jahres rasant. So liegt auch die Zahl der Millionärshaushalte auf einem neuen Rekordniveau: Sie stieg 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 11,2 Millionen. Ekelhaft asozial, dank einer ebensolchen Politik! Weltweit verfügt nur knapp ein Prozent aller Haushalte über ein Vermögen von einer Million US-Dollar oder mehr, sie vereinen aber 38 Prozent des globalen Vermögens. Der Großteil der Deutschen sorgt sich zu Recht darum, dass der konjunkturelle Aufschwung an ihnen vorbeigeht.

Das schwarz-gelbe Gruselkabinett versucht nun, mit einem Haushaltsbegleit­gesetz Handlungsfähigkeit zu beweisen, ohne allerdings dabei der eigenen Klientel allzu sehr auf den Schlips treten zu müssen. Wenn es mit 37 Prozent bei den Sozialausgaben die tiefsten Einschnitte des sogenannten Sparpakets gibt, dann lässt sich nur noch von einer regelrechten Kürzungsorgie an armen Menschen sprechen! Das Wort Sparpaket ist für das „Erwerbslosenforum“ ein „Euphemismus, der kaum noch zu toppen ist“. Weil die Betroffenen kein gespartes Geld übrig haben, bleibt ihnen stattdessen deutlich weniger auf dem Teller. Das Elterngeld, die Rentenversicherungsbeiträge und der Zuschlag vom Arbeitslosengeld I auf ALG II bei Hartz IV sollen einfach ersatzlos gestrichen werden. Zudem fallen zahlreiche dringend notwendige berufliche Weiterbildungen weg. Bei Wohngeldbeziehern wird der Heizkostenzuschuss gestrichen. Die Bundesregierung zeigt ihre unsoziale neoliberale Fratze!

So hoffe ich, dass sich „neben dem angekündigten „heißen Herbst“ der Gewerkschaften Bundesregierung und die sie unterstützenden Profiteure der Wirtschaftskrise dafür nun auf Widerstandsformen des zivilen Ungehorsams einrichten lernen müssen, die sie so noch nicht kennen. Am 10. Oktober 2010 wird es eine bundesweite „andere“ Demonstration von Erwerbslosen mit Krach schlagen statt Kohldampf schieben im niedersächsischen Oldenburg geben. Das Ziel ist es, gesellschaftlichen Druck auf die völlig unzureichenden Hartz-IV-Eckregelsätze zu machen, wo allein für die Ernährung monatlich 80 Euro fehlen.

Für den 18. Oktober 2010 ruft das „Erwerbslosenforum Deutschland“ dazu auf, sich an den Aktionen der „Gruppe Georg Büchner“ in Frankfurt am Main zu beteiligen. Dort soll mit vielfältigen Aktionen ein Knotenpunkt der Finanzwelt blockiert werden. Es ist ein Anfang, weil diese Sparorgie nach dem Rasenmäherprinzip so nicht hingenommen werde kann. Forumssprecher Martin Behrsing verlangte, dass die Reichen für die Folgen ihrer Krise selbst bezahlen und nicht unter dem Deckmantel der „Systemrelevanz“ auf Kosten der Erwerbslosen profitabel unterstützt werden. Das „Erwerbslosenforum Deutschland“ fordert unter anderem endlich eine Besteuerung der Topverdiener, wie sie im Durchschnitt der westlichen OECD-Länder durchgeführt wird.

 

4. Offenbar wird in der Bundesregierung erwogen, Ausgaben für Alkohol und Tabak künftig grundsätzlich nicht mehr für die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze heranzuziehen. Zu einer endgültigen Entscheidung soll es erst kommen, wenn die Auswertung der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorliege. Zu allem Überfluss hatte die reizende FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger die Frage aufgeworfen, „ob alles, was derzeit zum Grundbedarf gehört, tatsächlich Grundbedarf ist“. Sie will wohl nicht wahrnehmen, dass die tatsächlichen Lebenskosten auf keinen Fall mit dem derzeitigen Regelsatz abgedeckt werden können, der mindestens zwischen 600 und 700 Euro liegen muss! Die neuen Regelsätze sollen wahrscheinlich so „berechnet“ werden, dass die untersten Löhne nicht steigen müssten. Also wird hier und da noch ein bisschen gestrichen, damit nur geringfügig mehr gezahlt wird oder wie durch ein Wunder wieder der gleiche Satz herauskommt.

Für manche Menschen ist die Zigarette die einzige Beruhigungspille, die sie beim Vegetieren mit Hartz IV noch haben, und außerdem dämpft sie den Hunger. Oder müssen alle Nichttrinker und Nichtraucher vielleicht noch das Geld zurückgeben, was sie in den letzten Jahren nicht für Alkohol und Zigaretten ausgegeben haben, obwohl es doch zweckgebunden eben nur dafür vorgesehen war? Diese Bande schreckt vor nichts zurück! Wenn ich daran denke, dass monatlich lachhafte 11,90 Euro für Tabak und Alkohol vorgesehen sind, um die hier so ein Zirkus gemacht wird, und zudem 1980 der Regelsatz für Einzelpersonen zum Lebensunterhalt bei der Sozialhilfe 600 DM betrug, während heute, im Jahre 2010, nur 359 Euro, also rund 718 DM ausgezahlt werden, dann gab es in dieser Zeitspanne von 30 Jahren auf der einen Seite eine Steigerung von sagenhaften 118 DM, während sich auf der anderen Seite – nicht zuletzt durch die Einführung des Teuro, die noch mal eine Verdoppelung mancher Kosten nach sich zog – die Lebenshaltung um ein Vielfaches verteuert hat. Diese Regierung soll sich was schämen! Aber Werte wie Moral, Anstand, Mitgefühl und Gerechtigkeit sind hier wahrscheinlich an der falschen Adresse.

 

5. Die Bundeskanzlerin meldet sich zu Wort und befindet, es sei nicht einsehbar, Pflegekräfte aus Osteuropa kommen zu lassen, wenn es in Deutschland 2,2 Millionen arbeitsfähige Transferempfänger gibt. Demnach sollen Hartz-IV-Bezieher künftig als Pfleger eingesetzt werden, weil sich der Fachkräftemangel nicht allein durch Zuwanderung beheben lasse. Nach Meinung von Experten wird die Nachfrage nach Pflegekräften künftig nicht nur wegen der Alterung der Gesellschaft steigen. Auch das Aussetzen des Zivildienstes werde den Personalmangel in der Pflege weiter verstärken, wobei sich die Zivis kaum als Fachkräfte bezeichnen lassen! Mit ihnen fallen die billigen Arbeitskräfte weg, für die nun ALG-II-Bezieher in die Bresche springen sollen.

Pflegedienst ist in der Tat nichts für jeden. Ich denke dabei nicht nur an den körperlichen Verschleiß und die damit verbundenen Beeinträchtigungen, sondern auch daran, wie unerträglich es sowohl für die Pflegenden als auch für die zu betreuenden Menschen wird, wenn diese Arbeit unfreiwillig und widerwillig verrichtet wird! Unfreundlichkeit, Schlampigkeit, Brutalität und was nicht noch alles sind dann wohl zu erwarten. Es ist außerdem eine Frechheit, Erwerbslose und Pflegebedürftige ausbaden lassen zu wollen, was die Politik vermurkst hat! Wenn Pflegeberufe gut bezahlt und die Dienste verändert würden, wenn Hilfsmittel (etwa zum Heben) überall verfügbar wären, dann könnte der Pflegedienst auch wieder attraktiv für Jugendliche werden! Es spricht nichts dagegen, Hartz-IV-Beziehern ordentliche Arbeitsverhältnisse, die anständig bezahlt werden, auch im Pflegebereich anzubieten statt aufzuzwingen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Schluss mit Bagatellkündigungen: „Emmely“ will zur Weltfrauenkonferenz
nach Venezuela („Bild“-Zeitung)

 

Rente mit 60 ist nötig und möglich!

Ich möchte über meine Erfahrungen mit der Rente berichten. Seit einem Bandscheibenvorfall im letzten Jahr kann ich nach 35 Jahren nicht mehr in meinem Beruf als Drucker arbeiten. Mit meinem Antrag auf Reha beim Rentenversicherungsträger begann eine wahre Odyssee.

Harald BraunMeine Odyssee ist eine Erfahrung, die Millionen Rentner machen. Um die Rente zu kürzen, werden sogar bestehende Gesetze gebrochen. Aber das muss kein Schicksal sein: Jede(r) sollte alle Bescheide kritisch unter die Lupe nehmen, seine Rechte kennen lernen und sich mit anderen Betroffenen und Fachleuten beraten. Die Montagsdemo hilft euch dabei! Wir sind eine solidarische Gemeinschaft zur gegenseitigen Unterstützung.

Aber wir klagen nicht nur für unsere Rechte, wir kämpfen für eine menschenwürdige Gesellschaft! Die Altersarmut wächst rasant. Die Hälfte aller Rentner(innen) bekommt heute schon keine volle Rente mehr, weil das tatsächliche Eintrittsalter bei 60,7 Jahren liegt. Wer 35 Jahre lang im Schnitt 1.500 Euro brutto verdient hat, bekommt eine Rente von 657 Euro. Deshalb sind heute schon fast eine Million Rentner(innen) über 65 Jahren gezwungen, ihre Armutsrente durch billige Lohnarbeit aufzubessern.

Die Pläne des Kapitals und der Regierung zur Erhöhung des Eintrittalters auf 70 ist ein reines Rentenkürzungsprogramm. Das Argument, die gesetzliche Rente sei wegen der Altersstruktur der Gesellschaft nicht finanzierbar, ist eine bewusste Irreführung. Das „Loch in der Rentenkasse“ hat vor allem zwei Gründe: Massenarbeitslosigkeit, Niedriglöhne und Unterbeschäftigung haben stark zugenommen – und die Kapitalisten haben sich Stück für Stück aus der „Parität“ verabschiedet. Ihr Beitrag zur Rentenversicherung wurde eingefroren, jede Erhöhung bezahlen die Beschäftigten. Jedes Prozent mehr würde ihre Profite um neun Milliarden Euro schmälern, das wollen sie natürlich nicht.

Die Großunternehmen tragen heute nur noch mit zehn Prozent zum Steuereinkommen bei, vor 20 Jahren waren es noch 20 Prozent. Durch die sprunghaft gestiegene Produktivität in der Gesellschaft wäre es längst möglich, auch den Rentner(inne)n einen menschenwürdigen Lebensabend zu garantieren. Deshalb sollten wir auch dafür kämpfen, das Rentenalter zu senken – für Frauen auf 55, für Männer auf 60 Jahre, natürlich ohne Kürzungen – und eine staatliche Mindestrente durchzusetzen, die unabhängig ist von der ausgeübten Berufstätigkeit und bei 1.000 Euro liegt!

Harald Braun

 

Husten statt heizen?

Bettina Fenzel Heute war ich bei meinen Hausarzt. Der stellte fest, dass die Schraube, an der die Metallplatte in meinem linken Fuß befestigt ist, fast schon zur Haut hinauskommt und daher entfernt werden muss. Daher kommen wohl auch die gesundheitlichen Probleme, über die ich in den letzten Wochen berichtet habe. Seit meinem Fußgelenkbruch im Januar kann ich noch nicht wieder gut laufen, und das Bein schwillt immer dick an. Jetzt habe ich einen Termin zur Herausnahme der Platte am Freitag, den 10. September 2010 um 10:30 Uhr. Erst sagte mir eine Mitarbeiterin von Krankenhaus „Links der Weser“, dass ein vorstationäres Röntgen nicht möglich sei, da die Kosten dafür nicht übernommen würden, wenn ich keine Überweisung fürs Krankenhaus vorlegen könne. Mein Arzt erklärte mir wiederum, ich hätte solch eine Überweisung.

Am 2. September 2010 war der Hausmeister der „Gewoba“ da und erklärte mir, dass ich die einzige Mieterin sei, die Probleme mit Schimmel habe. Ich hätte nicht gut gelüftet. In der Nachbarschaft erfuhr ich allerdings, dass die „Gewoba“ vor 20 Jahren einen zweiten Stock zusätzlich aufs Haus draufgebaut hat. Damals regnete es stark, als das Haus ohne Dach war. Die Außenmauern waren durchnässt, und das Wasser ging bis in den Keller hinein. Ich erfuhr, dass es auch in anderen „Gewoba“-Wohnungen im Haus Schimmel gibt, was auch schon dem Gesundheitsamt gemeldet war. Die Gesellschaft erklärte, die Mieter, die dem Gesundheitsamt Schimmelprobleme meldeten, seien „unseriös“. Jetzt kommt am 9. September 2010 zwischen 11 und 12 Uhr der Malermeister, um ein Mittel gegen den Pilz aufzubringen. Das soll 24 Stunden einwirken, aber ob das den Schimmel wirksam bekämpft, steht auf einem anderen Blatt. Kommt der Schimmel von feuchten Außenwänden, müsste hier konkret etwas von der „Gewoba“ unternommen werden, um dem entgegenzuwirken.

Wohlgemerkt: Lüften allein reicht nicht aus, um Schimmel wirksam zu bekämpfen. Es wäre Aufgabe der „Gewoba“, etwas Wirksames gegen den Schimmel zu unternehmen, da sich dieser sehr gesundheitsschädigend auf die Menschen auswirkt. Bei mir war es bisher immer so, dass ich den ganzen Winter über Bronchitis hatte. Als ich jetzt von 5. Januar bis zum 26. Mai 2010 nicht in meiner Wohnung war, hatte ich kein einziges Mal Bronchitis! Sind Wohnungen in Ordnung, ist Lüften und gutes Heizen bis 21 Grad Zimmertemperatur wichtig, um Bildung von Schimmel zu verhindern, sonst wird er zur Gefahr für die Gesundheit, wenn er sich in der Wohnung festsetzen kann. Dass die Regierung jetzt beschlossen hat, die Heizkostenpauschale für Wohngeldbezieher zu streichen, ist nicht hilfreich, um die Wohnungen im Winter ausreichend zu beheizen und Schimmelbildung zu verhindern. Sollen Menschen hier erfrieren oder Hunger leiden, weil sie kein Geld zum Heizen haben und versuchen, weniger Geld für Lebensmittel auszugeben, da sie Heizkosten bezahlen müssen? Diese Politik bedeutet massiven Sozialabbau. Dagegen gehört Widerstand geleistet!

Bettina Fenzel (parteilos)

 

Hetzen als Ablenkung vom Kürzen

Wolfgang Lange Man kann den Namen Sarrazin bald nicht mehr hören. Aber was hier abgeht, hat Methode: Nicht nur, dass hier ein Rassist übelster Sorte gegen Migranten hetzt. Der eigentliche Skandal ist, welcher Raum ihm dafür geboten wird, als Talkshow-Gast bei Beckmann und „Hart aber fair“, als Star der Bundespressekonferenz. Dazu gibt es jeden Tag eine „Bild“-Kampagne mit dümmlichen Hetztiraden. Angeblich wird „dem Volk aufs Maul geschaut“, wenn Sprüchen wie „Darf man die Wahrheit nicht mehr sagen?“ geklopft werden. Gesteuert und bewusst kalkuliert wird hier versucht, „Volkes Stimme“ zu manipulieren. Heute ist dann zu lesen, 18 Prozent würden eine Sarrazin-Partei wählen, und die SPD hätte größte Probleme, wenn sie ihn ausschließt. Diese ganze Geschichte geht nicht einfach von Sarrazin aus, sonst gäbe es nicht solch einen Rummel!

Dahin steckt mehr: ein Manöver zur Verdeckung der begonnenen umfassenden Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung. Da braucht man mal wieder einen „Schuldigen“, da muss abgelenkt werden von den Banken, Konzernen und dem ganzen Spekulantenpack, das die Krise verursacht hat und wofür wir jetzt bluten sollen. Dazu passt auch, dass das Bundesverfassungsgericht der faschistischen NPD am Samstag eine Kundgebung in Dortmund erlaubt hat. Aber 10.000 Antifaschisten ließen das nicht zu und verkündeten: „Diese Stadt ist unsere Stadt! Kein Fußbreit den Faschisten!“ Es wird denen da oben nicht gelingen, wie in der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1932 einen nennenswerten Teil des Protests und des Widerstands gegen den Angriff auf die Soziallage in eine braune Soße zu verwandeln. Der Widerstand von unten gegen die da oben steht links! Das gilt gerade für unsere Jugend.

Wir lassen uns nicht ablenken durch solche Manöver wie mit Sarrazin. Wir haben nicht vergessen, was er in der Vergangenheit schon alles von sich gegeben hat, angefangen von seinem Kochbuch für Hartz-IV- Empfänger, worin er in übelster Weise hetzte, der Regelsatz würde locker reichen, wenn die Arbeitslosen nicht so viel söffen und rauchten, über seine Forderung, Wohngeld und Heizkostenerstattung zu kürzen, weil man auch zwei Pullover übereinander anziehen könne, bis hin zu den sattsam bekannten „Erklärungen“, Deutschland würde dümmer, weil die türkischen und arabischen Immigranten so dumm seien und so viele Kinder bekämen. Dieser Mann gehört wegen Volksverhetzung hinter Gitter – und alle, die ihm so großzügig Raum bieten für seine Hetze, gleich mit!

Am 16. Oktober 2010 gibt es nach der bundesweiten Herbstdemo ein großes internationales Kulturfest in Berlin, zu dem neben der MLPD zahlreiche Migrantenorganisationen sowie revolutionäre Parteien aus aller Welt einladen. Dort wird sich zeigen, welche kulturelle Bereicherung es ist, wenn Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen ihr Bestes zeigen! Was Abwälzung der Krisenlasten heißt, kann man in Griechenland sehen, wo der Lebensstandard der Bevölkerung rapide gesunken ist. Hierzulande will die Regierung die Arbeitslosen für Gesundheit zur Kasse bitten: ALG-I-Empfänger sollen in Zukunft die volle Zuzahlung bei Medikamente leisten müssen. Es gibt immer weniger zuzahlungsfreie Arzneimittel, ihre Zahl ist von 30.000 auf unter 5.000 gesunken.

Und noch etwas, wovon die Regierung gern ablenken will: Sie hat jetzt beschlossen, die AKW-Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern: die alten Schrottreaktoren um acht, die neueren um 14 Jahre. Für EON und RWE ist das ein Milliardengeschäft: In dieser Zeit werden sie circa 150 Milliarden Euro Extraprofite machen, denn die alten Atomkraftwerke sind längst abgeschrieben, und für die Entsorgung und Endlagerung kommt großzügig der Steuerzahler auf. Dafür sollen sie lächerliche 2,3 Milliarden pro Jahr abführen, aber nur sechs Jahre lang, also insgesamt knapp 14 Milliarden. Kein schlechtes Geschäft! Das zeigt, dass die Merkel/Westerwelle-Regierung mit Haut und Haaren eine Regierung des Monopolkapitals ist. Damit dürfen sie nicht durchkommen! Zur Demonstration am 18. September 2010 fahren Busse um 7:30 Uhr ab ZOB. Die Fahrt kostet 25 Euro. Ruft vorher beim BUND an, damit geplant werden kann!

In ganz Europa nehmen die Kämpfe wieder rasant zu, und wir bewegen uns auf einen heißen Herbst zu. Über 100.000 Franzosen demonstrierten am Samstag gegen Sarkozys menschenverachtende Roma-Abschiebungspolitik. In zahlreichen Städten versammelten sich deswegen Demonstranten vor den französischen Botschaften. Am Freitag waren circa 65.000 Stuttgarter gegen das Bahnhofsbauprojekt „S21“ auf der Straße. Die Veranstalter sprachen sogar von 100.000 Teilnehmern. Viel Applaus für die Aussage „Wir lassen uns nicht über den Runden Tisch ziehen“. Heute will Oberbürgermeister Schuster auf Montagsdemo sprechen. Demonstranten fordern: Erst Baustopp – dann Gespräche! Aktiver Widerstand ist etwas, was wir überall lernen müssen. Die bundesweite Herbstdemo am 16. Oktober in Berlin wird deshalb eine ganz wichtige Bedeutung haben, alle Kräfte des Widerstandes zu bündeln!

Wolfgang Lange (MLPD)
 
Bankrott droht noch vor Monatsende: Hypo Real Estate braucht mal eben einen Hartz-IV-Jahreshaushalt zusätzlich („Spiegel-Online“)

 

Bedingungsloses Grundeinkommen – weniger geht überhaupt nicht!

Hans-Dieter Wege1. Hallo Gesine Lötsch! Vielleicht sollte man mal bei „Emnid“ nachfragen, wie festgestellt wird, ob es tatsächlich Anhänger der Partei „Die Linke“ waren, die zu 29 Prozent eine „Sarrazin-Partei“ wählen würden. Wenn das zuträfe, wäre es eine ziemliche Bankrotterklärung für die Partei „Die Linke“! In meinen Augen ist es allerhöchste Eisenbahn, dass man endlich eine Forderung aufstellt, mit der man wirklich alle Menschen in diesem Land mitnehmen kann: Das bedingungslose Einheitsgrundeinkommen mit der gerechten Verteilung der tatsächlich benötigten Lohnarbeitsstunden könnte die Spaltung der Menschen überwinden helfen.

In Ergänzung oder Kombination mit dem „4-in-1“-Modell von Frigga Haug wäre das die wirklich neue soziale Idee. Weniger geht überhaupt nicht! Weniger kaufen euch die Menschen nicht mehr als Problemlösung ab, ich selbst auch nicht, obwohl ich niemals eine Sarrazin-Partei wählen würde. Orientiert euch gefälligst an der Basis und beginnt bloß nicht damit, wie die anderen Mandatsträger(innen) der bürgerlichen Parteien über den Wolken zu schweben! Ansonsten dürfte sich zumindest im Westen die Partei „Die Linke“ ganz schnell selbst erledigen. Mit freundlichen Grüßen. –

Auf diesen Brief erhielt ich folgende Antwort aus dem Büro von Gesine Lötsch: „Sehr geehrter Herr Wege, vielen Dank für Ihre Nachricht. In der Tat ist Ihr Vorschlag überlegenswert und wird in der Linken heiß diskutiert. Es wäre jedoch zu einfach, die Zustimmung für Sarrazin allein auf soziale Gründe, Spaltung et cetera zurückzuführen. Viele Menschen, die von Hartz IV leben, teilen nicht die menschenverachtenden Äußerung von Sarrazin. Auch glaube ich nicht, dass 30 Prozent der Linken-Anhänger für eine solche Partei sind. Sarrazin vertritt Positionen, die unvereinbar mit unseren Zielen und Überzeugungen sind. Mit freundlichen Grüßen, im Auftrag N. Wolf“

 

2. Stefan Wolf, Sprecher der „Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen“, nennt in einem Aufsatz Argumente, warum „Die Linke“ das bedingungslose Grund­einkommen im Parteiprogramm verankern sollte. Hierzu kommentiert ein Herr Lindlacher ziemlich kurz und bündig: „Grundlage unserer Politik muss das sein, was richtig ist, und nicht die Meinung von Mitgliedern, die bei Umfragen ermittelt werden.“ Jetzt kann man natürlich sofort die Gegenfrage stellen: „Warum soll eine Mehrheitsmeinung aus der Basis einer Partei denn falscher sein, als die Meinungen von wenigen, die vielleicht anderer Meinung sind, und weshalb sollten die Meinungen der wenigen denn wohl richtiger sein?“

Dass der Mensch arbeiten sollte, um zu leben, und es sogar muss, um überhaupt in dieser Gesellschaft überleben zu können und anerkannt zu werden, dürfte doch unbestritten sein. Arbeiten mussten die Menschen schon vor Tausenden von Jahren als Jäger und Sammler. Ob es aber gerade profitorientierte Lohnarbeit sein muss – genau diese Form der Arbeit meinen die Gegner eines bedingungslosen Grundeinkommen ja immer –, das dürfte doch äußerst fraglich sein. Ich selbst bin der Meinung, dass man die Menschen an jeder Form der notwendigen Arbeit für eine Gesellschaft gerecht beteiligen sollte und jedem Menschen auch die Chance hierfür eröffnen muss.

Es darf den Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens auf keinen Fall darauf ankommen, einen größeren Teil unserer Gesellschaft von der derzeitigen Lohnarbeit einfach abzukoppeln und die Menschen mit einem Grundeinkommen abzuspeisen. Das bedeutete kaum eine Verbesserung für all diejenigen Menschen, die derzeit resignieren und zum Teil depressiv werden, da sie sich nutzlos vorkommen. Dagegen dürfte auch kein höheres Grundeinkommen helfen, denn nicht jeder Mensch vermag sich selbst zu beschäftigen. Letztlich muss es auf die gerechte Verteilung aller gesellschaftlich notwendigen Arbeitensstunden ankommen, wobei alle Arbeiten auch gleichberechtigt gewürdigt werden müssen. Es muss als Ziel angestrebt werden, die profitorientierte Lohnarbeit zu überwinden, da sie die Hauptursache für die Zerstörung der Natur und damit für die Beeinträchtigung eines lebenswerten Dasein zukünftiger Generationen auf der ganzen Erde ist.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner asozialer Politik)

Die „Prinzipien der Montagsdemonstrationen“ sollten unter Punkt 2 wie folgt ergänzt werden: Wir unterstützen zusätzlich jeglichen Kampf anderer Organisationen gegen diese asoziale Politik, sofern er auf antifaschistischer und antirassistischer Grundlage erfolgt. Eventuelle spalterische Versuche anderer Organisatoren lehnen wir ab, unterstützen aber solidarisch die betroffenen Menschen. Auch die Veröffentlichung von Demos und Aktionen anderer Organisationen auf der Internet-Seite der bundesweiten Montagsdemo erfolgt daher immer solidarisch und im Sinne der betroffenen Menschen.

Antrag der Initiative Bremer Montagsdemo für die nächste Delegiertenversammlung der bundesweiten Montagsdemo (einstimmig beschlossen)
 
Die Bremer Montagsdemo feiert am Samstag, dem 11. September 2010,
in den Neustadtswallanlagen (am Südbad) in der Zeit von
15 bis 21 Uhr ihr Spätsommerfest.
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz