255. Bremer Montagsdemo
am 16. 11. 2009  I◄◄  ►►I

 

In Worten eine Wende um 180 Grad

Udo RiedelHurra, die alte SPD ist wieder da – zumindest, falls man der Rede von Herrn Gabriel glauben kann. Wenn er mit 94,2 Prozent gewählt wurde, spricht das wohl dafür, dass die überwiegende Mehrheit mit diesem Kurs einverstanden ist; doch Zweifler wird es immer geben, und das ist auch gut so. Ich habe es mir angetan, die Rede auf einem Privatsender anzuschauen und gut zuzuhören. Wie ich dabei festgestellt habe, bedeutet diese Rede tatsächlich eine Wende um 180 Grad; und nach dem Beifall zu urteilen, steht die Basis auch dahinter. Das sind alle, die seiner Meinung sind.

Der Mann hat Recht! Warum nicht gleich so? Dann hätte es bei der Bundestagswahl anders ausgesehen, aber das ist jetzt Schnee von gestern. Wichtig für uns ist, dass man diesen Neuanfang nicht im Wege stehen darf. Wir von der Montagsdemo begrüßen diesen Sinneswandel natürlich, werden ihn auch mit wachsamen Augen beobachten und sehen, ob Sie Wort halten, Herr Gabriel! Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Glück dazu. Liebe Leute, nun habe ich noch einen Wunsch an euch: Unterstützt diejenigen, die sich für soziale und gerechte Politik einsetzen! Alle, die in nächster Zeit ihren Arbeitsplatz verlieren, gehören hierher! Alle, die gesund sind, kommt und kämpft mit uns! Lasst es nicht mehr zu, dass es wieder fünf Jahre dauert, bis die Politiker endlich merken, was sie falsch gemacht haben!

Die Montagsdemonstration ist keine Partei, ergreift aber Partei für die Schwächeren in dieser Gesellschaft. Bei uns darf jeder mitmachen – auch Personen, die der MLPD angehören, denn die MLPD ist nun mal eine demokratische Partei. Sie entsendet in einige Kommunalparlamente gewählte Abgeordnete und ist mit geringer Teilnehmerzahl auch auf der Montagsdemo vertreten. Wenn euch anderen das nicht passt, kommt hierher und ändert somit die Mehrheitsverhältnisse! Lasst euch hier sehen und überzeugt euch selbst von dem, was wir hier machen! Sagt jeden Montag: Wir wollen keine ungerechte Politik! Sagt es hier am Offenen Mikrofon! Natürlich habt ihr auch das Recht, uns zu kritisieren. Herr Gabriel, Sie und Ihre Parteigenossen brauchen nur auf unserer Homepage zu blättern und zu schauen, was für ein Unrecht wieder gutzumachen ist!

Udo Riedel (parteilos)

 

„Die Krise nutzen, um den
Tarif zu bereinigen“?

Hans-Dieter BinderDie SPD in Bremen will die Kürzungen der „Bremer Lagerhaus-Gesellschaft“ nicht hinnehmen: Die BLG will weitere 30 Millionen Euro beim Personal einsparen und die Krise nutzen, um die Tarifstruktur zu bereinigen. Die SPD will der BLG auch Verluste zumuten, statt Arbeitsplätze abzubauen. Die BLG hat ihr Vorhaben bereits ihrem Aufsichtsrat erläutert, und der hat zugestimmt. In ihm sitzen zwei Vertreter(innen) der Freien Hansestadt Bremen. Es stand in diesen Meldungen nicht, wie viel der Vorstand zu den Einsparungen beiträgt.

Der „Gesamthafenbetriebsverein“ wird nur am Rande erwähnt. Er hat 1.000 Arbeitsplätze abgebaut und erhebliche Lohnkürzungen durchgesetzt. Der GHVB gehört genauso zum Einflussbereich der Freien Hansestadt Bremen wie die BLG. Hat die SPD hier geschlafen? Der GHBV bietet laut seiner Internetseite augenblicklich keine freien Arbeitsplätze an, jedoch hat ein Hafenbetrieb Mitarbeiter(innen) gesucht, mit Rahmenbedingungen gemäß Tarifvertrag: 37 Stunden arbeiten pro Woche, davon werden 30 bezahlt (der Rest geht aufs Gleitzeitkonto), Dreischichtbetrieb, befristet auf sechs Monate, Verdienst 750 Euro netto pro Monat in der Lohnsteuerklasse I.

Hoffentlich fällt der Gewerkschaft dazu noch etwas ein! Die meisten Menschen, die hier zugegriffen haben, haben weiterhin Anspruch auf ergänzendes ALG II. Wer nein gesagt hat und von der Bagis eine Sanktion erhält, sodass eine Kürzung seines Regelsatzes vorgenommen wird, sollte Widerspruch einlegen und notfalls klagen. Wie dies geht? Wir gehen mit! Eine Arbeitsaufnahme unterhalb der ALG-II-Regelleistung ist unzumutbar, eine Sanktion daher nicht zulässig!

Die Sparkasse Bremen will alle Ausgaben prüfen. Erhebliche Personaleinsparungen sind das Ziel. Wie sagte doch der Einkommensmillionär Aden: „Die Krise nutzen, um den Tarif zu bereinigen!“ Der „Weser-Kurier“ drückt seine Zeitungszusteller(innen) in neue Gesellschaften, für weniger Lohn! Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall scheint der Personalabteilung noch nicht geläufig zu sein. Schlecker erpresst nicht nur beim Wechsel der Mitarbeiter(innen) in die neuen „XL-Märkte“ schlechtere Löhne und Arbeitsbedingungen, sondern hat auch eine Leiharbeitsfirma gegründet. Schlecker möchte alle Mitarbeiter(innen) darin einbringen und an sich selber ausleihen. Stundenlohn und Arbeitsbedingungen bleiben dabei auf der Strecke! Rechtlich wurde auch dies durch die Hartz-Gesetze ermöglicht.

Der Maschinenbauer Krause möchte die Schutzklausel im Tarifvertrag streichen. Die Mitarbeiter befürchten dann betriebsbedingte Kündigungen. Lohnverzicht sollen sie sowieso leisten! Mercedes krempelt die Rahmenbedingungen fürs Arbeiten und Bezahlen um. Auch hier wird die Krise genutzt. Airbus Bremen lagert einen Teilbereich an Fremdfirmen aus und baut Personal ab mit dem Ziel Kosteneinsparungen. Diese Aufstellung ist nicht vollständig. Ich habe auch mir Bekanntes vergessen oder erfolgreich verdrängt!

Doch zurück zur SPD und dem GHBV. Die Entlassungen sind heilbar. Die Rahmenbedingungen für die Kurzarbeit wurden geändert: Ein Betrieb kann auch für (neu) eingestellte Mitarbeiter(innen) sofort Kurzarbeit ansetzen. Der GHBV kann alle Menschen zu den gleichen Arbeitsbedingungen wieder einstellen. Die Betriebszugehörigkeit läuft bei dieser kurzen Unterbrechung sowieso durch. Dann müssen nicht die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit zurückgerechnet werden. Wenn der GHBV die laufenden Arbeitsgerichtsverfahren verliert, muss alles zurückgerechnet werden! Viel Arbeit, die sich der GHBV ersparen kann. Hinzu kommen hohe Kosten, weil der Arbeitslohn rückwirkend nachzuzahlen ist. Die Gegenrechnung von Kurzarbeit ist nicht möglich!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wehrt euch! Akzeptiert keine Kündigung! Eine betriebsbedingte Kündigung ist nicht begründbar, weil durch Kurzarbeit dem Arbeitgeber nur die Kosten für Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld verbleiben. Dies reicht nicht zur Begründung einer betriebsbedingten Kündigung! Die Politiker der SPD in Bremen wurden wachgerüttelt, ich hoffe nachhaltig. Die Rahmenbedingungen müssen geändert werden. Jeder ALG-II-Betroffene muss einen Lohn bis zu 30 Prozent unter Tarif beziehungsweise ortsüblichem Lohn akzeptieren. Diese Zumutbarkeitsregel kann für Bremen sofort gekippt werden!

Schwieriger ist es, Folgendes umzusetzen. Das Versandhaus Quelle wird aufgelöst. Dies zeigt schmerzlich eine Systemlücke: Kein Unternehmer ist zur Aufrechterhaltung des Unternehmens verpflichtet. Die Fortführung eines Betriebes kann nicht erzwungen werden. Die logische Folgerung: Wenn ein Unternehmer gehen will, so soll er gehen! Alle positiven Betriebsmittel, Patente et cetera fallen der Belegschaft zu, wenn diese den Betrieb weiterführt, alle Aktiva, die zum Betriebsvermögen gehören, egal, in welcher Firma sie aktiviert sind oder an welche Firma sie übertragen oder verkauft wurden. Die Schulden verbleiben dem bisherigen Inhaber! Wir erhalten so die Voraussetzungen für eine friedliche Zukunft! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
Irgendwann gibt es gar keine Arbeit mehr: Dann lassen Genetiker Holzstühle von allein auf dem Feld ihrer Ernte entgegenreifen („Süddeutsche Zeitung“)

 

Zukunft!

1. Als Säugling kommt man auf die Welt,
Wird nicht gefragt, ob’s auch gefällt.
Politiker künden freudig an,
Dass man fürs Erste wohl zahlen kann.
Die Eltern, die sind richtig froh,
Denn finanziell brennt’s lichterloh!
Die größte Not, nun ist sie vorbei,
Gesichert sind Windeln und auch Brei.

Die Zeit vergeht, man wird schon zwei!
Die schönsten Jahre schon vorbei?
Der Vater, der ist nicht mehr top,
Denn er verlor zuerst den Job.
Bald war, darüber wurde Mutter krank,
Kein Geld auf dem Konto mehr bei der Bank.

Zwei Jahr weiter, man ist schon vier
Und fragt sich: Was soll ich denn hier?
Doch den Eltern wurde zugeraten:
Jedes Kind muss in den Kindergarten!
Der Vater sagt, das sei famos,
Er ist noch immer arbeitslos.

Ganz schnell ein kleiner Erwachsner werden,
Das muss wohl so sein auf unsrer Erden!
Mit sechs muss man zur Schule gehn,
Weil alle meinen, das wär schön.
Der Startschuss wird schon sehr früh gegeben,
Sonst geht’s im Leben bestimmt daneben!

Die Zeit verging, man gab sich Müh,
Doch richtig klappen tat es nie.
Speziell das Schreiben und das Lesen,
Sind nie der rechte Fall gewesen,
Und schließlich noch das Rechnen
Macht großes Kopfzerbrechen.
Selbst die Politik hat aufgegeben,
Denn auch laut Pisa geht’s voll daneben!

Zehn Jahr weiter, die Schule ist aus,
Schnellstens muss ein Beruf nun ins Haus!
Bewerbung hier, Bewerbung dort,
So circa 100 schickt man fort.
Traurig musste man selber erleben:
Alle Lehrstellen sind schon vergeben.
Erst 16 und schon arbeitslos!
Mann, was wird aus dem Leben bloß?

Denn die Politiker der Sozialdemokraten
Hatten Folgendes den Arbeitsämtern geraten:
Man muss Jugendlichen, wenn es ihnen auch nicht gefällt,
Aus der Tasche ziehen ihr bisschen Arbeitslosengeld!
Für sie gibt’s, das ist doch top,
Schließlich den Ein-Euro-Job!
Die Politiker machen das nämlich ganz schlau:
Ein Arbeitsloser wird zur arbeitsscheuen Sau!

Und dem, der stets die richtigen Sprüche klopft im Leben,
Wird eines Tags der Vorsitz der SPD gegeben.
Doch der Jugend wird heute schon klar:
Alle finden es ganz wunderbar.
Den Sozies wollen wir die Kante zeigen,
Dann lassen sie das künftig besser bleiben!
Die Rechten werden wir niemals wählen.
Auch Rot-Grün soll stets ihr Ziel verfehlen!

Und die Moral von dem Gedicht:
Verbaut uns unsre Zukunft nicht!
Dies hofft für alle Jugendlichen hier
In Deutschland ein Vater von fünf Kindern!

 

2. Geehrte Frau Kanzlerin! Es hat den Anschein, als wünschten sich hier in unserem Land einige Menschen bereits bei der Geburt eines Kindes, es würde vielleicht gleich als erstes Wort Mama oder Papa auf Chinesisch sagen. Viele Eltern möchten, oft auch bestimmt aus wirtschaftlichen Gründen, ihre Kinder ganz schnell in Krippen, Kindergärten oder auch Horten unterbringen.

Aber anscheinend erkranken unsere Kinder in immer früheren Jahren. Heute leiden bereits viele unserer Jüngsten unter psychischen Problemen, wie man dem Artikel „Entwicklungsland Deutschland: Prävention könnte psychische Stö­rungen bei Kindern verhindern“ entnehmen kann. Solche Störungen im Kindes- und Jugendalter sind weit verbreitet. Mittlerweile leidet fast jedes dritte Kind im Laufe seiner Entwicklung unter einer seelischen Erkrankung.

Hans-Dieter WegeIch bitte Sie daher, Frau Kanzlerin, mir diese Fragen ausführlich zu beantworten: Sind es wirtschaftlichen Gründe, die Menschen von Geburt an anscheinend auf ihre Verwertbarkeit hin reduzieren, aus einer kapitalistischen Notwendigkeit heraus? Sehen auch Politiker in Kindern wirklich nur noch „lebende Sozialversicherungsausweise mit Armen und Beinen“? Müssen nicht die gesellschaftlich notwendigen Arbeiten und Einkommen ganz neu verteilt werden, damit allen Familien bessere Bedingungen und neue Chancen eröffnet werden – für ein besseres Leben für alle Menschen in diesem Land? Mit freundlichen Grüßen.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner asozialer Politik)

 

Menschen als Ware
im „Job-Supermarkt“?

1. Nach einer Arbeitsmarkt-Analyse der „Bertels­mann-Stiftung“ wird die Kluft zwischen den Löhnen Vollzeitbeschäftigter mit niedrigen und mittleren Einkommen seit 1997 in Deutschland immer größer. Während Geringverdiener Ende der 90er Jahre noch 64 Prozent des Einkommens eines Arbeitnehmers mit mittlerem Einkommen erzielten, erreichten sie 2007 nur noch 53 Prozent. Im internationalen Vergleich ist dieser Rückgang der stärkste innerhalb von 20 untersuchten OECD-Ländern. Inzwischen hat die skandalöse Lohnungleichheit das Niveau Großbritanniens und anderer Länder erreicht, die bei der Beschäftigungspolitik weniger auf den sozialen Ausgleich achten und hübsch von unten nach oben verteilen. Die Spreizung der Lohnschere wird nur noch von Polen und Südkorea übertroffen.

Der uneinheitlichen Lohnentwicklung stehe eine wachsende Beschäftigung gegenüber, weil der Beschäftigungsanteil der erwerbsfähigen Personen von 2001 bis 2008 um 4,4 Punkte auf 70,2 Prozent angestiegen sei. Hier werden mal wieder Äpfel mit Birnen verglichen, weil allein die Anzahl der Beschäftigten nichts über deren Stundenzahl aussagt, geschweige denn darüber aufklärt, dass hier augenscheinlich nur mit Dumpinglöhnen ein „abgehängtes Prekariat“ ausgebaut wurde. Einen „Beschäftigungserfolg“ vermag ich hier deswegen in keiner Weise zu erkennen. Die Hartz-Gesetze und Agenda 2010 hätten den Arbeitsmarkt zwar flexibler gemacht, allerdings auch neue „Risiken“ geschaffen, die vor allem von Jugendlichen, Älteren oder Geringqualifizierten ertragen werden müssen. Na, wenn weiter nichts ist! „Flexibilität“ heißt das neue Zauberwort, das selbstredend nur für die Arbeitnehmer zu gelten hat. Die in Deutschland geradezu sittenwidrig ausufernde Zeitarbeit schafft die asoziale Möglichkeit, ehemals Beschäftigte im selben Unternehmen erneut befristet einzustellen und den jetzt noch regulär Beschäftigten aus eben jenem Grunde zu kündigen.

 

2. Trotz immer weiter auseinanderdriftender Löhne erdreistet sich ausgerechnet der Deutsche-Bank-Ökonom Walter, zur Lohnzurückhaltung aufzurufen. Er hielt eine „mehrjährige Lohn­pause“ für „sinnvoll, um die Beschäftigungslage nicht zu gefährden“. Was an dieser ungefährdet ist, möchte ich wirklich wissen! Angeblich hätten sich zuletzt Arbeitskosten und Produktivität auseinanderentwickelt. Ja, das kann ich mir vorstellen – aber in ganz anderer Art und Weise, als es uns hier glaubhaft gemacht werden soll! Schließlich stiegen die Profite der Unternehmer in exorbitanter Weise ins Unermessliche. Dabei sind ausgerechnet in Deutschland die Löhne viel stärker als im europäischen Umland gesunken. Als ob dies nicht schon reichte und bekämpft werden müsste!

Elisabeth GrafBei der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen zeigte sich Walter pessimistischer als der Sachverständigenrat der Bundesregierung und rechnet bis Januar 2011 mit 4,5 Millionen Jobsuchenden, für die erst 2012 neue Jobs geschaffen werden könnten. Wein saufen und Wasser predigen – ich kann mir die Art dieser neuen Jobs schon sehr genau ausmalen: immer mehr prekär beschäftigte Arbeitnehmer und noch mehr Ein-Euro-Jobber, damit die Schere zwischen Arm und Reich so groß wird wie nie zuvor! Klar, so etwas muss Walter ja sagen. Schließlich kümmert sich sein Arbeitgeber besonders um Firmenkunden und darum, dass die eigenen Manager sich trotz Krise weiter bergeweise Boni einverleiben können. Dort, wo er und seinesgleichen verkehren, wollen sie natürlich kein „gemeines Volk“ vorfinden, das sich auch mal etwas leisten könnte. Der richtige Weg kann nur mit einem auskömmlichen, Altersarmut verhindernden Mindestlohn gegangen werden!

 

3. Der Deutsche Gewerkschaftsbund richtet in Bremen eine Beratungsstelle für prekär Beschäftigte ein. Toll, dass der Gewerkschaftsbund sie endlich zur Kenntnis nimmt, nachdem er jahrelang geschlafen und diese Entwicklung nicht verhindert hat! Miriam Keilbach schreibt im „Weser-Kurier“, dass im kleinsten Bundesland zwar immer mehr Menschen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgingen, diese positive Entwicklung aber hauptsächlich auf den Anstieg von Ein-Euro-Jobs, Leih- und Teilzeitarbeit, also sogenannter prekärer Arbeit, zurückzuführen sei. In meinen Ohren klingt das mehr als irreführend und wie ein Widerspruch in sich, als ob die Zunahme der Ein-Euro-Jobs zu einer Zunahme sozialversicherungspflichtiger Arbeit geführt hätten. Dabei ist es genau umgekehrt, weil Ein-Euro-Jobs reguläre sozialversicherungspflichtige Stellen kaputtmachen! Ein-Euro-Jobs sind keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse, weil sie weder Renten- noch Arbeitslosenversicherung beinhalten und nicht zum Erhalt von Arbeitslosengeld nach der Maßnahme berechtigen.

Ein-Euro-Jobber haben keine Anwartschaft auf betriebliche Sozialleistungen. Es besteht weder Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, noch auf Kündigungs- und Mutterschutz oder Vertretungsrecht durch Personal- beziehungsweise Betriebsrat. Wurde hier „nur“ schlampig recherchiert? Meiner Meinung nach müssten sowohl Leiharbeit als auch Ein-Euro-Jobs wegen Sittenwidrigkeit verboten werden! Jetzt, da das Kind schon lange in den Brunnen gefallen ist, hofft der Deutsche Gewerkschaftsbund wahrscheinlich, dass dem Kleinen inzwischen Kiemen gewachsen sein mögen, und will endlich auch mal die Rechte dieser Beschäftigten stärken. Leider ist Bremen eine Hochburg der Leiharbeit und der prekären Beschäftigung. Dazu werden alle Arbeitsverträge gerechnet, die nicht auf Vollzeit ausgelegt sind, befristete Stellen ebenso wie sogenannte Praktika. Als ob der Dumpinglohn nicht schon ausreichte, werden auch noch zusätzlich Arbeitnehmerrechte vorenthalten und Mini-Jobber zum Beispiel um ihren Urlaubsanspruch gebracht!

Arbeitgeber bereichern sich auf Kosten der Allgemeinheit, wenn sie die sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjobs durch Mini-Jobs austauschen, bei denen sie diese Beiträge einsparen können. Der Fantasie der Arbeitgeber sind bei der Ausbeutung ihrer Mitarbeiter keine Grenzen gesetzt, wenn zu kranken Beschäftigten gesagt wird, sie müssten selbst eine Vertretung suchen, oder wenn privat angestellten pädagogischen Mitarbeitern mit Kündigung gedroht wird, sobald sie Kritik äußern oder sich gegen Überstunden zur Wehr setzen. In einer Erstberatung sollen Hilfesuchende erfahren, welche Möglichkeiten sie haben, und gegebenenfalls weitervermittelt werden. Eine Rechtsvertretung kann aber nur für Gewerkschaftsmitglieder erfolgen. Auch ein Versuch, dem Mitgliederschwund der ansonsten viel zu zahmen Gewerkschaften wieder entgegenzuwirken?

 

4. Das neue Konzept einer Hamburger Firma für Zeitarbeit offenbart, was schon viele wussten: Menschliche Arbeitskraft verkommt zur Ware. Ein dortiges Verleihunternehmen machte sich diese menschenverachtende neoliberale Ökonomisierung zu eigen und reduzierte die Menschen ausschließlich auf ihre Arbeitskraft als Ware. In einem sogenannten Job-Supermarkt müssen sich Arbeitssuchende mit ihrem Fachwissen und ihren Tätigkeiten anbieten. Täglich ab 7 Uhr morgens können geneigte Kunden „fachkundiges Personal“ sofort abholen, oder dieses kann zur Kundschaft eilen. Alles soll eilig gehen; auch der Begriff Supermarkt lässt uns assoziieren, dass hier Menschen bei Bedarf schnell „genommen“, aber nach dem Abnutzen auch ebenso schnell wieder „entsorgt“ oder zurückgegeben werden können. In diesem Supermarkt darf auch immer wieder umgetauscht werden, bis die Ware Mensch endlich passt. Arbeitnehmerrechte werden hier gänzlich ausgehöhlt, taugen nicht zur Profitmaximierung der Unternehmen. Die Agentur wird von SZA-Service für Zeitarbeit GmbH in Hamburg betrieben. Es kommt sicher nicht von ungefähr, wenn beim Nachdenken Begrifflichkeiten wie Sklavenmarkt in den Sinn kommen. Auf dem ersten Blick wirkt der „Job-Supermarkt“ kreativ, flexibel und neuartig, doch wehret den Anfängen! Menschen sind keine Ware, die sich so einfach in einem „Supermarkt“ erwerben lassen!

 

5. Der DGB-Jugendbildungsreferent von Mittelhessen, Max Fuhrmann, kritisiert die Bundesagentur für Arbeit scharf aufgrund deren Veröffentlichung verniedlichender Zahlen zur Ausbildungsplatzsituation, weil die Behörde am 13. Oktober 2009 ausschließlich Zahlen der Bundesagentur und der Argen vorlegte. Weil sich die sogenannten Optionskommunen selbst um die Vermittlung von Jugendlichen kümmern, die von Hartz IV leben, purzeln diese praktischerweise aus der Statistik heraus. Dabei entsteht dann etwa der nette Eindruck, für den Vogelsbergkreis seien lediglich fünf Bewerber unversorgt. Werden jedoch die Zahlen des kommunalen Trägers hinzugerechnet, steigt die Zahl der tatsächlich unversorgten Jugendlichen auf 207 an! 98 Prozent der unversorgten Jugendlichen nicht mitzurechnen, ist wirklich der Gipfel an dreister Schönfärberei. Außerdem ist es ein Skandal, dass Jugendliche aus Optionskommunen nicht von der Bundesagentur für Arbeit vermittelt werden und sie einfach aus der Statistik fallen wie Jungvögel aus dem Nest. Wer mit falschen Zahlen agiert, kann gar nicht anders, als falsche Konsequenzen zu ziehen. Der Bevölkerung wird eine gute Ausbildungsplatzversorgung junger Menschen vorgegaukelt und als Gipfel der Verlogenheit der Lehrstellenmangel als ein Überangebot, dem nicht ausreichend Bewerber gegenüberständen, verkleidet. Aber nach dem 11. November beginnt ja die Karnevalszeit.

 

6. Im „Erwerblosenforum Deutschland“ las ich von einer alleinerziehenden Frau, die mit ihren acht- und zwölfjährigen Töchtern in einer Wohnung lebt und zu ihrem unbefristeten Vollzeitjob und dem Unterhalt für das jüngere Kind noch ergänzendes ALG II erhält. Die Mutter arbeitet jeden Tag sieben Stunden und kümmert sich um die Erziehung der Töchter, von denen die ältere das Gymnasium besucht. Beide Mädchen streben an, Abitur zu machen. Plötzlich bekam die Mutter ein merkwürdiges Schreiben von ihrer argen Arge, in dem steht, dass die Arge „regelmäßig, mindestens aber im Abstand von sechs Monaten, gegebenenfalls auch über andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, Kontakt, auch telefonisch“ zu ihr halten möchte, “um eventuelle sich anbahnende persönliche und berufliche Veränderungen zu erfassen“. Mit anderen Worten sollte die Mutter über ihre kleinen Töchter als Informantinnen ausgespäht werden! Daraufhin telefonierte die Mutter mit der zuständigen Sachbearbeiterin und sagte, sie wolle dies nicht unterschreiben, weil sie nicht damit einverstanden sei, dass die Arge über ihre Kinder Informationen über sie und ihre persönliche Situation einholt.

Als sie nachfragte, auf welcher Rechtsgrundlage dieses Schreiben basiere, antwortete die Sachbearbeiterin, sie habe einen Anspruch auf die Unterschrift, weil dies zu den Mitwirkungspflichten der Mutter gehöre. Außerdem fügte sie hinzu, die Kinder würden nach Beendigung ihrer neunjährigen Schulpflicht zu Ein-Euro-Jobs herangezogen. Es kann ja wohl gar nicht sein, dass ein zwölfjähriges Kind Kontakt mit der Arge aufnehmen muss! Abgesehen davon halte ich es für unklug, solche Telefonate zu führen. Ich würde alles nur schriftlich abhandeln, außerdem mit einem schriftlichen Antrag sämtliche Telefon- und E-Mail-Daten bei der Arge löschen lassen, sodass die Sachbearbeiterin zum Schriftverkehr mit der Mutter gezwungen wird! Es gibt keine solche Stelle in irgendeinem Gesetz, welches diese Art des Vorgehens auch nur annähernd begründet. Diese Sachbearbeiterin will sich wohl nur aufblasen und Machtmissbrauch betreiben, denn auch die Kinder von ALG-II-Beziehern und Aufstockern dürfen Abitur machen. Die Mutter muss bloß immer pünktlich die Schulbescheinigungen vorlegen. Vielleicht sollte die Mutter lieber Wohngeld und Kinderzuschuss beantragen. Dann darf sie das Kindergeld behalten und muss nicht länger am entwürdigenden Tropf der Verfolgungsbetreuung hängen.

 

7. Nach einer Studie der Bundesagentur für Arbeit sind Arbeitnehmer über 50 jetzt wieder „mehr gefragt“. Waren im März 2005 in der Gruppe der 50- bis 54-Jährigen noch 2.891.576 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, so stieg deren Zahl bis März 2009 auf 3.282.800. Das Bundesministerium jubelt und behauptet, dass sich der Fachkräftemangel in mancher Branche schon bemerkbar mache und ältere Arbeitnehmer daher unverzichtbar seien. Ich glaube kaum, dass sich Unternehmen des Potenzials älterer Arbeitnehmer zunehmend bewusst werden und auf deren langjährige Erfahrungen und Kompetenzen im Arbeitsleben bauen. Schließlich arbeitete der Staat vor Jahren mit seiner Vorruhestandsregelung erfolgreich daran, die Älteren wegzukicken! Wir werden auch nicht darüber informiert, ob es sich hierbei nicht überwiegend um mit öffentlichem Geld geförderte Stellen oder Minijobs handelt. Wenn reihenweise Ältere wegen Bagatelldelikten aus den Betrieben geschasst werden, wird es kaum eine solch plötzliche große Nachfrage nach Älteren geben. Es liegt sicherlich eher daran, dass die Bundesagentur für Arbeit für „50 plus“ und „55 plus“ bis zu 100 Prozent „Eingliederungszuschuss“ zahlt auf die ersten zwölf Monate. Kein Wunder, dass dies zunehmend mehr Arbeitgeber attraktiv finden, erfahrene Arbeitnehmer (fast) zum Nulltarif zu bekommen. Aber nach zwölf Monaten, wenn die Förderung ausläuft, ist natürlich Schluss. Dann darf der nächste „zu Fördernde“ kommen. Alles klar?

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

 

Frau Merkel wirft ihre Wirtschaftsprognose über den Haufen

Harald Braun Die Bundeskanzlerin konnte ihr Märchen vom „Ende der Wirtschaftskrise“ gerade noch über den Wahltag retten. Mit der Insolvenz der US-Bank CIT Group vollzieht sich die größte Bankenpleite seit dem Ausbruch der Weltfinanzkrise vor einem Jahr. Das „Handelsblatt“ titelte am 3. November 2009: „Toxische Papiere feiern ein Comeback“. In den USA machen diese faulen Kredite inzwischen wieder 20 Prozent des Kapitalmarktes aus. Jene Milliardengewinne, welche die größten Banken inzwischen wieder einfahren, basieren allein auf Spekulationsgeschäften. Sie setzen genau dieselbe riskante Finanzpolitik fort, welche die größte Weltwirtschaftskrise ausgelöst hatte.

Es ist kein Wunder, dass die neueste Meinungsumfrage im Auftrag der BBC eine deutliche Ablehnung des Kapitalismus ergeben hat: „Nur 11 Prozent der weltweit 29.000 Befragten finden, dass der Kapitalismus in seiner derzeitigen Form gut funktioniere. In Deutschland sind es 16 Prozent.“ Die „Süddeutsche Zeitung“ vom 9. November 2009 stellt zur Wirtschaftskrise ernüchtert fest: „In den USA ist die zweite Welle, das Übergreifen der Finanzkrise auf die Industrie, längst Fakt. In Deutschland rollt sie jetzt ab. Die Folgen werden dramatisch sein. Der Winter wird hart.“ Der Spielraum des Staates für „Rettungsschirme“ ist durch die gigantische Verschuldung inzwischen stark zusammengeschrumpft. „Nach Schätzung der EU-Kommission kostet die Rettung maroder Geldhäuser allein in Europa bis zu 1,8 Billionen Euro. Das wären 3.500 Euro für jeden einzelnen Europäer, Säuglinge und Greise eingerechnet.“ („Süddeutsche“ vom 11. November 2009)

Vor dieser katastrophalen Perspektive beginnt die neue Regierung, das Volk auf gravierende Einschnitte einzustimmen. In ihrer Regierungserklärung kündigte Frau Merkel letzte Woche an: „Die Probleme werden erst noch größer, bevor es wieder besser werden kann.“ Ihre alte Prognose vom „Ende der Krise“ ist Schnee von gestern. Jetzt will die neue Regierung die Bevölkerung auf Verzicht einschwören und die Umverteilung der Krisenlasten zugunsten der Konzerne und Banken vorantreiben. In ihrem Fünf-Punkte-Programm kündigt die Regierung derweil die Neueinstufung der Einkommensteuer an, eine neue Sahnetorte für Reiche.

Die Unternehmerbeiträge bei den Sozialversicherungen sollen „entkoppelt“ werden, was die Zerschlagung der Parität im Sozialsystem einleitet. Die „kapitalgedeckten Ergänzungen“ bei der Pflegeversicherung sollen natürlich wir bezahlen. Die weitere Nutzung der Atomenergie „für eine Übergangszeit“ ist ein Freifahrschein für die Atomlobby auf Kosten künftiger Generationen. Auch die Ausweitung des Kampfeinsatzes in Afghanistan, „um weltweit die Interessen der EU entschiedener zu vertreten“, wird natürlich schön verpackt, um jeden Widerstand zu vermeiden. Aber diesen Gefallen werden wir der neuen Regierung nicht tun! Ihr kennt das vom Fußball: Siegen kann man nur, wenn man gemeinsam angreift!

Harald Braun
 
Zu viel Zinsen: Deutsche Bank kündigt Spendenkonten der MLPD („RF-News“)

 

Die SPD will uns künftig
„besser“ belügen

Wolfgang Lange1. Frau Merkel hat in ihrer Regierungserklärung jetzt damit begonnen die Massen auf tiefe Einschnitte einzustimmen: „Bevor es besser wird, werden die Probleme erst größer werden“. Im Einzelnen plant sie eine „Entkoppelung der Unternehmensbeiträge bei den Sozialversicherungen“, als sinkende Beiträge für die Unternehmen, aber steigende für die Massen! Bei der „kapitalgedeckten Ergänzung zur Pflegeversicherung“ – ist es dasselbe: Die Unternehmensbeiträge sollen eingefroren werden.

Merkel will auch die verlängerte Nutzung der Atomkraft mit all ihren Risiken. Und: „Ich will, dass wir Deutschland zu neuer Stärke führen“. Gemeint ist sicher die wirtschaftliche: Deutsche Monopole sollen gegenüber ausländischer Konkurrenz „gestärkt aus der Krise“ hervorgehen. Aber es geht auch um militärische Stärke, eine „neue Phase im Kampfeinsatz in Afghanistan“ mit mehr deutschen Soldaten am Hindukusch. Zu Guttenberg nennt die Bombardierung zweier Tankzüge mit 142 Toten, vorwiegend Zivilisten, „militärisch angemessen“. Wir müssen uns also in jeder Hinsicht auf Angriffe einstellen und gemeinsam den Kampf aufnehmen!

Und die SPD? Letzte Woche wurde auf ihrem Parteitag Sigmar Gabriel auf den Schild gehoben. Wer aber meinte, die SPD würde abrücken von ihrer Agenda-Politik, muss nun enttäuscht sein: Weder Hartz IV noch die Rente mit 67 oder der Afghanistan-Krieg wurden als falsch erklärt. Die SPD habe das nur „schlecht vermittelt“. Auf gut Deutsch: In Zukunft will sie uns noch besser und wirkungsvoller belügen! Diese Partei brauchen wir nicht mehr! Deswegen heißt es: Auf die eigene Kraft vertrauen; – und auf die Kräfte, die uneigennützig den Kampf um bessere Lebensverhältnisse unterstützen. Keine Illusion in das herrschende kapitalistische System! Auch wenn in der Krise die Kritik am „Turbokapitalismus“ (Rüttgers) in aller Munde war: Der Kapitalismus verschwindet nicht von selbst, er muss gestürzt werden!

 

2. Der „Solidaritätskreis gegen Abmahnungen bei Daimler Bremen“ hat vor den Werkstoren folgendes Flugblatt verteilt: „Schluss mit Arbeitshetze und Maßregelungen! Will Daimler Selbstmorde vertuschen? Auf der Betriebsversammlung am 22. September 2009 hatte Kai Steinhage, Vertrauensmann aus Halle 9, die gestiegene Arbeitshetze angeprangert und gefragt, ob es dabei einen Zusammenhang zu den Selbstmorden im Werk in letzter Zeit gibt. Das war wohl der berühmte Stich ins Wespennest: Die Woche darauf musste er ins Personalbüro kommen und erhielt wegen seines Redebeitrags eine Abmahnung! Darüber hinaus wurde ihm gedroht, ihn wegen übler Nachrede zu verklagen, sollte er gegen die Abmahnung vor Gericht gehen.

Das ist ein unglaublicher Skandal! Dem Kollegen wird mit der Vernichtung seiner Existenz gedroht – er hat zwei kleine Kinder. Eine Abmahnung ist nichts anderes als die Vorbereitung zur Entlassung – und es wird versucht, ihn mundtot zu machen. Kein Wort der Betroffenheit über die Selbstmorde, keine Schweigeminute – aber wer darüber spricht, wird ‚zum Schweigen gebracht‘. Nur nichts nach außen dringen lassen! Kollege Steinhage ließ sich aber nicht einschüchtern, und er steht nicht allein. Betriebsrat und IG Metall unterstützen ihn, und es hat sich ein Solidaritätskreis gebildet. Neben dem Ziel, die Abmahnung wegzubekommen, will dieser dazu beitragen, die Selbstmorde im Bremer Werk aufzuklären. Wie verzweifelt muss ein Kollege sein, wenn er vom Hallendach springt?

Daimler kein Einzelfall: Gerade in der Automobilindustrie, aber auch in anderen Großkonzernen häufen sich in letzter Zeit die Verzweiflungstaten. Auch in Frankreich: Vor zwei Jahren schon nahmen sich drei Ingenieure bei Renault das Leben. Bei Peugeot gab es im Jahr 2007 allein im Werk Mülhausen fünf Freitode, bei France Télécom gab eine regelrechte Suizid-Welle: 25 Selbstmorde in den letzten 18 Monaten! Diese schreckliche Serie war es, die jetzt die französische Regierung zum Handeln zwang: Sie verpflichtet alle Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten, mit den Gewerkschaften Abkommen ‚gegen psychosozialen Stress am Arbeitsplatz‘ abzuschließen. ‚Die Unternehmensleitung müsse allen Mitarbeitern zeigen, wie betroffen sie vom Selbstmord eines Mitarbeiters sei, und anschließend veranlassen, Stressfaktoren abzubauen.‘ (‚Institut für Arbeitsschutz‘ in Paris).

Und in Deutschland? Die ‚Hans-Boeckler-Stiftung‘ hat ermittelt, dass ‚in vier von fünf Betrieben Beschäftigte ständig unter hohem Zeit- und Leistungsdruck stehen.‘ Jetzt in der Krise versuchen die Konzerne, das Letzte aus den Kollegen herauszuschinden und gegen aktive und kämpferische Kollegen vorzugehen, damit sich kein Widerstand bildet. So erhielt in Harburg ein Daimler-Kollege eine Abmahnung, weil er am Schwarzen Brett zur Solidarität mit entlassenen Leiharbeitern aufgerufen hatte. Das Arbeitsgericht verurteilte Daimler zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte – doch dagegen gehen die Bosse jetzt in Berufung. Wenn die Arbeitsordnung keine freie Meinungsäußerung zulässt, dann muss sie geändert werden! Gegen die Maßregelung kämpferischer Kollegen und gegen die zunehmende Arbeitshetze muss der Kampf jetzt geführt werden – und zwar, indem wir uns alle gemeinsam zur Wehr setzen!

Kai Steinhage hat es gewagt, die Dinge beim Namen zu nennen. Dafür verdient er unser aller Dank und Unterstützung. Einer für alle, alle für einen! Die Abmahnung muss sofort zurückgenommen werden! Schluss mit der Arbeitshetze! Die Werkleitung soll sich bei allen Kollegen entschuldigen und offenlegen, wie viele Kollegen sich in den letzten Jahren das Leben nahmen und welche Konsequenzen sie daraus zieht! Kommt zum nächsten Treffen vom ‚Solidaritätskreis gegen Abmahnungen bei Daimler Bremen‘ am Dienstag, dem 8. Dezember 2009, um 18 Uhr im ‚Freizi Buntentor‘, Geschwornenweg 11a!“

Wolfgang Lange (MLPD)
 
Die Hamburger Montagsdemo lädt ein zum nächsten Regionaltreffen der norddeutschen Montagsdemonstrationen am Samstag, dem 21. November 2009, von 11 bis 19 Uhr in der Theodor-Haubach-Schule in Hamburg-Altona. Zur Diskussion steht die Frage: Wie stellen wir uns unter der neuen Regierung auf und gewinnen neue Mitstreiter und Bündnispartner? Auszuwerten ist die 6. Herbstdemo in Berlin. Angeboten wird ein Trommelworkshop sowie eine Redner- und Moderatorenausbildung mit Stefan Brand vom „Arbeiterbildungszentrum“. Ein aktuelles Flugblatt ist zu erarbeiten. Es gibt ein Buffet und ein Kulturprogramm, unter anderem mit Musik von „Pepperoni“, dazu das Video von einer Politikerbefragung zur Bundestagswahl in Hamburg. Wir wollen aus Bremen per Wochenendticket mit dem Zug anreisen und treffen uns um 9:15 Uhr im Eingang vom Hauptbahnhof.
 
Am selben Tag ruft das „Klimaplenum Bremen“ auf zur Kundgebung und Demonstration unter dem Motto „Für ein ganz anderes Klima – hier und anderswo“ um 13 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz. Bereits zwei Stunden vorher gibt es dort Infos und Aktionen zum „Umsonstfahrtag“.
 
In der Vorweihnachtszeit beginnt die Bremer Montagsdemo um 17:30 Uhr vor dem Konzerthaus „Glocke“ an der Domsheide. Wir ziehen durch die Oberstraße zum Hanseatenhof und halten dort unsere Kundgebung ab.
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz