23. Bremer Montagsdemo
am 24. 01. 2005  I◄◄  ►►I

 

„Die Menschenwürde
steht über allem“

Ursula GatzkePolitische Macht darf nicht so weit gehen, dass die Menschenwürde jeden Tag und überall verletzt wird!

Politische Macht darf nicht so weit gehen, dass Politiker und Wirtschaftsbosse Straftaten ohne Anklage begehen dürfen! Es darf nicht sein, wie es jetzt schon ist, dass unsere Volksvertreter und Großunternehmer uns die Nase zeigen und belehren, dass Kriminalität „oben“ keine „Kriminalität“ ist und nicht bestraft werden muss oder kann!

Oben ist man nicht kriminell, oben hat man nur mal etwas vergessen, nicht gewusst oder aus Versehen nicht richtig gemacht. Wenn das einer aus politischen oder wirtschaftlichen Kreisen sagt, dann ist das keine Lüge und auch nicht kriminell, höchstens mal grob fahrlässig und wird so milde, wie es nur eben geht, geahndet, wenn überhaupt!

Schluss mit dem Lügen und Betrügen und „Das-Volk-ausnehmen-wie-eine-Weihnachtsgans“! Schluss mit der „Straffreiheit“ da oben, bei den feinen Damen und Herren!

Vor dem Gesetz sind alle gleich! Also sollen auch alle das gleiche Gesetz zu spüren bekommen! Kriminell ist kriminell, unten wie oben! Oder weiß man oben nicht, was kriminell ist? Aber die Richter und Staatsanwälte wissen das! Wo sind die Ankläger, die für Recht und Ordnung in den oberen Reihen sorgen? Ist denn oben nur noch Sodom und Gomorrha?

Was für eine Scheiß-Politik, wenn Patienten, die die sehr, sehr ungerechte Zehn-Euro-Arztgebühr nicht bezahlen, eine satte Mahngebühr erhalten und wahrscheinlich deswegen noch vor Gericht müssen! Was für eine Scheiß-Politik, wenn eine Rentnerin oder ein Rentner diese zehn Euro alle drei Monate von ihrer „Mini-Rente“ bezahlen müssen!

Ob die Volksvertreter mit ihren hohen Diäten und noch einem oder zwei Nebenjobs, wo sie noch einmal mehrere Tausend Euro schwarz oder nicht schwarz kriegen, auch nur zehn Euro Arztgebühr zahlen müssen, wenn überhaupt?

Die Rentner werden doppelt und dreifach damit bestraft! Rentner brauchen öfter Medikamente. Einmal krank und dreimal wütend: Wütend über die zehn Euro „Eintrittsgeld“ beim Arzt! Wütend über die sehr häufige Selbstzahlung oder die überteuerten Medikamente! Wütend über die unglaubliche Ungerechtigkeit der Zahlung!

Und dann haben wir den schönen Satz: „Die Menschenwürde steht über allem“! Längst steht zwischen den Zeilen, in jeder Tageszeitung, der Satz: „Die Macht steht über allem“! Hast du Macht, hast du auch andere Gesetze!

Wir hatten schon mal eine Zeit, wo die meisten Menschen machtlos waren! Wenn wir nicht aufstehen, dann haben wir aus dieser Zeit nichts gelernt! Holen wir uns Macht und Würde zurück!

Heute können wir noch unseren Mund aufmachen, darum tun wir es doch, so lange es noch geht! Wir brauchen dringend oben eine Jahrhundertreform! Sonst zahlen unsere Enkel später auch noch eine „Klopapiersteuer“!

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Das Unwort
im SPD-Programm

Matthias FeilkeEs war ein Sonntag, als Schröder checkte, dass seine Partei vielleicht Gelüste weckte, weil das Programm, welch kaum gelesen, ein Wort enthielt, was längst verwesen!

Im tiefsten Keller sucht er die Schwarte: „Na“, denkt er, „warte nur, warte! Auf deine Schliche komm ich dir, du viel zu rotes Ungetier!“

Im trüben Schein der Notbeleuchtung erspähte er vom Wort gleich acht! Zwar längst bar innerer Bedeutung, doch schon war Schröder aufgewacht.

Bleich wie der Tod kam er gewankt, auch Doris hat vor Schreck geschwankt: „Was soll der Auftraggeber denken? Nie wieder wird er mir was schenken!“

Die Kommission wurde herbemüht, dem verehrten Herrn Kanzler zu sagen: „Soweit man die Sache übersieht, gilt nur das Jetzt und kein Wagen!“

Die Damen und Herren versprachen heilig, das Wort zu tilgen und rannten eilig, ein neues Programm zu entwerfen sowie das alte noch zu entschärfen.

Willst du wissen, welches Wort den Kanzler schreckte, Millionenmassen aber erweckte? „Sozialismus“ hieß das klare Wort! Im alten Parteiprogramm stand es noch dort.

Nun wissen wir auch aus der Geschichte, dass eben jenes Wort bei diesem Gelichte schlecht aufgehoben und nur zur Tarnung geschrieben wurde: Das ist uns Warnung!

Wenn eine Partei mit solchem Wort sich schmückt, Lenin vergisst und keine Machtfrage stellt, dann wissen wir, es wird nur eines bezweckt: Die Idee verfremden, eh sie Massen weckt!

Matthias Feilke

 

Keiner schiebt uns weg!

Als Mitglied der bundesweiten Koordinierungsgruppe der Montagsdemo habe ich heute die unangenehme Aufgabe, euch auf die Problematik in Eisenach aufmerksam zu machen: Dort versucht das Ordnungsamt, die Montagsdemo zu sabotieren, indem sie die Demonstration auf dem Marktplatz nur noch im wöchentlichen Wechsel mit Faschisten genehmigt!

Erich SeifertDie Organisatoren der Demo haben dagegen vor dem Meiniger Verwaltungsgericht geklagt – und sie haben verloren! Das Gericht hat dem Ordnungsamt und damit den Faschisten recht gegeben! Dieses Urteil ist nicht nur ein schwarzer Tag für die Montagsdemobewegung, sondern auch und vor allem für die Demokratie in unserem Land!

Die Montagsdemo hat sich in ihren Grundsätzen dazu verpflichtet, auf antifaschistischer Grundlage zu arbeiten. Denn wir sind eine Bürgerbewegung, die sich von keiner politischen Richtung vereinnahmen lässt! Und weder einer Regierung, noch einem Gericht und schon gar nicht einer kleinen politischen Minderheit wird es gelingen, diesen Protest zu ersticken! Wir bleiben, was wir sind: nämlich Kämpfer für soziale Gerechtigkeit und ein menschenwürdiges Leben für alle!

Die bundesweite Koordinierungsgruppe wird weitere Schritte prüfen und gegebenenfalls einen bundesweiten Protest ausrufen. In Dresden gibt es mit dem Ordnungsamt ähnlich gelagerte Probleme wie in Eisenach. Es ist deshalb wichtig, dass wir auch hier in Bremen wachsam bleiben!

Lasst uns das Lied „Keiner schiebt uns weg“ zur Hymne gegen politische und staatliche Repressalien machen! Lasst uns dieses Lied für alle laut hörbar singen und damit eine Kampfansage an alle diejenigen schicken, die glauben, wir wären nur ein Spielball ihrer Interessen!

Erich Seifert (parteilos)

 

Verheimlichter Clement-Auftritt – kleine Protestaktion

Wie sehr Wirtschaftsminister Clement Angst vor der Bevölkerung hat, wurde in Bremen deutlich: „Maritime Konferenz“ in Bremen, 1.000 Besucher aus Schifffahrt, Schiffbau, Verkehr und Zulieferbetrieben „treffen sich, entspannt wie lange nicht mehr“, um zu zeigen, welche Positionen sie in der weltmarktbeherrschenden Rangordnung erreicht haben. Fast wie nebensächlich wurde im „Weser-Kurier“ berichtet, dass der Bremer Bürgermeister Scherf für diese weltmännische Runde am Montagabend einen Empfang gibt.

Erst der Besuch von fünf Kollegen der Arbeitsloseninitiative aus Bremerhaven klärte uns auf: Dort war seit Tagen in der Öffentlichkeit durch die „Nordsee-Zeitung“ bekannt, dass heute Abend Clement und morgen früh Schröder auf der „Maritimen Konferenz“ sprechen sollen. Dass die Bremer Öffentlichkeit so in Winterschlaf gestimmt werden sollte, ist nur der gelenkten Desinformation der Medien zuzuschreiben.

Weil es ja Montagabend war, waren wenigstens wir da. Aber wir mussten selber erst umschalten. Fast 80 Teilnehmer konnte man im Laufe der Kundgebung um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz zählen. Das „Montagsdemo aktuell 19“ wurde verteilt, Redebeiträge gingen auf die neofaschistischen Umtriebe im sächsischen Landtag ein, wie auch auf die empörende Zulassung von Neonazi-„Montagsdemos“ an jedem zweiten Montag in Eisenach. Das fand den einhelligen Protest. Aber jetzt war das Wichtigste, wir wollen Clement unseren Protest gegen die widerliche Regierungspolitik zeigen. In spontaner Demo ging es zum Rathaus-Eingang, wo mehrere Busse die „erlauchten Gäste“ zum Sich-den-Magen-vollschlagen auf Kosten unserer Steuergelder entluden.

Gellendes Pfeifkonzert und „Clement rauskommen“ ertönte und verunsicherte Gäste und Polizei. Mit wahren oder falschen Informationen, Clement sei schon lange drin, versuchte die Polizei, uns zum Rückzug und auf unseren angemeldeten Demoweg zu bewegen, und drohte mit verstärkten Mannschaften.

Eigentlich wollten wir weiter protestieren, aber weil wir nicht vorbereitet waren und uns nicht richtig vereinheitlichten, ließen wir uns „vertreiben“ und zogen zum Teil zum Demoziel. Ein kleiner Kreis harrte aber aus und nutzte die Gelegenheit, mit Schildern gegen die ganzen Hartz-Gesetze den „verwunderten Gästen“ unseren Protest kundzutun.

Dieses „Ereignis“ war natürlich das Gesprächsthema beim Auswertungstreffen. Von allen wurde kritisiert, und wir stellten einmütig fest, dass wir uns direkt vor der Aktion die Bedeutung und die Möglichkeiten, zu protestieren, nicht genug klar gemacht hatten. Das Weggehen war die falsche Entscheidung. Wir hätten standhaft bleiben müssen und schon mit Schweigen, Schildern und Transparenten Wirkung gezeigt, denn Kollegen berichteten, wie im Rathaus alle Fenster mit Zuguckern belegt gewesen waren. Aber wir zogen auch Konsequenzen: Nach dem Beschluss von Grundsätzen beim letzten Mal wählten wir nun eine örtliche Koordinierungsgruppe, die eben auch bei solchen Situationen eine gewisse Führung haben muss, um von allen getragene Entscheidungen zu fällen.

Weiter wählten wir einen Kassierer und Kassenprüfer, beschlossen ein neues Flugblatt und bereiteten die nächsten Aktionen vor dem Arbeitsamt vor. So gesehen war für uns der verheimlichte Clement-Auftritt doch ein heilsamer Schock, nicht in diesen Tagen in Trott und Routine zu verfallen.

Rote Fahne News
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz