22. Bremer Montagsdemo
am 17. 01. 2005  I◄◄  ►►I

 

„Zum Wohle des Volkes“

Ursula GatzkeAbzock-Politiker haben die Jagd auf Arme eröffnet!

Jede Hausfrau könnte die Politiker belehren, wenn es ums Aufräumen ginge. Oben hui und unten pfui, das geht nicht lange gut! Oben gibt es die große Freiheit. Unten gibt es Fesseln und Zwang!

Oben gibt es doppelten Lohn, sogar Lohn fürs Nichtstun. Unten wird gekürzt, geknebelt, rausgeschmissen, in Ein-Euro-Jobs gezwungen! Es fehlt nur noch die „Peitsche“, und wir sind im „Reich der Sklaven“ angekommen! Schon längst werden die Arbeiter von reichen Bossen hin- und her verschoben. Es geht nur noch um die Macht und ums Absahnen!

Oben gibt es das „Schlaraffenland“. Unten gibt es mindestens fünf Millionen Menschen ohne Arbeit! Pleiten, Pech und Pannen sind in der Politik zur Gewohnheit geworden! Schweigen ist fehl am Platz, denn das Ansehen der Politiker ist so schlecht wie nie!

„Arbeitgeber“ der Abgeordneten und Minister sind wir, das Volk! Die Kontrolle muss „das Volk“ ausüben und nicht der oberste „Repräsentant“ des Parlaments! Wo sind denn die „Anständigen“ in der Politik, die den „Raffkes“ die Stirn bieten?

Schröder, du bist ein „Lügenkanzler“! Die Arbeitslosenzahl wolltest du halbieren, oder du wärest nicht der richtige Mann und würdest gehen. Warum gehst du nicht? Schröder, du wolltest nicht an „unsere Rente“ ran! Du hast dein Wort gebrochen! Schröder, wo ist der „Kanzlerbrief“? Wer dreimal lügt, dem glaubt man nicht!

Ich kämpfe gegen die unglaublichen Ungerechtigkeiten! Ich prangere die Missstände in unserem Land an! Wie lange brauchen die überbezahlten Volksvertreter noch, um die Ungerechtigkeiten abzustellen? Vertreten uns denn nur „Schlafmützen“? Was bedeutet euch das „Wohl des Volkes“ noch? Haut bloß diese Inschrift vom Haus ab, sie stimmt schon lange nicht mehr!

Wozu leistet ihr Politiker überhaupt einen Eid? Was ist der denn wert? Ist das alles nur Schau? „Zum Wohle des Volkes“ wird gelogen, betrogen, abgezockt und das halbe Volk in Angst und Armut getrieben! „Zum Wohle des Volkes“ wird in die eigenen Taschen geschaufelt, soviel nur irgend möglich ist! Und was wir an „Sozialstaat“ hatten, ist dabei zum „Unsozialstaat“ geworden!

Immer weiter breitet sich der korrupte Sumpf aus! Wie wird Volkswagen bloß geführt? In VW steckt „Politik“, deshalb klappt es nicht mit der Aufklärung. Hat es 3000 Euro Monatslohn fürs Nichtstun gegeben? Leisten Politiker Schwarzarbeit? Zahlt Volkswagen „Schwarzarbeitergeld“?

Ich kriege für die Arbeit vieler Jahre 300 Euro Rente! Zehnmal mehr Geld bekommen Abgeordnete ganz nebenbei, ohne Abzüge, und wofür? Welcher Boss traut sich das zu zahlen?

Was lässt man den jungen Leuten und Rentnern, den Arbeitern und Arbeitslosen, den Kranken, Schwachen, Blinden, Behinderten? Gerade so viel, dass ihnen ein ständiger Kampf ums Überleben bevorsteht!

Armes Deutschland! Du hast zu viele Politiker, aber nicht einen einzigen „Staatsmann“ mit Gewissen, Rückgrat und Mut!

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Selbsthilfe muss organisiert werden

Erich SeifertSeit nunmehr zwei Wochen leben viele Millionen Menschen in diesem Land mit der Hartz-IV-Gesetz­gebung. Der Regierung, die da geglaubt hat, mit der Alg-II-Einführung ende der Protest, sei gesagt: Er fängt jetzt erst richtig an!

Falsche oder gar keine Bescheide, zu späte Auszahlung der Leistung, Zwangsarbeit, Zwangsumzüge sowie weitgehende Verwertung der eigenen Altersvorsorge: das sind schlagkräftige Argumente für die Fortführung der Proteste. Und die Menschen, die von dieser „gesetzlich verordneten und zementierten Armut“ betroffen sind, sollen wissen, dass es einen Ort gibt für ihren Protest, für ihre Empörung und ihre Wut!

Dieser Ort ist die Bremer Montagsdemo hier auf dem Marktplatz, jeden Montag aufs Neue. Doch wir wollen hier nicht nur protestieren, sondern wir müssen damit beginnen, unter uns eine gegenseitige Selbsthilfe zu organisieren!

Viele wissen ja schon, dass sich hier auf der Montagsdemo 15 Betroffene zusammengefunden haben, die etwas verändern wollen. Bekannt geworden sind wir als „unabhängige Bürger im Bündnis der Montagsdemo“. Nun steht die Gründung eines „Vereins zur Pflege und Förderung der Wohlfahrt“ an, den wir „Sozialen Le­bensbund“ nennen wollen.

Für die vielfältige Arbeit, die sich daraus ergibt, von der Jugendhilfe über die Arbeitslosen- und Sozialberatung bis hin zur Altenhilfe, suchen wir die Unterstützung betroffener Menschen, die den Ehrgeiz mitbringen, dieses Land und ihre eigene Situation verändern zu wollen – nicht durch Reden, sondern durch eigenes Handeln.

Wer mitzumachen möchte oder noch offene Fragen hat, kann mich oder Herbert ansprechen, wir stehen euch jederzeit zur Verfügung. Und immer dran denken: Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt! Weg mit Hartz IV, das Volk sind wir!

Erich Seifert (parteilos)

 

Klare Grundsätze, weitere Aktive, Ideen konkretisiert

Die Vertreter der Niederlagenstimmung blieben weg, weil ihnen bei so einer kleinen Demo die Sache angeblich „nicht lohnt“, und der Parlamentspräsident wollte uns mit der Portiersfrau von der Treppe jagen, weil wir die „Bannmeile“ überschritten hätten. Doch wir ließen uns nicht schrecken und wurden bei unsrer 22. Montagsdemo wieder fast 70 Teilnehmer auf dem Marktplatz um 17:30 Uhr.

„Keiner schiebt uns weg“ von Karl Nümmes schallte über den Platz und heizte ein. Neue Transparente waren gemalt worden. Ein vier Quadratmeter großes Plakat in moderner Sprühtechnik stach hervor. In den Beiträgen am Offenen Mikrofon standen die gekauften Abgeordneten und ihre Hintermänner in den Monopolen und die Vertuschungsversuche der gesamten Politik im Vordergrund. Gleichzeitig machen die neuen Gesetze aus den Massen gläserne Menschen, die bis ins Schlafzimmer nach ihrem Besitz ausgeschnüffelt werden.

Eine Frau aus Emden war empört über die Lügen des Abgeordneten und ehemaligen BR-Vorsitzenden der Thyssen-Nordseewerke Janssen, der behauptet hatte, seit 1994 keine Gelder mehr von VW erhalten zu haben, wiewohl peinlich VW ihn noch heute auf der Gehaltsliste führt. Die Wut kocht. Aber es gibt auch andere Beispiele: Ein Kollege aus Kiel, der alle vierzehn Tage bei uns dabei ist, weil die „Niederlagenfreunde“ in Kiel die Montagsdemo tot gekriegt haben, berichtete, wie an einem Kieler Krankenhaus aus Unmut Kraft geworden ist, die schließlich eine Demo von 200 Leuten in weißer Arbeitskleidung durch die Stadt führte, wo selbst Verdi verdutzt hinterherguckte. Das soll uns Mut machen!

Dann gab es eine kurze Demo mit Liedern und Sprechparolen durch die abendliche Innenstadt. Auch wenn am zweiten Platz heute keine Reden mehr geschwungen wurden, erfreute Karl Nümmes Lied „Bolle am Montag demonstriert“ alle Zuhörer.

In einem freundlichen „Ausweichquartier“ – die „Vertreter der Niederlagenstimmung“ hatten uns netterweise den Tagungsort abspenstig gemacht – haben wir dann die ersten Schritte zur Neuorganisation der Montagsdemo Bremen gemacht. Einstimmig haben wir Grundsätze verabschiedet, die am nächsten Montag auf der Demo zur Abstimmung gestellt werden sollen. Eine Koordinierungsgruppe, die alle Menschen, ob jung oder alt, ob Frau oder Mann, repräsentieren soll, wurde vorgeschlagen und soll beim nächsten Mal gewählt werden. Gute Vorschläge und Bereitschaft, sich den Aufgaben zu stellen, waren Ausdruck eines neuen Schwungs ohne „wir sollten mit der Montagsdemo aufhören“ und „lieber keine Grundsätze, weil sonst die Populisten das Wort kriegen“. Dass heute wieder neue Menschen dabei waren, die Verbindungen zu weiteren Kreisen eröffnen, zeigt, dass die Montagsdemo nicht an Interesse und Beachtung verloren hat.

Rote Fahne News

 

Trennung von der Organisation
der Montagsdemo

'Es reicht!'Das Bremer „Bündnis gegen Sozialkahlschlag und Bildungsabbau“ besteht aus verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen. Es hat sich im Sommer 2003 gegründet, als sich die ersten Wirkungen von Kanzler Schröders Agenda 2010 abzeichneten.

Aktivitäten sind die Organisation des bundesweiten Aktionstages am 20. Oktober 2003 für Bremen mit Demonstration und Kundgebungen, mehreren kleineren Aktionen und Party; die Orientierung auf die Großdemonstration am 1. November 2003 gegen Sozialkahlschlag in Berlin; die Zusammenführung von sozialer Bewegung mit der Kampagne gegen das Bremer Schulgesetz und dem Uni-Streik; das Einberufen einer Aktionskonferenz 2004, um die Kräfte in Bremen zusammenzufassen und die gemeinsame Arbeit zu verbreitern und zu vertiefen; die Beteiligung von Bündnisteilnehmer(inne)n an bundesweiten Treffen und damit an bundesweiter Vernetzung und Organisierung der Proteste.

Nach dem zeitweiligen Abflauen von Aktivitäten nach dem 3. April 2004 haben wir mit Beginn der Montagsdemonstrationen in Ostdeutschland diese als neue Protestform gegen Hartz IV sofort aufgegriffen und mit anderen linken Kräften organisiert. Anlass in Bremen war der Aufruf der rechtskonservativen Gruppierung „Aufrechter Gang“.

Im Bündnis sind durch die Montagsdemos auch neue Kreise und Einzelpersonen hinzugekommen. Es wurden die wöchentlichen Demos, Flugblattverteilungen und weitere Aktionen organisiert, bei Karstadt, Arbeiterwohlfahrt, Arbeitsamt, Cinemaxx, Betriebs- und Personalräteempfang, Günter Grass und „Agenturschluss“. Außerdem hat das Bündnis eine Veranstaltungsreihe entwickelt, die zeitnah vor allem die Themen aufgriff, die in der Bündnisarbeit zwischen Menschen und Gruppen mit recht unterschiedlichem Hintergrund auftauchten, wie „Frauen und Hartz IV“, „Wir sind das Volk“, „Ein-Euro-Jobs“, „Wir und die Gewaltfrage“, „Globalisierung“, „Wir und Gewerkschaften“ oder „Wie weiter nach dem 3. Januar 2005“.

Als nach dem 2./3. Oktober entsprechend dem bundesweiten Trend die Teilnehmerzahl auch in Bremen nachließ, ist es nur noch einmal gelungen – dank der Teilnahme einer größeren Zahl von Menschen aus Tenever mit einem kreativen Programm – eine eindrucksvolle Montagskundgebung durchzuführen. Im Übrigen ging die Zahl auf den „harten Kern“ zurück. Die jeweils anschließende Demo schmolz noch mehr, weil viele in einer Mini-Demo eher eine Demonstration der Schwäche und nicht der Stärke sahen. Hoffnungen richteten sich auf einen Aufschwung im Zusammenhang mit dem „Agenturschluss“ am 3. Januar 2005, dem Tag X. Es konnten aber ebenso wie in den drei Monaten zuvor nur einzelne Menschen zur Teilnahme am aktiven Protest gewonnen werden.

FahnenschwenkerDie Montagsdemo war trotz ihrer geringen Zahl Informations- und Kontakt­börse, Treffpunkt mit Wiedererkennungswert, Anlaufstelle für ratsuchende Menschen, die sich teilweise zu gegenseitiger Unterstützung zusammenfanden – eine Massen-Bewegung von Betroffenen ist sie nicht geworden. Anstatt die bundesweiten Gründe dafür zu analysieren und gemeinsame Schlüsse für die weitere Arbeit zu ziehen, haben sich vorhandene Schwierigkeiten mit dem Abnehmen der Teilnehmerzahl verschärft. Manche suchten dann Schuldige für das Ausbleiben von weiteren Betroffenen.

Schon länger vor der organisatorischen Trennung führte der Teil des Bündnisses, der die Montagsdemo als eigene Bewegung ansieht, zusätzlich getrennte Besprechungen durch. Eigene Aktivitäten einzelner Gruppen im Bündnis stehen der Bündnisarbeit nicht entgegen – die Orientierung auf praktische Aktivitäten, Proteste, Hilfsangebote für Betroffene auf allen Ebenen wird von allen im Bündnis getragen. Die Aufrechterhaltung wöchentlicher Montagsdemos wird von Teilen des Bündnisses aber nicht mehr für sinnvoll gehalten.

Man muss eine Kampagne zu einem geordneten Ende führen, bevor sie kläglich auseinanderläuft. Dann kann mit vereinten Kräften auch wieder eine neue Kampagne gestartet werden. Über eine Kundgebung als Treffpunkt oder über Demos in größerem Abstand hätte man reden können. Doch statt nach gemeinsamen positiven Lösungen zu suchen, wurden Schein-Gegensätze zwischen Montagsdemo und Bündnis aufgebaut. Dafür gibt es in der Hauptsache zwei Ursachen.

 

1. Die Rolle der MLPD, deren Bremer Vertreter sich organisatorisch stark beteiligt haben, im Übrigen aber vor allem bemüht waren, Richtlinien ihrer Partei durchzudrücken. Dies ist eine Tendenz, die in zahlreichen Städten schon früher als in Bremen zu Konflikten, Spaltungen oder zum Ausschluss der MLPD aus lokalen Bündnissen geführt hat.

Auseinandersetzungen beziehen sich auf die Montagsdemo insgesamt, die bei der MLPD nicht als Protestform gesehen wird, sondern als gesonderte Bewegung unter ihrer Führung; die bundesweite Vernetzung von Montagsdemobündnissen nach MLPD-Organisationsschema; den Umgang mit Abstimmungen sowie das Offene Mikrofon (gute basisdemokratische Formen werden in ihrer dilettantischen Durchführung zur Farce); die Parolen und Forderungen (nicht unterscheidbar von rechten Forderungen); die Berichterstattung (der Umgang mit der Wahrheit und mit Zahlen); die mangelnde Solidarität mit Bündnispartnern; die fehlende politische Aufarbeitung (mangelnde Lernfähigkeit).

Die ersten beiden Kritikpunkte gewannen in Bremen erst in Zusammenhang mit weiteren nachträglich eine größere Bedeutung. Von Beginn an hat es im Bündnis Diskussionen um Begriffe wie „volksfeindlich“ und Parolen wie „Das Volk sind wir“ oder „Neue Politiker braucht das Land“ gegeben. Sind Schill, „Aufrechter Gang“, „Arbeit für Bremen“ gute Politiker, weil sie „neu“ sind? Die Grünen waren auch „neue Politiker“, und auch Neonazis bieten sich als solche an. Diese Parolen sind nicht geeignet, sich von rechten Populisten abzugrenzen. Sie werden wörtlich von Rechten benutzt!

Es genügt nicht, sich für die Verabschiedung von Prinzipien einer Bewegung stark zu machen, in denen es pauschal heißt, dass man sich „entschieden gegen Faschismus“ abgrenzt. Das könnten auch rechte Populisten unterschreiben. Wichtig ist, dass wir eigene linke Forderungen und Parolen entwickeln, ausgrenzenden und unsolidarischen Argumenten entgegentreten, damit sich solches Denken nicht in den Köpfen festsetzt. Besonders wichtig ist uns das heute, wo rechte Gruppen in allen möglichen Verkleidungen außerordentlich geschickt die Nöte der Menschen aufgreifen. Wir werden dieses Thema sicher bald in einer Veranstaltung aufgreifen, um es gründlich zu diskutieren.

Viele Menschen haben sich aus solchen Gründen nur noch „mit Bauchschmerzen“ oder gar nicht mehr zur Montagsdemo begeben oder mitgemacht. Nicht nur die jungen Menschen, die mit auf der Straße waren gegen den „Aufrechten Gang“ und danach ein eigenes Bündnis gründeten, auch viele andere, denen Stil und Sprache von Teilen der Montagsdemo missfielen.

Die MLPD wirft dem Bündnis vor, es wolle „keine Massenbewegung“. Hängt das Entstehen einer solchen von unseren oder den Wünschen der MLPD ab? Wir wünschen uns eine Massenbewegung gegen die Herrschenden in Politik und Wirtschaft, die uns und unseren Kindern die Zukunft rauben. Aber wir halten nichts davon, uns die Zahlen zurechtzulügen und uns etwas über unsere Stärke vorzumachen. Dies tut die MLPD bundesweit.

Sie unterstützt in der bundesweiten breiten Bewegung gegen Sozialkahlschlag nur die unter ihrem Einfluss stehende Richtung, verschweigt andere Termine wie den 2. Oktober 2004 und trägt zur Schwächung und Spaltung der sozialen Bewegung bei. Die MLPD hat sich trotz vieler Diskussionen als nicht kompromissfähig erwiesen. Das „Bündnis gegen Sozialkahlschlag und Bildungsabbau“ lehnt deshalb eine weitere Zusammenarbeit mit ihr ab.

 

2. Die Rolle der „unabhängigen Bürger. Es ist das gute Recht von Teilen des Bündnisses, sich so zu organisieren, wie sie es für am besten halten, um den Angriffen, denen wir alle ausgesetzt sind, etwas entgegenzusetzen. Der Kreis „unabhängiger Bürger“ baut aber einen nicht wirklich bestehenden Gegensatz auf, die anderen Einzelpersonen und Gruppen im Bündnis seien keine Betroffenen. Alle sind betroffen vom Sozialabbau, wenn auch nicht alle unmittelbar von Hartz IV.

Der Unterschied ist: Wir kämpfen schon länger dagegen als einige von ihnen und haben deshalb schon einige Erfahrungen gesammelt, zum Beispiel dass Wut im Bauch oder im Herzen nicht genügt. Wir brauchen einen langen Atem. Wir finden es deshalb wichtig, die Strategie der Herrschenden besser zu durchschauen und möglichst klar und überlegt an die lange währende Auseinandersetzung heranzugehen, erkannte Fehler zu vermeiden – was nicht vor alten Schwächen und neuen Fehlern schützt!

Wenn eine Methode sich nicht bewährt hat, mehr Menschen aus ihrer Vereinzelung und Passivität zu holen, suchen wir neue Wege, anstatt nach „Schuldigen“ für das Ausbleiben des Erfolgs zu suchen. Wir wissen, dass Ausgrenzung und Spaltung den Gegnern nützt. Deshalb drängen wir auf solidarisches Verhalten zum Beispiel mit Beschäftigten, auch wenn wir (noch) keine Solidarität zurückbekommen. Kraft entwickeln wir nur gemeinsam. Wir akzeptieren auch andere Formen der Auseinandersetzung mit dem Kapital und den Regierenden als die in unserem Bündnis.

Wir holen Menschen da ab, wo sie sind. Auch die jungen Leute, Punks, noch Beschäftigte, Langzeit-Erwerbslose. Wir versuchen vom Beginn bei aller Unterschiedlichkeit solidarisches Verhalten und Emanzipation im gemeinsamen Kampf zu fördern. Die Montagsdemo ist nach unserer Einschätzung nicht die ganze Welt! Die Auseinandersetzung mit den Herrschenden findet auf vielen Ebenen statt – auch bei Montagsdemos. Wir wissen, dass es für unsere Probleme keine „einfachen Lösungen“ gibt. Es hilft zwar, mal seinen Frust am Offenen Mikrofon rauszulassen – aber es genügt nicht.

Es genügt nicht, daran zu glauben: „Keiner schiebt uns weg“. Bei 30 bis 50 Teilnehmer(inne)n an der Montagsdemo klingt das eher wie das Pfeifen im dunklen Walde. Es genügt nicht, daran zu glauben, dass „die da oben“ vor uns paar Leuten zittern – sie tun es nicht. Sie lächeln verächtlich über das „Fähnlein der 50 Aufrechten“, egal ob es ein rotes, gelbes, buntes oder ein einsames Gewerkschafts-Fähnlein ist. Sie zittern auch nicht vor Tausenden von Verdi-Demonstrierenden, die immerhin eine erfreuliche Menge waren, die für ihre Interessen eintraten.

Es genügt nicht, auf Politiker zu schimpfen – nicht einmal, die Regierung abzulösen, wenn wir denn die Kraft dazu hätten. Wenn jemand „starke Worte“, „einfache Lösungen“ und „Führerqualitäten“ anbietet und sich der offenen Diskussion entzieht, sollte man misstrauisch werden. Denn so jemand macht anderen etwas vor. Wir bedauern es, dass sich unsere Wege getrennt haben. Die wirkliche Trennung gilt nur gegenüber Tendenzen, das eigene augenblickliche Wohl auf Kosten anderer durchzusetzen, und Leuten, die das propagieren. Denn das schadet der Bewegung gegen Sozialkahlschlag.

Nach Einführung von Hartz IV gilt es weiter sehr konkrete Arbeit in Bezug auf Ein-Euro-Jobs, Wohnungsprobleme, Gesundheitsreform oder Ausbildungsprobleme der Jugend zu leisten. Dort bringt sich das „Bündnis gegen Sozialkahlschlag“ gemeinsam mit anderen ein, die bereit sind, praktischen Widerstand zu leisten. Bei Aktionen und konkreter Organisierung werden die Aktiven sich wieder begegnen. Schnittstellen gibt es genug.

Stellungnahme des „Bündnisses gegen Sozialkahlschlag
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz