132. Bremer Montagsdemo
am 07. 05. 2007  I◄◄  ►►I

 

Reißt das bürgerliche
Brett vom Kopf!

Jens SchnitkerDerzeit ist der Senat noch bürgerlich. Und es wird nicht nur von Seiten des Senats darum geworben, dass dies auch nach der Wahl so bleibt. Auffällig ist, dass die Anzeigenblätter „Weser-Report“ und „Bremer Anzeiger“ sowie der „Weser-Kurier“ sich für stabile bürgerliche Mehrheiten im Senat stark machen. Der Bremer Parteienforscher Probst sagte im „Bremer Anzeiger“: „Es wird keinen Machtwechsel geben.“

Zur gleichen Zeit werden Umfragewerte veröffentlich, die die SPD bei 40 Prozent sehen und die CDU bei 25. Als kritischer Wähler fragt man sich, ob die Medien gleichgeschaltet sind und ihre Überparteilichkeit außen vor lassen. Eines steht schon jetzt fest: Die Wahlbeteiligung von vor vier Jahren (60 Prozent) wird nicht getoppt, denn die Zahl der Nichtwähler und der Unentschlossenen nimmt zu.

Also wird vor allem um deren Stimme gebuhlt – gern auch mit den Mitteln der Manipulation und Lüge. Nicht anders ist es zu nennen, wenn sich die einflussreichsten und auflagenstärksten Printmedien für den bürgerlichen Senat in die Bresche schlagen. Sie belegen das mit „seriösem“ Zahlenwerk und breitgewälzten Argumenten. Gerade die Zweifler sollen dadurch ermuntert werden, sich auf die Seite der nominierten Sieger zu schlagen. Ob diese Rechnung aufgeht, erfahren wir am Wahlabend.

Ein noch leichter zu durchschauender Trick, um die Meinungshoheit zu erlangen, wurde von der SPD inszeniert. Bevor der Wahlkampf in Bremen an Fahrt aufnahm, wurde eine Internetseite zur Bürgerschaftswahl freigeschaltet. Diese Plattform gibt allen Parteien mit ihren Kandidaten Gelegenheit, auf per E-Mail gestellte Fragen ihre Position zu äußern – auch rechtsradikalen Parteien. Aus diesem Grund nehmen SPD und Linkspartei daran nicht teil.

Grüne und FDP machen mit und nennen die Verweigerung ein Demokratiedefizit, denn zur Bundestagswahl 2006 diskutierten alle Parteien auf solch einer Plattform, ohne Verweis auf die Teilnahme rechtsradikaler Parteien. Also ist das Meiden von Faschisten nur vorgeschoben. Weil dies kritisiert wurde, stellte die SPD ein eigenes Forum ins Netz, leider mit mangelndem Erfolg. Man muss eindeutig sagen, dass die SPD Meinungen unterdrücken wollte: Sie hat dadurch Andersdenkenden einen Maulkorb verpasst. Eine neutrale Internetplattform darf auch nicht den Faschisten überlassen werden, das ist gefährlich und nicht zu verzeihen.

Gerade in der Wahlkampfzeit kochten mehrere brisante Themen hoch. Das „Pisa“-Schlusslicht Bremen will bis 2010 die Hochschulen und die Universität kaputtsparen. Das trifft nicht nur das Personal, sondern vor allem Studenten, die aus einfachen Verhältnissen kommen. Dieses Sparpaket ist schon vom Senat beschlossen wurden. Der Senator für Bildung, Willi Lemke von der SPD, ignoriert dabei den Grundsatz auch seiner Kollegin, Bundesbildungsministerin Schavan, die meint, Bildung müsse allen frei und umsonst zustehen. Eine Demonstration am 8. Mai 2007 brachte mehr als 8.000 Bremer auf die Straße. Selbst die vier Rektoren der Hochschulen in Bremen waren mit dabei. Das soll schon etwas heißen, wenn die Rektoren aus ihren Büros kommen und sich unter die Demonstranten mischen: Ihr Arsch geht auf Grundeis!

Dann gab es noch den Ausschuss über den Tod eines Kleinkindes, Kevin. Dort traten unappetitliche Fakten zutage. Es war zu erheblichem Fehlverhalten der Kinder- und Jugendbehörde gekommen, da diese chronisch unterfinanziert ist und es auf absehbare Zeit bleiben wird. Es ist nur als blanker Zynismus zu werten, wenn das Ressort für Soziales von Fehlern des Personals spricht und die Unterversorgung leugnet.

Es kam auch heraus, dass es in Bremen einen Bonus gab für Kinder, die verhaltensgestört sind oder aus schwierigen Haushalten stammen: Werden diese Kinder im Heim gepflegt und vor der bewilligten Frist den Eltern zurückgegeben, erhält das Heim einen Bonus. Das passiert aber nicht zum Nutzen des Kindes. Dies wird von Sozialsenatorin Rosenkötter ebenfalls geleugnet. Man muss nur die 600 Millionen Euro betrachten, die während der zwölf Jahre der Großen Koalition allein im Sozialetat gekürzt wurden! Das straft alles Schönreden Lügen.

Eine weitere dicke Lüge ist die Klage wegen der Haushaltsnotlage. Sie wurde bewusst kurz vor der Wahl nach Karlsruhe geschickt. Man versucht dadurch, die fatale Haushaltspolitik zu kaschieren. Des weiteren will der Senat Solidität vortäuschen, auch für die Zeit nach der Wahl. Dass die Rechnung nicht aufgeht, zeigt deutlich das Urteil zu Berlin im letzten Jahr: Die Hauptstadt erhält keine weiteren Geldmittel vom Bund!

Eine Menge Stoff, der kurz vor der Wahl auf den Bremern lastet. Es gibt nur eine Möglichkeit, das abzumildern: Der Senat muss gekippt werden! Der Wähler muss nun mit dem bürgerlichen Versprechen nach Sicherheit und Ordnung brechen. Er muss sich das bürgerliche Brett vorm Kopf wegreißen!

Jens Schnitker (parteilos)

 

Kleine Konfrontation ohne
Gefährdung der Großen Koalition

Das große Redebuch
Band II (2005/2006)1. Am nächsten Sonntag ist Bürgerschaftswahl. Das Begehren von über 60.000 Bürgern auf Änderung des Wahlrechts, es demokratischer zu gestalten, wurde nicht umgesetzt. Die Oberen in SPD und CDU wollten nicht ihre Pfründen verlieren. Man verschob es auf später, vielleicht haben die Bürger es bis 2011 ja vergessen, oder es fällt den Parteien noch ein Trick ein, wie man die Bürger und ihre Begehren aushebeln kann.

Wir haben alle die Plakate gesehen, die Politiker gehört, die Wahlprogramme gelesen. Die Politik selbst erklärt die Wahl und die Ziele zur Nebensache. Es soll alles so bleiben, wie es ist. Die sogenannten Prognosen von „Infratest-Dimap“ oder dem ZDF sind bereits Teil der großen Beeinflussungsmaschinerie. Die ganze Medienwelt ist darum bemüht, den bürgerlichen Parteien und ihrer Wahlfassade alles zuzutreiben.

Wahlbeteiligungen wie zuletzt in Thüringen bei der Kommunalwahl, wo keine 37 Prozent mehr an die Urne gingen, wären eine zu große Blamage. Also muss ein bisschen Konfrontation her, ohne die Große Koalition in Gefahr zu bringen. Der „Sanierungskurs“ müsse fortgesetzt werden, tönt es von SPD und CDU.

So wird weiter Wolkenkuckucksheimen nachgejagt, wie der Steuerklage in Karlsruhe, aber den wirklichen Problemen – dem Abbau von Arbeitsplätzen und der Umwandlung in Leiharbeit und Minilohn, der wachsenden Verarmung von breiten Kreisen der Bevölkerung und dabei besonders der Kinder und Jugendlichen, der wachsenden Verwahrlosung der sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse – wird nicht nachgegangen.

Die Finanzierung von Musical-Theater und „Spacepark“ oder auch die ach so berechtigten Versorgungsansprüche der ehemaligen Senatoren Gloystein, Röpke und Eckhoff sowie anderer Politiker und hoher Staatsbediensteter sind da Wahrzeichen auf dem Wege, Bremen „vor die Wand“ zu fahren.

Viele wollen nicht zur Wahl gehen oder ungültig wählen. Andere vertrauen wieder den Grünen oder zum ersten Mal der Linken. Jeder wird gute Gründe für sein Anliegen vorbringen. Es wird aber kein Weg daran vorbei führen, unseren Protest fortzusetzen. Hartz IV muss weg, ohne Wenn und Aber! Das ist unsere Forderung. Am Freitag dieser Woche treffen wir uns daher um 16:30 Uhr am Dom zur Demo gegen Merkel und die neoliberale Politik in Berlin und Bremen.

Die bundesweite Montagsdemobewegung, seit bald drei Jahren aktiv, ist das Markenzeichen für diesen Kurs des Widerstandes. Zusammen mit vielen Kräften haben wir in kleinen Fragen manches erreicht. Dieses Einsetzen für eine andere Politik muss uns alle noch weiter und breiter verbinden und zusammenschließen. Darum ringen wir weiter mit allen Beteiligten, mit der Bagis, dem Senat und mit der Bundesregierung in Berlin.

Am kommenden Montag, dem 14. Mai, ist hier wieder Demo um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz. Für den 13. Oktober 2007 rufen wir wieder auf zu einem Sternmarsch gegen die Politik der Merkel/Müntefering-Regierung in Berlin!

 

2. Am letzten Sonnabend gab es ein regionales Treffen der norddeutschen Montagsdemos in Hannover. Mitstreiter aus Hamburg, Bremen, Oldenburg und Hannover waren anwesend. Im Mittelpunkt standen die Behinderung der Aktionen der Montagsdemos in Hannover und Hamburg und die versuchte Kriminalisierung am 5. Februar in Hannover durch die niedersächsische Landespolizei; wir haben darüber berichtet.

Am 11. Juni 2007 wird nun das erste Verfahren vor dem Amtsgericht in Hannover gegen Kurt Kleffel, den Anmelder und Leiter der dortigen Montagsdemos, und vier weitere Mitstreiter angesetzt. Wir rufen auf, uns breit am Protest zu beteiligen und der Gerichtssitzung beizuwohnen. Es geht dabei um so schwere Beschuldigungen wie Landfriedensbruch und Widerstand gegen die Staatsgewalt wie auch damit verbundene Körperverletzung.

In Hamburg geht es um die willkürliche Regulierung der Lautstärke der Lautsprecheranlagen. In beiden Fällen sehen wir dahinter bewusste Maßnahmen der Drangsalierung der Montagsdemobewegung. In fast drei Jahren hat man sie mit Spaltungsversuchen, Unterwanderung, Einschleusung von Nazis, Verleumdung und Totschweigen nicht kaputtkriegen können. Nun versucht man dort durch direkte Kriminalisierung einen neuen Schlag.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass auch im „liberalen“ Bremen so etwas möglich werden kann, wenn es „oben“ so gewollt wird. Aber gegen solche politischen Angriffe werden wir angehen und eine große breite Öffentlichkeit herstellen. Wir provozieren nicht und lassen uns auch nicht provozieren! Die Hannoveraner haben einen „Appell an die demokratische Öffentlichkeit“ ins Leben gerufen, für den auch wir Erstunterzeichner und Unterschriften sammeln.

 

3. Am letzten Donnerstag fand auf dem Bahnhofsplatz der erste und gleichzeitig letzte Warnstreik der IG Metall in dieser Tarifrunde statt. Aus allen Himmelsrichtungen waren die Kollegen zusammengeströmt, von Daimler-Chrysler, Atlas-Elektronik, Airbus, Gestra und vielen anderen Betrieben. Es gab eine Beteiligung wie schon lange nicht mehr und eine kämpferische Stimmung.

Vor dem Kampfeswillen haben die Arbeitgeber auch schnell kapituliert. Die 4,1 Prozent Lohnsteigerung sind zwar keine 6,5 Prozent, aber mehr als das bisherige Angebot der Arbeitgeber. Wie die Kollegen das Ergebnis bewerten, ist noch in Diskussion. Für mich gab es aber zwei bedeutsame Erscheinungen:

Erstens: Es beteiligten sich 500 Telekom-Kollegen von Verdi an diesem Warnstreik und zeigten, dass nur gemeinsamer Kampf etwas bewirken kann. Wünschen wir den Telekom-Kollegen, dass sie sich mutig für Streik bei ihrer Urabstimmung aussprechen, im Kampf um jeden Arbeitsplatz!

Zweitens: Es gab keine langen Reden, wo schließlich keiner mehr zuhört, sondern es wurden wie beim Offenen Mikrofon von jeden Betrieb und auch vom Verdi-Kollege kurze Beiträge von circa drei Minuten Länge gehalten, sodass die Kundgebung lebendiger war und auch mehr vom einzelnen Betrieb „rüberkam“. Das war ein Zeichen, dass das Offene Mikrofon immer mehr zur Diskussionsform wird bei großen Veranstaltungen. Das finden auch andere gut, weil es lebendig ist.

 

4. Manchmal wie zum Beispiel heute sind unsere Kräfte geringer. Arbeit, Krankheit oder andere Hinderungen verkleinern die Teilnehmerzahl. Aber trotzdem ist es notwendig, allen, die hier auf dem Platz Interesse haben, unsere Flyer und Infos zu geben und mit ihnen zu sprechen. Ich möchte euch deshalb bitten, die Mitstreiter zu unterstützen, die unsere Flugblätter verteilen, oder unser Transparent festzuhalten oder zu tragen. Das muss nicht die ganze Zeit sein, aber eben mal eine Zeit lang.

Weiter wünsche ich mir mehr und kürzere Redebeiträge. Jeder soll sich ein Thema, das ihn bedrückt oder ärgert, in ein paar Sätzen für andere hörbar und lebendig machen. Das stärkt unsere gemeinsame Sache. Mit dem Frühjahr und Sommer können wir unsere Tätigkeiten in unterschiedlicher Weise verstärken, vielleicht wieder durch ein Frühlingsfest oder durch Auftreten an anderen Orten.

Wir möchten das im größeren oder großen Kreis beraten und schlagen vor, dass wir uns nach der nächsten Montagsdemo am 14. Mai 2007 ab etwa 19 Uhr im Seemannsheim treffen. Bitte verbreitet das unter allen Mitstreiter, die ihr seht, sprecht oder informieren könnt!

Jobst Roselius

 

Die Löhne sind im freien Fall,
die Preise steigen überall

1. Welche Zeitung ich auch aufschlage, von überall her springen mir ganze Jubelexzesse über den unaufhaltsamen Aufschwung entgegen. Da sind sich die Wirtschaftsexperten mit der Arbeitsagentur einig. Einer Gruppe aber nützt das bislang wenig: Immer mehr Kinder in Deutschland wachsen in bedürftigen Familien auf. „Der Aufschwung geht an den Hartz-IV-Familien vorbei“, sagt Paul Schröder vom „Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe“. Laut Schröder lebten 2006 in Deutschland 1,89 Millionen Kinder unter 15 Jahren auf Hartz-IV-Niveau. Das sind zehn Prozent – über 173.000 Kinder – mehr als im Jahr zuvor.

Sechs Prozent der Ehepaare mit Kind haben weniger als 1.300 Euro im Monat zur Verfügung. Jede zehnte Familie verfügt sogar über mindestens 4.500 Euro. Solange die Eltern zusammenbleiben, haben sie also, statistisch gesehen, nur selten Finanznöte. Alleinerziehende aber sind relativ oft von Armut bedroht. Natürlich zeichnet sich auf diese Weise das Indiz für eine breite soziale Schere innerhalb der Gruppe der Kinder und Jugendlichen ebenso ab wie beim Rest der Bevölkerung: Die einen Kinder werden zwischen Ballett- und Klavierstunde hin- und hergefahren, während die anderen kaum Geld für eine Kinokarte oder das Hallenbad, geschweige denn für Nachhilfelehrer oder gar Sprachreisen haben.

 

Elisabeth Graf2. Aber wie gut es uns angeblich geht, ließ sich letzte Woche einem unglaublich beschönigenden Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ entnehmen. In „Onkel Sven Lörzers Märchenstunde“ überprüfen in München vier Teams Hinweise auf Leistungsmissbrauch. Sie helfen aber auch, Not zu lindern. Das Team startet nur dann zum Hausbesuch, wenn ein Auftrag von einem Sachbearbeiter erteilt ist, weil irgendein Verdacht auf Leistungsmissbrauch vorliege. Verfolgungsbesuch heißt also Hausbesuch! Den macht sonst nur ein persönlich herbeigerufener und erwünschter Hausarzt.

In letzter Zeit schaut der Hausbesuchsdienst auch dort vorbei, wo der Verdacht besteht, dass beantragte Einrichtungsgegenstände für die neue Wohnung wie Herd, Spüle und Waschmaschine zwar geliefert worden sind, aber tatsächlich gar nicht benötigt werden. In der Hälfte der acht Fälle standen die Geräte entweder im Keller oder waren weiterverkauft worden. Es sei traurig, so etwas feststellen zu müssen, denn es gebe „wirklich Leute, die so etwas dringend brauchen, aber es sich gar nicht trauen, einen Antrag zu stellen“. Der Autor kann nicht im kalten Hartz-IV-Deutschland leben, denn die Zeiten, als noch gebrauchte Haushaltsgeräte beantragt und auch angeliefert werden konnten, sind „seit Hartz IV“ absolut vorbei!

Angeblich haben viele Leute nur eine Briefkastenadresse. Denn nicht wenige Betroffene leben im Ausland und kommen deshalb mitunter zu Vorladungen mit vorgeschobenen, fadenscheinigen Begründungen zu spät. Wahrscheinlich bevorzugen ALG-II-Empfänger ohnehin im Allgemeinen das Wohnen auf Hawaii. Von welchem Jahrhundert mag wohl bei diesem „Reporter“ die Rede sein? Lebt der schon oder kopiert er noch? Entweder lügt der Autor so offensichtlich, dass sich die Balken biegen, leidet unter Wahnvorstellungen oder ist nicht dazu in der Lage, seine möglicherweise in gönnerhafter Absicht vorgetragenen Wünsche für Erwerbslose als solche zu kennzeichnen, sie also von der Realität zu unterscheiden.

 

3. Auch die „Tageszeitung“ fragt, ob die rot-grünen Reformen mit Hartz IV den Aufschwung begünstigt haben. Für Klaus Zimmermann, Chef des „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“, zeigen einige der Reformen jetzt eine positive Wirkung. Hier wird die verbrecherische und menschenverachtende Hartz-IV-Reform hochgelobhudelt, was das Zeug hält! Es wird so getan, als ob es die vielen Stellen alle gäbe und wir faulen Arbeitslosen nur strengere Gesetze brauchten, um uns endlich rülpsend und furzend aus unseren gut gepolsterten Liegesesseln zu erheben. Die Hartz-Reformen hätten auch der Arbeitsverwaltung „Beine gemacht“, Menschen fänden jetzt kurzfristig wieder eine Stelle.

Der Chef des „Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung“ ist da ganz anderer Meinung. Er behauptet, dass die Hartz-Reformen den Aufschwung verzögert haben: Ohne die Schwächung der Binnennachfrage 2003 bis 2005 hätte sich die Wirtschaft schon früher erholt. Der Druck, der durch Hartz IV auf die Arbeitslosen entstanden sei, führe zu sinkenden Löhnen. Dadurch hätten die Menschen letztlich weniger Geld in der Tasche. Das bremse den Konsum. Allerdings glaubt er, wenn der Aufschwung erst einmal da sei, könnten die Hartz-Reformen die Beschäftigung beschleunigen, weil die Vermittlung von Arbeitslosen besser funktioniere.

Auch unser allseits geschätzter Arbeitsminister Müntefering möchte sich und die seinen mit einer schmeichelnden Kette aus Aufschwungs-Lorbeeren schmücken. Er hofft, dass nun die Akzeptanz der Hartz-Reformen in der Bevölkerung steigen möge. Denn seit Verabschiedung der Reformen leidet die SPD an einem Mitglieder- und Wählerabfluss zur Linkspartei. Auch die Grünen, die als Regierungspartei die Reformen mitgetragen und es sich dadurch ebenfalls mit vielen Wählern verscherzt haben, freuen sich. Sollen sie ruhig! Jeder, der noch einigermaßen klar denken kann, dürfte mittlerweile bemerkt haben, dass der „Aufschwung“ an den meisten Hartz-IV-Betroffenen völlig vorbeigeht.

Wenn überhaupt hat Hartz IV höchstens einen indirekten Einfluss gehabt, weil die Beschäftigten aus Angst vor sozialem Abstieg und Hartz IV mehr hinnehmen als früher. Hartz IV hat den menschenverachtenden, neoliberalen Aufschwung auf Kosten der Arbeitslosen und Noch-Arbeitsplatz-Besitzer begünstigt: Die Löhne sind im freien Fall, die Preise steigen überall, die Arbeitsbedingungen werden immer schlechter, die Binnennachfrage wird immer geringer, die paar Pseudoarbeitslose weniger sind im Endeffekt nur Verschiebungen. Außer Managern und Großkonzernen hat keine Sau was vom Export.

 

4. Der SPD-Linke Ottmar Schreiner hat eine deutliche Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes gefordert, um drohende Preisanstiege für Lebensmittel wegen der starken Trockenheit aufzufangen. „Hartz-VI-Leute können einen solchen Anstieg der Lebensmittelpreise nicht verkraften“, sagte Schreiner, Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen“, der „Welt am Sonntag“. Die Bezieher des Arbeitslosengeldes II hätten beim Regelsatz von derzeit 345 Euro monatlich ohnehin nur fünf bis sieben Euro pro Tag für Lebensmittel zur Verfügung. Es sei daher absolut überfällig, die Regelsätze zu erhöhen, „damit die Leute nicht auf einem Stück Holz rumbeißen müssen“, sagte Schreiner weiter.

Wegen der anhaltenden Dürre rechnen Experten mit einem deutlichen Preisanstieg für Lebensmittel in den kommenden Monaten. „Besonders betroffen sind Produkte wie Kartoffeln, Gemüse und Getreide, denen die Dürre extrem zu schaffen macht“, sagte Claudia Kemfert vom „Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung“ der Zeitung. Sie rechne kurzfristig mit um 20 Prozent erhöhten Preisen. Ein noch stärkerer Anstieg hänge davon ab, ob der Sommer so trocken werde, wie Meteorologen befürchten.

Der Preisanstieg in den letzten zwölf Monaten ist auch ohne starke Trockenheit ziemlich heftig gewesen: bei Obst und Gemüse plus 52,4 Prozent, bei Brot und anderen Backwaren 21,4, bei Fleisch und Wurst 18,3, bei Eiern 13,7, bei Feinkost und Gewürzen 14,5, bei Konserven und Babynahrung 7,7 Prozent!

 

5. In dem Zusammenhang möchte ich an die klammheimliche Senkung der Sozialhilfe mit Hartz IV erinnern. Mit der Einführung des ALG II auf dem Niveau der Sozialhilfe in 2005 wurde auch dessen Regelsatz still und heimlich gekürzt. Statt 345 Euro wären bei der Neuberechnung 448 Euro herausgekommen, der Regelsatz hätte eigentlich 30 Prozent höher sein müssen, aber niemand hat’s bemerkt. Alle fünf Jahre wird der Regelsatz der Sozialhilfe an die Lebensverhältnisse angepasst, doch bei der letzten Anpassung wurde plötzlich nach ganz neuen fragwürdigen Regeln verfahren.

Das Ergebnis war, dass nicht wie nach alter Berechnung 448 Euro herausgekommen sind, sondern die inzwischen bekannten 345 Euro. Das hört sich für einen Normalbürger nicht dramatisch an, doch bei einem Empfänger von Sozialhilfe beziehungsweise dann ALG II sind diese 103 Euro immerhin 30 Prozent des jetzt aktuellen Versorgungssatzes.

Zunächst wurde die zugrunde liegende Personengruppe gewechselt. Statt wie gesetzlich gefordert die Konsumausgaben der 20 Prozent bundesdeutscher Haushalte mit dem niedrigsten Einkommen als Maßstab zu nehmen, wurden nur die Einpersonenhaushalte zur Berechnung herangezogen – mit gravierenden Folgen, denn die Ausgaben pro Kopf der Einpersonenhaushalte sind deutlich niedriger als die der Haushalte mit geringem Einkommen insgesamt. Bei Bekleidung und Schuhen beispielsweise beträgt die Differenz rund 57 Prozent, bei Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren immerhin noch 28 Prozent. Haben Geringverdiener Maßanzüge und Pelzmäntel?

Aber es wurde weiter kräftig gestutzt, und zwar bei den einzelnen Posten des sich ergebenen Satzes. Der Posten Bekleidung wurde nur zu 89 Prozent als regelsatzrelevant anerkannt mit der Begründung, dass in dem Posten ja auch Maßbekleidung und Pelzmäntel enthalten seien. Im Klartext wird da behauptet, dass Geringverdiener nennenswerte Ausgaben für Maßanzüge und Pelze hätten! Oder vielleicht Sportboote und Segelflugzeuge? Der Posten für Freizeit, Unterhaltung und Kultur wurde von 86 auf 36 Euro verringert mit der Begründung, dass die oben genannten Geringverdiener Ausgaben für Sportboote und Segelflugzeuge hätten.

 

6. Familienministerin Ursula von der Leyen konkretisiert ihr Finanzierungskonzept zum Ausbau der Kinderbetreuung: Zwei Drittel der insgesamt benötigten zwölf Milliarden Euro sollen der Bund auf der einen sowie die Länder und Gemeinden auf der anderen Seite aufbringen. Dass von der Leyen lieber die Kinderbetreuung als die Autobahnen ausbauen will, spricht für sie, auch wenn es ihren Parteigenossen sicher nicht schmecken wird.

Dennoch scheint auch sie den Größenfantasien des Aufschwungs erlegen zu sein, nimmt sie doch die Fantastereien über den Rückgang der Erwerbslosen offenkundig für bare Münze. „Wenn ein Drittel der alleinerziehenden Mütter eigenes Geld verdienten“, statt Hartz IV zu bekommen, „spart der Staat 900 Millionen, die er in gute Kinderbetreuung stecken kann“, schrieb von der Leyen. In welchen Jobs sollen diese Mütter denn arbeiten? Aus manchen Träumen gibt es ein böses Erwachen!

Elisabeth Graf (parteilos)
 
Schwere Vorwürfe gegen Bremer Hartz-IV-Behörde: Bagis trägt
indirekte Mitschuld an Kevins Tod („Erwerbslosenforum“)

 

Bremer Versäumnisse

Hans-Dieter Binder1. Oft wird von den SPD-Politikern der Freien Hansestadt Bremen die Unfähigkeit der Bagis beklagt: „Leider sind unsere Einflussmöglichkeiten sehr be­grenzt“, heißt es dann. Sind diese Politiker unehrlich oder unwissend? In jedem Fall sind sie unfähig, denn die Bagis ist eine Bremer Behörde, nachzulesen unter dem Internetauftritt der Sozialsenatorin.

Dort steht: „Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales als oberste Landesbehörde ist verantwortlich für die Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaften nach SGB II im Land Bremen. Gleichzeitig ist er als kommunaler Träger zuständig für die fachliche Steuerung der Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis).“ Damit ist jegliches Täuschungs- und Ablenkungsmanöver beendet!

Der unredliche Umgang mit den ALG-II-Betroffenen ist hausgemacht. „Bremen hat bezahlbare Wohnungen“, so die Wahlaussage des Noch-Bürger­meisters; gleichzeitig werden aber die Mietobergrenzen für ALG-II-Betroffene so niedrig angesetzt, dass diese Wohnungen nicht bezahlbar sind! Dieser Senat macht sich nicht einmal die Mühe, solche Mietobergrenzen zu begründen.

Diese zusätzliche Einsparung von 20 bis 30 Millionen Euro wird den Bremer Einzelhändlern in der Kasse fehlen! Herauskommen wird letztlich eine zusätzliche Belastung des Steuerzahlers. Dieses Geld fließt aber in „wohlhabende“ Taschen und kommt somit nicht beim Einzelhändler an!

Bei den Betroffenen wird blankes Elend hervorgerufen: Die Senatsvorlage geht von einer durchschnittlichen Kürzung von 130 Euro monatlich aus. Mit dem Restbetrag ist kein Auskommen möglich. An die Folgen mag ich gar nicht denken!

 

2. Die Bundesagentur für Arbeit hat die Mittel für Arbeitsmarktförderung in Bremen gekürzt, so eine Pressemeldung. Wir erinnern uns: Zum Jahreswechsel 2006/2007 hat die Bremer Niederlassung der Bundesagentur für Arbeit so viel Geld für 2007 zugewiesen bekommen, dass dringend neue Maßnahmen gefunden werden mussten, um dieses Geld auszugeben. Dann kam die Anweisung, alles einzufrieren.

Die Zahlen der Statistik neuer Art zeigten Wirkung, siehe vorherige Montagsdemos! Die Arbeitslosenzahlen entwickelten sich in der Statistik prächtig! Außerdem hat das Land Bremen zusätzliche Mittel für die Ein-Euro-Jobs auch als sozialversicherungspflichtige Entgeltvariante bereitgestellt. Für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Bundesagentur war somit kein Raum mehr, zumindest aus deren Sicht!

Natürlich wäre eine Mittelverwendung zur Weiterbildung und Qualifizierung wünschenswert gewesen, aber diese Maßnahmen dürfen gemäß Hausvorschrift der Bundesagentur nur noch bundesweit ausgeschrieben werden, und das dauert! Um den Bremern die erneute Mittelrückgabe wegen nicht erfolgter Verwendung zu ersparen, wurde zur Mittelkürzung gegriffen. Dies ist allseits akzeptiert, die Hintergründe bleiben unerforscht! Bremen gibt also erneut Fördergelder ungenutzt an Nürnberg zurück, still und leise.

Die Bundesagentur für Arbeit hat die Erfolge in Bremen hervorgehoben, insbesondere die Vermittlung der Überfünfzigjährigen! Von dem Programm „50 plus“ hat er nichts gesagt. Dieses Beschäftigungsförderungsprogramm läuft in Bremen als Ein-Euro-Entgeltvariante mit bis zu 100 Prozent Förderung! Ein gutes Programm, aber kein Vermittlungserfolg. Von den 4.500 Ein-Euro-Arbeits­verhältnissen sind circa 700 nicht besetzt. Dies bedeutet 700 offene Stellenangebote! Ist Statistik nicht herrlich?

In Frankreich haben Statistiker der dortigen Arbeitsverwaltung Rückgrad bewiesen und gestreikt, einen Tag lang. Sie wollten darauf aufmerksam machen, dass die Rahmenbedingungen für die Erstellung der Arbeitsmarktstatistik dieselbe verfälschen. Es ging ihnen um ihre Berufsehre! Diese Rahmenbedingungen stimmen europaweit überein: Durch sie soll eine EU-Gesamtstatistik ermöglicht und davor die Vergleichbarkeit erreicht werden.

Mit der Statistik hat scheinbar auch Frau Rosenkötter Probleme. Ihre senatorische Dienststelle veröffentlicht monatlich den ALG-II-Bericht für Bremen. Am 6. Mai 2007 stand nachmittags als neuester ALG-II-Bericht der für Januar 2007 zur Verfügung. Der Arbeitsmarktbericht ist mit April 2007 aktuell. Es ist scheinbar nicht so einfach, die „verschwundenen Menschen“ in den Zahlen unterzubringen.

 

3. Was haben Ein-Euro-Arbeitsverhältnisse mit Rentner(inne)n zu tun? Nichts? Doch! Die Renten folgen den Entwicklungen der Löhne und Gehälter. Bei einer Erhöhung der durchschnittlichen Arbeitsverdienste werden die Renten ebenfalls erhöht. Seit Oktober 2004 werden die Ein-Euro-Arbeitsverhältnisse in diese Rechnung einbezogen. Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt: Es gibt keine Rentenerhöhung, denn mit circa 120 Euro Monatseinkommen geht jede Vergleichsrechnung bergab!

Die Minuszahlen der Vorjahre werden bei zukünftigen Erhöhungen gekürzt. Somit kommt auch künftig kaum eine Bruttorentenerhöhung! Netto gibt’s sowieso weniger, und die Steuerpflicht der Renten wird erhöht! Was haben die Bremer Politiker damit zu tun? Bremen ist bei den Ein-Euro-Arbeitsverhältnissen Spitzenreiter! Dabei kann Bremen alle Ein-Euro-Arbeitsverhältnisse in reguläre Sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse umwandeln. Dies kann Bremen allein, und es hätte bundesweite Signalwirkung zugunsten der Rentner.

Überhaupt, die Scheinheiligkeit der Bremer SPD: Mindestlohn forden und Arbeitssuchende drücken! Die Bagis verlangt eine Arbeitsaufnahme sogar, wenn der Tariflohn um 30 Prozent unterschritten wird! Auch der ortsübliche Lohn darf vom Arbeitgeber um bis zu 30 Prozent unterschritten werden! Der Arbeitssuchende muss diese Angebote annehmen. Somit ist die Bagis der größte Lohndrücker in Bremen! Die Bagis wird von der Sozialsenatorin gesteuert und kontrolliert. Wenn Herr Böhrnsen es ernst meinte – er hat es in der Hand, diese Lohndrückerei abzustellen! Dies kann Bremen allein!

Bremen hat 73 Millionen Euro für die Arbeitsmarktpolitik und 110 Millionen für die Wirtschaftpolitik erhalten, unerwartet und zusätzlich, weil Brüssel, von Bremen unbemerkt, die Förderrichtlinien geändert hat. Wo ist dieses Geld geblieben? Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten! Ich wähle andere Politiker!

 

4. Ich habe leider keinen Mangel an Vorlagen des Senats gehabt. Hier einige Themen aus dem Gedächtnis, die genauen und weiteren Einzelheiten ergeben sich aus den bisherigen Reden.

Dies entspricht nicht der Reihenfolge der Ereignisse. Ich habe es aus dem Gedächtnis aufgeschrieben und nicht nachgelesen – das könnt ihr tun. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten! Und andere Politiker wählen!

Ein-Euro-Jobs darf es, falls überhaupt, nur freiwillig geben. Zu fordern ist gleiche Gültigkeit statt Gleichgültigkeit! Wer zur Bagis geht, sollte den Besuch vorbereiten und sich von der Bagis etwas wünschen. Bereits ein Besuch zu zweit sorgt für viel Sachlichkeit! Über den Umgang der Bagis mit ihren Kund(inn)en und umgekehrt reden wir jeden ersten Dienstag im Monat ab 19 Uhr im „Hibiduri“, Thedinghauser Straße 2.

 

4. Erst in Verbindung mit § 5 Absatz 3 SGB II („Stellen Hilfebedürftige trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht, können die Leistungsträger nach diesem Buch den Antrag stellen“) wird die zwischen Bagis und Sozialamt geschlossene Schnellaussteuerungs-Vereinbarung, von der wir aus dem Kevin-Untersuchungsbericht erfahren haben, überhaupt ansatzweise akzeptabel.

Wenn die Bagis von der Krankenkasse eine Liste von Personen mit hohen Krankheitsausgaben erhält und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Vermutung beansprucht, diese Personen seien erwerbsunfähig, dann hätte die Bagis gemäß § 5 Absatz 3 SGB II versuchen können, diese Kostgänger loszuwerden, indem für sie ein Antrag auf Sozialhilfe gestellt wird. Der Paragraf stellt aber keine Ermächtigung dar, einfach die Leistungen einzustellen!

Auch die Vereinbarung selbst verlangt laut Seite 158 des Untersuchungsberichtes: „Bis zur Entscheidung der Einigungsstelle hatten die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger die Grundsicherung für Arbeitssuchende weiter zu erbringen.“ Vor einer Leistungseinstellung hätte die Bagis also für Kevins Ziehvater, der sich auf der Krankenkassenliste befand, einen Sozialhilfeantrag stellen und dessen Bewilligung abwarten müssen.

In den Ergänzungen zum SGB II wurde auch die Klagebefugnis der Behörden gegeneinander eingearbeitet. Und nicht vergessen: Warum wurden fast alle Sozialhilfeempfänger zur Bagis geschoben? Damit Bremen Geld spart! Die Krankenkassen haben sich gewehrt, weil die Kosten der Krankenversorgung durch den ALG-II-Beitrag nicht gedeckt sind. Die Bagis hat die Mitteleinstellung und Verweisung an das Sozialamt auch bei akuten Erkrankungen mit einer voraussichtlichen Dauer von über sechs Monaten praktiziert! Ich bin von der Akzeptanz der menschenverachtenden Praxis der Bagis sehr überrascht. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten! Ich wähle andere Politiker!

Hans-Dieter Binder (WASG)
 
Bagis, Jugend- oder Sozialamt: Welche Behörde trägt
mehr Mitschuld an Kevins Tod? („Erwerbslosenforum“)
 
Bremen entgeistert: Sozialsenatorin lässt sich vor den Belangen ihrer Wähler(innen) durch gedungene Leibwächter schützen („Sozialer Lebensbund“)
 
Nicht über 20 Stunden: Ulmer Sozialgericht hält Ein-Euro-Jobs
teilweise für rechtswidrig („Gegen Hartz“)
 
„Zu langsam“: Bundestag speist Putzkräfte
mit Dumpinglöhnen ab („Spiegel-Online“)

 

Linke hat noch Fragen zu Kevin

Kevins mutmaßlicher Mörder hatte einen Monat lang kein ALG II bekommen. Dazu soll Bundesregierung etwas sagen

Drei Tage vor der Bremer Bürgerschaftswahl greift die Fraktion der Linken im Bundestag das Thema „Kevin“ auf. In einer kleinen Anfrage an die Regierung möchte die Linke Genaueres über die Umstände wissen, unter denen es möglich ist, ALG-II-Empfänger als „erwerbsunfähig“ zu deklarieren und ihnen damit Zahlungen zu verweigern. Dieses war Kevins Ziehvater Bernd K. widerfahren, der den Zweijährigen zu Tode geprügelt haben soll.

Der genaue Zeitpunkt des Todes ist bisher nicht geklärt, er könnte aber in den Monat datieren, in dem Bernd K. kein Arbeitslosengeld II erhalten hatte. Dieses war ihm erst wieder ausgezahlt worden, nachdem er erfolgreich gegen die Zahlungseinstellung geklagt hatte. Die ihm als Erwerbsunfähigen zustehende Sozialhilfe – für die nicht die Bundesagentur für Arbeit, sondern die Kommune zuständig ist – hatte er offenbar nicht beantragt.

Die Linke begehrt jetzt von der Bundesregierung Aufklärung darüber, seit wann ihr die „Überleitung von Personen in die Sozialhilfe ohne gesondertes Verfahren bekannt“ ist und ob es weitere Kommunen gibt, in denen diese Praxis üblich ist. Insbesondere interessiert die Fraktion dabei, in wie vielen Fällen dabei Leistungen zur Sicherheit des Lebensunterhaltes – Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe – verzögert ausgezahlt wurden und ob Familien mit Kindern betroffen waren.

„Welche Maßnahmen wären nötig, um den Schutz des Kindeswohls in solchen Fällen zu verbessern“, heißt es in der Anfrage. Außerdem wird die Bundesregierung gefragt, „welche Konsequenzen“ sie aus „der zeitlichen Parallelität zwischen der Verweigerung von Leistungen zum Lebensunterhalt durch die Bagis und dem Tod von Kevin“ zieht.

Kevin war im Oktober 2006 tot im Kühlschrank von Bernd K. gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Mordes und Misshandlung Schutzbefohlener gestellt.

Tageszeitung Nord“, 11. Mai 2007
 
Donnerschlag: Umweltschutz-Vorreiter lässt
Klimagipfel platzen („Spiegel-Online“)
 
Überwiegend amüsiert: Junge Arbeitslose brauchen keine Propaganda
anzuhören für das Töten auf Befehl als Beruf („Erwerbslosenforum“)

 

Entzug von Leistungen nach SGB II und Wahrung des Kindeswohls

Schlussfolgerungen aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses der Bremischen Bürgerschaft zum „Fall Kevin“

Der Tod des kleinen Jungen Kevin K. erschütterte im Jahre 2006 die deutsche Öffentlichkeit. Zur umfassenden Aufklärung der Verantwortung staatlicher Stellen für den Tod des Kindes wurde von der Bremischen Bürgerschaft ein Untersuchungsausschuss zur Aufklärung von mutmaßlichen Vernachlässigungen der Amtsvormundschaft und Kindeswohlsicherung durch das Amt für Soziale Dienste eingesetzt, der im April 2007 einen Abschlussbericht vorlegte (Bremische Bürgerschaft Landtag, Drs. 16/1381). Der Abschlussbericht geht im Abschnitt 3.2.1.10 auf die Bremer Praxis der „Umsteuerung“ von Menschen „vom Arbeitslosengeld II in die Sozialhilfe“ (Seite 158) ein, von der auch der Ziehvater von Kevin betroffen war.

In diesem Zusammenhang referiert der Bericht das Vorgehen der Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) im Vorfeld des Todes von Kevin K. Insbesondere die Analyse des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (Schreiben an das BMAS und die Bundestagsfraktionen vom 30. April 2007) stellt die Frage nach der Rolle der Sozialbehörden und der Sozialgesetzgebung im „Fall Kevin“ und gibt Anlass zu weiterführenden Fragestellungen, die im Rahmen des Berichts nicht behandelt wurden. Aus dem Bericht der Bremischen Bürgerschaft ergibt sich folgendes Bild:

Wir fragen die Bundesregierung:

  1. Seit wann ist der Bundesregierung die oben genannte Vereinbarung über die Überleitung von Personen in die Sozialhilfe ohne besonderes Verfahren bekannt?
  2. Sind der Bundesregierung weitere derartige Vereinbarungen bekannt, die seit 2005 in der Bundesrepublik geschlossen wurden? Wenn ja, bitten wir um eine detaillierte Auflistung der Vereinbarungen unter Nennung der am Abschluss beteiligten Partner, des Zeitpunkts des Abschlusses sowie der wichtigsten Vereinbarungsinhalte.
  3. Steht die Praxis, Personen ohne vorherige Anhörung und ohne amtsärztliche Untersuchung in die Sozialhilfe überzuleiten, im Einklang mit den Vorschriften in § 44a SGB II und mit der dazu gehörigen Weisung der Bundesagentur für Arbeit? Wir bitten jeweils um eine Begründung der Einschätzung der Bundesregierung. Wenn nein, bitten wir um Auskunft darüber, welche Anstrengungen die Bundesregierung unternommen hat, um diese Praxis zu unterbinden.
  4. Wie viele Personen wurden seit dem 1. Januar 2005 ohne besonderes Verfahren, insbesondere ohne vorherige Anhörung und ärztliche Untersuchung, in die Sozialhilfe übergeleitet (bitte nach Bundesländern differenzieren)?
  5. Wie garantiert die Bundesregierung die Erfüllung des Verfassungsauftrags zur Sicherung des Existenzminimums aller Bürger vor dem Hintergrund der Verzögerung der Auszahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Mittel zur Erzwingung von bestimmten Erledigungen oder Verhaltensweisen bei den betreffenden Personen?
  6. In wie vielen Fällen wurden in diesem Zusammenhang bundesweit seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verzögert ausgezahlt? In wie vielen Fällen waren Kinder von solchen Vorgängen direkt oder indirekt betroffen (bitte nach Bundesländern differenzieren)?
  7. Welche zentralen oder regional gültige Anweisungen oder Handlungsempfehlungen des BMAS oder der aufsichtführenden Stellen existieren, die eine Verzögerung der Leistungsauszahlung an Personen zur Sicherung des Lebensunterhalts im oben genannten Zusammenhang regeln? Wenn ja, bitten wir um eine detaillierte Auflistung der Anweisungen sowie der wichtigsten Regelungen.
  8. In wie vielen Fällen kam es seit dem 1. Januar 2005 zu einer Verzögerung der Auszahlung des Kindergeldes an Personen, die gleichzeitig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen (bitte nach Bundesländern differenzieren)?
  9. Wie gewährleistet die Bundesregierung, dass im Falle der Verweigerung, Verzögerung, Reduzierung oder Kürzung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auch für die direkt oder indirekt betroffenen Kinder in jedem Fall das Existenzminimum als zentrale Voraussetzung für die Sicherung des Kindeswohls abgesichert bleibt?
  10. Welche Maßnahmen wären nötig, um den Schutz des Kindeswohls in solchen Fällen zu verbessern?
  11. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu den vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe im Schreiben an das BMAS vom 30. April 2007 und den beigefügten Anlagen vorgetragene Analysen ein?
  12. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der zeitlichen Parallelität zwischen der Verweigerung von Leistungen zum Lebensunterhalt durch die Bagis und dem Tod von Kevin K.?
Gregor Gysi und Oskar Lafontaine
(Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Karin Binder, Lothar
Bisky, Diana Golze, Katja Kipping, Elke Reinke, Volker Schneider,
Axel Troost und der Fraktion
Die Linke im Deutschen Bundestag)

 

Der Wahlzirkus ist bald vorbei –
unser Engagement geht weiter!

Nach langer Frühsommerperiode kam heute der Regen, dann fiel auch noch der Lautsprecherwagen aus. So flüchteten wir unter die Rathausarkaden und benutzten unser Megafon. Etwa 18 Mitstreiter waren gekommen zur 132. Montagsdemo in Bremen am 7. Mai 2007 um 17:30 Uhr auf den Marktplatz. Vor der Nase hatten wir den Aufzug des Wahlzirkus: Um Rathaus und Bürgerschaft drängten sich die Medien-LKWs. Alles muss fertig sein, wenn am Mittwoch erst Gysi und am Freitag noch „Angie“ kommt!

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlObwohl wir uns für unsere Wahl-Beiträge schöneres Wetter und mehr Zuhörer gewünscht hätten, gab es doch allerlei über den Bremer Senat und seine Politik gegen Stadt und Bevölkerung zu berichten, von den Zwangsumzügen über die Zustände im Sozialressort oder den Skulpturengarten bis zum sagenumwobenen Kanzlerbrief. Wie viele Skandale haben sich doch in den letzten vier bis zwölf Jahren hier ereignet!

Wir berichteten vom Regionaltreffen der norddeutschen Montagsdemos in Hannover und wie wir die Mitstreiter aus Hannover und Hamburg in ihrem Kampf gegen Drangsalierung und Kriminalisierung der Montagsdemobewegung stärken können. Unterstützt breit den „Appell an die demokratische Öffentlichkeit“! Wir wollen die Hannoveraner Mitstreiter am 11. Juni 2007 bei ihrem Protest und der ersten Verhandlung aktiv unterstützen!

Zum Positiven der letzten Woche gehörte die kämpferische Warnstreikaktion der Bremer Metaller von Daimler-Chrysler bis Airbus und auch der Telekom-Kollegen von Verdi, die in einer Art „Offenem Mikrofon“ von der Stimmung in ihren Betrieben berichteten. Der schnelle Abschluss von 4,1 Prozent spiegelt die Angst der Metallunternehmer vor kampfbereiten Arbeitern und Angestellten wider.

Am 14. Mai ist das Wahlgetöse zum Glück vorbei, denn an der neoliberalen volksfeindlichen Politik der Monopole und ihrer Regierungsvertreter in Bremen und Berlin, welcher Couleur auch immer, wird sich nichts ändern. Aber wir wollen einiges ändern, nach wie vor! Dazu gehört auch, dass wir uns selber verändern und noch breiter werden in unserem Protest, in den Ideen unserer Aktionen und im Erreichen der Menschen, sich selber Mut zu machen und aktiv zu werden. Also auf ein Neues am 14. Mai 2007 um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz!

Jobst Roselius für dieBundesweite Montagsdemo
 
Minus zehn Prozent: Bremer Wähler erteilen der Großen
Koalition eine deutliche Absage („Tagesschau“)
 
„Historischer Sieg“: Linkspartei zieht erstmals in westdeutsches Parlament ein, Grüne mit Rekordergebnis („Spiegel-Online“)

 

Spart endlich an der Rüstung!

Die Welt steht am Abgrund eskalierender Kriege und Kriegsvorbereitungen. Seit der US-Invasion in den Irak wurden Zigtausend Menschen getötet, Millionen sind auf der Flucht, das Land versinkt im Chaos. In Afghanistan entwickelt sich unter US-Führung wieder ein offener Krieg – und die Bundeswehr ist dabei. Ein Krieg gegen den Iran wird von der US-Regierung vorbereitet, sogar der Einsatz atomarer Waffen wird dabei nicht ausgeschlossen.

„Antiterrorkrieg“ und „humanitäre“ Intervention dienen vor allem als Vorwand zur Sicherung von Rohstoffen und Energieressourcen. Ein verfassungswidriger Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Interventionsarmee wird per „Weißbuch“ festgeschrieben.

Anlässlich des G8-Gipfels fordern wir: Sofortige Beendigung des US-ge­führten Krieges im Irak! Keine logistische Unterstützung für den Krieg von deutschem Boden! Abzug aller deutschen Truppen aus Auslandseinsätzen – keine Tornados für Kriegseinsätze in Afghanistan! Unterstützung für einen lebensfähigen palästinensischen Staat, der ebenso wie Israel nur in gesicherten Grenzen existieren kann! Keine Kriegsdrohungen gegen den Iran! Stopp aller neuen Rüstungsprogramme und Kriegsplanungen in Deutschland!

Wir fordern von der Bundesregierung entschiedene Schritte zur Abrüstung, friedlichen Lösung politischer Krisen und zum Aufbau einer gerechten und solidarischen Welt. Spart endlich an der Rüstung! Die Friedensbewegung ruft auf zur Demonstration am 2. Juni 2007 in Rostock gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm. Kriege beenden statt Kriege vorbereiten! Schluss mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr!

Willi van Ooyen („Bundesausschuss Friedensratschlag“)
 
Vollkommen überrascht: Karo Linnert hüllt sich zum Wahlsieg
in Sack und Asche („Süddeutsche Zeitung“)

 

Busse nach Heiligendamm

Zur Großdemo am 2. Juni 2007 in Rostock werden aus Bremen Busse fahren. Ab jetzt kann mensch Tickets kaufen. Der Spaß kostet acht Euro für die Hinfahrt; 14 Euro hin und zurück (zehn Euro ermäßigt). Die Busse fahren am 2. Juni morgens hin und abends wieder zurück. Auf dem Rückweg gibt es Zwischenstopps bei den Protestcamps, sodass Leute, die dableiben wollen, aussteigen können.

Erhältlich sind die Tickets im „AStA“-Büro an der Uni, im „Bremer Infoladen“, im „Buchladen Ostertor“, im „Kafé Kurschluss“ in der Neustadt und bald wahrscheinlich auch im DGB-Haus. Die Ticketpreise sind nicht kostendeckend! Wenn Leute mehr zahlen können, freuen wir uns. Außerdem wäre es gut, wenn alle, die schon wissen, dass sie fahren wollen, sich ihr Ticket möglichst bald kaufen, damit wir besser planen können.

Zuschrift von Lea Voigt
 
Sollbruchstelle der Großen Koalition in Bremen: Merkel bekräftigt
Nein zu gesetzlichem Mindestlohn („Spiegel-Online“)
 
SPD geschockt: In Bremen liegt ab heute der Fixpunkt
linker deutscher Politik („Spiegel-Online“)
 
„Sieht schlecht aus“: Starker Segelohrmeister
weg vom Fenster („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz