Heuchlerische Steuer-Wohltäter brauchen wir nicht, Herr Glos! Wir brauchen dringend aufrichtige, ehrliche und gerechtere Politiker! Ich sehe keinen, der sich da hervorhebt: Alle schweigen zu oft, vertuschen zu häufig oder reden vieles schöner, als es in Wahrheit ist. Ich werde nicht müde, meine Damen und Herren, euch immer wieder darauf hinzuweisen, dass ihr noch eine riesengroße Rechnung gegenüber den Rentnern offenhabt!
Vertrag ist beim Volk Vertrag, nicht so bei euch Politikern: Ihr habt riesige D-Mark-Summen aus der Rentenkasse genommen, um die Bundeswehr aufzubauen! Im Vertrag, den ihr besser kennt als das Volk, steht ganz klar, dass ihr das Geld wieder in die Rentenkasse zurückgeben sollt, nach und nach!
Doch ihr muckst nicht einmal, wenn man euch immer wieder darauf hinweist. Jetzt habt ihr Geld, über 38 Milliarden Euro. Es gibt über 20 Millionen Rentner, viele Bestohlene leben noch. Auch ihre Kinder und Kindeskinder fordern Gerechtigkeit von den Spitzenpolitikern ein. Stattdessen werden die Rentner immer noch mehr abkassiert! Mir wurde durch die letzte „Rentenerhöhung“ wieder ein Euro von meiner Minirente genommen.
Wir Senioren fordern: Schluss mit den Rentensenkungen! Ein gutes Mittel, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, wäre es auch, den Rentnern mehr Kohle zu geben, zum Ausgeben. Herr Wirtschaftsminister Glos, Sie haben recht, und ich finde es wunderbar, wenn Sie sich „energisch dafür einsetzen“ wollen, dass den Bürgern mehr Geld in die Taschen fließen soll!
Nur, bitte schön, sind Rentner denn keine Bürger mehr? Holt endlich mal den verschollenen Rentenkassen-Ausplünderungsvertrag hervor und fangt an, das Geld an die Rentner zurückzuzahlen, noch vor der nächsten Wahl, denn Vertrag ist Vertrag!
Wenn aber Behörden sogar auf unsere Passbilder und Fingerabdrücke zugreifen können, dann nehmt euch sehr in Acht, ihr Bürger, denn da bekommen wir einen Überwachungsstaat wie die DDR, nur perfekter! Wer dann noch zur Wahl geht, sollte seine Handschuhe nicht vergessen, damit sie auch geheim bleibt. Aber wer geht dann noch hin?
Wozu brauchen wir noch Politiker, wenn die sowieso gleich nach dem lieben Gott kommen? Sie biegen sich ihre Gesetze so hin, bis es für sie angenehm ist. Den Bürger brauchen sie nur noch zum Zahlen und zum Kreuzchenmachen! Mich bewegt schon lange die Frage: Ab wann sind Politiker kriminell? Jeder Politiker sollte wissen, dass die Rentenkasse geplündert wurde und dass die entnommenen Gelder dorthin zurückzuführen sind!
Bis heute sind die Politiker taub und blind, wenn es um den „Renten-Raushol-Vertrag“ geht. Der Bürger muss seine Verträge einhalten, ein Politiker kann sie unter den Teppich kehren! Jetzt sind 38 Milliarden Euro da, um die man sich dreist streitet, als gäbe es diese Verträge nicht. Die Rentner schütteln den Kopf und warten auf die nächste Wahl!
Seit mehr als zwei Jahren stehen wir hier auf dem Marktplatz und demonstrieren gegen die Hartz-IV-Gesetze. Dabei habe ich festgestellt, dass immer zwei Punkte auftauchen, wenn wir mit unseren Mitmenschen ins Gespräch kommen, nämlich: „Warum macht ihr das? Das hat doch keinen Zweck!“ und: „Warum seid ihr nur so wenige? Es sind doch viel mehr Menschen betroffen!“
Der erste Punkt ist schnell beantwortet: Wir machen es, weil wir nicht damit einverstanden sind, dass wir Menschen zu Nummern degradiert und als Kostenfaktor angesehen werden. Wir kämpfen auch für euch, selbst wenn ihr vielleicht jetzt nicht betroffen seid. Diese meine Mitmenschen sind es. Was ist falsch dabei, für diejenigen einzutreten, die betroffen sind? Morgen könntet ihr die nächsten sein!
Aber warum sind wir nur so wenige? Darüber haben wir auch schon lange nachgedacht. Ein Teil der Menschen, die hier früher standen, ist „in der Fläche“ verschwunden, hat sich Vereinen angeschlossen und kämpft auf diese Weise weiter. Ein Teil von ihnen ist in Arbeit gekommen, dazu gehört auch Schichtarbeit, sodass für sie die Belastung zu groß ist. Für andere spielen die Finanzen eine Rolle: 43 Prozent der bremischen Hartz-IV-Betroffenen wohnen weit außerhalb des Stadtzentrums, zum Beispiel in Tenever. Ein Teil möchte andere Wege gehen, aber alle haben ein gemeinsames Ziel: Schluss mit der menschenverachtenden Politik!
Wenn jeder, der uns hier diese Fragen stellt, nur eine halbe Stunde stehenbliebe, wären wir optisch mehr Menschen. Wenn jeder, der selbst betroffenen ist, hier erschiene, würde der Marktplatz nicht ausreichen! Wer es nicht glauben will, komme doch mal am 1. Mai vorbei. Natürlich haben viele Menschen Angst davor, sich zu outen. Dafür haben wir Verständnis; doch wir wollen ihnen nicht schaden, sondern ihnen helfen. Die Gewerkschaften haben das wohl auch endlich zur Kenntnis genommen und stellen sich immer mehr mit Forderungen auf die Seite der Arbeitnehmer. Warum erst jetzt?
Wir von der Montagsdemo haben leider nicht die finanziellen Mittel, alle Betroffenen zu aktivieren, aber dazu könntet ihr ja beitragen. Ihr tut es nicht nur für uns, sondern auch für euch. Jeden Montag machen wir hier auf die Probleme der Gesellschaft aufmerksam. Wir klären auf, wir helfen, Probleme zu bewältigen, und wir haben erreicht, dass man uns ernst nimmt und die Medien öfter über unsere Anliegen berichten.
Wir haben erreicht, dass ältere Arbeitslose anders behandelt und die Renten nicht so drastisch gekürzt werden. Wir haben erreicht, dass die Gewerkschaften sich endlich wieder verstärkt für die Arbeitnehmer einsetzen und die Politik vorsichtiger wird und sich ihre Schritte zweimal überlegt. Wir haben erreicht, dass immer mehr Menschen nachfragen und die zunehmende Armut nicht mehr auf die leichte Schulter genommen, dass Kinderarmut verstärkt bekämpft wird. Dass es mehr Chancengleichheit geben wird. Dass Hungerlöhne abgeschafft werden, Behörden menschlicher handeln und Gesetze eingehalten werden müssen. Auch dazu, dass unser Bremer Theater nicht geschlossen wird, haben wir mit beigetragen.
Alles das wurde durch Protest erreicht, durch unseren und den aller anderen Menschen, die auf die Straße gehen oder sich vor Gericht wehren. Was hätten wir noch mehr erreichen sollen? Dass bestimmte Politiker nicht mehr regieren dürfen, dass die Renten erhöht werden müssen, dass bei der Gesundheitsreform mehr rausspringen sollte und alle Armen mehr Geld zur Verfügung haben müssen? Kommt doch, teilt es mit, sprecht mit uns, gemeinsam sind wir stark! Und bitte sagt nicht, wir haben nichts erreicht, sonst müsstet ihr euch selbst bezichtigen. Nur wer sich wehrt, kann etwas ausrichten. Wenn wir mehr erreichen wollen, müsst ihr euch schon mitbemühen.
Das ist übrigens Demokratie: Die Bevölkerung sagt, wo es langgeht, die Politiker sind nur unsere Vertreter, und wenn ihr mit der Politik nicht einverstanden seid, dann wählt sie ab, das ist unser demokratisches Recht! Dafür müsstet ihr aber auch wissen, was ihr möchtet und nicht schimpfen, sondern auch handeln. Wenn euch unsere Ansicht nicht passt, stellt euch hier hin, sagt es, aber bleibt so fair wie wir. Wir schaden niemandem und setzen uns nur mit allen demokratischen Mitteln zur Wehr. Das ist unser aller Recht!
1. Letzten Donnerstag trafen wir uns am Hauptbahnhof, um eine Demo zur Sitzung der Sozialdeputation im Siemenshochhaus zu veranstalten und dort Einlass zu begehren. Zwei Male wurde die Sitzung in den vergangenen Monaten schon von den betroffenen Politikern abgeblasen, weil wir uns geweigert hatten, den Raum zu verlassen. Wir wollten diskutieren, die vielen „Einzelfälle“ schildern und uns nicht durch aneinandergereihte Worthülsen abspeisen lassen!
Wir, das sind zumeist betroffene Arbeitslose, die aus den Reihen von Verdi, Montagsdemo, „Solidarischer Hilfe“, WASG und „Sozialem Lebensbund“ kommen. Der kleine Zug, wohl an die hundert Personen, wurde vom „Buten-&-Binnen“-Fernsehteam von „Radio Bremen“ begleitet.
Unsere Empörung richtet sich gegen 7.000 versandte Briefe mit der lachhaft-unmöglichen Aufforderung, unsere Mieten zu senken. Immer wieder wird ignoriert, dass über 20 Prozent der ALG-II-Empfänger nur deswegen „über der Mietobergrenze“ liegen, weil es für sie einfach keine weiteren kostengünstigen Wohnungen gibt! Hahaha, diese Realität wird geleugnet: Man werde sich um „Einzelfälle“ separat kümmern und sie „prüfen“, blubb-blubb-blubb...
Bremen hat im bundesweiten Vergleich die schlechtesten Regelungen bei den Mietobergrenzen! Es ist sicher auch kein Zufall, dass es für eine Großstadt wie Bremen keinen offiziellen Mietspiegel gibt. Für Bremen soll nicht die Mietstufe III gelten, die einem Alleinstehenden bis zu 325 Euro bewilligt, sondern bloß die Stufe II mit maximal 265 Euro. Wir wollen keine Einzelfallregelung, die sich jeder ganz allein erstreiten muss, sondern die Erhöhung der Mietobergrenzen!
Als wir beim Siemenshochhaus ankamen, konnten wir es nicht wie sonst betreten: Vor den Eingangstüren verwehrten uns Türsteher in dunklen Anzügen und mit düsteren Mienen den Weg. Ich fragte mich, ob es sich bei diesen finsteren Herren um besagte Türsteher handelte, wegen deren Brutalität kürzlich das „Stubu“ geschlossen worden ist. Wer weiß das schon so genau? Man machte uns darauf aufmerksam, dass die Sozialdeputation keine öffentliche Sitzung abhalten werde.
Wegen bereits erlebter Sinnlosigkeit vor anderthalb Jahren wollten wir nicht wieder eine Delegation heraufschicken. Außerdem betrachteten wir uns alle zusammen selbst als Delegation der Tausenden von Betroffenen, die nicht wissen wohin, jedoch umziehen beziehungsweise von den mageren 345 Euro auch noch 100 Euro für Miete abzweigen sollen!
So erschien die farblose Sozialsenatorin Rosenkötter mitsamt weiterer Deputierter bei uns vor der Tür. Sie fungierte wie ein aalglatter Sprechblasenautomat und bügelte emotionslos alle Vorwürfe ab. Zeitweise sprach sie nur ins Mikrofon von „Radio Bremen“ und war bloß für nah Stehende zu hören. Sie schien ein Privatinterview zu geben und redete nicht mehr mit uns allen! Es war sehr unbefriedigend. Die Bremer Tageszeitungen erwähnten uns an den folgenden Tagen mit keiner Silbe. Das ist eben die Macht der Medien.
2. Der CSU-Generalsekretär musste bereits vor dem Sommerloch herumsödern. Ich weiß nicht, in der wievielten Auflage er fordert, dass die Hartz-IV-Leistungen reformiert werden müssten. Diesmal sollen besonders die „Zusatzleistungen“ gekürzt werden, um den Abstand zwischen Hartz IV und Berufstätigen zu vergrößern. Für ihn sei nicht der Regelsatz das Problem, sondern die „unüberschaubare“ Fülle der „Zusatzleistungen“. Dabei existieren so gut wie gar keine!
Weiterhin kritisierte er, dass Berliner Hauptschüler als Berufswunsch Nummer eins angeblich Hartz IV nennen. Klar, das ist ja auch derart verlockend! Ebenso sprach er sich gegen Mindestlöhne aus. Diese hält er für ökonomischen Unsinn. Ich halte eher sein Gesöder für menschenverachtenden Unsinn, und oft fragte ich mich bereits, ob der Mann eigentlich weiß, wovon er spricht!
Auch Hamburgs Wirtschaftssenator Uldall hat deutliche Verschärfungen bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in Ein-Euro-Jobs angekündigt, mit Hausbesuchen gegen „unwillige“ Arbeitslose. Wer zum Vermittlungsgespräch nicht erscheine, müsse mit Kontrolle durch einen Mitarbeiter rechnen. „Aufsuchende Beratung“ wird das Verfahren beschönigend genannt. Widersetze sich ein ALG-II-Empfänger der Vermittlung, könnten ihm zwischen 30 und 50 Prozent der Leistung gekürzt werden. Sogar eine vollständige Streichung sei möglich.
Vielleicht müssen AG-II-Empfänger demnächst ihren Schlüssel 24 Stunden von außen stecken lassen, damit die Sozialschnüffler nicht mehr umsonst kommen. Oder man hat gleich bei der Antragstellung alle erforderlichen Zweitschlüssel abzugeben. Seit wann ist denn diese Zwangsvermittlung in totale Ausbeuterjobs, die nur sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vernichten, gar ein Ausweg aus der Arbeitslosigkeit? Deswegen vermied Gunnar Uldall in seinen Ausführungen wohl die Bezeichnung Ein-Euro-Jobs und sprach stattdessen lieber von „Aktivjobs“. Ein „netter“ Euphemismus!
Nach einer britischen Studie haben Friseure die größte Freude bei der Arbeit. Demnach sind Manager oder Banker trotz hoher Gehälter und Luxus-Dienstwagen keineswegs die Glücklichsten im Job. Der Untersuchung zufolge kommen in punkto Spaß und Zufriedenheit am Arbeitsplatz gleich nach den Friseuren Mitarbeiter im Wellnessbereich, Kinderbetreuer und Klempner. Dabei scheinen allerdings Beschäftigte, die vergleichsweise geringe Einkommen haben, eher in der Lage zu sein, sich mit ihren Arbeitsbedingungen anzufreunden. Unter den Hochbezahlten sei der Anteil der Job-Glücklichen deutlich geringer als in den niedrigen Einkommensgruppen.
Sollen wir jetzt darauf eingeschworen werden, dass gerade die Menschen mit den niedrigsten Löhnen am glücklichsten sind? Also bloß nicht weiter die wolkenkratzerhohen Gehälter der Manager anprangern, schließlich sind diese bedauernswerten Personen nicht unbedingt als glücklich zu bezeichnen! Also immer weiter runter mit den Löhnen! Weil die Friseure ja schon mit Freude an der Arbeit bezahlt werden, müssen sie dann auf den finanziellen Anteil der Entlohnung weitgehend verzichten. Geringe Entlohnung macht grundsätzlich anpassungsfähiger und glücklicher! Wieso besteht dann die Therapie für die bedauernswerten Manager in einem mindestens sechsstelligen Jahreseinkommen? Eigentlich müssten sie doch viel glücklicher werden können, wenn ihnen die Gehälter ganz massiv gekürzt würden!
3. Wohin der immer größer werdende Druck auf Arbeitslose führen kann, wenn Ämter mit unnachgiebiger Härte oder Ignoranz und Desinteresse an der Klientel handeln, zeigt der Hungertod eines 20-jährigen Arbeitslosen in Speyer. Es klingt unfassbar, dass im reichen Deutschland überhaupt jemand verhungern kann!
Als der Arbeitslose am vorletzten Sonntag in seiner Wohnung gefunden wurde, war er bereits vier Tage tot. Er lebte mit seiner 48-jährigen Mutter zusammen, die ebenfalls stark mangelernährt war und nun in ein Krankenhaus gebracht wurde. Der junge Mann und seine Mutter waren seit Jahren von Sozialleistungen abhängig gewesen. Im Oktober 2006 haben sie keinen weiteren Antrag mehr gestellt und auf Anschreiben nicht reagiert. Deswegen seien Ende 2006 die Zahlungen ganz gestrichen worden.
Die Wohlfahrtsverbände in der Pfalz kritisieren dieses Vorgehen und forderten, dass man sich erst ein Bild von der Lebenssituation des Menschen machen muss, bevor die komplette Streichung von Leistungen erfolgt. Auch führe die Abwertung und permanente Ausgrenzung, die Betroffene im Umgang mit den Behörden erlebten, immer häufiger zu einem Rückzug. So verwundert es nicht, wenn psychische Erkrankungen bei Langzeitarbeitslosen zwei- bis dreimal häufiger auftreten. Je länger die Situation andauert, umso gravierender sind die Folgen.
Auch in Speyer wird jetzt vermutet, dass der junge Mann psychisch erkrankt war. Seine Mutter äußerte gegenüber der Polizei, dass er sehr deprimiert gewesen sei und auch gesagt habe, er wolle nicht mehr leben. Um sie kümmert sich nun das Sozialamt, es sorgt dafür, dass sie wieder Leistungen nach Hartz IV erhält. Das „Diakonische Werk“ plant, die Arbeit mit der „Gesellschaft für Arbeitsmarktintegration“ zu intensivieren: „Wenn wir wissen, wer Hilfe braucht, können wir sofort aktiv werden“, erklärte eine Sprecherin. Sie will erreichen, dass die Arbeitsagenturen frühzeitig auf die Hilfsangebote der freien Wohlfahrtsverbände hinweisen: „Niemand darf einfach durchs soziale Netz fallen.“
Martin Behrsing vom „Erwerbslosenforum Deutschland“ fordert die Einführung eines professionellen Fallmanagements, wie es ursprünglich in der Diskussion war. „Mitarbeiter der Arbeitsagenturen müssen unbedingt Qualifikationen im psychosozialen Bereich haben, damit die individuellen Folgen bei Sanktionen abgeschätzt werden können.“ Gerade bei psychisch kranken Menschen sei eine Leistungseinstellung kein geeignetes Mittel.
4. Im „Nordwestradio“ hörte ich, dass die Kinderarmut weiter zunimmt. Fast 1,9 Millionen Kinder unter 15 Jahren waren im vergangenen Jahr abhängig von Sozialleistungen. Das entspricht einem Anstieg von zehn Prozent. In einer Studie des „Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe“ kommen die Forscher zu dem Schluss, dass vor allem ärmere Familien nicht vom Wirtschaftsaufschwung profitieren. Den größten Armutszuwachs gab es laut Studie in den wirtschaftlich starken Ländern Baden-Württemberg und Bayern.
In Bremen lebt jedes dritte Kind von Hartz-IV-Leistungen. Arme Familien mit Kindern profitieren de facto nicht vom Wirtschaftsaufschwung. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern ist ihr Anteil aber nicht gewachsen. Ei, wo ist er denn, der so viel beschworene Wirtschaftsaufschwung?
Ich stelle mir noch eine ganz andere Frage, wie die Statistiker es hingemogelt haben könnten, dass der Anteil armer Kinder in Bremen nicht angestiegen sein soll. Welche Kinder wurden denn da gezählt: die von den Arbeitslosen zu Hause oder die von den Hartz-IV-Beziehern, die wegen einer Maßnahme oder Krankheit nicht mehr bei den Erwerbslosen mitgerechnet werden? Diese Zahlen sind zwecks Aufhübschung der Statistik nicht identisch! So sieht der Aufschwung also tatsächlich aus.
1. In Speyer ist ein zwanzigjähriger Arbeitsloser verhungert, nachdem ihm vom Amt aufgrund formaler Versäumnisse die soziale Unterstützung, das Arbeitslosengeld II, gestrichen wurde. Auch im Bericht des Untersuchungsausschusses zur „Aufklärung von mutmaßlichen Vernachlässigungen der Amtsvormundschaft und Kindeswohlsicherung durch das Amt für Soziale Dienste“ in Bremen, der bedrückende 389 Seiten stark ist, stößt man mit den Suchworten „Zahlungen eingestellt“ gleich auf die Seite nach der Mitteilung von einem zu vermutenden Todeszeitraum – dem des kleinen Kevin. Nun können wir diesen schockierenden Zusammenhang, den wir auf der Montagsdemo schon mehrmals aufgezeigt haben, mit Zitaten aus dem Untersuchungsbericht belegen.
Seite 81: „Nachdem der Ziehvater zu einem ersten Termin nicht erschienen war, fand am 20. April 2006 eine weitere Fallkonferenz statt. An dieser nahmen neben dem Casemanager, dem Ziehvater und Kevin die Stadtteilleiterin und der Amtsvormund teil. Der Casemanager hielt in einem Gesprächsvermerk fest, dass der Ziehvater Kevin ab dem 18. April 2006 in einem sozialpädagogischen Spielkreis der Lebenshilfe angemeldet habe, in dem Kevin dreimal wöchentlich betreut werde.“
Seite 82: „Zum Schluss notierte der Casemanager, dass hinsichtlich des Rechtsstreits mit der Bagis nun ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden sei. Nach dem rechtsmedizinischen Zusammenhangsgutachten vom 21. Dezember 2006 ist davon auszugehen, dass Kevin nach dieser Besprechung nur noch kurze Zeit gelebt hat. Der Todeszeitpunkt wird in dem Gutachten in dem Zeitraum zwischen Ende März und April/Mai 2006 vermutet.“
Seite 83: „Der Casemanager informierte den Amtsvormund darüber, dass der Ziehvater ihm in einem Telefonat mitgeteilt habe, dass er immer noch Probleme mit der Bagis habe und deswegen Kevin auch nicht in den Spielkreis schicke. Er könne den Eigenanteil nicht aufbringen. Zum 1. April 2006 sollte der Ziehvater, der bislang Arbeitslosengeld II bezogen hatte, in die Sozialhilfe umgesteuert werden. Nachdem die Bagis die Zahlungen eingestellt hatte, beantragte er beim Verwaltungsgericht Bremen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit schrieb der methadonvergebende Arzt mit Datum vom 15. Juni 2006 den Sozialzentrumsleiter an. Seiner Auffassung nach sei es notwendig, die Angelegenheit kurzfristig zu klären, da der Ziehvater sonst zur ‚tickenden Zeitbombe‘ werde.“
Seite 159: „Nachdem der Ziehvater für den Monat April 2006 keine Leistungen mehr von der Bagis erhalten hatte (letzte Zahlung erfolgte im 19. Februar 2006 in Höhe von 940,04 Euro), wandte er sich am 28. April 2006 (Freitag) an das Verwaltungsgericht Bremen. Bei der dortigen Geschäftsstelle beantragte er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 28. Februar 2006. In der Antragsbegründung wies er darauf hin, man habe ihm tags zuvor im zuständigen Sozialzentrum geraten, diesen Eilantrag zu stellen. Bis jetzt habe er seinen Lebensunterhalt in diesem Monat von einer Kindergeld-Nachzahlung bestritten, sei nun aber absolut mittellos. Für den Monat April habe er bereits weder Miete noch Strom zahlen können. Gleiches werde auch für den Monat Mai gelten.“
Seite 160: „Das Verwaltungsgericht Bremen gab dem Antrag durch Beschluss statt und ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Bagis vom 28. Februar 2006 an. Zur Begründung führte es aus, an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestünden Zweifel. Der Antragsteller habe jedenfalls Anspruch auf Leistungen nach § 44 a Satz 3 SGB II. Es bestehe Streit über die Frage der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers, über den die Einigungsstelle noch nicht entschieden habe.“ – „Der Ziehvater hat am 28. April 2006 und am 11. Mai 2006 Barzahlungen in Höhe von 200 Euro beziehungsweise von 1.100 Euro erhalten sowie am 16. Mai 2006 eine Überweisung in Höhe von 920,56 Euro.“
Seite 161: „Die Bagis versuchte weiterhin, den Ziehvater aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende in die Sozialhilfe umzusteuern und forderte ihn in den folgenden Monaten mehrfach auf, sich beim ärztlichen Dienst vorzustellen. Zeitweilig wurde versucht, verzögerte Überweisungen als Druckmittel zu benutzen, um den Ziehvater zu einer solchen ärztlichen Untersuchung zu bewegen.“ – „Entscheidend für den Ausschuss ist die Frage, ob Kevin und seinem Ziehvater auch nach Einstellung der Leistungen durch die Bagis zum 1. April 2006 hinreichend finanzielle Mittel zur Verfügung standen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern beziehungsweise ob die Bagis dafür Sorge getragen hat, dass nach Einstellung ihrer Leistungen die bruchlose Gewährung von Sozialhilfe gesichert war.“
Seite 162: „Es ist fraglich, ob die Bagis berechtigt war, ohne Vorliegen eines ärztlichen Gutachtens zum 1. April 2006 die Leistungen an den Ziehvater einzustellen. Auf der anderen Seite konnte sich die Bagis auf die Vereinbarung mit dem Amt für Soziale Dienste berufen, an der sogar der Staatsrat mitgewirkt hatte und die nach Auffassung der Bagis für beide Seiten bindende Wirkungen haben sollte.“
Seite 163: „Die Tatsache, dass er sich erst zu einem Zeitpunkt an die Wirtschaftlichen Hilfen wandte, als alles Geld restlos aufgebraucht war und sich nicht schon früher um einen Fortgang der Zahlungen kümmerte, lässt den Schluss zu, dass er aufgrund seiner Drogenabhängigkeit mit nicht alltäglichen Vorkommnissen (zum Beispiel Weigerung des Amtes, eine Leistung weiter zu gewähren) überfordert und nicht in der Lage war, in derartigen Situationen strukturiert vorzugehen, also rechtzeitig zu handeln.“
Seite 164: „Der Ausschuss ist sich bewusst, dass der Streit mit der Bagis und das fehlende Geld den Ziehvater den ganzen April über in eine angespannte Lage versetzten und dies zusammen mit seinen Drogenproblemen dazu geführt haben mag, dass er zeitweise oder auch überhaupt nicht mehr in der Lage war, sich um Kevins Wohlergehen zu kümmern. Inwieweit die Verweigerung der SGB-II-Leistungen zur Eskalation und Dramatisierung der Situation im Frühjahr 2006 beigetragen hat, und ob es einen Zusammenhang zwischen der Leistungsverweigerung und dem Tod des Kindes gab, konnte der Ausschuss nicht klären. Die Unfähigkeit des Ziehvaters, Probleme dieser Art angemessen zu bewältigen, lässt jedoch den Schluss zu, dass eine Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen durch eine engmaschigere Begleitung und Kontrolle möglich gewesen wäre. Hier könnte zukünftig in entsprechenden Problemfällen eine andere Form der Begleitung sinnvoll sein, um Kindeswohlgefährdungen in extremen Belastungssituationen, wie beispielsweise Streitigkeiten mit den Ämtern, zu verhindern.“
Seite 117: „Die Stadtteilleiterin ‚Junge Menschen‘ für den Stadtteil Gröpelingen hat eine Mitverantwortung für den Tod von Kevin. Sie hat nach ihren eigenen Angaben erstmals im Laufe des Jahres 2004 von dem Fall Kevin K. erfahren.“ – Seite 118: „Sie ist in mehrfacher Weise mit dem Fall von Kevin K. in Berührung gekommen. Ihre Verantwortlichkeit für den Tod des Jungen kann deshalb zum einen an eigene Mitwirkung an dem Fall anknüpfen. Zum anderen kann sie sich auch aus dem Umstand ergeben, dass sie als Vorgesetzte den ambulanten Sozialdienst für den Stadtteil zu organisieren und beaufsichtigen hatte.“
Warum lesen wir in der Presse nichts über dieses extrem wichtige zeitliche Zusammenspiel? Was befürchtet man, wenn man darauf eingeht? Hat die Bagis so viel Dreck am Stecken, dass dann noch weitere so oder ähnlich „bearbeitete“ Fälle ans Licht kämen? Das unmenschliche Fehlverhalten der Bagis entschuldigt natürlich nicht die Misshandlungen und den Mord an einem kleinen Menschen. Aber es besteht die berechtigte Vermutung, dass die Bagis indirekt mit schuld ist an dieser Tragödie, und damit müssen Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden. Dieser Fall muss eindeutig und transparent aufgeklärt werden. Hoffentlich werden diese Fakten im Mordprozess gegen den Ziehvater zur Sprache kommen, denn amtliche „Sanktionierungen“ mit Todesfolge durch unerbittliches wochen- und monatelanges Aushungern sogar labiler und gefährdeter Menschen darf es in einem sozialen Rechtsstaat nicht geben!
2. Im Sozialressort sind seit Oktober 2006 Veränderungen vorgesehen – seit der kleine Kevin ermordet aufgefunden wurde, dessen Todestag sich wohl in den Vorwahlwochen jährt. Seit Oktober ist über ein halbes Jahr vergangen, eine lange Zeit, die nicht genutzt wurde. Die vollmundig versprochenen – befristeten – Einstellungen zur dringend nötigen Entlastung der Mitarbeiter(innen) in den entsprechenden Abteilungen hat es nicht gegeben!
Nach einem langen Vierteljahr wurde ein Nottelefon eingerichtet – mit einer endlosen Nummer. Wenn es ernst gemeint ist, dass es hauptsächlich ein Nottelefon für Kinder sein soll, wäre es sinnvoll, auch eine typische Notrufnummer mit nur drei Stellen zu benutzen. Solch eine Nummer könnten auch kleinere Kinder ohne Weiteres schnell und unkompliziert im Notfall wählen. Politiker(innen) sind offenbar selbst bei hilfreichen „Kleinigkeiten“ nicht in der Lage, kindgerecht zu denken!
Wie geht es zurzeit beim Ausländeramt zu? Auch dort wurde großartig von zusätzlichen – befristeten – Arbeitsstellen gesprochen, aber bis heute wurden keine geschaffen. Ich habe lange nichts mehr über die Ausländerbehörde gehört und gelesen. Das bedeutet in Bremen nicht unbedingt, dass alles glattläuft – oft ganz im Gegenteil. Es würde mich sehr freuen, wenn die hiesigen Medien und die Presse bei diesem brisanten Thema mal nachfragten – vor Ort natürlich – und nicht beim „starken“ Herrn Röwekamp!
Es würde mich „täglich gücklich“ machen, wenn diese und ähnliche Berichterstattungen in den Fokus gerückt würden. Sollte alles vernünftig und gerecht zugehen, umso besser für alle Beteiligten! Dann wäre es auch eine positive Meldung wert, zwischen dem ganzen Müll, den wir täglich lesen und hören.
Wie es bei der Polizei zugeht, erfahren wir gerade. Wenn sich dort nicht sofort etwas ändert, sind katastrophale Zustände vorprogrammiert, Herr Mordhorst! Sie sitzen auf einer Zeitbombe! Möchten Sie dafür weiter Ihren Kopf hinhalten, den Sie ja wohl in den Sand gesteckt haben? Oder gehen Sie, nachdem Sie die Verantwortung für dieses Desaster übernommen haben, in den „wohlverdienten“ Ruhestand?
Wie lange soll noch die falsche Richtung eingehalten werden, bis Sie sich vor beziehungsweise hinter Ihre Leute stellen? Sie sollten sich hin und wieder mit den Bremer Polizistinnen und Polizisten über die aktuelle Situation vor Ort unterhalten und nicht mit Herrn Röwekamp, der sich an seine – für jeden erkennbar – gescheiterte „Reform“ klammert, entgegen allen erdrückenden Tatsachen!
Herr Röwekamp hat so viele „Baustellen“ in seinen Ressorts – um es mal freundlich auszudrücken –, dass er den Überblick verloren hat. Der Wahlkampf ist in seiner heißen Phase, und Herr Röwekamp muss sich um sein neu eröffnetes „Wahllokal“ kümmern. Wir sollten die kostenlosen Getränke dort genießen, wenn es jetzt wieder wärmer wird! Wir können dort sicherlich mit dem „starken“ Kandidaten über die ausufernde Arbeitslosenzahl und Kinderarmut in Bremen und den gleichzeitigen enormen Wirtschaftsaufschwung der Freien Hansestadt diskutieren.
Zu diesen brisanten Themen und Zusammenhängen hat er in seinen Wahlkampfparolen nichts gesagt; vielleicht ist er nicht informiert – wie augenscheinlich so oft. Wir sind gespannt, seine „starken“ Lösungen zu diesen aktuell bestehenden Problemen zu hören!
Denken wir an das tragische Schicksal Kevins und an den zweiten Klinikskandal während einer rot-schwarzen Koalition – aus dem ersten wurde also nichts gelernt –, wenn wir am 13. Mai wählen! Denken wir an die vielen ungesetzlich gegründeten GmbHs der vorherigen Großen Koalition, die die „schlauen“ Politiker in den finanziellen Offenbarungseid manövriert haben! Denken wir an die vielen „neu“ geschaffenen und „neu“ gestalteten Arbeitsplätze innerhalb ihrer Abteilungen!
Diese Politiker wollen wir uns nicht wieder antun! Im Gegenteil: Wir werden sie wegen so vieler Ungerechtigkeiten und ihrer unsozialen Politik, wegen ihrer hervorstechenden Inkompetenz und ganz offensichtlichen Korruptheit abwählen! Wir können das am 13. Mai – ganz einfach! Wir haben sie alle zur Genüge kennengelernt und erduldet – am 13. Mai ist Schluss mit lustig!
Vorher noch etwas Erfreuliches: Generalintendant Klaus Pierwoß vom Bremer Theater bekommt eine Auszeichnung, um die ihn sicher auch so mancher Politiker beneidet, das Bundesverdienstkreuz am Bande! Dazu möchte ich die verlogene Stellungnahme der Senatskanzlei vorlesen und dem nichts mehr hinzufügen.
Die Wirtschaftsinstitute verkündeten Mitte April die wundersame Vermehrung des „verfügbaren Einkommens“ bei den Bürgern. Die Rentner mit 0,54 Prozent „Rentensteigerung“ oder die Arbeitslosen und Hartz-IV-Betroffenen, die gar nichts bekommen haben, konnten es ja kaum sein, die mehr Geld in der Tasche haben. Nein, erst die gründliche Analyse brachte es ans Licht: die Betriebsüberschüsse der Firmen und die Einkommen der Selbständigen sind es! Da wurde es gleich wieder still, denn das darf ja nicht an die große Glocke.
Der Herr von Pierer tritt als Aufsichtsratschef bei Siemens zurück, fühlt sich aber keiner Schuld bewusst. Solche Leute haben ein System aufgebaut, das mit Schmiergeld, Intrigen, Betrug und schwarzen Kassen arbeitet, aber seine Drahtzieher aus allem raushält. Dieses „Siemensen“ – wie ich es kürzlich genannt habe, gemäß der verbrecherischen Menschenhandelsmethoden im alten China vor dem Zweiten Weltkrieg – betrieb er bis zur Aufdeckung mit Meisterschaft. Für den Kauf von „unabhängigen Betriebsräten“ sollen in den letzten Jahren 58 Millionen Euro geflossen sein, das gehörte dazu.
Also nicht nur Herr Hartz, sondern auch andere haben sich um des Superprofits willen in diesem ekelhaften Sumpf gegen die Lebensinteressen der Beschäftigten des Siemens-Konzerns betätigt. Von Pierer will aber als staatstragender Merkel-Berater seine Pfründen behalten und seine Aufgaben für das große Kapital durchsetzen. Mal sehen, wie lange Frau Merkel diesen Mann halten kann! Meiner Meinung nach muss er sofort weg und zur Verantwortung gezogen werden. Neue Verfahren gegen Hartz und von Pierer müssen her. Aber die Justiz selber wird gelenkt, um kein Licht ins Dunkel zu bringen. Ackermann und Hartz sind die beredten Beispiele!
16.000 Polizisten sollen vor dem Betongitterzaun den G8-Gipfel schützen. Die intensive Ausbildung läuft bereits bundesweit. Zur Gegendemo in Rostock am 2. Juni werden um die 100.000 Protestierende erwartetet. Eine Politik, die sich weltweit hinter Zäunen und Armeen verstecken muss, kann sich nicht wundern, wenn der Protest ebenso zunimmt. Innenminister Schäuble fordert jetzt Online-Durchsuchungen von Computern über das Internet, mindestens ein halbes Jahr Speicherung aller Telefondaten durch die Anbieter. Wenn der Staat nur das kleine Häuflein Monopolkapitalisten schützen soll, wird jeder Normalsterbliche zum potentiellen Terroristen, der ständig beobachtet und dessen jeder Schritt kontrolliert werden muss. Ich nenne das eine Faschisierung des Staatsapparates auf neuem Niveau!
Wie Bremens Bürgermeister Böhrnsen hat jetzt auch der SPD-Vorsitzende und Ministerpräsident Beck „seinen Kevin“: Der 20-jährige Hartz-IV-Betroffene Sascha K. aus Speyer, psychisch krank und behindert, wurde am 15. April tot in der Wohnung seiner Mutter aufgefunden. Die Mutter selbst musste mit großen Mangelerscheinungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sie besaßen nicht mehr genug Geld, um Lebensmittel kaufen zu können. Die soziale Lage war den Behörden seit langem bekannt. Das erinnert stark an den Fall des kleinen Kevin und die immer gleichen Methoden der asozialen Staatsmacht!
Die Mietobergrenzenpraxis wird in Bremen nicht geändert. Senatorin Rosenkötter gibt Interviews, die vor Nichtssagen strotzen und in ihrer Hölzernheit das beste Beispiel einer leblosen Politik abgeben. Die einen hungern, während die Ex-Senatoren Eckhoff und Röpke ihre Übergangsgelder mit wohliger Zustimmung der hohen Politik verprassen!
Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ hat eine Unterschriftenaktion für einen neuen Verbotsantrag aller faschistischer Organisationen eingeleitet, der breit unterstützt wird. Wir sollten uns daran beteiligen, aber bei der Unterschrift kann es nicht bleiben: Wir müssen aktiver werden, weil die offizielle Politik nichts machen wird. Besonders das reaktionäre deutsche Finanzkapital will sich die Möglichkeit offenhalten, auch eine neue faschistische Diktatur durchsetzen zu können. Dafür, wie man beim NPD-durchsetzten Verfassungsschutz sieht, sind Organe der Staatsgewalt, die schon „ausgerichtet“ sind und „Erfahrung“ haben, eine wichtige Voraussetzung. So wird jeder antifaschistische Protest der Menschen sofort zu einer Bürgerkriegsübung, wo die „andere Seite“ nur lernt, wie sie es noch besser machen kann. Wir lassen uns aber davon nicht provozieren und setzen auf immer breitere antifaschistische Verbindung über Parteigrenzen hinweg!
Am kommenden Montag, dem 30. April 2007, findet die Montagsdemo wieder um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz statt. Später veranstaltet der DGB auf dem Domshof wieder seinen „Tanz in den Mai“. Da werden manche Kolleginnen und Kollegen vielleicht früher in die Stadt kommen. Grund genug, sie mit unseren Beiträgen auf den kommenden Tag einzustimmen! Am 1. Mai beginnt ab 10 Uhr wieder die Demo vom Osterdeich am Sielwall zum Domshof, wo ab 12 Uhr die Kollegin Ziegert sprechen wird.
Der Demokratieabbau hat in der Bundesrepublik spätestens seit der Regierungszeit Helmut Kohls Tradition, doch eigentlich war er schon weit vor 1968 längst im Gange. 1968 gab es erstmalig eine Zäsur, als Bundestag und Bundesrat mit großer Mehrheit die „Notstandsgesetze“ beschlossen. Sie waren ein Höhepunkt des damaligen Demokratieabbaus. Ähnliche Einschränkungen der demokratischen Grundrechte gab es zum Beispiel auch in Frankreich und Italien, und in der Bundesrepublik wurde die schrittweise Demontage wichtiger Grundrechte munter fortgesetzt.
Konrad Adenauer, der in den 1950-er Jahren die KPD verbot, und Altnazi Kurt-Georg Kiesinger waren als Bundeskanzler nämlich alles andere als demokratische Musterknaben. Die SPD trug schon damals alles mit! Später verhängte die Regierung Willy Brandt unter anderem über Lehrer(innen) und sogar über Lokomotivführer die berüchtigten „Berufsverbote“, die bis heute offiziell nicht zurückgenommen wurden. Obwohl nie ein Zug der Bundesbahn in die DDR entführt wurde! Der nächste große Schlag war 1994 die faktische Abschaffung des Asylrechts. Dies verschaffte Bremer Innensenatoren wie Thomas Röwekamp sowie Länder-Innenministern wie Günther Beckstein die höchst willkommene Handhabe, mit extremer Unmenschlichkeit gegen verfolgte und verzweifelte Asylsuchende vor allem aus Afrika vorzugehen!
Der sogenannte Deutsche Herbst war eine Wortschöpfung der Herrschenden, nicht der Linken, und bot erneut eine „hervorragende“ Gelegenheit, die Grundrechte weiter drastisch einzuschränken. Der einstige Verteidiger von RAF-Mitgliedern, Otto Schily, wendete schon bald seinen Hals um mindestens 180 Grad und tat sich als Innenminister unter „Rot-Grün“ mit besonders bösartigem Eifer hervor. Unter der Kanzlerschaft Schröders wurden auch die Asylgesetze mit maßgeblicher Mitwirkung Schilys deutlich verschärft. Soweit der kleine historische Rückblick!
Wolfgang Schäuble, der schnell auf diese Schiene hüpfte, dürften die „Terrorismusdiskussion“ und die neuesten Vorgänge um das Attentat gegen Buback höchst gelegen kommen, um zum vorläufig letzten großen Schlag auszuholen. Übrigens ist das Hin und Her um den angeblich Hauptverantwortlichen absolut unerträglich. Lasst Christian Klar endlich frei! Der geplante Aufbau einer bundesweiten Fingerabdruck-Datei und die bundesweite Speicherung aller Fingerabdrücke, die fast völlige Freigabe der Rasterfahndung, das willkürliche Abhören von Telefonaten, die Verwanzung von Wohnungen auch durch das BKA, die Verschärfung des Paragraphen 129a („Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“) sowie der heimliche Zugriff auf private Computer würden wohl keinen einzigen Bombenanschlag verhindern können.
Eine Innenministerkonferenz soll in Kürze beschließen, im Vorfeld des G8-Gipfels Polizei und Bundesgrenzschutz zu einer schlagkräftigen Spezialtruppe zusammenzuschließen. Außerdem ist eine stärkere Zusammenarbeit, wenn nicht gar die Zusammenlegung der Geheimdienste geplant. Unter dem Deckmantel der „Terrorismusbekämpfung“ soll zudem das Demonstrations- und Versammlungsrecht außer Kraft gesetzt werden. Was Schäuble damit erreichen will, ist klar: den totalen Überwachungsstaat. Es ist über kurz oder lang damit zu rechnen, dass auch bei uns ein „Guantánamo“ möglich wird.
All dies ist auf jeden Fall ein schwerer terroristischer Akt gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung! Die geplanten Gesetze richten sich nämlich vor allem gegen außerparlamentarische Bewegungen wie die gegen den G8-Gipfel, gegen die Friedensbewegung, gegen die Montagsdemonstrationen und anderen sozialen Bewegungen sowie gegen sogenannte Randgruppen wie beispielsweise alle Hartz-IV-Betroffenen. Damit würde eine längst praktizierte Ämterschnüffelei bei Erwerbslosen und Schlimmeres gesetzlich legitimiert. Hier kann die Forderung nur lauten: Stoppt die Koalition der Demokratie- und Sozialstaatszerstörer! Stoppt endlich Wolfgang Schäuble!
1. Der Untersuchungsbericht zum Tode des kleinen Kevin ist veröffentlicht. Die Formulierung hat etwas mehr Zeit gekostet als geplant, denn es waren Änderungen und Ergänzungen nötig. Auch heute noch werden Zahlungseinstellungen durch die Bagis als Druckmittel benutzt, um eine Mitwirkung herbeizuführen! Teilweise werden die Zahlungen gekürzt, teils eben auch ganz eingestellt.
Entsprechend kann der Betroffene reagieren, abgestuft hinsichtlich der Not. Ein Eilverfahren dauert in der Regel leider circa drei Wochen. Wer von der Bagis mittellos gemacht wird, hat ein besonders dringendes Anliegen – in diesem Fall werden die Richter am gleichen Tag entscheiden, wie zu Zeiten des alten Sozialhilferechts! Der Betroffene sollte dazu im Gerichtsflur bleiben, um für Rückfragen zur Verfügung zu stehen!
Ein Rechtsanspruch auf eine so schnelle Entscheidung besteht aber nicht. Der Gerichtsmitarbeiter wird den Richter fragen, ob es ihm möglich ist. Vorher aber bei der Bagis vorsprechen und Mittellosigkeit geltend machen! Auch an einem Mittwoch! Wir helfen dabei! Wir gehen mit! Ein Verhalten der Bagis wie gegenüber Kevin und seinem Ziehvater ist nicht in Ordnung!
Die Darstellung im Untersuchungsbericht ist in diesem Punkt leider weiterhin unvollständig, denn die Bagis ist eine den Weisungen der senatorischen Dienststelle unterstelltes Amt. Die Verantwortlichkeit für das Verhalten der Bagis liegt also bei der Senatorin für Soziales und damit bei der Freien Hansestadt Bremen!
Die Debatte in der Bürgerschaft zum Kevin-Untersuchungsbericht ist am Mittwoch und Donnerstag. 389 Seiten wurden außerhalb der Tagesordnung zur Behandlung angesetzt! Ich bin gespannt auf die weiteren Kommentare und Auswertungen dieses Berichts. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!
2. Was die Wohnung betrifft, gilt nach wie vor: Wer eine Kostensenkungsaufforderung erhalten hat, muss sich wehren! Er kann das auch tun! Frau Rosenkötter möchte diese Gegenwehr kontrollieren, daher das Angebot der Einzelfallüberprüfung. Das ist scheinheilig, denn so bleibt alles unter der Decke! Ich habe einen Briefwechsel über eine solche Einzelfallprüfung vorliegen.
Der Betroffene schreibt: „Sehr geehrter Herr Schuster, zur Klärung meiner Mietsenkungs-Angelegenheit war ich heute morgen bei Frau Mehlgarten von der Leistungsabteilung in der Bagis Süd. Diese widersprach vehement Ihren Aussagen bei der Sozialdeputationssitzung vorletzte Woche und in einigen ‚Weser-Kurier‘-Artikeln: Der inkriminierte Formbrief stammt nicht von der Bagis, sondern aus Ihrem Haus. Aus der Ausnahmetatbestandsliste Ihrer Verwaltungsanweisung im letzten Jahr reicht ein Tatbestand (mindestens zehn Jahre Wohndauer in meinem Fall) im Widerspruch zum Text nicht aus. Aufgrund der Weisungen von oben – auch aus Ihrem Haus – hat sie keinerlei Spielraum und wartet dringend auf neue Anweisungen entsprechend Ihren in der Presse kolportierten Äußerungen. Das erwarte ich auch; außerdem Antwort auf die Frage ‚Wer lügt?‘“
Die Antwort von Staatsrat Schuster zeigt die Sinnlosigkeit einer Einzelfallprüfung, und die Antwortzeit liegt oberhalb der Widerspruchsfrist. Widerspruch ist darum das einzig Fühlbare! Herr Schuster hat also abgelehnt, obwohl dieser Mensch über zehn Jahre in der jetzigen Wohnung lebt, weil die Bruttokaltmiete 51 Prozent über der „angemessenen“ Miete liege. Die Verwaltungsanweisung Wohnen sagt dazu in Punkt 3.3.1, Absatz 5: „Überschreiten die tatsächlichen Kosten der Unterkunft die für den Einzelfall maßgebliche Angemessenheitsgrenze um 50 Prozent und mehr, sind außer in besonders begründeten Härtefällen keine Ausnahmen gerechtfertigt.“ Stand 8. Februar 2007!
Dieser Passus der „fachlichen Anweisung Wohnen“ wurde in der Verantwortungszeit von Frau Rosenkötter geändert: In der Fassung vom 24. November 2005 sind die gleichen Härtefälle aufgeführt! Dort heißt es als Schlussfolgerung, dass „Miete und Nebenkosten der bisherigen Wohnung in der tatsächlichen Höhe anzuerkennen“ sind.
Somit ist klar: Frau Rosenkötter bewegt sich nicht auf die Betroffenen zu! Sie bleibt nicht nur bewusst bei diesen ungerechtfertigten Mietobergrenzen, sondern verschärft diese Verwaltungsanweisung noch! Während wir um ein Gespräch bemüht waren, hat Frau Rosenkötter die Ausnahmeregelungen ausgehöhlt, denn sie sind nur „abgemagerte“ Zugeständnisse aufgrund von Gerichtsentscheidungen in anderen Bundesländern. Die 50-Prozent-Regelung steht in keinem dieser Urteile!
Frau Rosenkötter und Herr Grotheer haben jeder für sich das Gespräch außerhalb der Deputationssitzungen mit uns gesucht, Frau Rosenkötter über die „Solidarische Hilfe“, davor Herr Grotheer über Verdi! Für ihn waren unsere Argumente nachdenkenswert, die Senatorin jedoch ist nicht zum Einlenken bereit. Jede(r) in der Deputation weiß, dass die Mietobergrenzen einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, daher wurde im November ein weiteres Gewos-Gutachten in Auftrag gegeben, das nun Ende Mai (bisher Anfang Mai) geliefert werden soll!
Bis dahin hofft Frau Rosenkötter auf Ruhe. Jede Klage wird diese Stille stören! In dieser Verwaltungsanweisung steht auch die Bremer Regelung für Wohngemeinschaften, die ebenfalls von allen anderen bundesweiten Gerichtsurteilen abweicht. Die Bremer Richter haben sich der Auffassung der anderen Gerichte angeschlossen, die schlechtere Regelung der Bremer Verwaltungsanweisung ist damit hinfällig – aber nur für den Menschen, der sich wehrt!
Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass diese Verwaltungsanweisung zu Berechnungsfehlern führt, weil das Beispiel für Studenten falsch ist: Der Freibetrag für Versicherungen bei Einkommen ist immer abzusetzen! Hierdurch werden 30 Euro monatlich weniger an diese Student(inn)en ausgezahlt, aber nur, wenn sie sich nicht wehren!
Dies sind anschließend Fehler der Bagis, es liegt an unzureichend ausgebildeten Mitarbeiter(inne)n – so wird es dargestellt. Verantwortliche für diese „Bagis-Fehler“ und auch deren Verursacherin ist die oberste Landesbehörde mit Senatorin Ingelore Rosenkötter an der Spitze! Und für deren Handlungen und Unterlassungen ist der Bürgermeister Jens Böhrnsen zuständig!
Deshalb noch eine Zusatzbemerkung für Marianne Strauch von „Radio Bremen“: Wir wollen mit unseren Demonstrationen einerseits unsere Argumente und die Fakten sowie die Sorgen und Ängste der Betroffenen vermitteln, aber andererseits auch die Begründung für das Verhalten dieser Verwaltung erkunden! Wir werden weiter aktiv sein! Wir unterstützen jeden, der sich wehren will!
3. Auf der Diskussionsveranstaltung „Gewalt auf Demonstrationen – Ursachen der Eskalation“ hat am Freitag Rolf Gössner über „Zu viel Macht – zu wenig Kontrolle?“ referiert. Es war eine Veranstaltung im Rahmen der „Georg-Elser-Initiative Bremen“ mit dem Titel „Erinnerungen an einen Unbekannten – 13 Minuten, die die Welt verändert hätten“. Rolf Gössner ist Verfasser des Buches „Menschenrechte in Zeiten des Terrors – Kollateralschäden an der ‚Heimatfront‘“.
Eine Nachlese und Auswertung dieser Veranstaltung findet am Donnerstag um 19:30 Uhr im „Nachbarschaftshaus Helene Kaisen“, Beim Ohlenhof 10, im Rahmen des Treffens des „Bremer Bündnisses gegen Rechts“ statt. Mit großer Mehrheit wurde am Freitag die folgende Abschlusserklärung verabschiedet:
„Die Teilnehmer(innen) der Veranstaltung ‚Gewalt auf Demonstrationen – Ursachen von Eskalation‘ appellieren an Innensenator Thomas Röwekamp und Polizeipräsident Eckart Mordhorst, zu einem Klima beizutragen, in dem Demonstrationsteilnehmer(innen) nicht von vornherein als Gegner der Polizei betrachtet werden. Demonstrationen gegen Neofaschisten richten sich nicht gegen die Polizei, sondern gegen eine rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche Politik. Auch Friedens-, sozial- und globalisierungskritische Gruppen, die sich für Abrüstung, Gerechtigkeit, Solidarität, Armutsbekämpfung und nachhaltigen Umgang mit der Natur einsetzen, sehen nicht in der Polizei ihren Gegner. Sinnvoll wäre eine politische Vorabinformation an die für den Einsatz vorgesehenen Polizeieinheiten über die Anliegen der jeweiligen Demonstration durch umfangreiche Fortbildungsangebote. Zu prüfen wäre die Einbeziehung der Demonstrationsverantwortlichen in die polizeilichen Vorbereitungsveranstaltungen.“ –
Noch ein Veranstaltungshinweis: Am Freitag, dem 4. Mai 2007 beginnt um 9:30 Uhr der Ein-Euro-Job-Tag in der Zionsgemeinde, Kornstraße 31. Kommen kann jede(r)! Um 13:45 Uhr startet der Zug zum Marktplatz, dort gibt es Aktionen bis circa 16 Uhr. Innerhalb dieser Veranstaltung leiten Frank und ich ab 11:30 Uhr den Gesprächskreis „Umgang der Bagis mit ihren Kunden und umgekehrt“. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen! Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!
Der „Kurier am Sonntag“ brachte am 22. April 2007 eine Besprechung von Götz W. Werners Buch „Einkommen für alle“. Der Chef der Drogeriemarktkette „dm“ geißelt darin die unsoziale Politik der Bundesregierung und ihrer Vorgängerregierung („Hartz IV ist offener Strafvollzug“) und tritt für ein „bedingungsloses Grundeinkommen für alle“ ein.
Das hört sich sehr sozial an. Doch ist das die Lösung? Arbeit für alle werde es nie wieder geben, folgert Werner aus der immer schneller steigenden Produktivität. Damit aber erklärt er die Massenarbeitslosigkeit und die Tatsache, dass Millionen Menschen das Recht auf Arbeit und damit auch ein Stück ihrer Würde genommen wird, als unveränderlich. Das unmenschliche System der kapitalistischen Monopolherrschaft über die ganze Gesellschaft, in der nur der Profit zählt und immer größere Teile der Menschheit für überflüssig erklärt werden, bleibt unangetastet.
Die Beseitigung dieses Systems wird es ermöglichen, dass alle Menschen entsprechend ihren Fähigkeiten am Produktionsprozess teilnehmen und sich darin verwirklichen können. Der Produktivitätsfortschritt kann dann dazu genutzt werden, sich zu bilden, kulturell zu betätigen und am gesamten politischen und gesellschaftlichen Leben aktiv teilzunehmen. Bis dahin bleibt der Kampf für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, die Verteilung der vorhandenen Arbeit auf mehr Schultern, die beste Maßnahme, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen.
Finanzieren will der „dm“-Chef das „Grundeinkommen für alle“ durch eine Abschaffung sämtlicher Steuern bis auf die Mehrwertsteuer und deren extreme Erhöhung. Ist das sozial? Für die Unternehmer ist sicher nicht schlecht, wenn auch noch die letzten Unternehmersteuern wegfallen. Auf diesem Weg ist die Bundesregierung ja schon weit vorangekommen. Bezahlen sollen also die „Verbraucher“, das heißt alle Arbeiter und Angestellten. Die sollen die Arbeitslosigkeit finanzieren – der Staat ist fein raus!
So steht die Kritik von Herrn Werner an „Hartz IV“ plötzlich in einem ganz anderen Licht. Die Hartz-Gesetze müssen weg, und die Sozialleistungen müssen erhöht werden – aber nicht durch eine Verschiebung auf eine 50-prozentige Mehrwertsteuer, sondern indem ein Steuersystem errichtet wird, wo der Umsatz der Unternehmen besteuert wird und nicht die Löhne oder der Verbrauch!
Wir hatten mit Lautsprecherproblemen zu kämpfen und mussten unsere Stimmen ordentlich anstrengen, bis endlich das Megafon zum Einsatz kam. Bei unserer 130. Montagsdemo in Bremen am 23. April 2007 um 17:30 Uhr auf den Marktplatz waren zahlreiche Bremer und Touristen unterwegs, aber der Kreis der Mitstreiter blieb mit 16 sehr klein.
Sehr geehrte Frau Rosenkötter, gleich gegenüber des Hotels „Deutsche Eiche“, in dem Sie Ihren Wahlkampfauftritt am 17. April 2007 in Horn-Lehe hatten, wohne ich. Im mittleren der drei Blocks an der rechten Seite der Kopernikusstraße. In diesen drei Blocks gibt es viele ältere Leute, die schon seit Jahrzehnten hier wohnen. Viele von diesen „Alten“ brauchen jetzt einen Stock oder Rollator. Trotz dieser Gehbehinderungen ist ihnen von einem Tag auf den anderen der direkte Zugang zum Park hinter den Häusern mit einem hohen Drahtzaun (Bremens neustes Getto?) verwehrt worden.
Ich erwähne diese alten Menschen, weil Sie, Frau Rosenkötter, in Ihrem Vortrag das stärkere Engagement der jüngeren Generationen bei der Betreuung und Pflege der älteren Generation angefordert haben: „Nur wenn es nicht mehr anders geht“, sagten Sie, „dann die externe Pflege“. Sehr sozial, fast revolutionär, Frau Rosenkötter! Derartige Anregungen aus dem Munde einer Senatorin „auch“ für Soziales werden sicherlich überregionale Schlagzeilen in allen Printmedien machen.
Ja, die älteren Menschen! Für die müsse stärker gesorgt werden, auch und vor allen Dingen mit neuen Ideen. Bei diesem Gedanken fiel Ihnen Herr A. Künzel ein, der Vorstand der „Bremer Heimstiftung“. Der sei doch so innovativ. In der City habe er eine Pflegeeinrichtung mit „neuen Ideen“ eröffnet, in Huchting sei er aktiv und auch in Oberneuland.
Klar, Herr Künzel ist bekannt. Auch der „Weser-Kurier“ hat ihm neulich fast eine ganze Seite im Wirtschaftsteil gewidmet. Er ist ja Banker. Auch Sie, Frau Rosenkötter, sind voll ausgebildete Bankkauffrau, wie Sie Ihren wenigen Zuhörer im Hotel „Deutsche Eiche“ stolz berichteten. Einst ausgebildete Bankkauffrau und jetzt verantwortlich für Bremens Soziales! Muss ich das verstehen, Frau Rosenkötter? Hm, warum soll denn eine Bankkauffrau das Herz nicht auf dem rechten Fleck haben?
Zwischen dem Herrn Künzel und Ihnen beiden gibt es sicherlich nicht nur wegen der gemeinsamen Vergangenheit im Bankgewerbe Gemeinsamkeiten. Das ist sicherlich einigen deutlich geworden, als Sie sehr oft von der Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns, von Ergebnissen, von Kostenreduktion und von Betriebswirtschaft im Allgemeinen sprachen. Fast so, als ob Sie den Bericht im „Weser-Kurier“ über und von Herrn Künzel auswendig gelernt hätten.
Dessen Auslassungen lasen sich wie die Reportage zur Bilanz-Pressekonferenz eines Unternehmens der New Economy, dessen Aktienkurs steil nach oben führt. Aber kein Wort über die sensiblen Aufgaben im Bereich der Betreuung und Pflege älterer Menschen; nichts über das ansteigende Pensum an Arbeit, das von Herrn Künzels Personal zu bewältigen ist; nichts darüber, dass die alten Menschen fast nur noch verwaltet werden: Waschen, Essen, Drehen, Toilette. Waschen, Essen, Drehen, Toilette – und irgendwann der Tod im Zweibettzimmer!
Na, Frau Rosenkötter, vielleicht wollen Sie derartige Berichte auch gar nicht hören. An solche Dossiers kommen Sie auch kaum ran. Denn wenn Sie wider Erwarten nicht nur mit Herrn Künzel reden wollten, sondern auch einmal mit den Pflegekräften in den Pflegeheimen, würde Ihnen bestimmt nichts über die Wahrheit in diesen Einrichtungen berichtet. Warum nicht? Angst, Frau Rosenkötter, Angst. Die Pflegekräfte haben Angst um ihren Job, sie haben Angst, ihre Arbeit zu verlieren, wenn sie über die unwürdigen Zustände in diesen Einrichtungen sprechen würden. Sie haben auch Angst, dass Ein-Euro-Jobber ihre Arbeit übernehmen könnten. Diese armen Menschen sind nämlich auch in den Einrichtungen von Herrn Künzel und machen da Vollzeitjobs.
Die Menschen werden Ihnen nicht die Wahrheit berichten, Frau Rosenkötter. Ich aber, ich weiß sehr genau, wie es dort aussieht. Ich habe es gesehen und erlebt, und ich habe mit Pflegern sprechen können, die ob des unwürdigen Umganges mit alten Menschen selbst schwer krank geworden sind. Frau Rosenkötter, Sie argumentieren sehr oft mit Einzelfällen – seien Sie versichert, es handelt sich beim Arbeiten und Leben in den Pflegeheimen nicht um Einzelfälle! Nur da, wo die betuchten alten Menschen betreut werden, gibt es ein bisschen Licht.
Und dann Ihre Krankenhäuser! Ja, es sind schon tolle Einrichtungen. Fachlich ganz oben, und so soll es auch bleiben. Deshalb würden auch kranke Menschen aus allen Himmelsrichtungen und weiter Entfernung in Bremens Kliniken kommen. Diese brüsten sich teilweise mit ihren Siegeln zum Qualitätsmanagement, zur Ablaufmaximierung, mit neuesten technischen Geräten, mit Zertifikaten zur Weiterbildung und zu XYZ. Das wichtigste aber, das Zertifikat für menschlichen und fürsorglichen Umgang mit Patienten ist in Bremen wohl noch nicht eingeführt, oder?
Als witzig empfinde ich es, Frau Rosenkötter, dass die so oft von Ihnen beschworene Prävention (zumindest Kindesbetreuung betreffend) in den Klinken ad absurdum geführt wird. Seien Sie am Wochenende doch mal in so einem Bremer Krankenhaus. Ein Arzt ist zum Beispiel allein zuständig für zwei Stationen, und er macht zusätzlich noch die Aufnahme. Stellen Sie sich nun einfach mal vor: Auf zwei Stationen gleichzeitig brechen Wunden von Patienten auf, und in die Aufnahme kommt ein Patient mit starken Schmerzen und unklarer Diagnose...
Ein Beispiel zur Angst in Krankenhäusern kann ich Ihnen auch noch geben: Mein Schwager und ich haben unsere Mutter in ein Krankenhaus begleitet. Ich beschwerte mich bei einem der anwesenden Ärzte wegen des extrem langen Zwangsaufenthaltes der alten Frau in der Aufnahme: Er möge doch bitte bei seinen Vorgesetzen wegen dieses miserablen Verfahrens vorstellig werden. Angst, Frau Rosenkötter, wieder Angst! Denn die Antwort des Doktors war: Wissen Sie, wenn ich mich dort beschwere, verliere ich meinen Job, beschweren müssen sich die Patienten oder deren Angehörigen. Daraufhin schrieb ich. Mein Protokoll über den menschunwürdigen Umgang mit einem alten, hilflosen Patienten im Krankenhaus ist sieben Seiten lang geworden, Frau Rosenkötter! Wollen Sie diese Dokumentation einmal lesen?
Zu Beginn Ihrer Vorstellung haben Sie sich zu hinreichend bekannten und neuen Wortschöpfungen ausgelassen. Sie wollten sich wohl als eine moralische Instanz darstellen, die zu Recht den Posten der „auch“ Sozialsenatorin innehat: Die Bagis habe jetzt nicht Arbeitssuchende zu betreuen, sondern „Kunden“. Denen stehen jetzt sogenannte Case- oder Fallmanager zur Verfügung.
Diese Wort-Kreationen, die punktgenau ein perfides System kennzeichnen, haben Sie geäußert, aber nichts zu deren „Qualität“ gesagt. Nein, noch nicht einmal, dass es sich um Menschen handelt, nicht um Fälle. Auch zu den „Kunden“ und zum überwiegend unwürdigen Umgang der Bagis mit den arbeitssuchenden Menschen haben Sie sich nicht empört. Wie sollten Sie auch? Ihr Versuch, sich gleich zu Beginn Ihres Horn-Lehe-Vortrags als jemand mit sozialer Integrität darzustellen, ist schon nach fünf Minuten heftigst gescheitert!
Und selbstverständlich haben Sie Stellung bezogen, Stellung zur Ursache für Ihren derzeitigen Posten: das Versagen bei der Betreuung von Kindern. Doch Sie würden mit der neuen Art der Betreuung von Kindern und Jugendlichen schon die richtigen Wege beschreiten. Mehr Geld, mehr Prävention, Super-Kontrollen, die nicht als Kontrollen bewertet werden sollten, und natürlich taffe Manager wie Ihren Herrn Schuster, der auch die wirtschaftlichen Notwendigkeiten im klaren, stahlblauen Blick behält. Wenn Probleme sichtbar werden, müssten die durch schnellste Unterstützung zumindest gemildert werden. Und mit der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für Jugendliche, wird so manches Übel aus der Welt verbannt.
Ja, Sie hatten an diesem Abend schon so einiges zu berichten: 7,50 Euro Mindestlohn sind zwingend notwendig. Die Menschen müssen von dem leben können, was sie verdienen. Kommen Sie, Frau Rosenkötter, allmählich auch zu der Einsicht, die Verdi und Linke seit langem hegen? Oder ist es gar nicht Ihre eigene Überzeugung, sondern vielmehr die Aufforderung Ihres Chefs Jens Böhrnsen, sich mit auf seinem verbalen Wahlkampf-Linksrutsch zu bewegen?
Dann gab es eine Frage aus dem SPD-Publikum zu den circa 5.000 Bremern und Bremerinnen (vorwiegend ALG-II-Empfänger), die kein Bankkonto haben. Ob Sie, Frau Rosenkötter, sich dafür engagieren könnten, dass für diese Menschen ein Konto eingerichtet wird. Das sei doch notwendig, wurde erklärt, weil jede von diesen Menschen vorzunehmende Überweisung viel Geld (fünf bis acht Euro) kostet. Beträge, die bei den insgesamt zur Verfügung stehenden Minimalfinanzen besser für Lebensmittel ausgegeben werden könnten.
Ihre Antwort war spektakulär, und jeder der Anwesenden staunte ehrfurchtsvoll über Ihr Insider-Wissen: Dieses Thema behandelten die Banken sehr sensibel. Das Guthabenkonto sei nicht so ganz einfach zu realisieren. Hier solle man nicht auf schnelle Lösungen hoffen. Aber bei der Bagis stünden ja für diese „Fälle“ Automaten. Die werfen nach Einführung der amtlichen Scheckkarte den Hartz-IV-Betrag für den Bedürftigen aus.
Irgendwie verstehe ich da etwas nicht, Frau Rosenkötter: Sind Sie immer noch Bankerin und haben deshalb in Ihrem neuen Betätigungsfeld als Soziasenatorin mehr Verständnis für die „kapitalen“ Interessen von Banken als für die desolate Situation von bedürftigen Menschen? Ihr Amt sollte sich doch eigentlich für die sozial Schwachen engagieren. Na, irgend jemand wird mir diese „sensiblen“ Zusammenhänge sicherlich einmal erklären!
Zuletzt haben Sie auch noch ein bisschen über Hartz IV gesprochen. Da habe es einen unangenehmen Zwischenfall anlässlich der Deputationssitzung am 8. Februar 2007 gegeben. 150 Demonstranten – man könne sich ja vorstellen, aus welcher Ecke die kämen – hätten doch die Sitzung massiv gestört. Damals ging es um Mietzuschüsse für Bedürftige, und heute Nachmittag habe es erneut einen Termin zu diesem Thema gegeben. Am Donnerstag werde es eine weitere Deputationssitzung zu den Mietzuschüssen geben. Für eventuelle Störungen seien Sie aber besser vorbereitet. Fest stehe, dass die verfügbaren Mittel gleichmäßig verteilt werden müssten. Das betreffe natürlich auch die Mietzuschüsse.
Auch diesmal habe ich nur wenig verstanden, Frau Rosenkötter, Sie waren äußerst schwammig, sehr nebulös! So habe ich mir dann angehört, was zur nächsten Deputationssitzung am 19. April 2007 zum Thema „Zwangsumzüge“ an Argumenten vorgetragen worden ist. Sie hatten ja vorgebeugt, Frau Rosenkötter: Die Demonstranten durften das Siemens-Haus nicht betreten. Sie zumindest haben sich vor dem Haus mit Ihrem Staatsrat Schuster eingefunden (der war wieder blendend eingekleidet, die Krawatte passte auch diesmal zum Anzug, und so knackig wie sein Haarschnitt war auch sein Auftreten. Sein kleiner Sprachfehler fällt da gar nicht mehr auf).
Auf meinem billigen Platz in den hinteren Reihen konnte ich leider nicht das letzte Detail Ihrer Ausführungen hören. Was ich aber hörte, waren bekannte Statements: keine Zwangsumzüge, Einzelfallprüfung, keine Gettoisierung, vertrauensvoller Umgang seitens der Bagis, jede nur denkbare Unterstützung für schwierige „Fälle“ und so weiter. Alles Lügen?
Engagierte Menschen von der „Initiative Bremer Montagsdemo“ und der „Solidarischen Hilfe“ trugen beispielhaft Einzelschicksale vor. Jedem der Zuhörer sind die extremen Belastungen der Betroffenen, die sich der Einzelfallprüfung zu unterziehen haben, schnell klar geworden. Sie konnten sofort nachempfinden, was eine alleinerziehende Mutter auszustehen hat, wenn ihr Drohbriefe der Bagis ins Haus geflattert kommen; diese Zuhörer konnten nachempfinden, was es für Betroffene bedeutet, mit Bagis-Repressionen konfrontiert zu werden, die ihr gewohntes Umfeld wegen zu hoher Miete verlassen zu müssen. Bei der verbalen Dokumentation weiterer Einzelfälle das gleiche Bild: Zutiefst betroffene Demonstranten, aber Ihr Gesicht, Frau Rosenkötter, und das Ihres Dressman Schuster, blieben ohne irgendeinen Funken der Anteilnahme. Ja, Sie ziehen Ihren Plan durch, mit fatalen Folgen!
Mein Entsetzen kann ich nur in einer Forderung an Sie zum Ausdruck bringen: Treten Sie zurück, Frau Rosenkötter, und nehmen Sie Ihren Staatsrat Schuster gleich und noch schneller mit. Dieses Amt sollte nicht mit Apparatschiks und Technokraten besetzt werden. Die denken ausschließlich in betriebswirtschaftlichen Strukturen, wie Controlling-Manager in DAX-Unternehmen. Das schließt jegliches politisches Denken und Handeln aus!
Mir scheint, Sie verschaffen mehr und mehr Menschen den Zugang zu Suppenküchen und der „Bremer Tafel“, vielleicht sogar den Weg in die Obdachlosigkeit – und das „soziale Gesicht“, Frau Rosenkötter, mit dem Bremen in Zeiten des Wahlkampfes wirbt, kann mit Sicherheit nicht Ihres sein. Nochmal, Frau Rosenkötter: Treten Sie zurück!