4. Bremer Montagsdemo
am 06. 09. 2004  I◄◄  ►►I

 

Das Bündnis will die
Gewerkschaften abholen!

'Es reicht!'Anlässlich der 4. Montagsdemonstration in Bremen will das „Bündnis gegen Sozialkahlschlag“ den Protest gegen die Agenda 2010 und Hartz IV auf eine breitere Basis stellen. Aus diesem Grund werden wir am Montag den Gewerkschaften im DGB-Haus am Bahnhofsplatz einen Besuch abstatten und sie auffordern, sich zu beteiligen.

Wir fordern eine Stellungnahme dazu, warum bisher aus dem Gewerkschaftshaus keine Verlautbarungen zu den Protesten zu hören sind! Wir fordern, dass die Gewerkschaftsmitglieder über die Montagsdemos in Bremen in Kenntnis gesetzt werden oder ihnen erklärt wird, warum die Gewerkschaften der Durchsetzung der Agenda tatenlos zusehen, wenn sie doch bedeutet, dass ein Großteil der Beschäftigten unter erheblichen Folgen zu leiden haben wird!

Jürgen Willner („Bremer Sozialplenum“)

 

Wir stehen am Roland

Heut und hier! Wir sind gegen das ungerechte Hartz IV! Es heißt, wir hätten nicht alle Tassen im Schrank: Wir sind wegen Hartz IV hier hergerannt!

Verleumdung macht uns gar nichts aus: Unsern Ärger lassen wir trotzdem raus! Was machen unsre Politiker in Bremen, ob die sich etwa schon mächtig schämen?

Für unsern Herrn Scherf ist es dumm gewesen, dass er den „Kanzlerbrief“ nicht richtig gelesen! Ja, Herr Bürgermeister Scherf, so ist das eben: Man sollte nie dem „Lügenkanzler“ Zusagen geben!

Millionen kann Bremen in den Himmel schreiben und sich nun auch selber mit Hartz IV bekleiden! Die Bremer Politiker tun ganz geschockt, was der „Lügenkanzler“ da wieder verbockt!

Ursula GatzkeNun kommt es auch noch knüppeldick hinterher: Der „Lügenkanzler“ will kein Bundesland Bremen mehr! Bremen soll dem „Nordstaat“ einverleibt sein, fällt bei Widerworten dem Schröder ein!

Der Bürgermeister würde sich die Haare raufen, müsste er den „Lügenkanzlerbrief“ selber kaufen! „Wovon?“, denkt Scherf in seiner Not, „Bremen ist doch schon fast tot!

Der Kanzler war so furchtbar gemein! Er wird nicht mehr mein Lügenfreund sein!“ Die Millionen hätten Bremen gerettet, darauf hätte Scherf den Spacepark verwettet!

Darum, Scherf, glaube nie dem Schröder, wenn er etwas verspricht, weil der „Lügenkanzler“ immer sein Wort bricht! Dem Größenwahn setzte Scherf den Spacepark als Denkmal hin, darin liegt der verlorenen Millionen letzter Sinn!

Da Lügen so kurze Beine haben, wird Schröder bald auf Brustwarzen traben und wider Willen ein Zeichen setzen: Bremen lässt sich so leicht nicht zerfetzen!

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Das sind unsere Forderungen

Bettina FenzelIch danke euch, dass ihr gegen die „Reformen“, vor allem gegen die Hartz-Gesetze, auf die Straße geht! Es gibt in Bremen und ganz Deutschland rechte Rattenfänger wie die Gruppe „Aufrechter Gang“, die unsere Forderungen für ihre Ziele missbrauchen. Sie haben auf unseren Demos nichts zu suchen!

Als die Faschisten 1933 an die Macht kamen, strichen sie das Arbeitslosengeld und führten mit dem Reichsarbeitsdienst den Arbeitszwang ein. Sie verboten Verhütungsmittel: Frauen funktionieren als Gebärmaschinen, um Soldaten für Kriege und billige Arbeitskräfte hervorzubringen. Ihnen wurde das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper genommen, während Menschen, die für „minderwertig“ erklärt wurden, zu Unfruchtbarmachung und Abtreibung gezwungen wurden.

Parallelen zu damals sind offensichtlich: „Superminister“ Clement will insgesamt 600.000 Stellen mit Ein-Euro-Jobs einführen, davon 30.000 als Erzieher und Ersatz für Zivildienstleistende, 100.000 als Tagesmütter und 70.000 im gewerblichen Bereich. Im öffentlichen Dienst gab es 1991 in den Gemeinden noch 1,59 Millionen Beschäftigte, doch im Jahr 2001 nur noch 978.000, also 40 Prozent weniger. Durch die Zwangsarbeitsverhältnisse kommt es zu Lohndumping! Darum sind die Hartz-Gesetze abzulehnen und auch die gesamten anderen „Reformen“!

In der „TAZ Bremen“ vom 12. August 2004 steht: „Pille nicht mehr bezahlbar“. Die Kosten für empfängnisverhütende Mittel werden in der Stadt Bremen bei Sozialhilfeempfängerinnen nur bis zum vollendeten 20. Lebensjahr übernommen. Sozialstaatsrat Knigge meinte, für freiwillige Leistungen habe Bremen kein Geld. Diese verlogene Moral lässt einem den Atem stocken! Es wird gesagt, Frauen sollen verhüten, damit sie nicht abtreiben müssen. Auf der anderen Seite gibt es den Schandparagraphen 218, der Abtreibung verbietet und nur eine Notlagen-Lösung vorsieht. Dank der „Gesundheitsreform“ sollen sie die Pille selbst zahlen, von lachhaften 275 Euro Sozialhilfe im Monat! Auch für Brille und Zahnersatz müssen sie selber blechen!

Der Sozialhilferegelsatz reicht nur 20 Tage aus, um sich gesund zu ernähren, hat die Uni Gießen schon 2001 festgestellt. Kinder, die arm sind und sich schlecht ernähren, haben schlechte Zähne. Ich hatte in meiner Jugend schlechte Zahnärzte, die mich nicht zum Kieferchirurgen schickten. Nur bis zum 18. Lebensjahr zahlt die Krankenkasse eine Spange; heute müsste ich 1000 Euro dafür selbst zahlen, denn das Sozialamt oder die Krankenkasse übernehmen die Kosten nicht!

So zeigt sich, dass die „Reformen“ zu Lasten der Allgemeinheit gehen. Bei privaten Vermögen von über sechs Billionen Euro wundert es nicht, dass die öffentlichen Kassen leer sind! Die Grünen seien das soziale und ökologische Gewissen der Nation, erklärte Parteichef Reinhard Bütikofer jetzt wieder, aber den Hartz-Gesetzen und den anderen „Reformen“ haben sie zugestimmt! Christian Ströbele sagt als Einziger „Nein“ und geht mit auf die Montagsdemos. Er ist eine Ausnahmeerscheinung, die uns nicht davon abhalten sollte zu sagen, dass die Grünen sich in eine Kopie der FDP verwandelt haben!

Der Neoliberalismus blüht in allen Parteien auf. Selbst bei der PDS ist das so: Früher sprach sich Heidi Knacke-Werner gegen Zwangsarbeit und für Sozialhilfesatz-Erhöhung aus, doch als Berliner Sozialsenatorin ist sie für die Hartz-Gesetze. Rosa Luxemburg lehnte einst eine Beteiligung der Sozialisten an bürgerlichen Regierungen ab, weil diese die Lebenslage der Bevölkerung verschlechtern! Was wir haben, ist keine Volksherrschaft, sondern eine Diktatur des Kapitals. Von diesen Parteien habe ich die Nase gestrichen voll, denn auch der „real existierende Sozialismus“ war nicht viel besser!

Bei der Arbeiterwohlfahrt steht als Leitbild, den freiheitlichen Sozialismus und die Errungenschaften der Arbeiterbewegung zu verteidigen, doch der Gewerkschaft Verdi sind zum Ende des ersten Quartals 2004 die Tarifverträge gekündigt worden: 170.000 Hauptamtliche und 1.262 soziale Einrichtungen sind davon betroffen. Darum ist es abzulehnen, dass die Wohlfahrtsverbände Ein-Euro-Jobs einrichten und dadurch feste Stellen streichen, und dass es zur Verelendung der Beschäftigten kommt! Die Errungenschaften der Arbeiter- und Frauenbewegung werden damit zu Grabe getragen!

Unsere berechtigten Forderungen sind: Zurücknahme der „Reformen“! Abschaffung des Paragrafen 218! Gezielte Aufklärung über sichere Verhütung! Kostenlose Verhütungsmittel! Schaffung von Lebensumständen, die es allen ermöglichen, Kinder zu haben! Familiengerechter, bezahlbarer Wohnraum! Ausreichende Versorgung mit qualitativ guten Krippen- und Kindergartenplätzen! Freiraum für Kinder! Ganztagsschulen als Einheitsschule! Bedarfsorientiertes Kindergeld ohne Anrechnung! Erziehungsjahr bei vollem Lohnausgleich! Freiwilliger, stufenweiser Wiedereinstieg ins Berufsleben! Verkürzte Arbeitszeiten für Eltern bei vollem Lohnausgleich! Unbegrenzte Beurlaubung bei vollem Lohn, wenn ein Kind krank ist! Hilfe für Alleinerziehende! Anhebung des Sozialhilfesatzes auf 750 Euro im Monat plus Warmmiete! Gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich! Einführung eines Mindestlohns, der an den Inflationsausgleich gebunden ist! Erhebung einer Ausbildungsplatzabgabe! Eine gerechte Steuerreform von oben nach unten!

Bettina Fenzel (parteilos)

 

Klassenkampf statt
Sozialpartnerschaft!

'Den Herrschenden die Zähne zeigen'Ein Gespenst geht um in Europa: Nicht nur in Deutschland gibt es momentan einen Frontalangriff seitens Politik und Wirtschaft auf die von uns erkämpften sozialen Rechte. In ganz Europa werden die Löhne real gekürzt, die Lebensarbeitszeit nach oben geschraubt, das Bildungssystem privatisiert. Hauptsache Arbeit, egal zu welchen Bedingungen!

Wir Lohnabhängigen, ob mit oder ohne Job, haben nichts außer der „Ware“ Arbeitskraft. Genau diese soll nicht nur immer billiger werden, damit die Profite der Bosse immer noch höher werden, nein, wir sollen auch gezwungen werden, jede Arbeit anzunehmen, die man uns aufträgt, und das zu Niedrigstlöhnen von ein bis zwei Euro die Stunde. Dafür werden einerseits neue Gesetze erlassen (Hartz I bis IV und Agenda 2010), andererseits setzen uns die Bosse und Ideologen des Kapitals und der Politik verstärkt unter Druck. So werden bei Siemens mittlerweile Menschen zur 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich gezwungen. Bei der Firma Nappo in Krefeld versuchen die Chefs, eine 60-Stunden-Woche zum Lohn einer 38,5-Stunden-Woche durchzusetzten!

Was tut der Deutsche Gewerkschaftsbund? Wir könnten annehmen, der DGB würde bei solch heftigen Attacken durch Regierung, Opposition und Wirtschaftsverbände zu seiner mächtigsten Waffe greifen, dem Streik. Einige hoffen vielleicht sogar auf den unbefristeten Generalstreik zur Verteidigung unserer sozialen Rechte. Aber nichts dergleichen passiert, im Gegenteil. DGB-Chef Sommer hat den noch im Frühling, am 3. April, angekündigten „heißen Herbst“ schon längst wieder abgesagt.

Die Handlungen, oder besser: das „Nichteingreifen“ der im DGB organisierten Einzelgewerkschaften ist jedoch sehr verständlich. Einerseits hat der DGB alle diese Gesetze mit entwickelt (so sind nicht nur Sommer und Engelen-Käfer Mitglieder des SPD-Parteivorstandes, sondern auch viele andere DGB-Funktionäre in der Partei, den Parlamenten und den Ausschüssen und Arbeitsgruppen), andererseits ist der DGB weder in den Tarifauseinandersetzungen noch sonst willens oder in der Lage, uns gegen die Angriffe zu verteidigen, zumal viele DGB-Funktionäre in den Aufsichtsräten der Konzerne sitzen, also selber Bosse sind.

Es rettet uns kein Gott, kein höheres Wesen, keine alte oder neue Partei oder die alten Gewerkschaften. Deshalb müssen wir die Sache in unsere eigenen Hände nehmen! Es hat keinen Zweck zu warten, dass es besser wird. Nur wenn wir selbst anfangen, uns zu organisieren – ohne Bosse, Chefs oder Anführer(innen) – wird der Widerstand gegen die Unzumutbarkeiten wie Praxisgebühr, Kürzung sozialer Leistungen, Besteuerung der Renten, Einführung von Studiengebühren oder der Zwang, jede Arbeit annehmen zu müssen, eine Aussicht auf Erfolg haben.

Es geht aber um mehr, nämlich darum, dass wir uns allen ein schönes und angenehmes Leben in kultureller Vielfalt, sozialer Sicherheit, ökonomischer Unabhängigkeit und ökologischer Verträglichkeit ermöglichen. Darum müssen wir, die direkt und indirekt Lohnabhängigen, egal ob mit oder ohne Job, die Ursachen der heutigen Misere abschaffen, wenn wir nicht alle paar Jahre die gleichen alten, neuen Abwehrkämpfe führen wollen. Wovon die Menschen vor hundert Jahren nur träumen konnten, ist heute längst möglich. Verteilen wir die „gesellschaftlich notwendige Arbeit“ auf alle und lassen Maschinen überall, wo es möglich und sinnvoll ist, die unnötige Plackerei übernehmen. Gesellschaftlichen Reichtum verteilen! Für Niedriglohn und Zwangsarbeit bleibt uns leider keine Zeit!

Zum Schluss ein Gedicht von Erich Mühsam (1878–1934) über den „Revo­luzzer“: War einmal ein Revoluzzer, im Zivilstand Lampenputzer; ging im Revoluzzerschritt mit den Revoluzzern mit. Und er schrie: „Ich revolüzze!“, und die Revoluzzermütze schob er auf das linke Ohr, kam sich höchst gefährlich vor. Doch die Revoluzzer schritten mitten in der Straßen Mitten, wo er sonsten unverdrutzt alle Gaslaternen putzt. Sie vom Boden zu entfernen, rupfte man die Gaslaternen aus dem Straßenpflaster aus, zwecks des Barrikadenbaus.

Aber unser Revoluzzer schrie: „Ich bin der Lampenputzer dieses guten Leuchtelichts, bitte, bitte, tut ihm nichts! Wenn wir ihm das Licht ausdrehen, kann kein Bürger nichts mehr sehen. Lasst die Lampen stehn, ich bitt, denn sonst spiel ich nicht mehr mit!“ Doch die Revoluzzer lachten, und die Gaslaternen krachten, und der Lampenputzer schlich fort und weinte bitterlich. Dann ist er zu Haus geblieben und hat dort ein Buch geschrieben: nämlich, wie man revoluzzt und dabei doch Lampen putzt.

Flugblatt von Max Hilse („Freie Arbeiter(innen)-Union“)

 

Der Montagsbetrug

Christian WetterBesonders klug stellen sie sich nicht an, unsere feinen Missbraucher der Montagsdemos: jene alles an sich reißenden Nichtskönner aus Parteien, Organisationen und Gewerkschaften, denen der montägliche Volkszorn eine kostenfreie Werbeplattform zulasten der Ärmsten der Gesellschaft bietet.

Da hüpfen sie dann wieder umher, mit ihren blöden Gesichtern, und werben mit Kinderarbeit für eine bessere Welt – im Sinn nur die einmalige Chance, ein kleines Stüfchen auf der Karriereleiter weiterzukommen. Oh, sie fordern sogar etwas: „Hartz IV muss weg!“ Schön, und was sonst?

Darf ich als jemand, der sich den Arsch auf­reißt gegen den Sozialraub, dann weiterhin vom halben Sozialhilfesatz schleichend krepieren? Als es noch darum ging, den Demos Zulauf zu bescheren, wurden Forderungen wie Grundeinkommen und guter Mindestlohn mal ein wenig „angedacht“. Jetzt, da die Massen auf der Straße sind, geht nur noch um: „Alles soll bleiben, wie es ist! Hartz soll weg, ich will meinen Höchstsatz an Stütze behalten, und dass jetzt schon Leute krepieren, ist mir schnuppe!“

Wenn dann mal ein „Hartz-Gegner“ die Chance hat, vor Millionenpublikum in einer Talkshow zu reden, liefert er sich gern an Clement und Konsorten aus. Clements durchaus wahren Worte, dass Leute, die in bitterster Armut leben, von den Reformen profitieren, werden mit idiotischem Grinsen weggewischt. Diese verarmten Menschen interessieren nicht!

Einer dieser Organisierten meinte sogar in die Kamera sagen zu müssen, sie hätten sich ja mit ihrer Situation arrangiert. Gegen solch ein asoziales Schwein wirkt Clement wie jemand, der problemlos das soziale Gewissen der Nation verkörpern könne. 10:0 für die Regierung! Ja, das schlägt dem Fass den Boden aus!

Genau an dem Punkt, an dem die Regierung den Protest spalten kann, bieten diese Profilierungssüchtigen die offene Flanke. Das stupide „Stoppt Hartz“ der von V-Leuten unterwanderten Zwergparteien und der profilierungssüchtigen Fatzkes, parteibuchhörigen Gewerkschaftler und anderer Politkasper hat nur den Sinn, entweder hohe Stütze für Bonzen zu sichern oder den Protest ganz zum Erliegen zu bringen.

Nicht umsonst verzichten diese Kreise auf wirkliche Mobilisierung und wirklich solidarische Forderungen. Es mag sogar sein, dass die regierungstreue Bereitschaft zur Präsentation der Flanke es der Regierung ermöglicht, den Protest in diesem Herbst zum Erliegen zu bringen. Ich jedenfalls kann es mir mit dem halben Sozialhilfesatz nicht leisten, mich für den Luxus dieser Egoisten zum Popanz zu machen!

Ich bleibe den Montagsdemos fern. Zumindest solange, bis ich dort wirklich solidarische Forderungen höre. Gänzlich abwürgen werden diese Hirntoten den Protest nicht: Spätestens ab Januar, Februar werden auch die letzten Leute bemerkt haben, wie sie verarscht und gespalten wurden. Spätestens dann wird dieses Land „brennen“. Da ich nichts zu verlieren habe, gehen mir sämtliche Montagsdemos bis zum Januar am Arsch vorbei!

Was mich so wütend macht, ist die Tatsache, dass Hartz IV für mich besser ist als keine Reform. Ohne Reform krepiere ich innerhalb der nächsten Monate an Armut. Wenn das System so bleibt, wie es ist, geht es genauso an der Deflation zugrunde wie mit Hartz IV. Nur mit Hartz IV habe ich persönlich eine minimale Überlebenschance, ohne keine. Ihr intriganten Waschlappen, stellt solidarische Forderungen – oder hängt bald an der „Laterne“!

Christian Wetter (parteilos) betreibt das „Stattnetz“-Magazin für Querdenker

 

Einheit und Vorankommen der
Montagsdemo stehen
im Vordergrund

Wir haben uns wieder um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz getroffen. Bei sehr gutem Wetter waren wir zuerst nur etwa 200 Teilnehmer, aber die Zahl wuchs bis zum Ende noch auf etwa 400. Bei der anschließenden Demonstration zum Haupt-Bahnhof waren wohl 500 dabei. Die dominierende Rufparole war: „Weg mit Hartz IV! Das Volk sind wir!“

Verschiedene Gruppen oder Einzelpersonen waren heute nicht dabei. So gab es am Offenen Mikrofon weniger Beiträge von betroffenen Menschen. Dafür brachte unsere aktive Rentnerin wieder ein erheiterndes Gedicht, und auch der Vortrag eines Kollegen mit Brechts „Stempel­lied“ zeigte, dass ein Wille zur kulturellen Bereicherung sich entwickelt. In allen Beiträgen war zu spüren, dass Einheit und Vorankommen der Montagsaktion als Ganzes im Vordergrund stehen und Alleingänge Einzelner oder von Gruppierungen nicht gut ankommen.

Wichtiges Thema war die Nichtbeteiligung der Gewerkschaften. Einladungen und Aufforderungen haben bisher nichts erbracht. Die Wahlalternative wollte nochmals mit einer Resolution versuchen, den DGB und die Einzelgewerkschaften zur Teilnahme zu bewegen: angenommen bei vier Ablehnungen und vier Enthaltungen. Bedeutend war der Redebeitrag eines Moderators, dass für die Gewerkschaftsvertreter keine Sonderrechte eingeräumt würden und wir die errungenen demokratischen Rechte wie Offenes Mikrofon, Rederecht und Selbständigkeit der Montagsdemonstration nicht aufgeben werden. Sein Zitat des letzten Satzes der Leipziger Resolution erhielt dafür den stärksten und uneingeschränktesten Beifall.

Eine Verbesserung in der Vorbereitung war die Verlegung des Koordinationstermins von der Wochenmitte auf die Zeit gleich nach der Demo, denn fast ein Drittel der Teilnehmer waren unorganisierte Betroffene, die sich einsetzen wollen und zum ersten Mal dabei waren. In der etwas chaotischen Diskussion erkannten wir, dass wir neue Aktive erreichen und in die Arbeit, die Hartz-Gesetze zu kippen, einbeziehen können. Alle Teilnehmenden stimmen darin überein, sich von niemandem außer den Beschlüssen der Montagsaktion etwas vorschreiben zu lassen. Mit neuen Arbeitsgruppen wollen wir die Tätigkeit in verschiedenen Bereichen verstärken. Damit wird auch der Zusammenhalt unter den Aktiven der Montagsdemonstration gestärkt.

Rote Fahne News

 

25.000 Demonstranten in Leipzig

In zahlreichen Städten Ost- und Westdeutschlands haben erneut insgesamt mehrere zehntausend Menschen gegen die geplanten Arbeitsmarktreformen protestiert. In Leipzig nahmen rund 25.000 Demonstranten an dem Umzug gegen das Hartz-IV-Gesetz teil. Auch in Berlin und Dresden versammelten sich mehrere tausend Menschen. In Nordrhein-Westfalen nahmen rund 15.000 Demonstranten an den Kundgebungen und Umzügen in rund 40 Städten teil.

Vor dem Hintergrund der Proteste gegen Hartz IV hat Bundeskanzler Schröder SPD und Gewerkschaften zum „Schulterschluss“ aufgerufen. Auch der DGB-Vorsitzende Sommer mahnte eine enge Zusammenarbeit an. Morgen wollen Schröder und Sommer bei einem Treffen über die Reform-Politik beraten.

Die SPD will auch nach der Wahlniederlage im Saarland an ihrer Reform-Politik festhalten. Bundeskanzler Schröder äußerte sich enttäuscht über die deutlichen Verluste für seine Partei und verlangte zugleich, jetzt nach vorn zu schauen. SPD-Chef Müntefering kritisierte, der saarländische Spitzenkandidat Maas hätte sich besser vollständig hinter die Reformen der Regierung gestellt.

Generalsekretär Benneter machte den früheren Partei-Vorsitzenden Lafontaine mitverantwortlich für die Niederlage. Lafontaine wies dies als lächerlich zurück. In der „Bild“-Zeitung betonte er, die Wahl sei wegen der Agenda 2010 und wegen Hartz IV verloren gegangen. Die Grünen erhoffen sich nach den Worten von Fraktionschefin Göring-Eckardt nun Auftrieb für die Landtagswahlen am 19. September in Brandenburg und Sachsen.

Nach Ansicht von CDU-Chefin Merkel zeigt das Ergebnis, dass man mit Mut und Klugheit Abstimmungen gewinnen kann. Die CDU habe den Menschen unter anderem notwendige Veränderungen wie den Ausstieg aus der Steinkohle erklärt. Laut FDP-Vorsitzendem Westerwelle belegt der Wahlausgang einen fortschreitenden Vertrauensverlust für die rot-grüne Politik.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis verbesserte sich die Saar-CDU um 2,2 Prozentpunkte auf 47,5 Prozent. Die SPD verlor knapp 14 Punkte auf 30,8 Prozent. Die Grünen und die FDP schaffen mit 5,6 beziehungsweise mit 5,2 Prozent den Einzug in den saarländischen Landtag. Die Wahlbeteiligung wurde mit 55,5 Prozent angegeben.

Deutschlandradio“ am 6. September 2004
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz