570. Bremer Montagsdemo
am 30. 05. 2016  I◄◄  ►►I

 

Bremen müllt sich voll

Wie heißt es, wenn der Senat mal wieder ein falsches Ende zum Sparen gefunden hat und die ohnehin „asozialen“ Stadtteile, wo kaum noch jemand Rot-Grün wählt, ungeachtet aller Folgen der Verwahrlosung durch Verzicht auf Straßenreinigung der Vermüllung anheim fallen lässt? Richtig: „Bremen räumt auf“.

Gerolf D. BrettschneiderDa findet es die SPD natürlich großartig, wenn die Bürger(innen) ihren Dreck einfach selbst wegräumen – was aber nur in Ausnahmefällen geschieht. Deshalb hatte ich am Samstag die große Ehre, vom Grö­pe­lin­ger Bei­rats­mit­glied Muhammet Tokmak (der bei mir um die Ecke wohnt), während ich vor der Grund­schu­le am Pas­to­ren­weg mit der Ab­fall­greif­zan­ge (die mir ein Nachbar geschenkt hat) die Chipstüten, Zigarettenschachteln und Coffee-to-go-Becher vom Rasen und Asphalt klaubte, aus der anhaltenden Limousine heraus seinen herzlichen Dank fürs Müllsammeln ausgesprochen zu bekommen.

Darüber haben sich schon viele gefreut, denen das aufgefallen ist. Allein in den beiden Wochen um Pfingsten habe ich in der Nachbarschaft acht Gelbe Säcke vollgesammelt, weil ich nicht mehr auf einer Müllkippe leben will. Jedenfalls hat mir Herr Tokmak nun meine Beobachtung bestätigt, dass die Vermüllung beispielsweise der Gröpelinger Heerstraße „katastrophal“ ist – und dass es in Bremen tatsächlich keine Ein-Euro-Jobber(innen) mehr gibt, die den Abfall von den Straßen und aus den Büschen picken. Mittlerweile merkt man hier deutlich, was die früher geleistet haben.

Letztens hatte ich gerade die Straße sauber gesammelt, in der ich wohne, und ging nach einer halben Stunde noch mal raus zum Einkaufen, da hatte in der Zwischenzeit ein Verschnupfter vor jedem Haus ein Papiertaschentuch fallen lassen. Halten sich Leute für rebellisch, die ihren Müll auf die Straße kippen? Kann man mit denen noch über Umweltschutz reden? Mir kommt das vor wie Re­vier­ver­hal­ten bei Hunden: „Wo ich hinkacke, da wohne ich. Und ihr dürft hier natürlich auch gerne wohnen, bloß eben in meiner Kacke.“

In den Gröpelinger Grünanlagen sieht die Abfall-„Beseitigung“ mittlerweile so aus, dass alle paar Wochen der Mann mit dem großen Rasenmäher angebrummt kommt und alles kleinschreddert, was da rumliegt. Solch ein mit mindestens Mindestlohn hoch bezahlter Maschinenführer darf natürlich nicht einfach mal eben vom Bock springen, um den Müll von der Wiese zu sammeln, bevor er sie abmäht. Darunter würde ja die Effizienz leiden – auch wenn ein potenzieller Abfallpicker, also ich, anschließend die fünffache Arbeit hat. Einen Sack Häckselmüll habe ich neulich von der Wiese am „Garden-Hotel“ gelesen. Ganz weiß und bunt hat sie ausgesehen, von fern beinah wie ein Blütenmeer.

Die possierliche kleine Müllkippe im Gebüsch an der Haltestelle Moorstraße vor der Netto-Filiale Gröpelinger Heerstraße 117 befindet sich dagegen auf Privatgelände, was das Saubermachen besonders erschwert: „Der Vermieter unseres Objekts hat seit geraumer Zeit eine neue Reinigungsfirma für die Außenanlagen bzw. Parkplatz beauftragt. Wir werden das Problem mit dem Vermieter besprechen und schnellstmöglich abstellen lassen“, so die Auskunft der Netto-Zentralverwaltung Maxhütte vor nunmehr zwei Monaten. Doch warum sollte sich ein Vermieter zuständig fühlen, den herumliegenden Verpackungsmüll der Discounter-Kundschaft zu entsorgen? Inzwischen haben sich zumindest die Büsche alle Mühe gegeben, das Elend mit frischem Blattwerk zu verhüllen. Öffentliche Haushalte wie Aktionärsvermögen scheinen in Gefahr zu sein, wenn Arbeitskräfte regelmäßig Mindestlohn fürs Saubermachen erhielten.

Gerolf D. Brettschneider (parteilos) – siehe auch „Die Linke
 

 

Niemand soll durch Eigen­initiative dem Dumpinglohn entgehen

Elisabeth Graf1. Ein Hartz-IV-Bezieher bewarb sich auf mehrere Stellen und erhielt beständig Absagen. Noch bevor die Absagen bei ihm eintrudelten, suchte er allerdings seinen Sachbearbeiter im Jobcenter auf, um die Bewerbungskosten erstattet zu bekommen. Dieses völlig korrekte Procedere stellte sich im Nachhinein jedoch als „taktischer Fehler“ heraus, weil der Arbeitsvermittler offenbar immer genau diese Firmen angerufen hatte, um dort mitzuteilen, dass der Bewerber nicht die Fähigkeiten und Fertigkeiten zu diesen Tätigkeiten mitbringe und überdies bereits zwei Jahre lang arbeitslos sei. Auch habe er sich angeblich nur beworben, um aus Hartz IV herauszukommen – wie einem daraus ein Vorwurf gestrickt werden kann, ist mir ein Rätsel!

Der Arbeitssuchende hatte vier Arbeitsstellen selbst im Internet gefunden, dann die dafür erforderlichen Unterlagen und Zeugnisse offenbar so erfolgreich an die Firmen gesendet, dass er sogar zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden sollte. Hier soll es sich nicht um einen Einzelfall handeln. Betreiben die Jobcenter als Arbeitslosenverfolgungsbehörden Machtspielchen, weil sich viele Arbeitslose selbst um Arbeitsstellen bemühen und keine Tätigkeitsformate von den Jobcentern annehmen? Wird dies von den Behörden nicht akzeptiert, ist Eigeninitiative unerwünscht, um Arbeitslose leichter in den Dumpinglohnsektor stopfen zu können?

Vielen Sachbearbeiter(inne)n scheint es auch egal zu sein, ob sie damit den Daten- beziehungsweise Persönlichkeitsschutz ihrer Klient(inn)en verletzen. Solche Machtspielchen sollen sehr weit verbreitet sein und von den Geschäftsführern noch unterstützt und mit Prämien honoriert werden. Die Jobcenter scheinen nur das Ziel zu verfolgen, arbeitslose ALG-II-Beziehende kostengünstig im Dumpinglohnsektor unterzubringen und die Statistiken aufzuhübschen.

Natürlich wurde Hartz IV als Unterdrückungsinstrument geschaffen, um das Arbeitsrecht aushöhlen und immer mehr Menschen zwingen zu können, zu niedrigsten Löhnen zu arbeiten, um den Unternehmern größtmögliche Profite zu sichern. Die unglaubliche Zunahme von Leiharbeitenden, deren Zahl sich in Niedersachsen sogar verdreifacht hat, spricht eine deutliche Sprache. Sie arbeiten in prekären Beschäftigungsverhältnissen und verdienen in der Regel weniger als die Stammbelegschaft, obwohl sie oft die gleiche Arbeit verrichten. Sie werden leider immer mehr, weil dies von der Politik offensichtlich so gewollt ist.

Durch die Hartz-Gesetze wurde die Notlage vieler Menschen noch verschärft, weil alle Hilfsbedürftigen verpflichtet sind, unabhängig von Studienabschlüssen oder anderen höherwertigen Qualifikationen jede noch so gering entlohnte Arbeit im Niedriglohnsektor anzunehmen. Die systematische Demütigung der Hilfsbedürftigen ist zweifellos ein fester Bestandteil des Hartz-IV-Systems.

 

2. Nach 45 Jahren schwerer Arbeit als Trockenbauer sind die Knie von Helmut Engel zerschunden, und er beantragte vor fast einem Jahr Arbeitslosengeld II. Nach drei Monaten wurde er gebeten, weitere Unterlagen wie Konto-Umsatzabfrage, Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung oder Kranken-, Rechtsschutz- und Bausparversicherung nachzureichen. Statt nach Einreichung der geforderten Daten den Antrag endlich zügig zu bearbeiten, bekam er weitere Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen wie Depot, Unfall- oder Lebensversicherung. Fünf Monate lang gab es nur Fragen über Fragen vom Jobcenter, doch kein Geld für Herrn Engel. Ihm wurde sogar vorgeschlagen, seine 85-jährige Mutter zu verklagen, um an den Pflichterbteil für das Elternhaus zu kommen.

Viele Jobcenter sind unterbesetzt, und so manche(r) sich überfordert fühlende Sachbearbeiter(in) lässt lieber die Antragsunterlagen liegen und tut aus Angst, etwas Falsches zu tun, lieber gar nichts. Weil sich im Jobcenter offensichtlich die Fragen zu verborgenem Vermögen türmen, bekommt Helmut Engel statt Geld massive Finanzprobleme, weil er das wenige Angesparte aufgebraucht hat, um den Kredit für seine kleine Reihenhaushälfte in Schönebeck abzuzahlen. Als er verzweifelt eine Entscheidung anmahnt, fordert die Behörde nur, seine Riester-Rente auflösen, obwohl diese zum gesetzlich geschützten Vermögen zählt.

Diese Antragsverschleppung und „Dauerprüfschleife“ des Jobcenters ist in meinen Augen eine einzige Schikane, um nicht zahlen zu müssen und Geld bei den Ärmsten der Armen einsparen zu können. Die tägliche Praxis, Menschen besonders im Alter ohne die ihnen zustehende finanzielle Unterstützung so lange im Regen stehen zu lassen, sehe ich als schwer existenzbedrohendes Unrecht an denen, die überhaupt noch etwas in der Tasche hatten. Es ist, als sollte niemand mehr etwas noch so Kleines besitzen dürfen, wenn er alt, krank, ausgepresst, in Neusprech, auf Neoliberal: ökonomisch nicht mehr verwertbar ist!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
„Gewichtige verfassungsrechtliche Fragen“: Kurz vor der geplanten Hartz-IV-Verschärfung will Karlsruhe nicht über Sanktionen urteilen („Nachdenkseiten“)
 
Doppelte Botschaft: Solange es ein Hintertürchen zur Nichtanwendung gibt, darf ein Sozialgesetz auch verfassungswidrig sein („Wikipedia“)
 
Bitte keine Textbausteine: Jobcenter müssen zum Sanktionieren künftig erklären, warum sie Paragrafen anwenden wollen, die
gewichtige verfassungsrechtliche Fragen“ aufwerfen („Junge Welt“)
 
Hunderttausende demonstrieren trotz Ausnahmezustand: Frankreich
wird Polizeistaat, Deutschland schaut weg („Tageszeitung“)

 

Glyphosat in unser Essen?

Hier ein weiteres Beispiel dafür, wie wir alle von skrupellosen Mul­ti­kon­zer­nen und Geschäftemachern dazu benutzt werden, deren Gewinne weiter zu steigern. Die Politik kann uns nicht davor bewahren. Darum müssen wir uns zum Beispiel durch öffentliche Proteste auf den Straßen und Markplätzen der Welt selbst kümmern. Nicht nur, wenn es um Geld geht, werden wir betrogen wie Hartz-IV-Be­zie­hen­de, sondern mit allen Dingen, die mit Geld gekauft werden können, wenn wir nicht ständig bei allem, was wir kaufen, genau darauf achten, nicht nur wie viel es kostet, sondern viel wichtiger, was wir überhaupt kaufen.

Helmut MinkusWir sind es gewohnt, hauptsächlich darauf zu achten, dass es für unsere Verhältnisse nicht zu teuer ist, sonst fühlen wir uns betrogen. Viel wichtiger aber wäre zu fragen, und viel schwieriger ist es herauszufinden, woraus das Produkt besteht und was darin enthalten ist. Gerade weil das so schwierig ist, besteht hierin das größte Potential, dass wir von skrupellosen Geschäftemachern betrogen werden. Hierbei geht es nicht nur ums Geld, sondern sogar um unsere Gesundheit, die leichtsinnig aufs Spiel gesetzt wird, zum Beispiel beim Kauf von Nahrungsmitteln.

Haben Sie schon mal Glyphosat gegessen? Ich selbst weiß es von mir leider nicht. Doch es ist gut möglich und kann getestet werden. Was ist Glyphosat? Es ist auf jeden Fall nichts zum Essen und hat daher in der Nahrung nichts verloren, weder in unserer noch im Tierfutter. Viele Landwirte und Tierzüchter in ganz Europa, die glyphosatbelastete Pflanzen verfüttern, stellen bei ihren Tieren immer mehr Krankheiten, Unfruchtbarkeit und Missgeburten fest.

Spätestens seit Glyphosat in menschlichen Urinproben, in Nahrungsmitteln und sogar in deutschem Bier nachgewiesen wurde, haben die meisten Leute von diesem „Pflanzenschutzmittel“ gehört, das auf deutschen Äckern schon seit 40 Jahren versprüht wird. Der Präsident des Bundesamtes für Risikoforschung in Berlin, Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, beruhigt: Nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis sei bei „bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung von Glyphosat kein krebserregendes Risiko für den Menschen“ zu erwarten. Das Umweltbundesamt befürchtet aber gravierende Folgen für die biologische Vielfalt bei weiterer Anwendung von Glyphosat.

Massenproteste von vielen EU-Bürgern und Nichtregierungsorganisationen haben es geschafft, die Abstimmung über eine Wiederzulassung des umstrittenen Totalherbizids zu verzögern. Viele Politiker glauben eher den Glyphosat produzierenden Chemiekonzernen und den nach ihren Testvorschriften durchgeführten Ergebnissen. Gutachten anderer Institute, Erfahrungen von Landwirten und Beobachtungen beispielsweise von Bienenzüchtern werden als „unwissenschaftlich“ ignoriert. Einige Politiker sind verunsichert und wissen wie so oft nicht, was sie tun sollen. Auch das bewirkte die zweite Verschiebung der Abstimmung, die jetzt auf Montag, den 6. Juni 2016, festgesetzt ist.

Wir können nur hoffen, dass Deutschland sich nicht seiner Stimme enthält! Wir auf der Montagsdemo enthalten uns nicht. Wir als Betroffene haben auch etwas zu sagen. Wir müssen etwas sagen, denn wir alle sind betroffen. Werden wir uns darüber bewusst, denn wir sind eine starke Mehrheit! Wir haben unsere Meinung und verkünden sie hier in der Öffentlichkeit. Wir machen unsere eigenen Feststellungen und Beobachtungen, und um sie zu verdeutlichen, brauchen wir keine gekauften Institute, keine Multi-Akademiker und keine Wirtschaftskriminellen. Demokratische Politiker sind dafür zuständig, unsere Interessen zu vertreten. Wir müssen ihnen nur sehr deutlich machen, was wir wollen!

Helmut Minkus (parteilos)
 
Aus dem Fischfutter ins Menschenhirn: Monsanto liefert auch
das Krebsgift Ethoxyquin für den Zuchtlachs („NDR“)
 
Bayer will Monsanto kaufen: Und anschließend Medikamente
für die Krebskranken liefern („Spiegel-Online“)
 
Autoritäre Anwandlungen demontieren: Berechenbare Reaktion zwischen sozialen und redaktionellen Medien stärkt Rechtsextreme („Die Zeit“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz