571. Bremer Montagsdemo
am 06. 06. 2016  I◄◄  ►►I

 

Die Hartz-IV-Armut kommt bei fast jedem dritten Bremer Kind an

Elisabeth GrafDank einer Datenauswertung der „Lin­ken“-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Sabine Zimmermann anlässlich des Internationalen Kindertages am 1. Juni tritt eine bedrückende Bilanz der menschenverachtenden Hartz-Gesetze besonders deutlich hervor: Inzwischen ist rund jedes siebte Kind in Deutschland von Hartz-IV-Leistungen abhängig. In Bremen und auch in Berlin trifft dies sogar schon auf fast jedes dritte Kind unter 15 Jahren zu.

1,54 Millionen Unterfünfzehnjährige waren im vergangenen Jahr betroffen, gut 30.000 mehr als im Vorjahr. In Ostdeutschland sind insgesamt 20,3 Prozent dieser Altersgruppe von Hartz IV abhängig, in Westdeutschland 13 Prozent. Eigentlich ist es ja eher ein trauriger Witz, einen Anstieg von Kinderarmut zu erörtern, weil es unmöglich ist, von Armut der Kinder zu sprechen, ohne dass von der Armut der Eltern die Rede ist, die sich selbstverständlich unmittelbar auf ihre Kinder auswirken muss.

Zimmermann resümiert, dass sich in der enormen Anzahl der Hartz-IV-Beziehenden mit Kindern die in vielen Regionen immer noch angespannte Arbeitsmarktlage mit Niedriglöhnen und viel zu wenigen Arbeitsplätzen widerspiegelt. Sie wirft der Koalition vor, zu wenig gegen das seit Jahren bekannte Problem zu tun. Die Regelsätze für Kinder müssten erhöht werden.

Bernd Schneider, Sprecher des Bremer Sozialressorts, vermutet den Grund dafür, dass es immer wieder die Hansestadt treffe, in der Sozialstruktur der Stadt, weil es hier die höchste Quote bei den Sozialhilfebeziehenden, die nach Berlin höchste Quote bei den Alleinerziehenden und eine hohe Arbeitslosenquote gebe. Alleinerziehende und Familien mit geringem Einkommen ziehe es wegen kurzer Wege und einer sozialen Infrastruktur mit Vergünstigungen und Angeboten in die Stadt.

Schneider fantasiert, dass die Betroffenen weiter am gesellschaftlichen Leben teilhaben, ins Theater oder Museum gehen könnten. Kennt er etwa weder die Preise für einen Kinobesuch und Straßenbahnfahrkarten, oder sollte er selbst gar nicht wissen, wie unsagbar niedrig die Regelsätze für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind?

Für einen alleinstehenden Erwachsenen sind 404 Euro monatlich vorgesehen, für Paare oder „Bedarfsgemeinschaften“ 364 Euro, für Erwachsene im Haushalt anderer 324 Euro, für Jugendliche von 14 bis 18 Jahren 306 Euro, für Kinder von sechs bis 13 Jahren 270 Euro, für Kinder unter sechs Jahren 237 Euro. Die jeweiligen Sätze sollen für Ernährung über Strom bis hin zu Bekleidungs- und Fahrtkosten ausreichen können.

Schneider plaudert darüber, dass Bremen mit einem höheren Personalschlüssel an Schulen und Kitas in Stadtteilen mit ärmerer Bevölkerung gegenzusteuern versuche. Er erwähnt sogar, das „Bildungs- und Teilhabepaket“ werde in Bremen besonders stark ausgeschöpft. Dabei kann dieses überaus armselige „Päckchen“ den Bedarfen von Kindern tatsächlich gar nicht genügen.

Leider habe sich der Gesetzgeber für ein aufwendiges, antragsabhängiges Sach- und Dienstleistungssystem entschieden, um sicherzustellen, dass zusätzliches Geld bei den Kindern ankommt. Hier verbirgt sich meiner Meinung nach mal wieder die unverschämte Unterstellung, dass Eltern im Hartz-IV-Bezug das für ihre Kinder bestimmte Geld für sich selbst und ihre Suchtmittel wie Tabak und Alkohol ausgäben.

In Bremen gebe es seit März 2015 den „Bremen-Pass“ für Hartz-IV- und andere Sozialleistungsbeziehende, mit dem beispielsweise die Teilnahme an Vereinsleben und Musikunterricht, aber auch an Schul- und Klassenfahrten gefördert werde. Auch das kostenlose Mittagessen in Schule und Kindergarten für Kinder aus armen Familien gehöre dazu. Ich finde es überaus beschämend, lesen zu müssen, dass in diesem eigentlich sehr reichen Deutschland die Nachfrage nach solchen Angeboten nicht nur im Falle von Hartz-IV-Familien steige.

In manchen Grundschulen nehme über die Hälfte der 180 Schulkinder das Angebot wahr, was sich positiv im Unterricht auswirke, weil die Kinder konzentrierter und ruhiger seien, wenn sie gefrühstückt hätten. Wenn die Regelsätze ausreichend wären, träte dieses wenig verwunderliche Phänomen nicht zutage. In den Grundschulen zeige sich die Kinderarmut Bremens noch nicht so deutlich. Sie lasse sich höchstens am Schulranzen erkennen oder wenn die Kinder das ganze Jahr über die gleichen Schuhe trügen.

Während also die Kinderarmut steigt, können wir erstaunlicherweise gleichzeitig lesen, dass es gute Zahlen auf dem Bremer Arbeitsmarkt gebe. Die Zahl der Arbeitslosen sei auf 34.174 gesunken, 1,9 Prozent weniger als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote liege bei 10,4 Prozent, während es vor einem Jahr noch elf Prozent gewesen seien. Im Land Bremen verfestige sich der positive Trend auf dem Arbeitsmarkt.

Da ich nicht davon ausgehe, dass Erwerbslose überproportional viel mehr Kinder als erwerbstätige Eltern haben, mutmaße ich, dass es der Arbeitsagentur mal wieder klammheimlich gelungen ist, einen großen Batzen Arbeitsloser wegen Krankheit, Teilnahme an einer sogenannten Fortbildung, einer Umschulung oder schlicht wegen des Erreichens des 59. Lebensjahres einfach nicht mehr mitzuzählen, um so die Arbeitslosenstatistik in aller Sommerfrische ein wenig aufzuhübschen.

Mit Kindern lässt sich eine Statistik noch nicht so einfach frisieren. Das kann erst später erfolgen, bei den „Jugendberufsagenturen“, wenn die Jugendlichen in Warteschleifen Karussell fahren müssen, statt eine Ausbildung machen zu können. Um zu kaschieren, dass nicht ausreichend Lehrstellen vorhanden sind, wird vielen flugs die Ausbildungsreife aberkannt.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend)
 
Protest wirkt: Sozialministerin Andrea Nahles will Kinder mit fürsorglichem
Vater nun doch nicht diskriminieren („Spiegel-Online“)
 
Ein Euro wäre zu viel: Die Würde eines Asylsuchenden
ist der SPD 80 Cent wert („Süddeutsche Zeitung“)
 
Statt höherer Steuereinnahmen aus dem Speckgürtel: Bremen
soll bis Ende Juli noch mehr einsparen („Spiegel-Online“)

 

Unwetterkatastrophe in Deutschland und Ausbremsen der Energiewende durch die Regierung

Harald BraunSo eine Sturzflut wie letzte Woche hat es in Bayern noch nicht gegeben. Die überflutete Fläche ist doppelt so groß wie der Chiemsee. Extremer Starkregen verwandelte kleine Bäche innerhalb von Minuten in reißende Ströme, die alles mit sich gerissen haben: Autos, Bäume, riesige Felsbrocken. Schlamm- und Gerölllawinen zerstörten Häuser und Straßen. Bislang starben sechs Menschen in den Fluten, und immer noch werden Personen vermisst. Auch in Baden-Württemberg, Mittelfranken, Nordrhein-Westfalen und Hessen kam es zu unwetterbedingten Zerstörungen.

Diese regionalen Unwetterkatastrophen sind eine riesige Tragödie für alle betroffenen Menschen und für die Natur. Sie sind Ausdruck des beschleunigten Übergangs in die globale Umweltkatastrophe. Mit dem Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid oder Methan erwärmt sich das globale Klima immer mehr und bringt immer öfter immer heftigere Stürme und Unwetter hervor. Die Erde treibt auf einen Kollaps zu, und die Konzerne und Regierungen zerstören mutwillig unsere natürlichen Lebensgrundlagen.

„Klimakanzlerin“ Merkel und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bremsen den Umstieg auf regenerative Energien aus – im Gegensatz zu ihren schönen Reden auf der „Klimakonferenz“ in Paris im Dezember 2015. Diese Politik flankiert die anhaltende umweltfeindliche Verbrennung fossiler Energieträger durch die Energiemonopole und verhindert die Schaffung von Zehntausenden neuen Arbeitsplätzen. Der Anteil des Ökostroms an der Bruttostromerzeugung soll bis 2025 auf 40 Prozent gedeckelt werden. Der gegenwärtige jährliche Zuwachs von Windkraft an Land soll mit 2.500 Megawatt auf die Hälfte begrenzt werden.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel spielt sich als Anwalt des „kleinen Mannes“ auf: Er will uns „schützen“ vor zu hohen Strompreisen durch die Zulage nach dem „Erneuerbare-Energien-Gesetz“. Dabei ist der ganze Zweck dieser Umlage, die entstehenden Kosten auf die Bevölkerung abzuwälzen. Tatsache ist, dass viele Industrieunternehmen von der Zahlung der Ökostromumlage befreit sind. Daran will die Regierung natürlich nichts ändern.

Der „Solarenergie-Förderverein Deutschland“ deckt auf, dass inzwischen mehr Geld auf den Konten der Energiekonzerne landet, wenn sie an sonnigen und windigen Tagen Kohle als Energieträger einsparen und ihre Lieferverpflichtungen mit billigen Solar- und Windstrom erfüllen. Im Gesetzentwurf wird vertreten, dass der Ausbau erneuerbarer Energien warten müsse, bis der Ausbau der Stromnetze erfolgt ist. Wir brauchen aber keine „Stromautobahnen“, sondern lokale und regionale Energiespeicher für Windkraft an Land im Norden und Sonnenenergie vor allem im Süden.

Die „Umweltgewerkschaft“ tritt für die schnelle und vollständige Ersetzung fossiler Brennstoffe durch regenerative Energien ein: Energiegewinnung vor allem aus Sonne, Wind, Wasser und Bioabfällen! Senkung der Treibhausgas-Emissionen um 70 bis 90 Prozent bis zum Jahr 2030 und klarer Kurs auf Absenkung des Kohlendioxidgehalts in der Luft auf 350 ppm!

Um den Kampf zu Rettung der natürlichen Lebensgrundlagen erfolgreich zu führen, ist eine internationale Umweltbewegung in neuer Qualität erforderlich. Dazu möchte die „Umweltgewerkschaft“ beitragen, die am kommenden Wochenende auf einem Bundeskongress in Berlin ihr neues Programm in Berlin beschließen wird. Helmut und ich werden als Delegierte der Regionalgruppe Bremen/Oldenburg dorthin fahren und bei nächster Gelegenheit auf der Montagsdemo davon berichten. Wer sich selbst ein Bild darüber machen möchte, kann sich auf der Website der „Umweltgewerkschaft“ informieren.

Harald Braun („Umweltgewerkschaft“)
 
Trefferquote 14 Prozent: In Bremen ein Tag Gewitterneigung,
aber eine Woche Unwetterwarnung („Die Welt“)
 
Duckmäusertum: Deutsche Gewerkschaften schweigen zu den
Arbeitskämpfen in Frankreich („Neues Deutschland“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz