558. Bremer Montagsdemo
am 22. 02. 2016  I◄◄  ►►I

 

Die vom Senat verursachte Unterdeckung bei der Erstattung der tatsächlichen Mieten ist ein Skandal

Hans-Dieter Binder1. Ein Amt hat auf die Erhöhung des Wohngeldes zum 1. Januar 2016 reagiert. Es ist aber nicht der Bausenator. Bei der Senatspressestelle habe ich nur dessen bereits ältere Pressemitteilung gefunden, auf der Seite der Wohngeldstelle die alten Werte. Unter § 12 Wohngeldgesetz stehen die neuen Höchstbeträge für Miete und Belastung. Bremen hat Mietstufe IV, Bremerhaven Mietstufe III.

Es ist das Jobcenter, das eine leistungsberechtigte Aufstockerin aufgefordert hat, einen Antrag auf Wohngeld zu stellen. Damit hätte sich die Aufstockung des ALG II erledigt. Die Frau war septisch. Sie wird sich die Wohngeldhöhe errechnen lassen und mit den Leistungen des Jobcenters vergleichen. Nur wenn die Variante Wohngeld genauso hoch ist wie der Aufstockungsbetrag plus die Vorteile bei der Rundfunkgebühr sowie die ermäßigte Monatskarte, dann will sie wechseln. Bei gleicher Leistung ist das Wohngeld zu beantragen, weil das ALG II eine nachrangige Sozialleistung ist.

Der „Wohngeldrechner“ berücksichtigt die seit dem 1. Januar 2016 geänderten Bedingungen, schreibt allerdings „Bitte beachten Sie, dass der Wohngeldrechner nicht die grundsätzlichen Voraussetzungen prüft, ob Anspruch auf Wohngeld besteht. Hier werden nur Wohngeldzahlungen der Höhe nach ermittelt.“ Außerdem wird darauf hingewiesen, dass das Ergebnis nicht verbindlich ist.

Wie sehr die Wohngelderhöhung 2009 daneben lag, ist auf der Website des „Bremer Er­werbs­lo­sen­ver­bands“ nachlesbar. Trotzdem wurde von den Gerichten noch 2015 auf die Werte der Wohngeldtabelle aus dem Jahr 2009 verwiesen. Wann immer eine Gemeinde ihre Mietobergrenzen nicht sauber belegen kann, wird § 12 Wohngeldgesetz herangezogen. Bremen hat dadurch über Jahre hinweg den Erwerbslosen viel Geld vorenthalten, trotz des Sicherungszuschlags von zehn Prozent auf die Tabellenwerte von § 12 Wohngeldgesetz. Bremen war in der Lage, Haushaltsmittel für die Kosten der Unterkunft umzuwidmen: Damit wurden die Mehrkosten der „Joboffensive“ für Personal und Verwaltungskosten des Jobcenters finanziert.

Der Wohnungsmarkt in Bremen ist schon lange zusammengebrochen. Trotzdem pocht das Jobcenter auf die Einhaltung der Mietrichtwerte als Obergrenze, obwohl diese bereits 2014 mit überwiegend überholten Werten festgesetzt wurden. Von den Ermessensspielräumen der Verwaltungsanweisung ist wenig bis nichts zu spüren, insbesondere wenn einer Erwerbslosen trotz Schufa-Eintrag nicht einmal eine geringe Überschreitung eben dieser Mietrichtwerte zugestanden wird. Wie sehr der Wohnungsmarkt in Bremen belastet ist, ergibt sich bestens aus der Begründung der Mietpreisbremse – leider ohne belastbare Richtwerte. Das ist keine Unterstützung für einen Menschen, der sich gegen Mieterhöhungen wehrt.

Die Erhöhung der Mietobergrenzen wirkt sofort, aber nur für Leistungsberechtigte, die dies einfordern. Die Änderung der „Verwaltungsanweisung Wohnen“ muss nicht abgewartet werden, weil sie keine Gesetzeskraft hat. Sie ist eben nur eine Anweisung an die Verwaltung. Die jetzt erhöhten Bemessungsgrundlagen für das Wohngeld sind kein Versehen. Die Begründung zum neuen Wohngeldgesetz macht klar: Wir holen längst Überfälliges nach. Die aktuellen Werte sind aus dem Antrag der Fraktion „Die Linke“ ersichtlich.

Der einen Eigenanteil zu den Kosten der Unterkunft trägt, kann dies kurzfristig für die Zukunft sowie etwas langsamer rückwirkend ändern. Dafür ist ein Antrag auf Überprüfung für die Vergangenheit zu stellen sowie ein Antrag auf Erhöhung der aktuellen Mieterstattung auf die tatsächliche Miethöhe. Die aktuelle Berichtigung kann notfalls per Eilverfahren kurzfristig durchgesetzt werden.

Die Antwort des Senats macht nur einen Teil der Unterzahlung deutlich. Diesen Menschen wird wohl unstrittig mit der Anhebung der Mietrichtwerte geholfen. Sie sind aber nicht die alleinigen Benachteiligten. Über Jahre beklagen wir, dass Bedarfsgemeinschaften (früher: Familien) in zu kleine Wohnungen ziehen, um keinen Eigenanteil an den Kosten der Unterkunft tragen zu müssen. Viele müssen dafür leider einen hohen Preis in ihren Beziehungen zahlen. Die Verschärfungen des SGB II behindern die Rückkehr zu einer angemessenen Wohnungsgröße.

Wir wissen, dass Kosten der Unterkunft nur unvollständig geltend gemacht werden, um einer eventuellen Kostensenkungsaufforderungen zu entgehen. Teilweise legen Erwerbslose ihre Nebenkostenabrechnung nicht vor. Auch 2015 sind noch Kostensenkungsaufforderungen an Erwerbslose ergangen, zwar nicht 10.000-fach wie früher, aber jede Kostensenkungsaufforderung ist gerade bei dieser Datenlage eine zu viel! Wir wissen, dass oftmals die Kosten für Wasser und Abwasser nicht geltend gemacht werden, dabei gehören diese Ausgaben zu den Kosten der Unterkunft. Die Jobcenter könnten diesen Fehler erkennen und die Menschen darauf hinweisen. Mir ist aber kein Mensch bekannt, dem so geholfen wurde.

Leider habe ich keine Daten hinsichtlich der Wechselwirkung von Sanktion, Eigenanteil an den Kosten der Unterkunft, Energiesperre, Verschuldung und Problemen in der Partnerschaft. Gerade da ist etwas mehr Geld eine wesentliche Hilfe, wobei es mit Hartz IV immer zu wenig ist. Erst durch die Anhebung der Mietrichtwerte an das jetzt angepasste Wohngeld ist die Anmietung von Sozialwohnungen ohne Sondergenehmigung möglich. Natürlich ist es ein Unding, dass die bisherigen Mietrichtwerte nicht einmal zur Anmietung einer geförderten Sozialwohnung ausreichten.

Die vom Senat verursachte Unterdeckung bei der Erstattung der tatsächlichen Mieten ist ein Skandal. Hier werden absichtlich Menschen noch ärmer, als sie ohnehin durch den Leistungsbezug schon sind, mit allen negativen Folgen. Die Fehlentscheidungen der Politik verschärfen die jetzige Situation. Die öffentliche Hand hat erhebliche Wohnungsbestände verkauft, die Größe der jetzigen Wohnungskonzerne ist eine Folge. Dazu gehört sicher auch die Höhe des Mindestlohns. Was macht Bremen? Einfrieren! Soziale Folgen sollten wie bei der Gen­der-Prü­fung abgewogen werden.

Bremen hat ein gutes Netz von Beratungsstellen in Sachen Anträge für Leistungsbezieher. Wir helfen Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – keine Sozialleistung beantragen. Einfach vorbeikommen und drüber reden, denn vieles kann ausgeräumt werden! Auf der Bremer Montagsdemo gilt „Wie dies alles geht? Wir gehen mit!“ Der Termin 10. März 2016 ist Aktionstag unter dem Motto „Auf Recht bestehen“.

An diesem Tag ist auch die nächste Sitzung der Sozialdeputation. Dann wird über den Antrag der Fraktion „Die Linke“ diskutiert. Einige Tage vorher wird unter „Soziales Bremen“ die Tagesordnung sowie Ort und Zeit nachzulesen sein. Falls die Politik dem Antrag folgt, erspart sie dem Jobcenter und dem Sozialgericht viel Arbeit. Falls nicht oder die Entscheidung verschoben wird, sollte, wer einen Eigenanteil zur Miete trägt, wie oben beschrieben verfahren. Wer seine Aufwendungen für Miete, Nebenkosten und Heizung bisher nicht angegeben hat, sollte dies jetzt beantragen, auch rückwirkend.

Das Bundessozialgericht in Kassel hat mit Aktenzeichen B4 AS 12/15 R entschieden, dass auch die gedeckelten Kosten der Unterkunft anzuheben sind, wenn die anerkannten Kosten der Unterkunft angehoben werden: „Üblicherweise müssen Hartz-IV-Empfänger(innen) eine Genehmigung einholen, wenn sie in eine teurere Wohnung umziehen wollen. Ziehen sie ohne Genehmigung um, bezahlt das Jobcenter die Kosten für Wohnung und Heizung nur in der bisherigen Höhe. Nebenbei hat das Bundessozialgericht auch einen Prüfauftrag erteilt: Geprüft werden muss, ob die Kosten der Unterkunft nach einem ‚schlüssigen Konzept‘ ermittelt wurden.“

Auch in Bremen gibt es entsprechende Deckelungen, deshalb bitte die Differenz für die Zukunft und für die Vergangenheit beantragen. Weil Bremen die Mietrichtwerte eben nicht nach einem schlüssigen Konzept ermittelt hat, bitte Antrag auf ungekürzte Erstattung der Kosten der Unterkunft stellen! Diese Entscheidung des Bundessozialgerichts ist auch für Familien, die in kleinere Wohnungen geflüchtet sind, sehr interessant.

In den „Ergänzenden Hinweise zur Verwaltungsanweisung zu § 22 SGB II“ stehen auf Seite 31 die Mindestwohnungsgrößen. Wenn die Wohnung diese Größe nicht überschreitet, genehmigt das Jobcenter wahrscheinlich den Umzug und damit auch eine höhere Miete. Wessen Wohnung größer, aber trotzdem zu klein ist, muss den Antrag umfassender begründen und eventuell mit Widerspruch und Klage durchsetzen. Vielleicht passt auch ein anderer Sachverhalt zur Begründung: „Die vorstehende Aufzählung ist nicht abschließend. Andere Gründe, die von Leistungsempfängern vorgetragen werden, können ebenfalls dazu führen, einen Umzug als erforderlich anzuerkennen“

Wer eine neue Wohnung anmieten möchte zu einer Miete, die oberhalb der bisherigen Richtwerte liegt, sollte unbedingt vorher beim Jobcenter oder Sozialamt die Mietübernahmebescheinigung gemäß Anlage 2 (Seite 69) der Verwaltungsanweisung beantragen und, falls die Behörde dies ablehnt, die Hilfe des Sozialgerichts im Eilverfahren beantragen. Wichtig ist, dass der Vermieter die Wohnung einige Tage lang freihält und dass der Richter dieses Zeitfenster kennt.

„Die Linke“ möchte den sozialen Wohnungsbau beschleunigen. Die geforderte Förderung des sozialen Wohnungsbaus ist an eine tatsächliche Schaffung von Sozialwohnungen gebunden. Natürlich könnten die Rahmenbedingungen für Mieter besser sein. Der Ausverkauf des Wohnungsbestandes durch die öffentliche Hand war und ist ein Skandal. Die Verwendung der Mittel des sozialen Wohnungsbaus zur Schuldentilgung statt für Neubauten auch.

 

2. Die ARD-Sendung „Milliarden für Millionäre“ war sehr sachlich. Der Titel ist als Untertreibung zu betrachten. Es war schwer verdauliche Kost, aber nicht unbekannt. In dem Bericht fehlte mir der Sachstand zur Rückforderung dieser Milliarden. „Die Aufklärung werde durch Personalmangel behindert, Flaschenhals bei der Prüfung sei das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn.“ Weitere Details sind auf der Seite zur 512. Bremer Montagsdemonstration nachzulesen. Nicht nur die lange Reaktionszeit bis zur Abstellung dieser Betrugsfälle ist erschreckend. Die Handhabung der Rückforderung, die mangelnde Unterstützung der Staatsanwälte ist schon für sich ein Skandal!

„Kontraste“ hat herausgefunden, „wie Dobrindt, Schäuble und Gabriel den deutschen Versicherungen ein Milliardengeschäft verschaffen“. Die Versicherungen sollen den Ausbau der Autobahnen finanzieren. Der Bund schließt seine Haftung für diese Kredite aus, und die Versicherungswirtschaft hat einen Grund für überhöhte Zinsforderungen. Drei Prozent sollen es sein. Der Bund selbst könnte dieses Geld zu einem Prozent Zinsen erhalten. Ein gutes Geschäft für die Konzerne! Hinzu kommt, dass der Bund seine Haftung gar nicht ausschließen kann, denn sie ist im Grundgesetz verankert. Dies wissen die Beteiligten. „Es ist Politik zugunsten der Versicherungswirtschaft und zulasten des Steuerzahlers“.

Ein weiterer Beitrag über versenktes Steuergeld ist der „Phoenix“-Bericht über die Schiedsgerichte. „Konzerne klagen – wir zahlen: Wie Schiedsgerichte den Rechtsstaat aushebeln“. Ansonsten geht die Verschleierung und Unehrlichkeit rund um TTIP weiter. Auf der Seite zur 522. Bremer Montagsdemonstration steht der Link zum Film über das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Mexiko. Der Film ist sehenswert. Wer nach diesen beiden Beiträge noch für TTIP ist, muss sehr reich sein!

Wolfgang Schäuble hat rechnen lassen: Bis 2060 ist Deutschland längst pleite, wenn sich nichts ändert, jedenfalls nach seinem „Tragfähigkeitsbericht“. Wie wurden die Arbeitsplatzverluste von etwas über 50 Prozent aller Arbeitsmöglichkeiten durch die Informatisierung der Fertigungstechnik und Logistik unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ in den nächsten Jahren – weit vor 2060 – gewertet? In Wilhelmshaven geht ein vollautomatischer Containerumschlag in die Erprobung, „ein menschenleerer Automatik-Terminal mit selbstfahrenden Maschinen. Ende des Jahres könnte die Testanlage bereits installiert werden.“

Noch krasser deutlich wird dies im ARD-Beitrag „Wie solidarisch ist Deutsch­land?“ Darin heißt es aufschlussreich: „Reiche werden reicher, Arme bleiben arm, während die ‚Mitte‘ gegen den Abstieg kämpft. Ein verblüffender Befund, glaubt man dem ‚Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung‘: Die Unternehmen boomen, doch die Löhne stagnieren, gleichzeitig wächst die Ungleichheit bei den Vermögen. Die Kluft zwischen denen, die sehr viel haben, und jenen, die mit wenig oder sehr wenig auskommen müssen, ist heute besonders groß. Deutschland nimmt bei der Vermögensungleichheit in der Eurozone inzwischen einen enttäuschenden Spitzenplatz ein. Was ist passiert? Wo bleibt die Beteiligung der Reichen und Superreichen? Wann wurde der breite politische Konsens aufgekündigt, dass Wachstum allen zugute kommen soll?

Die Filmemacherin Eva Schötteldreier macht sich auf die Suche nach Antworten und entdeckt ein Land, dessen soziale Balance deutlich angeschlagen ist. Sie trifft Starökonomen, Wissenschaftler, Familien, Millionäre, Hartz-IV-Bekämpfer und Sozialethiker. Der beunruhigende Tenor: Bis weit in die 1970er Jahre war man sich einig, dass die steuerlichen Lasten und Abgaben – je nach eigenen Kräften – relativ gleichmäßig verteilt werden sollten. Dieses Prinzip gilt nicht mehr. Trotz anhaltend hohem Wirtschaftswachstum rutschen immer mehr Menschen ab, vor allem die Mittelschicht gerät unter Druck: Sie sind beim Steuerzahlen Spitze, ebenso bei den Sozialabgaben. Im Alter oder aber mit Kindern werden sie zu Verlierern. Lösungen und Alternativen zur sozialen Schräglage sind in Sicht, brauchen aber die radikale Abkehr vom Bestehenden.“

Den Inhalt muss mensch einfach gesehen haben! Die aktuellen Schlagzeilen passen dazu. Ab 1. Januar 2016 verlieren junge Menschen in einer Bedarfsgemeinschaft die Familienversicherung und müssen eine eigene Krankenversicherung abschließen. Die Jobcenter zahlen die Beiträge. Allerdings werden gleichzeitig die zu zahlenden Krankenkassenbeiträge für alle Leistungsempfänger(innen) gesenkt. Die Krankenkassen beschließen, ab 1. Januar 2016 Zusatzbeiträge zu erheben, zahlbar ohne Arbeitgeberanteil!

Für junge Menschen wurden nun auch „Jugendberufsagenturen“ eingeführt. Wozu eigentlich? Dazu hält Professorin Marion Panitzsch-Wiebe von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg einen Vortrag mit anschließender Diskussion am Montag, dem 29. Februar 2016, ab 19 Uhr im „Lagerhaus, Schildstraße 12-19, 3. Etage. Die Referentin kritisierte anlässlich der Einführung der „Jugendberufsagentur“ in Hamburg 2012, dass diese Einrichtung nicht von der Hartz-Gesetzgebung und ihren Sanktionsmechanismen zu trennen sei. Auch die „Jugendberufsagenturen“ stellen sich in den Dienst des „investiven“ und „aktivierenden“ Sozialstaates. Gemäß dieser neoliberalen Logik werde nur dort „in junge Menschen investiert“, wo es sich „rentiere“. „Aktivierung“ sei ein beschönigender Begriff für Disziplinierung und Leistungskürzung bei denjenigen, die sich den von „den Märkten“ gewünschten Anpassungen widersetzen.

Weitere Informationen erhalten Sie durch Nutzung der Suchmaschine auf unserer Homepage, einfach mal ausprobieren! Die Beachtung der sozialen Auswirkungen wird immer zwingender. Wir arbeiten daran! Die Frage „Was kann ich machen?“ ist einfach zu beantworten: Wir haben auf dem Marktplatz noch viel Platz und ein Offenes Mikrofon. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und Erfahrung! Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 

 
Schon mal sanktioniert worden? Welche Auswirkungen
hatte das auf deine Existenz? („Sanktionsfrei“)

 

Stromabstellen verbieten!

Wolfgang LangeUns erschüttert der Tod eines 19-jährigen Bremers. Letzte Woche starb ein junger Mann, nachdem die SWB ihm den Strom abgestellt hatte – wie so vielen anderen. Er hatte in seiner Wohnung versucht, Wasser auf einem Grill zu erhitzen und starb an den Gasen. Im letzten Jahr hat die SWB über 7.000 Mal Strom abgestellt. Meist fällt dann auch gleich die Heizung aus. Es sind schon Wohnungen ausgebrannt, weil nur noch Kerzenstummel zur Beleuchtung da waren. Die SWB nimmt das alles bewusst in Kauf. Strom abzustellen muss genauso verboten werden, wie einem Menschen das Wassertrinken zu verwehren oder die Luft zum Atmen zu nehmen! Die grundlegendsten Bedürfnisse müssen für jeden Menschen gedeckt sein, egal ob er Geld hat oder nicht!

In Sachsen zeigte sich die Menschenfeindlichkeit mit weiteren faschistischen Anschlägen. In Bautzen wurde eine Flüchtlingsunterkunft angezündet, und der faschistische Mob schaute zu, grölte Beifall, behinderte die Feuerwehr. Warum wurden diese Verbrecher nicht sofort verhaftet? In Clausnitz, ebenfalls in Sachsen, blo­ckierten Neonazis einen Bus mit Asylsuchenden. Sie forderten von der Polizei: „Holt sie raus!“ Und was tat diese? Im Würgegriff wurde ein weinendes Kind aus dem Bus gezerrt – aber gegen den braunen Mob unternehmen die Polizisten nichts! Sie sind wohl selbst Teil davon, genau wie die Verwaltung: Der Leiter der Flüchtlingsunterkunft ist AfD-Mitglied.

Wir müssen nicht nur den Kampf gegen den braunen Sumpf führen, sondern auch gegen die Faschisierung des Staatsapparats, an der natürlich nicht alle Polizisten beteiligt sind. Deswegen ist es wichtig, dass sie selbst den Mund aufmachen. Innenminister de Maizière verteidigte das Vorgehen der Polizei: Die Businsassen hätten provoziert. So werden die Opfer zu Tätern gemacht! Dasselbe tut auch die türkische Regierung: Seit Monaten bombardiert sie kurdische Siedlungen in der Türkei und im Irak. Es gibt schon über 300 Tote, darunter viele Kinder.

Inzwischen lässt sie schwere Artillerie auch auf syrisches Kurdengebiet, auf Rojava, schießen und droht mit Einmarsch. Das Attentat auf türkisches Militär in Ankara mit 28 Toten kam der Erdogan-Regierung gerade recht: Sofort behauptete sie, dahinter steckten die kurdischen Arbeiterparteien PKK in der Türkei und PYD in Syrien – ohne den Hauch eines Beweises! PKK und PYD haben auch sofort jegliche Beteiligung von sich gewiesen. Inzwischen bekannte sich die kurdische Splittergruppe „Freiheitsfalken Kurdistans“ zu dem Anschlag.

Das hindert die faschistoide türkische Regierung – Erdogans Vorbild ist Hitler – aber nicht daran, mit der Vorbereitung eines Einmarsches nach Syrien fortzufahren. Mit allen Mitteln will sie den demokratischen Aufbau in Rojava zerstören, der so vielen Menschen eine Perspektive gibt. Und die Bundesregierung? Sie schaut nicht nur zu, sondern unterstützt diese aggressive, reaktionäre Kriegspolitik auch noch! Mit den drei Milliarden Euro, die Merkel Erdogan versprochen hat, wird gerade jenes Regime unterstützt, das besonders zu den Fluchtursachen beiträgt. Hände weg von Rojava! Freiheit für Kurdistan! Schluss mit der Zusammenarbeit der Bundesregierung mit dem Erdogan-Regime in der Türkei! Sofortiger Abzug aller imperialistischen Truppen aus Syrien! Weg mit dem PKK-Verbot! Für Frieden, Freiheit und echten Sozialismus!

Wolfgang Lange (MLPD)
 
Zukünftige Aktionen und Schwerpunkte der Montagsdemo,
darunter 1. Mai, Sommerfest und die Frage, wie die Montagsdemo
attraktiver wird, wollen wir bei einem Treffen im Seemansheim
am 14. März 2016 ab 19:15 Uhr besprechen.

 

Wie ein sinnloser, überflüssiger Tod hätte vermieden werden können

Elisabeth Graf1. In Bremen wird derzeit gegen 7.370 Kund(inn)en des Energieversorgers SWB wegen Zahlungsverzugs eine Stromsperre verhängt. Nun starb ein 19-jähriger Flüchtling aus Gambia an einer Kohlenmonoxidvergiftung, als er in seiner Wohnung Wasser auf einem Holzkohlegrill erhitzte. Nachdem der junge Mann seine Abschläge seit November nicht mehr bezahlt hatte, stellten ihm die privatisierten Stadtwerke Bremen den Strom ab. Ein Polizeisprecher sagte, der Gambier sei nach der Flucht aus seinem Heimatland im Jahr 2014 in Bremen gelandet. Da keine Anzeichen von Fremdeinwirkung gefunden wurden, auch ein Suizid ausgeschlossen scheint, spricht die Kriminalpolizei von einem Unfall.

Laut SWB hat die Stromsperre am 8. Februar 2016 begonnen. Für die Sprecherin des Energieunternehmens war es „ein völlig normaler Fall“, er habe „einen Vertrag mit uns abgeschlossen und nicht bezahlt“. Es sei ordnungsgemäß gemahnt worden, die gesetzliche Frist wurde eingehalten und auch das Gespräch mit dem Kunden gesucht. Der 19-Jährige sei mit einem Betreuer im Kundenbüro gewesen. Bernd Schneider, Sprecher der Bremer Sozialsenatorin, sagte, man werde sich „genau angucken“, warum der Unglücksfall trotz Betreuung nicht habe vermieden werden können.

Wer tatsächlich genau hinguckt, müsste meiner Meinung nach sofort erkennen, dass dieser sinnlose, überflüssige Tod eines so jungen Mannes durch eine wirklich bedarfssichernde Grundsicherung ganz einfach vermieden werden können. Er ist ja beileibe kein Einzelfall! Wenn in Deutschland keine Rechnungen bezahlt werden, erleben einige Hunderttausend Menschen ohne Heizung, Licht und warmes Wasser ein Flair von Mittelalter. Die Energiesperre kann Tage, Wochen und manchmal sogar noch länger dauern. Wenn der Strom abgeklemmt ist, wird es im Winter in ärmlichen Wohnungen ohne Wärmedämmung oft bitterkalt. Für Kinder kann keine warme Mahlzeit gekocht werden. Es wird früh dunkel, und weder Fernseher, Computer, Waschmaschine, Staubsauger noch Fön funktioniert.

Laut Bundesnetzagentur ist 2013 knapp 345.000 Kunden der Strom vorübergehend abgestellt worden. Das sind rund 33.000 Fälle mehr als noch zwei Jahre zuvor, wobei die Verbraucherzentrale von einer deutlich höheren Zahl ausgeht und von „Energiearmut in einem reichen Land“ spricht. Bei nur sehr geringen Einkommen hat die Stromrechnung ohnehin schon ein überproportionales Gewicht, und die stark steigenden Energiepreise schlagen gerade bei alten, Energie fressenden Elektrogeräten sehr zu Buche. Eine Sperre bedeutet eine existenzielle Bedrohung! Gerade in diesem reichen Land müsste die Versorgung mit Strom, Heizung und Wasser ganz selbstverständlich ein Menschenrecht und in einer echten Grundsicherung ausreichend enthalten sein. Die Energieversorger dürften nicht das Recht haben, die Energiezufuhr – dazu noch kostenpflichtig – zu sperren und ebenso wieder zu entsperren. Armut kann das Leben kosten!

 

2. Die deutsche Unternehmerlobby kämpft schon lange für ein eigenes Schulfach „Wirtschaft“ – und bekommt es nun in Baden-Württemberg. Eine Broschüre der „Dieter-von-Holtzbrinck-Stiftung“ legt nahe, dass es in Spanien vielleicht gar keine Rezession, Massenentlassungen oder Zwangsräumungen gegeben hätte, wenn den Schülern dort ein anständiger Wirtschaftsunterricht zuteilgeworden wäre. Ob die Bevölkerung richtig auf die Krise vorbereitet war? Schließlich hätten sich unzählige Bürger dort mit hohem Risiko verschuldet und ihre Kredite plötzlich nicht mehr bedienen können.

Nach dieser Logik sind die Heranwachsenden in Baden-Württemberg vor solchen Gefahren bald gefeit, weil es dort ab Beginn des nächsten Schuljahrs in Real-, Haupt- und Gemeinschaftsschulen ab der siebten und in Gymnasien ab der achten Klasse das Fach „Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung“ geben wird. Dieses Fach soll etwas gegen den mutmaßlichen Mangel an ökonomischer Bildung unter Jugendlichen ausrichten, den angeblich Studien immer wieder beweisen, obwohl keine konkret benannt wird. Dagegen kommt eine Jugendstudie des „Bundesverbands deutscher Banken“ 2015 zu dem Ergebnis, dass unter 651 Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren 61 Prozent gute oder sehr gute ökonomische Kenntnisse hätten.

Für den Bielefelder Didaktiker und Wirtschaftssoziologen Reinhold Hedtke, Mitglied der „Initiative für eine bessere ökonomische Bildung“, kommen die Forderungen nach einem Separatfach „Wirtschaft“ Versuchen von Unternehmensverbänden, Denkfabriken und Stiftungen gleich, ihren Einfluss auf Schulen zu vergrößern. Die Wirtschaft spiele bereits jetzt in den Fächern Gemeinschaftskunde und Geografie eine große Rolle an Schulen, zu denen sich noch Firmenpraktika, Praxisprojekte wie Börsenspiele, Bewerbungstrainings oder Unterrichtsbesuche von Wirtschaftsvertretern gesellten. Diese zusätzlichen Aktivitäten entsprächen hochgerechnet etwa einem zweistündigen Schulfach über zwei Jahre, was viermal so viel sei wie das Pensum an Politik, das Bayern seinen Gymnasiasten bis zur zehnten Klasse zugestehe. Dort heiße die zentrale Frage nicht, wer etwas über Wirtschaft wisse, sondern wem welches ökonomische Wissen nütze.

Wenn im „Holtzbrinck“-Stiftungspapier von „kundigen Konsumenten und Wählern“, von „mündigen Arbeitnehmern und Selbständigen“ die Rede ist und sich die Schüler(innen) dem Lehrplan für Baden-Württemberg nach vor allem als „Verbraucher auf dem Konsumgütermarkt“ wahrnehmen sollen, erinnert dies an die Gestalt der Wirtschaftslehre an den Universitäten heute, die kritische Studierende und Lehrende etwa im „Netzwerk Plurale Ökonomik“ kritisieren: Das neoklassische Dogma vom effizienten Markt und seinen rein rational, im Sinne des eigenen Vorteils agierenden Teilnehmern werde weniger als das gelehrt, was es ist, nämlich eine Theorie, zu der es Alternativen gibt, sondern als natürliche Ordnung, die so immanent logisch ist, dass sie keinen Widerspruch duldet.

Als die Soziologieprofessorin Bettina Zurstrassen im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung ein Ökonomielehrbuch herausgab, das sowohl neoklassische als auch andere, gesellschaftlich fundierte Theorien von Wirtschaftssystemen besprach, musste sie erfahren, wie sehr die Anhänger des neoklassischen Dogmas dieses zu verteidigen bereit sind: Die „Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände“ erwirkte nach der Veröffentlichung beim für die Bundeszentrale zuständigen Bundesinnenministerium ein Vertriebsverbot mit der Begründung, das Buch sei – man höre und staune – „nicht neutral“. Nach Protesten von Wissenschaftlern und Zivilgesellschaft darf die Bundeszentrale das Buch nun wieder vertreiben, allerdings mit einer Art Warnhinweis, dass es „nicht das gesamte Spektrum an Ansichten“ darstelle. Zurstrassen betrachtet die Bestrebungen an Universitäten und Schulen mit Sorge, weil das Modell des „Homo oeconomicus“ als eine Verhaltensnorm definiert wird, deren didaktische Konzeption deutlich hinter den Forschungs- und Diskussionsstand der Wirtschaftswissenschaften zurückfalle.

Auf den „Nachdenkseiten“ vom 27. Oktober 2015 ist zu lesen, der Kampf um die Indoktrination unserer Kinder mit neoliberalen Gedanken nehme an Fahrt auf: „Als ich vor vielen Jahren die Schulbank drückte, lernte ich dort sehr wohl die Grundzusammenhänge zwischen Konjunktur und Arbeitslosigkeit sowie Geldpolitik und Nachfrage. Sogar die Lehren des John Maynard Keynes kamen damals zur Sprache, und auch die wirtschaftsliberale Indoktrination kam nicht zu kurz. So ‚lernten‘ wir bereits damals anhand von ‚Börsenspielen‘, die von der lokalen Sparkasse im Unterricht veranstaltet wurden, dass steigende Löhne nicht gut für unser Aktienportfolio sind. Das Fach hieß jedoch nicht ‚Wirtschaft‘, sondern ‚Gemeinschaftskunde‘, und unser Lehrer verstand es damals sehr gut, die unterschiedlichen Perspektiven in der Debatte darzustellen, indem er die Interessen der Arbeitgeber mit den Interessen der Arbeitnehmer und denen der Gesellschaft und Politik zusammenhängend erklärte. Hätte das Schulfach damals ‚Wirtschaft‘ geheißen, wären diese Aspekte wohl herausgefallen. Genau das ist es dann auch, was die mächtigen Wirtschaftslobbyisten im Sinn haben.“

 

3. Erst fabulierten nur einige Wissenschaftler darüber, dass es keine Münzen und Scheine mehr brauche, weil das Bezahlen schließlich elektronisch schneller und billiger gehe. Dann sprangen mächtige Banker auf den Zug auf. Erst sollen die 500-Euro-Noten aus dem Verkehr gezogen werden, einen Tag später erfahren wir, Amerikas 100-Dollar-Scheine seien ein Auslaufmodell. Was da läuft, ist offensichtlich eine abgestimmte Kampagne der Geldmächtigen und ihrer Freunde in Wissenschaft und Politik. Allenthalben heißt es, dass Geldnoten vor allem Kriminellen nützten, weil sie damit anonym ihre illegalen Einnahmen erzielen und durch Erwerb legaler Güter reinwaschen könnten. Tatsächlich werde gar kein Kampf gegen Geldwäsche betrieben, monieren Experten schon seit Jahren: Banken würden fast nirgendwo gezwungen, die Herkunft des Kundengeldes zu prüfen und es im Zweifel zurückzuweisen.

Völlig unbehelligt können darum Kleptokraten und Mafiosi aller Länder ihre illegalen Erlöse in den legalen Kapitalmarkt einschleusen, auch ganz ohne Bargeld und sogar am Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Der italienische Staatsanwalt und Mafiajäger Roberto Scarpinato beklagt, er würde sein Geld in Deutschland anlegen, wenn er Mafioso wäre. Doch treffe die Bargeldabschaffung die einfachen Bürger umso härte, weil sie fortan gezwungen wären, mit jedem Kauf eine endlose Datenspur zu erzeugen. Weit gefährlicher sei eine andere Konsequenz: Ohne die Möglichkeit, ihr Geld in bar abzuheben, wären alle Bürger auf Gedeih und Verderb einem instabilen Bankensystem ausgeliefert. Wenn privates Geld nur noch als Bankguthaben existierte, wäre das die Einladung, alle Krisenverluste per Negativzins, Gebührenwucher und notfalls Umwandlung in Aktienkapital auf die Kunden abzuwälzen.

Wenn die Verteidiger der bargeldlosen Gesellschaft das einzige staatlich garantierte Zahlungsmittel abschaffen wollen, ohne dafür Ersatz anzubieten, liegt der Verdacht nahe, dass in diesem Vorhaben das eigentliche Ziel der Kampagne liegt. Dabei wäre eine Alternative leicht zu schaffen, wenn jede(r) Bürger(in) ein Konto bei der Zentralbank haben dürfte. Diese könnte die individuelle Geldfreiheit auch elektronisch absichern. Ein(e) jede(r) könnte das staatlich garantierte Zahlungsmittel in beliebiger Höhe nutzen, ohne dabei von Bankenkrisen bedroht zu sein. Nur so wäre der Übergang zu einem E-Cash-System mit den Grundrechten vereinbar.

Natürlich hätte auch das seine Tücken, aber es reicht doch wohl, dass zig Milliarden in marode Banken gepumpt werden, statt sie für Menschen auszugeben und den Sozialabbau gefälligst endlich zu stoppen! Ich will nicht dazu verdammt werden, den Banken auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein, für deren schiefgelaufene Spekulationen und Geschäfte bluten zu müssen. Mir macht es Angst zu erleben, was alles dem Kraken der Wirtschaft untergeordnet wird, sei es Bildung, Gesundheit, der Mensch als solcher, vom Standpunkt der ökonomischen Verwertbarkeit aus betrachtet und wie er – je nachdem – behandelt, gefördert oder eben auch benachteiligt, ausgeschlossen wird, so wie dies besonders Erwerbslose, Alte, Kranke und Flüchtlinge erfahren müssen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz