1. Die Vermögen sind in Deutschland so ungleich verteilt wie in kaum einem anderen Land. Der Soziologe Michael Hartmann sagte im Interview mit „Monitor“ am 4. Februar 2016, die Politik könne dies ändern, wenn sie nur wollte.
„Monitor“: Wie schwer ist es in Deutschland, durch harte Arbeit, durch Fleiß reich zu werden?
Hartmann: Im internationalen Vergleich zeichnet sich Deutschland dadurch aus, dass von den reichen Deutschen ein ungewöhnlich hoher Prozentsatz diesen Reichtum geerbt hat. Der Prozentsatz derjenigen, der durch Unternehmensgründungen, als Schauspieler oder sonst wie in die Riege der Reichen gekommen ist, ist in Deutschland so niedrig wie in kaum einem anderen Land der Welt. Und das bedeutet, die Wahrscheinlichkeit, dass man es durch eigene Arbeit schafft, ist in Deutschland besonders gering.
„Monitor“: Deutschland ist jetzt die Wirtschaftsmacht in Europa. Es gibt riesige Exportüberschüsse, und die Angst, wirtschaftlich nicht mehr bestehen zu können, ist eigentlich nicht mehr da. Warum reagiert die Politik trotzdem nicht, abgesehen vom Mindestlohn, mit Maßnahmen, die in Deutschland die Ungleichheit lindern würden?
Hartmann: Das hat meines Erachtens zwei Gründe: Einmal ist der Widerstand bei denjenigen, die begünstigt worden sind, sehr groß, und die sind sehr einflussreich auf verschiedenen Ebenen. Jemandem etwas wegzunehmen, was man ihm vorher geschenkt hat, also Gesetze wieder zurückzunehmen, das ist immer außerordentlich schwierig. Man sieht an der Vermögenssteuer, welches Geschrei es gibt, wenn man darüber diskutiert, sie nicht wieder einzuführen, sondern nur wieder in Kraft zu setzen. Richtig abgeschafft worden ist sie ja nie. Und das zweite Argument ist, dass die Vorstellung, wir verdankten diesen Erfolg genau diesen Maßnahmen, weit verbreitet ist, und zwar nicht nur bei denjenigen, die davon profitieren. Wenn man sich die ganze Medienlandschaft anguckt, gibt es sehr viele Journalisten, die das nicht nur machen, weil das in ihren Zeitschriften gut ankommt, sondern die meines Erachtens auch davon überzeugt sind, dass es diesen Zusammenhang gibt.
„Monitor“: Was könnte Deutschland tun, um Kapitalflucht zu verhindern?
Hartmann: Deutschland könnte zum Beispiel Regelungen nach dem Beispiel der USA einführen, dass deutsche Staatsbürger, die ins Ausland ziehen, solange sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben, weiterhin deutschem Steuerrecht unterliegen und das, was sie in der Schweiz weniger zahlen, dann in Deutschland zusätzlich, nachträglich zahlen müssen. Das machen die USA seit ewigen Zeiten, und es ist überhaupt kein Problem für die US-Bürger. Die wissen das, und das könnte man für Deutsche auch machen.
2. Nach Einschätzung des „Linken“-Politikers Oskar Lafontaine wird die Wirtschaftskrise in Europa durch Hartz IV in Deutschland verursacht. Er sagte, dass die europäische Entwicklung wesentlich von Hartz IV bestimmt sei. Die Einführung des Sozialgesetzes 2005 sei der Auftakt zum Lohndumping gewesen. Dadurch könnten Waren in Deutschland billiger produziert werden als in umliegenden Ländern, die sich verschulden müssten und in denen die Arbeitslosigkeit steige. Während der Präsentation des Buches „Hartz IV ist der soziale K.o.“ sagte der Vorsitzende der saarländischen „Linken“-Fraktion, dass Hartz IV die deutsche Gesellschaft noch heute veränderte und die Betroffenen ins gesellschaftliche Abseits dränge. Der Journalist Dieter Gräbner schildert den Lebensweg von 28 Menschen, die ihre Arbeit verloren haben. „Hartz IV ist ein Psychokiller“, berichtete Gräbner von seinen Recherchen.
3. In den Nachrichten hören wir derzeit das Märchen über den Kabinettbeschluss zum Gesetzesentwurf namens „Rechtsvereinfachungen im SGB II“. Meiner Meinung nach wurde in Wirklichkeit ein großer Coup im Kampf gegen die Arbeitslosen gelandet! Es mag ja sein, dass eine klitzekleine Vereinfachung eintritt, wenn Langzeiterwerbslose nicht mehr halbjährlich, sondern nur noch einmal im Jahr ihren Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch stellen müssen. Jedoch wird diese Mini-Begünstigung durch ein zweites Sanktionsregime, das sich gewaschen hat, weit in den Schatten gestellt.
Die ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann kritisiert scharf, dieser Beschluss zeige, dass die Menschen im Arbeitslosengeld-II-Bezug weiterhin stigmatisiert, entrechtet und ausgegrenzt würden. Dass nun sogar gültige Bundessozialgerichtsurteile ausgehebelt würden, habe nichts mehr mit Demokratie zu tun. Außer Bayern hätten die einzelnen Bundesländer zwar für eine Sanktionsentschärfung bei jungen Menschen unter 25 Jahren plädiert, jedoch als Hintertür die „Ersatzansprüche“ integriert. Damit handele es sich in Wirklichkeit um eine Mogelpackung „par excellence“. Hannemann fordert eine tatsächliche Vereinfachung der derzeitigen Gesetzeslage, um den abstrusen Verwaltungsaufwand zu minimieren.
Habe ich die Große Koalition mit ihren „Rechtsvereinfachungen im SGB II“ möglicherweise einfach nur missverstanden? Meinten sie mit dieser Überschrift schlicht und ergreifend nur, die günstige Gelegenheit offen und ungeniert beim Schopf packen zu können, endlich frei nach Herzenslust und voller Inbrunst Erwerbslosen ihre dreiste Arbeitslosigkeit nach Strich und Faden zu vergelten? Wie kann man auf solch eine perfide Idee kommen, ALG-II-Bezieher(innen) künftig vier Jahre lang aufgrund der „Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit“ zu sanktionieren, nämlich automatisch einen Rückforderungs- und Aufrechnungsanspruch in Höhe des bei Jobannahme angeblich zugeflossenen anrechenbaren Einkommens zu stricken, äh: „auszurechnen“?
Mit der geplanten Änderung des SGB II wird die Option geschaffen, eine eventuelle Verringerung des ALG-II-Bedarfes, die möglicherweise eingetreten wäre, wenn der Betroffene das anschließend sanktionierte Verhalten nicht gezeigt hätte, mittels Aufrechnung mit dem laufenden ALG II zurückzufordern. Dieser Rückforderungsanspruch, der erst nach längstens 48 Monaten verjährt, setzt sozialwidriges Verhalten voraus, und das Bundessozialgericht stellte ja praktischerweise bereits fest, dass bei Sanktionen nach § 31 SGB II sozialwidriges Verhalten vorliege. Die Sanktion selbst stelle damit bereits den „Beweis“ für sozialwidriges Verhalten dar und schaffe damit die Voraussetzung für diesen Rückforderungsanspruch, der mit einem Anteil von 30 Prozent der Regelsatzhöhe mit dem laufenden ALG II aufgerechnet werden dürfe.
Katja Kipping, Vorsitzende der Partei „Die Linke“ und deren sozialpolitische Sprecherin, erklärte, das Hartz-IV-Änderungsgesetz laufe auf eine Verschärfung des Hartz-IV-Unrechts hinaus. Es gehe um eine „Effizienzsteigerung“ der Jobcenter, vielfach zulasten der Betroffenen, die erhaltene Leistungen an das Jobcenter zurückzahlen müssten, wenn sie die Hilfebedürftigkeit angeblich aufrechterhalten oder nicht minimiert haben, womit sie unter das ohnehin karge Existenzminimum gedrückt würden. Eine solche Situation könne entstehen, wenn sie nicht in einen geringfügig höher entlohnten, aber unterqualifizierten Niedriglohnjob wechselten und deswegen etwas höhere Hartz-IV-Aufstockungsleistungen bekämen.
Damit erfolgt auch eine Doppelbestrafung: zuerst drei Monate Sanktion, danach bis zu vier Jahre Aufrechnung der nicht verminderten Bedürftigkeit in Höhe von jeweils 30 Prozent der Regelleistung. So wird die Dauer einer solchen Sanktion de facto auf bis zu vier Jahre verlängert. Für das Jobcenter besteht dann zwar noch das Problem zu beweisen, dass die oder der Sanktionierte vom Arbeitgeber tatsächlich eingestellt und bezahlt worden wäre, sowie die mögliche Dauer der Beschäftigung zu belegen, doch wird dieser Beweis in der Praxis erst in einem sozialgerichtlichen Klageverfahren relevant werden. Es steht zu befürchten, dass den Jobcentern in der Mehrzahl die bloße Vermutung reicht.
Unfassbar: Statt Sanktionen endlich abzuschaffen, sollen sie sich noch vielfach, über Jahre hinaus potenzieren, bei bloßer, unbewiesener, vermuteter Vorwegnahme eines höheren Entgeltes, das wegen angeblich sozialwidrigen Verhaltens durch „Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit“ hätte zustande gekommen sein können. Kann es solch einen „Straftatbestand“ bei derartig vielen unbewiesenen Konjunktiven im Sinne von „Hätte, hätte, Fahrradkette“ überhaupt geben? Sind es nicht Ordnungswidrigkeiten, deretwegen das Existenzminimum nun unterschritten bis komplett gestrichen werden darf?
Wir sind’s, hier auf Erden,
Die den Müll produzieren,
Aus den Resten, dem Kunststoff,
Er kommt auch von Tieren.
Aber manchmal entsteht er
Auch aus unserer Tat.
Geschieht’s in der Politik,
Führt das oft zum Eklat.
Wir versuchen ganz fleißig
Den Müll zu sortieren.
Nur wohin mit dem Müll,
Der entsteht aus Begierden,
Aus Begierde nach Reichtum,
Aus Begierde nach Macht,
Mit dem Müll in den Köpfen,
Der uns menschlich nicht macht,
Mit dem Müll aus Nazismus,
Aus dem Hass und der Wut?
Mensch, versuch zu sortieren:
Was ist menschlich und gut?
Schmeißt das raus aus den Köpfen
Und dem weltweiten Netz,
Was die Rechte der Menschen
Und den Frieden verletzt!
Mach doch jeder das selber,
Alle, jung oder alt:
In den Müll alle Waffen,
Jeden Krieg und Gewalt!
1. Die Bundesregierung hat nun beschlossen, dass Erwerbslose noch ärmer werden sollen. Auch dieses Gesetz hat einen irreführenden Namen: „Rechtsvereinfachung“ wurde es genannt – Rechtsverschärfung wäre ehrlich. Bitte vor dem Weiterlesen erst den Beitrag von Elisabeth lesen, falls noch nicht geschehen! Bescheide für Arbeitslosengeld II können bereits heute mit einer Laufzeit von zwölf Monaten erlassen werden. Allerdings nutzen nur wenige Jobcenter diese Möglichkeit und diese auch nur punktuell. Diese geänderten Regelungen sind vielschichtig und wie immer im SGB II wenig rechtssicher. Sozialrechtsexperte Harald Thomé hat in seinem Newsletter Details bekannt gemacht und kommentiert:
„Andrea Nahles hat den Kabinettsentwurf vorgelegt. Die Regierungspropaganda beginnt zu laufen, das 9. SGB-II-Änderungsgesetz wird nun „Entbürokratisierung“ des Hartz-IV-Gesetzes genannt. Mal gucken, ob es noch den Arbeitstitel „SGB-II-Entbürokratisierungsgesetz“ erhält. Tatsächlich ist es aber in weiten Teilen ein SGB-II-Recht-Verschärfungsgesetz. In einer Vielzahl von Stellen soll Bundessozialgericht-Rechtsprechung ausgehebelt werden, vom Bundesverfassungsgericht geforderte Änderungen werden nicht umgesetzt, in einer Reihe von Punkten soll durch spezielle Regelungen das allgemeine Sozialrecht für SGB-II-ler als nicht anzuwendendes Recht erklärt werden.
Daher der Hinweis: Es handelt sich nicht um ein Entbürokratisierungsgesetz, sondern um ein Gesetz, mit dem das Sonder- und Entrechtungsrecht von SGB-II-lern weiter verfeinert und ausgebaut werden soll. Daher empfehle ich noch mal einen Blick auf die ‚Tacheles‘-Fachstellungnahme, in der wir das weitgehend ausgearbeitet haben. Darin werden aus Sicht einer parteilichen Beratung Maßnahmen als negativ markiert, die ohne Not die Not vergrößern und die weggelassen werden können. Es soll Verschärfungen geben, die absolut nicht vertretbar sind und den besonderen Widerstand von Zivilgesellschaft und Politik erfordern. Diese möchten wir hervorheben.“
Ob die Menschen, die nicht auf Hartz IV angewiesen sind, dies mitbekommen? Bereits die erste Änderung richtet sich gegen Kinder! Dabei beteuert diese Regierung immer wieder, sich für die Rechte der Kinder einzusetzen. Getroffen werden die Kinder in zwei Bedarfsgemeinschaften, also im Klartext Kinder, deren Eltern geschieden sind. Auch die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft wird neu aufgemischt. Dabei ist der Wohnungsmarkt nicht nur in Bremen zusammengebrochen und nicht erst durch die Neubürger! Nun sollen Leitungsberechtigte nachweisen, dass ihre Mieten angemessen sind. Das kriegen wir hin!
Ob die Richter des Bundessozialgerichts sich so entmachten lassen? Es stehen noch Entscheidungen an, zum Beispiel der Vorlagebeschluss zu den Sanktionen. Die Jobcenter müssen leider weiterhin nicht überlegen, ob es sinnvoll ist, Streit zu verursachen. Die Kosten der Widerspruchsstelle werden dem Team nicht angelastet. Gerichtskosten muss diese Behörde nicht zahlen. Die eigenen Kosten werden ebenfalls dem Team nicht angelastet. Selbst die Nachzahlung erst im Gerichtsverfahren erstrittener Kosten wird dem Team nicht angelastet. Wenn ein Team mit der Planerfüllung im Rückstand ist, einfach Ansprüche bestreiten, und schon ist die Sache gelutscht!
Zufriedenheit wird auf beiden Seiten des Schreibtisches noch seltener. Damit steigt der Krankheitsstand, sowohl in der Behörde als leider auch bei den Erwerbslosen: Sie können nicht kündigen, und kein Job ist schwerer, als keinen zu haben. Auf der anderen Seite geht es um die Ausbildung und Einarbeitung der Jobcenter-Mitarbeiter(innen), die befristeten Verträge für neu Eingestellte und die Verweigerung einer Verlängerung, auch wenn diese Menschen gebraucht wird, nur um Rechtsansprüche auf unbefristete Arbeitsverhältnisse zu vermeiden. Diesen Mitarbeiter(inne)n geht es wie Ein-Euro-Jobber(inne)n: Sie können noch so gut sein, am Ende erfolgt der Tritt!
Sei einfach mal unterstellt, dass durch die Rechtsverschärfung tatsächlich Arbeitszeit gewonnen wird. Diese Arbeitszeit soll den Mitarbeitern Vermittlungserfolge, also eine Steigerung der Vermittlungsquote bringen. Diese Erwartung hat auch zum Start der „Joboffensive“ im Jobcenter Bremen geführt. Trotz einer Personalaufstockung von bis zu 41 Mitarbeiter(inne)n wurde das Ziel um bis zu 73 Prozent verfehlt. Die Besonderheiten des Arbeitangebots in Bremen waren zwar vorher bekannt, trotzdem wurden die fehlenden Arbeitsplätze erst bei der Rechtfertigung der Zielverfehlung angeführt. Erfolgreich war die „Joboffensive“ dagegen bei der Verhängung von Sanktionen!
Ich möchte diesbezüglich an die 554. Bremer Montagsdemonstration und die dort aufgezeigten Möglichkeiten erinnern. Macht euch ran! Diese Möglichkeiten sind noch unverändert. Allerdings sollen auch die Anträge auf Überprüfung eingeschränkt werden. Ein Grund mehr, es jetzt zu tun! Wir sind am Montag wieder planmäßig auf dem Marktplatz. Am Freitag gegen 13 Uhr werden wir dort Herrn Steinmeier begrüßen. Er hat die Grundsteinlegung für Hartz IV mitgemacht. Wir können auch am Freitag darüber reden.
2. Am Donnerstag ist Sitzung der Sozialdeputationen, ab 14:30 Uhr in der „Begegnungsstätte“ am Haferkamp 8. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die Energiesperren. Die Fraktion „Die Linke“ hat die Aufnahme des Tagesordnungspunktes „Moratorium bei den Richtwerten für die Kosten der Unterkunft“ beantragt und fordert eine erhöhte Übernahme gemäß der neuen Wohngeldtabelle: „Das Anzapfen des Regelsatzes muss aufhören“.
In dem Antrag sind die erhöhten Werte gemäß Wohngeldgesetz enthalten, beim Bausenator stehen noch die alten. Die Antwort des Senats bestätigt die Unterdeckung bei den Kosten der Unterkunft und der Heizung. Diese Deputationssitzung, wie immer im Doppelpack für Stadt und Land, wird auch wegen der anderen Themen interessant. Die Tagesordnung kann von den Deputierten gemäß Antrag der Fraktion „Die Linke“ geändert werden.
Weitere Informationen erhalten Sie durch Nutzung der Suchmaschine auf unserer Homepage, einfach mal ausprobieren! Die Beachtung der sozialen Auswirkungen wird immer zwingender. Wir arbeiten daran! Die Frage „Was kann ich machen?“ ist einfach zu beantworten: Wir haben auf dem Marktplatz noch viel Platz und ein Offenes Mikrofon. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und Erfahrung! Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!