553. Bremer Montagsdemo
am 18. 01. 2016  I◄◄  ►►I

 

Die Problematik der Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa

Bettina FenzelZuerst heißt Kanzlerin Merkel die Flüchtlinge in Deutschland willkommen, jetzt werden sie wieder vertrieben, Mauern aufgebaut und Stacheldrahtzäune gezogen. Von offizieller Willkommenskultur ist nichts mehr zu vernehmen, im Gegenteil: Flüchtlinge sollen in Schnellverfahren abgeschoben werden. Innenminister de Maizière fordert eine Quotierung der Aufnahme von Flüchtlingen in Europa, damit Deutschland nicht alle Flüchtlinge aufnehmen muss, die zu uns kommen. Ist dies ein Ablenkungsmanöver von der menschenverachtenden Politik in Deutschland? In den südlichen EU-Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien und Portugal hat die Flüchtlingspolitik fatale Folgen. Besonders prekär wirkt sich der Neoliberalismus in Griechenland aus, das unter dem Diktat der „Quadriga-Politik“ zu leiden hat. Wie können die südlichen Staaten in Europa quotiert Flüchtlinge aufnehmen?

In Griechenland leiden Tausende von Schulkindern an Mangel- und Unterernährung, das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen. Auch wenn es in den Gebieten, wo der Tourismus gut läuft, private Initiativen gibt, die Flüchtlingen privat helfen, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die griechische Regierung nicht in der Lage ist, den Flüchtlingen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Nicht einmal für die Mehrheit der eigenen Bevölkerung kann sie dies möglich machen. 60 Prozent der Jugendlichen sind arbeitslos. Die staatlichen Unternehmen wie Flughäfen und Energieunternehmen sollen dem Diktat der deutschen Privatisierung zum Opfer fallen! Das erinnert an die „Wiedervereinigung“ der „Treuhandpolitik“, in der Betriebe für einen Euro an westdeutsche Konzerne verkauft wurden, Millionen Menschen arbeitslos wurden und die jungen Menschen nach Westdeutschland gingen, um Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu bekommen. Ganze Dörfer und Städte wurden entvölkert, und die kranken und alten Menschen blieben allein zurück. Das führte dazu, dass diese Gemeinwesen keine kommenden Generationen mehr hatten und „ausstarben“: Sie verödeten und waren dem Zerfall preisgegeben.

Infolge der Politik mit „Notverordnungen“ im Jahr 1929 waren in Deutschland zahlreiche Menschen verelendet, Kinder litten unter Mangelernährung und verstarben an deren Folgeerscheinungen. Viele Menschen wurden arbeitslos, viele nahmen sich aus Verzweiflung das Leben. Rentner(innen) wussten nicht mehr, wie sie leben sollten. Die Parallelen zu Griechenland sind unübersehbar: Die Renten sind um 45, die Löhne um 38 Prozent gesunken, fast 18 Prozent der Menschen können ihren Nahrungsbedarf nicht mehr decken. Die Faschisten finden dank der neoliberalen „Quadriga-Politik“ in Griechenland, in Frankreich unter Le Pen, in ganz Europa regen Zulauf! Wie sollen die armen Länder in Südeuropa und Osteuropa die Flüchtlinge quotiert aufnehmen, wenn ihnen die finanziellen Mittel fehlen, um ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen?

Innenminister de Maizière bezeichnet die Flüchtenden als Wirtschaftsflüchtlinge, die angeblich aus „sicheren Herkunftsländern“ wie Rumänien, Kroatien und Mazedonien stammen. Dabei verschweigt er, dass 1999 unter der Schröder/Fischer-Regierung ein Krieg geführt wurde, um das damalige Jugoslawien zu zerschlagen und dem westlichen Imperialismus zu unterwerfen. In den heutigen Teilrepubliken haben noch immer viele Menschen unter den Kriegsfolgen zu leiden. Sie sind meist arbeitslos und haben keine Zukunftsperspektive. Vor allem Roma und Sinti sind in Osteuropa als Minderheiten diskriminiert. Deutschland steht ihnen gegenüber in einer historischen Schuld, denn Roma und Sinti wurden in den faschistischen Konzentrationslagern ermordet oder als Zwangsarbeiter ausgebeutet. Die Flüchtenden in „Wirtschaftsflüchtlinge“ und „politisch Verfolgte“ zu spalten, verletzt ihr Grundrecht auf Asyl. Hatte die Kanzlerin Merkel die Absicht, mit der „Willkommenskultur für Flüchtlinge“ das schlechte Image, das Deutschland mit der neoliberalen „Quadriga-Politik“ in der Welt hat, wieder aufzupolieren?

„Im Gegenteil, der Zusammenbruch des ‚real existierenden Sozialismus‘ führte zu einer reaktionären Wende in Europa... So wurde 1990 in Italien ‚Kairos Europa –unterwegs zu einen Europa für Gerechtigkeit‘ gegründet... Für unsere Frage besonders wichtig ist die Kairos-Kampagne von 1996, zusammen mit 100 Europaparlamentariern zur Einführung des Euro unter dem Motto ‚Für eine gerechte Währungsunion – nicht ohne gemeinsame Beschäftigungs- und Sozialpolitik, nicht ohne Kontrolle des transnationalen Kapitals‘... In dem Kampagnenaufruf wurde schon angesichts der Euro-Konvergenzkriterien prophetisch auf die mit den Sparmaßnahmen verbundenen zu erwartenden katastrophalen Folgen für die europäische Bevölkerung hingewiesen. All das Vorhergesagte (Abbau des Sozialstaates, Spaltungen innerhalb Europas, Austerität, weitere Umverteilung von Unten nach Oben...) ist jetzt in der Eurokrise verschärft zum Ausbruch gekommen. Und die neoliberalen Regierungen gießen weiter mit Steuergeldern Öl ins Feuer. Das gierige Geld frisst weiterhin seine Kinder.“ (Ulrich Duchrow: „Gieriges Geld – Auswege aus der Kapitalismusfalle, Befreiungstheologische Perspektiven“, Seiten 168 und 169)

Unabhängig davon, welche Interessen die herrschende Klasse hat, ist es wichtig, sich nicht spalten zu lassen, sich solidarisch mit den Flüchtlingen zu erklären und gemeinsam mit ihnen für eine gerechte Welt zu kämpfen! Dabei ist nicht zu vergessen, dass das deutsche Kapital 2005 unter einer rot-grünen Bundesregierung die Hartz- Gesetze eingeführt hat, um die Löhne zu senken. Schröder meinte, Deutschland müsse „wieder wettbewerbsfähiger“ werden. Die Exporte stiegen an, neue Märkte wurden in Südeuropa erobert. Dafür wurden dort die einheimischen Märkte zerstört. Die südeuropäischen Länder müssen importieren und sich verschulden! 2008/2009 platzte die Blase der Spekulationen. 90 Prozent der Gelder, die Griechenland von der Europäischen Zentralbank erhält, bekommt gar nicht die notleidende Bevölkerung: Sie sind für die „Rettung“ der französischen und deutschen Banken vorgesehen. Die armen Länder in Ost und Südeuropa können gar nicht so viele Kriegsflüchtlinge und politische Flüchtlinge aufnehmen, die Asyl beantragen. Deutschland hat durch die neoliberale Politik der neunziger Jahre den sozialen Wohnungsbau vernachlässigt. Menschen, die eine bezahlbare Wohnung suchen, bekommen massive Probleme, eine zu finden. Alle Menschen haben einen Anspruch darauf, eine gut bezahlbare Wohnung zu erhalten, unabhängig davon, ob sie Flüchtlinge sind oder nicht!

Johann Knief, Volksbeauftragter der Bremer Räterepublik, „wandte sich gegen die im Krieg besonders hoch gepeitschte, nationalistische Verhetzung des Volkes und forderte, das wieder zu erweckende Klassenbewusstsein der Arbeiter und dessen internationalistisches Wesen dagegenzusetzen. Nation war für Knief ein bürgerlicher Ideologiebegriff, nur noch zur Irreführung des Proletariats eingesetzt, während die Bourgeoisie längst ausschließlich international denke und handele. Er sah zwischen Nation und Internationalismus keine dialektische Verbindung... Kritikern fehlte der Aufruf zu Massenaktion gegen die Gesellschaftsordnung, die den Krieg hervorgebracht hatte: Man kann den Krieg... nicht dauernd abschaffen, ohne den Kapitalismus beseitigt zu haben, man kann für den Frieden nicht kämpfen, ohne für den Sozialismus zu kämpfen.“ („Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus: Gerhart Engel /Johann Knief – ein unvollendetes Leben“, Seiten 241 und 294, Januar 1917)

Es reicht nicht allein aus, den Flüchtlingen zu helfen, wenn sie in ihrer Not zu uns kommen, sondern es gilt, die Fluchtursachen zu erkennen, wie in Bremen am 5. September 2015 auf der „Friedenskonferenz“ zu Recht gesagt wurde. Johann Knief sah damals richtig, dass das kapitalistische System die Kriege verursacht. Auf der „Friedenskonferenz“ wurde eine neue Wirtschaftsordnung gefordert, die eine Alternative zum kapitalistischen System darstellt. Das System mit seiner Profitgier bringt die Rüstungsproduktion hervor, da sich die herrschenden Klassen global zusammenschließen, um mit ökonomischen Mitteln die Staaten in Schach zu halten. Reichen diese nicht aus, wird militärisch eingegriffen. Aber nicht nur Kriege sind Ursache dafür, dass Menschen fliehen müssen: Auch die Klimakatastrophe, die den Kohlendioxidausstoß anheizt, sorgt dafür, dass weniger Niederschläge fallen, Land vertrocknet und keine Lebensmittel mehr angebaut werden können, während es anderswo zu Überflutungen kommt und die Menschen ihre Lebensräume verlassen müssen. Dies gehört als Fluchtgrund anerkannt! Auch vor den islamischen Fundamentalisten müssen viele fliehen. Sie haben ihre Waffen von saudischen und arabischen Staaten, die mit westlichen Öldollars Waffen zum Beispiel in Deutschland kaufen. Dann werden Soldaten aus den kapitalistischen Staaten in andere Länder geschickt, um den „islamischen Fundamentalismus“ zu bekämpfen. Einzig und allein die Rüstungsindustrie verdient gut daran, und es fehlen die Steuergelder für eine gute soziale Infrastruktur.

Auch wenn das kapitalistische System nicht sofort beseitigt werden kann, ist es wichtig, die Kriegsverursacher zu benennen und sich mit den Flüchtlingen solidarisch zu erklären. Es gilt, die Fluchtursachen zu bekämpfen, wie es „Kairos Europa“ richtig erkannte, und „unterwegs zu sein für ein gerechtes Europa und für eine gerechte Welt“, mit dem Ziel, dass Menschen nicht mehr aus ihren Lebensgemeinschaften vertrieben werden durch eine ungerechte Weltordnung, die Klimakatastrophen und Kriege hervorbringt! Alle Menschen haben das Recht zu reisen, wohin sie wollen und wohin sie können! Eine andere Welt ist möglich! Eine andere Welt ist nötig!

Bettina Fenzel („Die Linke“ – siehe auch „Scharf links“)
 
Im Rahmen der Mitgliederversammlung des bundesweiten „Netzwerks Grundeinkommen“ finden unter dem Titel „Roboter, Flüchtlinge, Grundeinkommen“ am Samstag, dem 30. Januar 2016, ab 19 Uhr im Gästehaus der Universität Bremen, Teerhof 58, Gespräche mit Ratsmitgliedern des Netzwerks statt.

 

Europaweite Proteste gegen
den türkischen Staatsterror

Auch in einigen Städten in Deutschland fanden in den vergangenen Tagen Kundgebungen und Demonstrationen gegen den türkischen Staatsterror und gegen die Kumpanei Merkels mit Erdogan statt. In Bremen protestierten am vergangenen Samstag 500 Menschen, und wieder einmal ist dies dem „Weser-Kurier“ keine Zeile wert. Der Staatsterror der türkischen Regierung gegen das kurdische Volk wird in den Massenmedien totgeschwiegen. In Nordkurdistan wird mit Panzern, Kampfhubschraubern, Soldaten, Spezialeinheiten und Polizisten in mehr als 17 Ortschaften eine totale Ausgangssperre verhängt. Scharfschützen machen es unmöglich, die Häuser zu verlassen.

Harald BraunIm Auftrag Erdogans wurden inzwischen 200 Zivilisten getötet, Tausende verletzt und 200.000 Menschen aus ihren Dörfern und Städten vertrieben. Gleichzeitig werden in der gesamten Türkei fortschrittliche und revolutionäre Menschen verfolgt und bei Polizeieinsätzen sogar regelrecht hingerichtet. Jede Kritik der demokratischen Opposition wird unterdrückt, zahlreiche Zeitungen sind inzwischen verboten. Die türkische Polizei hat letzte Woche etwa 20 regierungskritische Wissenschaftler(innen) festgenommen. Sie hatten zusammen mit mindestens 1.000 anderen Kritiker(inne)n eine Petition unterschrieben, die den türkischen Staatsterror gegen die kurdische Bevölkerung im Südosten der Türkei an den Pranger stellt und fordert, dass er umgehend beendet wird.

Der brutale Staatsterror ist Ausdruck der Defensive des türkischen Regimes aufgrund der Erfolge des kurdischen Befreiungskampfes in Rojava (Westkurdistan) gegen den faschistischen „Islamischen Staat“ und für den Wiederaufbau einer Gesellschaft in Freiheit und Demokratie. Dadurch werden die imperialistischen Bestrebungen der Türkei, ihren Einfluss im Nahen und Mittleren Osten auszudehnen, gefährdet. Ein wichtiger militärischer Erfolg der kurdischen Kämpferinnen und Kämpfer aus Rojava war Ende Dezember die Eroberung der Stadt Tischrin und des strategisch wichtigen Staudamms.

Die europäischen Regierungen lassen Erdogan mit seinem faschistoiden Staatsterror gewähren und leisten ihm sogar Schützenhilfe. Präsident Erdogan antwortete letzte Woche in einem Interview auf die Frage, ob es für ihn ein Vorbild für sein Regieren geben würde: „Ja, Adolf Hitler“. Dieses Bekenntnis ist für die Bundesregierung aber kein Grund, die Zusammenarbeit sofort zu beenden: Sie setzt auf sein diktatorisches Regime, um die Flüchtlingsströme vor Europas Grenzen zu stoppen. Bisher leben bereits Hunderttausende Flüchtlinge unter unmenschlichen Bedingungen und ohne jede Perspektive in riesigen türkischen Lagern. Jetzt sollen sechs weitere Aufnahmelager hinzukommen. Es ist ein Leben wie im Gefängnis: „Amnesty International“ beklagt, „dass es sich in Wahrheit um Haftzentren handelt“.

Dafür lockt die EU, allen voran die deutsche Regierung, Erdogan mit drei Milliarden Euro und der Mitgliedschaft in der EU. Von Frau Merkel kommt keinerlei Kritik am Staatsterror Erdogans, im Gegenteil: Sie empfängt in den nächsten Tagen türkische Regierungsvertreter und lässt vorab mitteilen, man billige Erdogan „harte Reaktionen“ im „Antiterror- Kampf“ zu. Mit dieser Rechtfertigung leistet die Bundesregierung dem Staatsterror in der Türkei offene Schützenhilfe. Das liegt auf einer Linie mit dem Festhalten am Verbot der „Kurdischen Arbeiterpartei“ (PKK) und der aktuellen Inhaftierung sieben kurdischer Politiker allein in Deutschland – so vielen wie schon lange nicht mehr.

Stoppen wir gemeinsam den Staatsterror gegen das kurdische Volk und die demokratische Opposition in der Türkei! Schluss mit der Schützenhilfe der Merkel-Regierung für Erdogan! Weg mit dem PKK-Verbot! Freiheit für Kurdistan! Hoch die internationale Solidarität! – Der Jugendverband „Rebell“ lädt ein zur Solidaritätsveranstaltung zum Wiederaufbau in Kobanê am Samstag, dem 30. Januar 2016, ab 18 Uhr im Jugendfreizeitheim Buntentor, Geschwornenweg.

Harald Braun

 

Bundesagentur begrenzt Darlehens­aufrechnung auf zehn Prozent
des Regelsatzes

Hans-Dieter Binder1. Die Neubürger sind in aller Politiker Munde, leider meist negativ. Diese Menschen leiden! Unsere Regierungspolitiker im Einklang mit der EU lassen sich viel einfallen, um die Flüchtlinge abzuweisen. Wer an der deutschen Grenze als Ziel Holland angibt, wird abgewiesen, Grund: kein Visum. Auch wenn jetzt Asyl hier erbeten wird, es hilft nichts: Die Einreise wird verweigert. Deutschland verrät seine Werte! Die europäische Agentur „Frontex“ soll aufgerüstet werden und die Grenzsicherung an den EU-Außengrenzen übernehmen. „Frontex“, das sind die Seeleute, die an Schiffbrüchigen ohne Hilfeleistung vorbeifahren. „Frontex“ wurde von der EU extra darauf hingewiesen, dass Lebensrettung vor Grenzsicherung geht. Traurig, dass dies nottat!

Die Türkei bekommt drei Milliarden Euro Unterstützung. Dieses Geld ist für die Flüchtlinge bestimmt, die in der Türkei leben, und für den Staat, damit weniger Flüchtlinge in die EU kommen. Weitere Vorgaben gibt es scheinbar nicht. „Monitor“ hat berichtet, dass in der Türkei bereits länger lebende Flüchtlinge jedes Alters und beiderlei Geschlechts zwangsweise in eine Abschiebeanstalt gebracht und ohne Ankündigung über die Grenze nach Syrien ausgewiesen werden, in ein aktuelles Kriegsgebiet. Familien wurden auseinandergerissen. Es ist zu sehen, wie die Menschen gehen. Es gibt keine Unterstützung, überhaupt nichts, dabei sind Schüsse zu hören. An der Abschiebeanstalt steht, dass diese mit EU-Geld gefördert wurde. Deutschland hat auf Brüssel verwiesen: Die EU prüft. Die türkische Regierung kommt nach Berlin. Dass jede Unterstützung einer Diktatur, eines Unrechtsstaats letztlich ein Rohrkrepierer wird, davon können die USA Zeugnis ablegen. Deutschland verliert seinen Ruf, sein Ansehen und damit seine Märkte!

Die Sprache wird von Behördenseite gerne entschärft: Aus dem „Hilfebedürftigen“ wurde der „Anspruchsberechtigte“. Die Änderung ist eine Verschleierung, weil die Wertigkeit dieser Wörter sehr unterschiedlich ist. Aktuell wird aus dem „unbegleiteten minderjährigen Flüchtling“ der der „minderjährige unbegleitete Ausländer“, federführend der Bundesinnenminister. Der Bundesfachverband BumF, in dessen Publikationen nachzulesen ist, wie sehr die Politik den Alltag der Flüchtlinge bestimmt, hat sich gegen diese Änderung ausgesprochen, weil die Flüchtlingseigenschaft dadurch unterschlagen wird.

Dabei sieht der Bundesinnenminister sehr wohl die Kraft der Sprache: „Insgesamt stellte de Maizière eine ‚Verrohung sowohl in der Sprache als auch des Verhaltens in wachsenden Teilen der Gesellschaft‘ fest. Nicht nur in Asyleinrichtungen komme es zu gewalttätigen Vorfällen. ‚Die Gewalt kommt von links, von rechts, von Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch von jungen Deutschen, die sich einfach nicht im Zaum haben.‘ Natürlich müsse es möglich sein, öffentlich seine Meinung kundzutun. Es dürfe nicht passieren, dass ‚vor lauter politischer Korrektheit die Dinge nicht beim Namen genannt werden‘. Die Worte müssten aber so gewählt werden, dass niemand verunglimpft oder beleidigt werde.“

Über „Tod nach Abschiebung“, Krankheit durch Behördenbehandlung, Verzweiflung durch Wiedereinreiseverbot und Zerstörung der Familie hat der NDR berichtet. Abgeschoben wurde ein Mensch nach Lettland. Dort hat ihn keiner erwartet, dort war er nicht einmal berechtigt, die lettische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Ein aufrüttelnder Bericht, den jede(r) Sachbearbeiter(in) und Entscheider(in) der Ausländerbehörde ansehen sollte! Für die Familie, jeden Menschen dieser Familie und auch für Deutschland wäre der ungestörte Verbleib in Deutschland besser gewesen. Diese Abschiebung des ältesten Sohns hat sein Leben vernichtet sowie 5.000 Euro und das Vertrauen gekostet. Der Beitrag „Abschiebung zur Beruhigung“ bietet weitere Fakten zu diesem Thema.

 

2. Sehenswert ist der Beitrag „Die neuen Nazis. Von der NPD-Gründung bis zu den NSU-Morden“: „‚ZDF Info‘ wagt mit der vierteiligen Dokumentationsreihe den Blick nach rechts. Seit Mitte der 1960er Jahre keimt die braune Zelle in der Mitte der Gesellschaft. NPD, NSU, Brände in Rostock und Solingen. Der rechte Flügel ist auf Akquise in der Jugendkultur mit Freizeitangeboten und Rechtsrockkonzerten.“ Rund um die NSU-Morde sind jede Menge V-Leute im Einsatz. „Betreutes Morden“ wurde dies genannt, siehe 547. Bremer Montagsdemonstration. Lautet die Fortsetzung „betreute Brandstiftung“?

V-Leute sollen in die Führung der Rechten hinein. Um dies zu erreichen, müssen sie vorwärts stürmen! Ein Brandstifter hat diese Forderung erfüllt. Mir fehlt die Kontrolle. Waren V-Leute in der Nähe der Brandstiftungen? Bei jedem Brand oder anderen Aktionen gegen die Neubürger muss die Überprüfung aller örtlichen V-Leute erfolgen! Natürlich muss der Generalbundesanwalt endlich die Rolle der V-Leute schonungslos offenlegen. V-Leute werden dadurch „verbrannt“? Darin sehe ich kein Problem!

 

3. Mit Recht ruft das „Erwerbslosenforum“ zum Widerspruch gegen die Leistungsbescheide ab 1. Januar 2016 auf. Der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ wirft der Bundesregierung statistische Willkür vor und fordert 491 Euro Regelsatz. Vorsitzender Ulrich Schneider erläutert: „Der Regelsatz wurde bei seiner letzten Berechnung 2011 durch die damalige Arbeitsministerin von der Leyen willkürlich manipuliert und trickreich kleingerechnet. Was dabei herauskam, hat mit dem Existenzminimum nicht mehr ernsthaft etwas zu tun, sondern drückt Hartz-IV-Bezieher unter die Armutsgrenze. Seitdem wird diese Praxis jedes Jahr einfach fortgeschrieben. Es ist schon mehr als enttäuschend, dass auch Frau Nahles diese Tricksereien übernimmt, gehörte sie doch vor ihrer Berufung zur Arbeitsministerin zu den Hauptkritikerinnen der Methoden ihrer Vorgängerin.“

Jeder Überprüfungsantrag und jeder Widerspruch ist Leben und ein Zeichen des Widerstands! Ob daraus eine Klageflut wird, liegt an der Reaktion von Politik und Behörden. Wie dies geht und weitere Gründe stehen auf den Seiten der vorherigen Bremer Montagsdemonstrationen. Sozialrechtler Harald Thomé meldet per Rundbrief: „Bundesagentur begrenzt die Darlehensaufrechnung auf zehn Prozent des Regelsatzes. Nach Weisung der Bundesagentur dürfen Darlehen kulminiert in Höhe von bis zu 30 Prozent des Regelsatzes aufgerechnet werden. Diese Weisung ist rechtswidrig, und eine Reihe von Gerichten hat dies exakt so entschieden.“ Auf eine Anfrage von „Tacheles“ wurde jetzt geantwortet, „dass nunmehr die Darlehensaufrechnung auf zehn Prozent begrenzt sei und dahingehend alsbald die Weisungen geändert würden. In der Beratungspraxis kann sich jetzt auf diese Antwort der Bundesagentur bezogen und diese auch Sachbearbeitern vorgelegt werden. Auch Anfragen an Jobcenter, die oft rechtswidrige Verwaltungspraxis zu beenden, können darauf gestützt werden.“ Es ist einfach Klasse und gleichzeitig ein Beweis der Willkür!

Harald Thomeé hat die Verwaltungsanweisung der Bundesagentur hinterfragt und festgestellt, dass es keine gesetzliche Grundlage für diese Erhöhung der Anrechnungsgrenze von zehn auf 30 Prozent gibt. Dadurch erhält die Vorbemerkung zu den veröffentlichten Weisungen ein ganz anderes Geschmäckle: „Bitte beachten Sie: Weisungen können teilweise durch Nachfolgeregelungen geändert sein. Bei Überschneidungen zwischen Gesetz und Weisung gilt im Zweifel das Gesetz.“ Also macht euch ran! Wer eine Aufrechnung über zehn Prozent ertragen muss, kann dies beenden: Einen Überprüfungsantrag stellen oder, falls die Frist dazu noch nicht abgelaufen ist, einfach Widerspruch einlegen.

Wer schon länger mehr als zehn Prozent angerechnet bekommt, kann dies mit Überprüfungsantrag rückwirkend bis zum 1. Januar 2015 ändern. Wenn sich akuter Geldmangel eingestellt hat, kann zusätzlich sofort die Hilfe des Sozialgerichts erbeten werden. Wie dies alles geht? Es steht auf unseren Seiten, sucht eine Beratungsstelle auf oder kommt einfach vorbei! Auch wenn die Darlehn unterschiedlich genannt werden, sind zusammen nur bis zu zehn Prozent aufrechenbar, egal ob das Darlehn für die Abwendung von Energieunterbrechungen, als Deponat oder für andere Zwecke gedacht war. Es dürfen höchstens zehn Prozent als Rückzahlung einbehalten werden. Prüft bei dieser Gelegenheit bitte die Abzugsbeträge. Es kommt vor, dass das Jobcenter zu viel einbehält. Wer dies nachträglich feststellt, kann die überzahlten Raten zurückfordern. Wie dies geht? Wie immer. Mit einem Antrag auf Überprüfung beginnt es.

Die gesetzliche Krankenkassen haben im Januar einen kräftigen Mitgliederzuwachs, überwiegend junge Leute. Das hört sich gut an, ist aber blamabel, denn die Ursache lautet: Für SGB-II-Bedarfsgemeinschaften wurde die Familienversicherung abgeschafft. Für Jugendliche ist es daher besonders wichtig, bei einer 100-Prozent-Sanktion Lebensmittelgutscheine zu beantragen und zu erhalten. Nur so bleiben sie krankenversichert. Wie dies geht? Bremen hat ein dichtes Netz von Beratungsstellen, oder einfach vorbeikommen!

 

4. Die Handelskammer Bremen und die Industrie- und Handelskammer Bremerhaven haben den Zusammenschluss geschafft. Klasse! Die Handelskammer macht sich Sorgen um die Industrie in Bremen. Sie hat Zahlen, die belegen, dass die dortige Industrie von Platz 5 auf Platz 8 abgerutscht ist. Dabei war vor Kurzem im „Weser-Kurier“ zu lesen, dass die Industrie in Bremen bundesweit den größten Zuwachs hatte. Die „Arbeitnehmerkammer Bremen“ stellte fest: „Insgesamt ist der Arbeitsmarkt im Land Bremen von einem Wachstum atypischer Beschäftigung mit hohem prekärem Potenzial charakterisiert, während das Normalarbeitsverhältnis immer mehr an Bedeutung verliert.“ Außerdem hat die Arbeitslosigkeit in Bremen in dem Zeitraum zugenommen. Dies ist alles nachzulesen auf der Seite zur 540. Bremer Montagsdemonstration.

Leider hat die Industrie es auch nicht geschafft, die Zahl der Aus­bil­dungs­plätze zu halten. Ich kann mich noch gut an eine „Nacht der Jugend“ erinnern. Die Jugendlichen haben die Erfolgsmeldung der Handelskammer hinsichtlich der abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse und der daraus resultierenden Quote widerlegt, „denn von der Handelskammer war die Zahl von nur fünf Prozent aktueller Jugendarbeitslosigkeit verbreitet worden. Das umfangreiche Forschungsprojekt der Schülerinnen und Schüler ergab allerdings, dass nach drei Jahren tatsächlich nur 56 Prozent der Schulabgänger des Jahrgangs 2002/2003 einen Ausbildungsplatz haben und nicht 96 Prozent, wie von der Handelskammer schöngerechnet und verbreitet“. Das ist nachzulesen auf der Seite zur 110. Bremer Montagsdemonstration.

Wie geht es weiter? Die IG Metall hat die Abwärtsspirale der Entlohnung in Bremen angeprangert: Wo es geht, werden die Personalkosten gesenkt. Dabei hat sie besonders das Mercedes-Werk im Blick. So haben die Arbeitnehmer immer weniger zur Verfügung, und Bremen kann weniger Steuern verbuchen. Mercedes zahlt seine Steuern anderswo. – Weitere Informationen erhalten Sie durch Nutzung der Suchmaschine auf unserer Homepage, einfach mal ausprobieren! Die Beachtung der sozialen Auswirkungen wird immer zwingender. Wir arbeiten daran! Die Frage „Was kann ich machen?“ ist einfach zu beantworten: Wir haben auf dem Marktplatz noch viel Platz und ein Offenes Mikrofon. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und Erfahrung! Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
„Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt“: Doch das Recht auf
Asyl ist ein elementares Grund- und Menschenrecht („Scharf links“)

 

Soll der Eindruck entstehen,
dass wir den Sozialstaat
dem Militär verdanken?

Wieland von Hodenberg1. Im Werk von Michael Lüders „Wer den Wind sät... Was westliche Politik im Orient anrichtet“ wird einleuchtend geschildert, wie in der Region alles mit allem zusammenhängt und wie sich der Westen seine Feinde immer wieder selbst erzeugt. Es ist eine Abrechnung mit westlicher Politik, die gerne für sich in Anspruch nimmt, „wertorientiert“ zu handeln. Eine derartige Politik hat im Nahen und Mittleren Osten vielfach „verbrannte Erde“ hinterlassen. Die Akteure sind dabei in erster Linie die USA und ihr engster Verbündeter Großbritannien. Spätestens seit „9/11“ gehören aber auch die übrigen Mitgliedsstaaten der EU dazu – nicht zuletzt Deutschland.

Wie die folgenden Ausführungen zeigen, hat sich das Grundmuster westlicher Militärinterventionen in der arabisch-islamischen Welt über Jahrzehnte hinweg kaum verändert, allem voran die Neigung, die Konfliktparteien in „gut“ und „böse“ zu unterteilen. Das absolut Böse hat natürlich sein Pendant, das selbstlose Gute. Die Guten seien wir und die westliche Politik, weil diese angeblich für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte stehen. Der Glaube an die eigene Allmacht scheint ungebrochen zu sein.

Ferner wird dargestellt, dass westliche Politik lieber auf Konfrontation als auf Kooperation setzt, und dass sie wenig Bereitschaft erkennen lässt, aus eigenen Fehlern zu lernen. So wird gefragt, ob beispielsweise der „Krieg gegen den Terror“ Al-Quaida oder die Taliban geschwächt oder gar besiegt hat. Das Gegenteil ist der Fall – beide sind gestärkt daraus hervorgegangen. Fakt ist, dass die USA seit 2001 in sieben mehrheitlich muslimischen Ländern militärisch interveniert oder sie mit Drohnen angegriffen haben. Wahllos tötende Killerdrohnen setzen sie gerade heute ein, wie zum Beispiel in Pakistan, aber sie führen keine offenen Kriege mit Bodentruppen mehr.

Dies alles wird in dem vorliegenden Buch gut, in leicht verständlicher Sprache und vor allem sehr kenntnisreich vermittelt. Der Cover-Text lautet dazu: „Michael Lüders beschreibt die westlichen Interventionen im Nahen und Mittleren Osten und zeigt die desaströsen Folgen, darunter Terror, Staatszerfall und der Siegeszug islamistischer Milizen. Sein neues Buch liest sich wie ein Polit-Thriller – nur leider beschreibt er die Realität.“

 

2. Das „Bremer Friedensforum“ hat eine Presseerklärung mit „kritischen Fragen zum ‚Reinhart-Koselleck-Projekt‘ an der Universität Bremen“ veröffentlicht: „Haben Militär und Wehrpflicht zur Herausbildung des Wohlfahrtsstaates beigetragen? Wenn ja, in welchem Umfang? Diesen Fragen will Professor Herbert Obinger in dem Projekt ‚Wehrpflicht, Militär und Wohlfahrtsstaatsentwicklung in Europa‘ nachgehen. Ermöglicht wird diese Forschung mit einem ‚Reinhart-Koselleck-Projekt‘, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft dem Bremer Uni-Professor genehmigt hat. Die DFG stellt der Universität Bremen knapp eine Million Euro zur Verfügung.

Das ‚Bremer Friedensforum‘ hat sich mit kritischen Fragen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft zum Forschungsprojekt gewandt: Warum wird der Zusammenhang von Militär und Sozialpolitik gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt thematisiert, wo Tausende deutscher Soldaten im Kriegseinsatz sind? Soll der Eindruck entstehen, dass wir den Sozialstaat dem Militär verdanken? Soll auf diese Weise das Image der Bundeswehr verbessert werden, um Berufssoldatinnen und -soldaten für vermehrte Auslandseinsätze anzuwerben?

Kriege haben nach Ansicht des ‚Bremer Friedensforums‘ Not und Elend zur Folge, sie hinterlassen Witwen und Waisen, kriegsversehrte Krüppel und Traumatisierte, Flüchtlinge und Vertriebene. Diese Schreckensfolgen von Kriegen könnten zwar nicht wieder gutgemacht, aber durch Sozialpolitik etwas gelindert werden. Das zu ‚erforschen‘, hält das ‚Bremer Friedensforum‘ für ‚Humbug‘ und vermutet im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt ‚Wehrpflicht, Militär und Wohlfahrtsstaatsentwicklung‘ die Verschleuderung von Steuergeldern.

Ein sinnvolleres Forschungsprojekt wäre nach Ansicht des ‚Friedensforums‘, die Bedeutung der Gewerkschaften, der Kirchen, der Organisationen der Arbeiterbewegung und der Kriegsgegner bei der Entstehung und Ausgestaltung des Sozialstaats zu untersuchen. ‚Soll deren bedeutende Rolle in der Wohlfahrtsgeschichte verschleiert und der Krieg wieder einmal als „Vater aller Dinge“, also auch der Sozialpolitik, gefeiert werden?‘, fragt das ‚Bremer Friedensforum‘ die ‚Deutsche Forschungsgemeinschaft‘. ‚Warum wird nicht erforscht, weshalb Kriege geführt werden, und was zu tun ist, um die Kriegsursachen zu bekämpfen?‘ Das ‚Bremer Friedensforum‘ erwartet Antworten von der DFG, aber auch eine Stellungnahme der Universitätsleitung und der Bremer Senatorin für Wissenschaft.“

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz