Das Jahr 2015 hat weltweit neue Temperaturrekorde aufgestellt und das „Rekordjahr“ 2014 abgelöst. Noch nie seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen im Jahr 1880 war ein Jahr im Durchschnitt wärmer. Die gravierenden Auswirkungen zeigen allein die Ereignisse im Dezember: Am Nordpol ist es bis zu 50 Grad wärmer als sonst in dieser Jahreszeit. Schon jetzt liegen die Temperaturen knapp über Null. Das beschleunigt die Eisschmelze ungeheuer.
In den vier größten Städten Italiens wurde eine so hohe Feinstaubkonzentration gemessen, dass der Autoverkehr eingestellt werden musste. Starker Smog macht den Menschen in Peking und in vielen anderen Städten Nordchinas seit Tagen das Atmen fast unmöglich. 8,5 Grad wurden an Heiligabend in Moskau gemessen, fast vier Grad mehr als der bisherige Höchstwert. Die Folgen für Flora und Fauna sind dramatisch. In den USA herrschen sommerliche Temperaturen im Osten, Tornados im Süden, Winterstürme im Westen.
Bei Überschwemmungen in mehreren Ländern Südamerikas kamen acht Menschen ums Leben, mehr als 150.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Buschbrände zerstörten im Süden Australiens weit mehr als 100 Häuser. Erneut kämpft der Norden Großbritanniens mit katastrophalen Überschwemmungen, teilweise fiel in verschiedenen Orten tagelang der Strom aus. Dauerregen seit dem zweiten Weihnachtstag setzte auch in Dänemark zahlreiche Straßen und Wohnungen unter Wasser.
Die Berichterstattung in den großen Medien reißt all diese Erscheinungen aus ihren Zusammenhang, verharmlost ohne Ende und blendet die Ursachen aus. Da berichtet der Wetteransager mit Weihnachtsmütze aus dem Freibad, aber diese Wetterextreme sind überhaupt nicht lustig. Stets gibt es auch Stimmen, die behaupten: „Das gab es doch schon immer.“ Es wird massiv versucht, die Dramatik der Erderwärmung herunterzuspielen und die Hauptverursacher aus der Schusslinie zu nehmen.
Es ist vor allem der ungebremste Ausstoß von Treibhausgasen durch Industrie und Verkehr, der zu tiefgehenden Veränderungen in der Erdatmosphäre führt. Da die Erderwärmung in den arktischen Gebieten doppelt so hoch ist wie im Durchschnitt, werden die Temperaturunterschiede zwischen den Klimazonen geringer. Laut „Potsdamer Institut für Klimaforschung“ destabilisiert dies zunehmend die Jetstreams, die maßgeblich für die Wetterentwicklung verantwortlich sind.
„Das Meereis verschwindet rapide. Im Vergleich zu vor 30 Jahren ist es um 80 Prozent zurückgegangen, ein dramatischer Verlust. Die Eisschmelze beeinflusst den Jetstream und führt zu den extremen Wettern, die wir in mittleren Breiten erleben. Sie ermöglicht der kalten arktischen Luft, viel weiter nach Süden zu gelangen“, sagt Jennifer Francis vom Rutgers Institute of Coastal and Marine Science. Deshalb erleben wir gerade einen Wintereinbruch, der die Temperatur innerhalb von zwei Tagen um 15 Grad fallen ließ.
Die neuen Klimarekorde werfen ein Schlaglicht auf die Heuchelei und den Bankrott der herrschenden Klimapolitik. Die Klimakonferenz in Paris hat keine einzige der dringend notwendigen Sofortmaßnahmen beschlossen. Die unverbindlichen „Selbstverpflichtungen“ der nationalen Regierungen laufen auf eine Erwärmung über drei Grad hinaus. Deshalb ist angestrebte „Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 bis zwei Grad“ eine Farce. Sie bedeutet in Wirklichkeit die Inkaufnahme des Übergangs in die globale Klimakatastrophe.
Die aktuelle Entwicklung unterstreicht, wie dringend notwendig der weltweite aktive Widerstand zur Durchsetzung von Sofortmaßnahmen ist: Schnelles und vollständiges Ersetzen fossiler Brennstoffe durch regenerative Energien! Energiegewinnung vor allem aus Sonne, Wind, Wasser und Bioabfällen! Senkung der Treibhausgas-Emissionen um 70 bis 90 Prozent bis zum Jahr 2030!
1. Weihnachten und Silvester liegen hinter uns, das neue Jahr 2016 hat begonnen. Mit der „Erhöhung“ des ALG-II-Satzes für eine(n) Alleinstehendende(n) um entwürdigend magere fünf Euro und des Kindergeldes um beschämend traurige zwei Euro in diesem reichen Land kann sich selbstredend nichts an der schmählichen Situation auch von immer mehr Berufstätigen verändern, die mit ihren kümmerlichen Einkommen nur äußerst knapp die eigenen Lebenshaltungskosten und jene ihrer Kinder irgendwie tragen können sollen. Zum Jahresende, in der Adventszeit, erregen diese Missstände stets das Mitleid derer, denen es besser geht, und immer häufiger erreichen Anträge solcher Familien die „Weser-Kurier-Weihnachtshilfe“.
Da reihen sich dann die verschiedenen, bedauernswerten Schicksale der Familien aneinander, die alle eint, unter akutem und zugleich chronischen Geldmangel zu leiden. Auch wenn ihnen zum Weihnachtsfest noch ein Zusatzbeitrag geschenkt wurde, um sich davon eigentlich selbstverständliche Dinge wie neue Schuhe, Kleidung und Winterjacken kaufen zu können, müssen sie in den verbleibenden elf Monaten des Jahres sehen, wie und womit sie über die Runden kommen. Weil nur jeder zweite Arbeitnehmer Extrageld zum Fest bekomme, forderte „Die Linke“ ein Weihnachtsgeld für alle. Es solle mindestens die Hälfte des persönlichen Monatseinkommens betragen und damit auch für Erwerbslose gelten, wonach diesen nach dem 2015 geltenden Regelsatz 199,50 Euro zustünde.
Katja Kipping verlangt von der Bundesregierung, ein echtes Zeichen zu setzen und so einen handfesten Beitrag für mehr soziale Gerechtigkeit zu leisten, anstatt in Weihnachtsansprachen an mehr Mitgefühl und Nächstenliebe zu appellieren. Weil es zusätzlich für zunehmend mehr Menschen nur Beschäftigungsmöglichkeiten im Niedriglohnsektor gibt, wird deren Situation im „abgehängten Prekariat“ nur zementiert, sodass am Ende des Geldes fast immer noch ganz viel Monat übrig ist. Alleinerziehende und Pflegende von Familienangehörigen sind so doppelt gestraft. Allerdings liegt dies kaum an den Familien selbst, sondern an der neoliberalen, unsozialen Politik, die sich nicht darum kümmert, dass es einen anständigen Mindestlohn, ein echtes Grundeinkommen, eben eine Grundsicherung gibt, die diesen Namen verdient. In unserem reichen Land ist genug Geld für alle da – wenn denn auch mal die Reichen so zur Kasse gebeten würden wie der große Rest der Bevölkerung!
Selbst aus einer Berechnung des DGB geht hervor, dass die Hartz-IV-Regelsätze zwar zum Jahresanfang ein wenig steigen, doch den Bezieher(inne)n unter dem Strich sogar deutlich weniger als zur Einführung der neuen Transferleistung durch Rot-Grün im Jahr 2005 bleibt, denn während die Preise für Nahrungsmittel um 24,4 Prozent kletterten, stiegen die Regelsätze von 2005 bis 2015 nur um schlappe 15,7 Prozent an. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kritisiert, dass sich trotz guter Konjunktur die Spaltung zwischen Oben und Unten noch weiter vergrößert habe. Damit würde ein Teil der Gesellschaft, darunter überproportional viele Kinder, von der allgemeinen Wohlstandsentwicklung abgehängt. Buntenbach fordert, die Bundesregierung dürfe bei der Neubestimmung des sozio-kulturellen Existenzminimums ab 2017 die Regelsätze nicht weiter kleinrechnen: „Die Sicherung des Existenzminimums ist ein Verfassungsauftrag und keine Frage fiskalpolitischer Opportunität.“
Die Parteivorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, warf der Bundesregierung vor, den Regelsatz mit statistischen Tricks gezielt nach unten gerechnet zu haben. Sie stellte fest, dass ein Leben in Menschenwürde, wie es das Grundgesetz verlangt, für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, so immer weniger möglich sei. Kipping verlangte eine Neuberechnung der Regelsätze und die Berücksichtigung der Preisentwicklung bei den Anhebungen. Auch der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ hatte der Bundesregierung Tricksereien bei der Festlegung der Hartz-IV-Sätze zulasten der Empfänger vorgeworfen.
Das „Erwerbslosenforum Deutschland“ riet in einem Newsletter den Hartz-IV- und Sozialhilfebezieher(inne)n, Widerspruch gegen die Bescheide ab 1. Januar 2016 einzulegen, weil die Bundesregierung die jährliche Anpassung der Regelleistung nicht gesetzeskonform vorgenommen hat. Ich befürchte, dass sich an der prekären Situation so vieler Menschen erst dann etwas Entscheidendes verändern wird, wenn es endlich ein angemessenes, bedingungsloses Grundeinkommen gibt!
2. Manchmal stehen mir beim Zeitunglesen wirklich die Haare zu Berge. Ist es denn zu glauben: Da schrieben doch wirklich Beschäftigungsträger vom „Verbund arbeitsmarktpolitischer Dienstleister in Bremen“ einen Offenen Brief an Bürgermeister Sieling, dass 200 Jobs, äh: Beschäftigungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose „in Gefahr“ seien! Dabei haben sie die Unterstützung von mehreren Stadtteilpolitikern und den Trägern der freien Wohlfahrtspflege. Es ist sogar die Rede von einem „Skandal“ und dass das Auslaufen der „Förderung“ ein „falsches politisches Signal“ sei. Man höre und staune: Wenn diese 200 Stellen für Langzeitarbeitslose verschwänden, würde Menschen nämlich die „Möglichkeit zur sozialen Integration und ein Teil ihrer Würde“ genommen.
Peter Dorlöchter von „Vadib“ beschwert sich, dass Carsten Sieling zwar die „Stärkung eines sozialen Arbeitsmarktes“ ankündigte, aber keine Umsetzung davon einleite. Schließlich seien der Wegfall sozialer Angebote in den Stadtteilen und der Wegfall von Stellen für Langzeitarbeitslose kontraproduktiv, wenn Armut bekämpft werden solle. Natürlich sei für die Langzeiterwerbslosen „vor allem auch eine feste Tagesstruktur“ so wichtig, wie morgens zur Arbeit zu gehen und gebraucht zu werden. Das sei gerade für diejenigen wichtig, die es schwer hätten, eine normale Stelle auf dem freien Arbeitsmarkt zu finden, deshalb gebe es ja öffentlich geförderte Stellen für Langzeitarbeitslose. Laut Dorlöchter arbeiten rund 200 bis 220 Langzeitarbeitslose als „bezahlte Ehrenamtliche“ in Stadtteil-Einrichtungen und seien dort zum Beispiel 30 Stunden pro Woche im Einsatz. Sie können sich dadurch neben dem Bezug von Hartz IV anrechnungsfrei bis zu 200 Euro dazuverdienen.
Meine Güte, welche Märchen sollen uns denn hier noch aufgetischt werden, weil niemand eingestehen mag, dass es anständig bezahlte Arbeit als echte Stellen, nicht nur Dumpinglohn-Jobs, eben nicht für alle gibt? Stattdessen wird lieber so getan, als liege es an den Probanden selber: Sie bräuchten eine „Tagesstruktur“, ohne die sie wohl dem Alkohol verfallen könnten. Mit dem Wegfall dieser sie ausbeutenden „Stellen“ würde ihnen die Möglichkeit zur sozialen Integration und ein Teil ihrer Würde genommen? Armut wird „bekämpft“, indem 200 bis 220 Langzeiterwerbslose als „bezahlte Ehrenamtliche“ in Stadtteil-Einrichtungen arbeiten und dann für eine 20- oder 30-Stunden-Stelle anrechnungsfrei bis zu 200 Euro dazuverdienen dürfen? Nein, wie großzügig! Ich müsste lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Das ist doch kein Lohn, sondern eine bloße Aufwandsentschädigung!
Armut bekämpfen, die erst durch die Schaffung der menschenverachtenden Hartz-Gesetze so herzallerliebst erblühen und sich in ihrer asozialen Gänze entfalten durfte? Nicht der Wegfall solcher Stellen für Langzeitarbeitslose ist kontraproduktiv, um Armut zu bekämpfen, sondern die Schaffung von Hartz IV durch die rot-grüne Bundesregierung, von CDU und CSU vollmundig unterstützt! Außerdem vermag ich mir so viel Altruismus der Beschäftigungsträgern gar nicht vorzustellen. Was beunruhigt sie denn nun wirklich: der Wegfall ihrer Förderung durch öffentliche Mittel oder tatsächlich der mögliche Verlust der Stellen für die Langzeiterwerbslosen? Warum gibt es Arbeit für Erwerbslose nur umsonst? Weshalb entschwinden die Profite aus deren kostenloser Arbeit in den tiefen Taschen der Leitungen größerer Unternehmen?
War oder ist Peter Dorlöchter nicht auch Geschäftsführer der „Gröpelinger Recycling-Initiative“, wo viele Ein-Euro-Jobber(innen) „beschäftigt“ sind oder waren? Ist er nun auch noch Geschäftsführer der „Ökonet gGmbH“, einem weiteren Beschäftigungsträger? Süßer die Kassen nie klingelten! Ist es nicht eher zu brandmarken, ja als eigentlicher Skandal zu sehen, dass diese im Artikel als so wertvoll beschriebenen Jobs öffentlich gefördert werden und über Träger laufen müssen? Wieso werden die ehemaligen Langzeiterwerbslosen nicht unbefristet und mit anständigem Gehalt auf dem ersten Arbeitsmarkt eingestellt? Dadurch könnten auch die sicherlich großzügig bemessenen Gehälter für die Beschäftigungsträgerpersönlichkeiten einfach wegfallen!
3. Am Wochenende verband Horst Seehofer zum ersten Mal seine Forderung nach einer „Obergrenze für Flüchtlinge“ mit einer konkreten Zahl: Er behauptete, höchstens 200.000 Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge pro Jahr seien „verkraftbar“. „N-TV“ kommentiert, es sei interessanter, was er im „Bild“-Interview verschweige, weil eine Zahl noch nichts ändere: Es komme auf die Methoden der Durchsetzung an. Wie Seehofer seine „Obergrenze“ durchsetzen wolle, deutet er nur mit der Bemerkung an, die Menschen, die zu uns kämen, hätten bereits mehrere Länder durchquert, in denen sie nicht verfolgt worden seien. Damit spielt er natürlich auf die „Dublin-III“-Verordnung an, die bestimmt, dass derjenige EU-Staat für einen Flüchtling zuständig ist, den dieser zuerst betritt. Damit war Deutschland jahrelang fein raus.
Seehofer weiß, dass dieses System angesichts der Bürgerkriege in Syrien, im Irak und in Afghanistan nicht mehr funktioniert. Will er mit seiner „Obergrenze“ nicht eigentlich faktisch das Asylrecht abschaffen und die Genfer Flüchtlingskonvention außer Kraft setzen? Der Frage, was denn „christlich“ und „sozial“ daran sei, Kriegsflüchtlingen die Zuflucht zu verweigern, weicht er mit der Gegenfrage aus, wie Deutschland „ganz allein die Flüchtlingsprobleme der Welt lösen“ solle. Ja, brauchen wir überhaupt noch „christliche“ und „soziale“ Werte, sind sie nicht überflüssig geworden? Warum sollte Deutschland alle Flüchtlinge aufnehmen, wenn die zum Beispiel bloß „Wirtschaftsflüchtlinge“ sind?
Wenn Deutschland Waffen in die Kriegsgebiete ihrer Heimatländer verkauft, dann sollen sie sich halt anpassen und mitspielen bei „Räuber und Gendarm“ oder „Cowboy und Indianer“, das kann doch so schwer nicht sein! Wenn ihre Länder wegen des Klimawandels ständig unter Wasser stehen, sollten sie dann nicht besser Haltung bewahren und dableiben, sich Gummistiefel kaufen oder schwimmen lernen? Als Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg alle seine Flüchtlinge in den zerbombten Städten aufnehmen musste, da konnten die wenigstens Deutsch. Vielleicht könnten profunde Deutschkenntnisse als Einwanderungsbedingung Seehofers „Obergrenzen“ ablösen, und das Flüchtlingsproblem erledigte sich von selbst. Ironie aus!
1. Alles Gute für 2016, auch von mir! Wir werden weiterhin unsere Meinung kundtun und damit die Möglichkeiten der Demokratie nutzen. Im abgelaufenen Jahr waren erneut Forderungen nach der Abschaffung des Wahlrechts für Leistungsbezieher erhoben worden. Aussichtslos? Nur wenn die Leistungsbezieher die Möglichkeiten der Demokratie aktiv nutzen: Einfach wählen gehen und zwischen den Wahlen die Veranstaltungen besuchen, in denen es um ein soziales Miteinander geht und alles, was euch interessiert und berührt!
Auch die Abgeordneten müssen sehen: Hoppla, sozial ist besser! „Die Wahl ändert doch sowieso nichts“? Für eine Veränderung durch Wahlen gibt es aktuelle Beispiele: Polen mit klarer Einschränkung, Kanada mit klarer Stärkung der Demokratie. Die Berichterstattung über die Veränderungen in Polen läuft zeitnah über unsere Medien, doch die vielversprechenden Veränderungen in Kanada sind dort selten Thema.
Zum Ende seines Jahresrückblicks „Tilt! Tschüssikowski 2015“ wurde die neue Regierung von Kanada von Urban Priol gelobt: Alle Bevölkerungsgruppen wurden eingebunden und Minister ernannt, die mit dem Aufgabenbereich auch vertraut sind, also Fachleute. Einfach sehenswert! Diese Regierung Kanadas ist bereit, über das Freihandelsabkommen mit der EU neu nachzudenken, sie ist gesprächsbereit! Nutzen wir diese Möglichkeit?
2. Wie kann es sein, dass die Verwaltung der Freien Hansestadt Bremen ihren Leistungsbezieher(inne)n monatlich rund 300.000 Euro Erstattung für die Kosten der Unterkunft vorenthält? Bremen steht eigentlich für den ehrlichen und ehrbaren Kaufmann, doch ein Gerücht lauert auf den Fluren: „Wenn wir denen zu viel zahlen, müssen wir mit einer Zahlungsaufforderung und Schadenersatzklage der Bundesregierung rechnen“. Eine faustdicke Lüge, aber mit Folgen!
Die Tatsache: Der Bund vergütet den Kommunen einen festen Prozentsatz an den Ausgaben für die Kosten der Unterkunft, also die Miete der SGB-II-Leistungsbezieher(innen). Zwischen 2005 und 2008 hat der Rechtsvorgänger des Jobcenters Berlin in Kostensenkungsaufforderungen eine Frist von zwölf Monaten eingeräumt, obwohl im Gesetz sechs Monate festgelegt wurden. Diese sechs Monate können vom Amt bei Nachweis einer erfolglosen Anstrengung auch mehrmals um je sechs Monate verlängert werden. Berlin hat von vornherein die Frist auf zwölf Monte festgelegt und damit einen Verstoß gegen die diesmal klare Formulierung im SGB II begangen. Berlin wurde vom Bund daraufhin auf Schadenersatz verklagt.
Das Verfahren wurde vor dem Bundessozialgericht geführt (Aktenzeichen B1 AS 1/08 KL vom 15. Dezember 2009): „Mit Wirkung vom 1.10.2005 erließ er Ausführungsvorschriften, wonach im Sinne eines Jahresbestandsschutzes nicht angemessene Kosten der Unterkunft zunächst für das gesamte erste Jahr des Leistungsbezugs in tatsächlicher Höhe übernommen werden sollten (Nummer 4 Absatz 3 der Ausführungsvorschriften Wohnen). Dieser Bestandsschutz sollte es Leistungsbeziehern ermöglichen, sich im ersten Jahr ihres Leistungsbezuges vollständig auf die Arbeitsuche und nicht auf die Suche nach einer angemessenen Wohnung zu konzentrieren, so die ursprünglichen Einlassungen des Beklagten gegenüber der Klägerin“ (siehe auch die lfd Nr. 46 und 47 der Entscheidung).
Gegenstand des Verfahrens war die Fristüberschreitung, nicht die Höhe der Kosten der Unterkunft, auch wenn die Mietobergrenzen der damaligen „Ausführungsvorschriften Wohnen“ in Berlin insgesamt zu niedrig waren, wie die normalen Sozialgerichtsverfahren ergaben. Für den „Bremer Flurfunk“ reicht dieses Gerücht, um die Leistungsbezieher ungestraft weiterhin zu übervorteilen. Normalerweise würden diese Verantwortlichen jede Unterstürzung verlieren, doch solche Ablenkungsmanöver retten sie bisher. Wie sehr und auf welche Weise in Bremen die Kosten der Unterkunft, also die erstattungsfähige Miete kleingerechnet wurde, siehe 549. Bremer Montagsdemonstration.
Der Eigenanteil von über 300.000 Euro allein im Monat August fehlt in der Haushaltskasse der Leistungsbezieher und in der Ladenkasse des Einzelhandels in Bremen. Wer einen Eigenanteil zur Miete zahlt, kann einen rückwirkenden Antrag auf Überprüfung ab 1. Januar 2015 stellen. Wie dies geht? Nachlesen bei den vorherigen Bremer Montagsdemonstrationen oder einfach vorbeikommen! Wer nicht selbst betroffen ist, merkt nichts davon. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist in diesem Punkt wenig bekannt und lädt auch nicht gerade zum Stöbern ein. Anderen Quellen über die Findung der Mietrichtwerte sind lesbarer, aber die Auswirkung steht da nicht, ebenso wenig im Armuts- und Reichtumsbericht des Senats der Freien Hansestadt „Lebenslagen im Land Bremen 2015“.
Auf Seite 155 steht über die ab 1. Januar 2014 gültige Verwaltungsanweisung Wohnen: „Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 SGB II und § 35 SGB XII in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Grundlegend sind Hilfebedürftige in die Lage zu versetzen, ihr elementares Grundbedürfnis Wohnen zu angemessenen Bedingungen zu befriedigen. Darüber hinaus wurden die Vorgaben zur Ermessensausübung verbessert. Bisher wurden schon Regelungen getroffen, um in besonderen Einzelfällen Unterkunftskosten auch über den Richtwert hinaus übernehmen zu können.“ Wo sind diese Vorgaben nachlesbar? Die Sachbearbeitung macht von ihren Ermessensspielräumen weisungsgebunden keinen Gebrauch!
Auf Seite 161 heißt es: „Der Wohnungsmarkt ist nach einer vorübergehenden Stabilisierung im vergangenen Jahrzehnt wieder angespannt. Der Nachfrageüberhang hat sich insbesondere bei preiswerten Wohnungen deutlich erhöht. Insbesondere ist die Versorgungslage von einkommensschwachen Haushalten mit preiswertem Wohnraum noch nicht ausreichend.“ Auf Seite 162 steht unter „Maßnahmen“ die „Bedarfsgerechte Festlegung der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft nach dem SGB II und SGB XI“. Wer diese Formulierungen liest denkt, alles sei in Ordnung.
3. Ab Seite 163 steht über die Gesundheit: „Der Zusammenhang zwischen Armut und gesundheitlicher Lage ist im ersten Armuts- und Reichtumsbericht beschrieben worden (ab Seite 139). Zahlreiche Studien haben nachgewiesen, dass Menschen in finanzieller Armut erhöhten gesundheitsbezogenen Risikofaktoren ausgesetzt sind, häufiger an gesundheitlichen Einschränkungen und Erkrankungen leiden und früher sterben als wohlhabendere Menschen.“
Die Armen und Erwerbslosen werden im Jobcenter „negativ bearbeitet“: Wenn klar ist, dass eine Vermittlung in Arbeit unwahrscheinlich ist (meist weil keine Arbeitsplatzangebote vorliegen), wird in Richtung Krankheit gedrückt. Wer aus gesundheitlichen Gründen aus der Statistik ausscheidet, gilt als erfolgreich in Arbeit vermittelt, und der Fallmanager hat sich seinen Zielvorgaben genähert. Krankheit und Beeinträchtigungen mussten auch zur Begründung bei der Zuweisung in einen Ein-Euro-Job herausgestellt werden.
Fallmanager können nur auf die vorhandenen Stelleangebote vermitteln. Dies wurde besonders betont, als Bilanz über den „Erfolg der Joboffensive“ gezogen wurde: Die Ziele wurden bei Weitem nicht erreicht und gerade so die Kosten eingespielt. Als Begründung folgte die nüchternde Beschreibung der Arbeitsmarktsituation in Bremen. Die Sanktionen wurden um über 20 Prozent gesteigert. Dieser so gesparte Betrag deckte die erhöhten Personalkosten durch die „Joboffensive“ in Bremen. Nun wird das Personal des Jobcenters Bremen um 100 Mitarbeiter(innen) aufgestockt, die Bundesagentur für Arbeit erhält zehn bis 15 „Neue“, so der „Weser-Report“ vom 3. Januar 2016 (Seite 2).
Rund 1,2 Millionen Euro hat das Jobcenter in zwölf Monaten sanktionsbedingt weniger ausgezahlt. Der Geldmangel ist für die Betroffenen hart und hat Nachwirkungen, die weit über den Sanktionszeitraum hinausreichen! Der Umfang der Sanktionen und die Gründe dafür sind in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit „Deutschland nach Ländern und Kreisen“ nachlesbar. Die Sanktionen reduzieren das Existenzminimum! Dass die Sozialgerichte Gotha und Dresden Zweifel angemeldet haben und das Bundesverfassungsgericht die Sanktionspraxis nun prüfen soll, ist für Regierungspolitiker scheinbar kein Grund, etwas an der Gesetzgebung zu ändern.
Der DGB hat zu den Sanktionen Stellung bezogen. Auf Seite 3 steht: „Sanktionen haben nach Auffassung des DGB (nur) dann eine Berechtigung, wenn eine zumutbare und sinnvolle Verpflichtung der Arbeitsuchenden durch eigenes Verschulden ohne wichtigen Grund nicht erbracht wurde. Dies setzt aber voraus, dass zunächst auch ein sozialstaatlich zumutbares Angebot, sei es Arbeit oder eine Eingliederungsmaßnahme, gemacht wurde. Gerade hieran mangelt es jedoch in vielen Fällen in der Praxis. Dort werden Mitwirkungspflichten eher schematisch eingefordert und kontrolliert. Daraus entsteht erheblicher Verwaltungsaufwand und eine Ursache für viele Rechtsstreitigkeiten, wodurch wiederum erhebliche Verwaltungskapazitäten gebunden werden.“
Weil die Jobcenter genau diese Voraussetzung nicht erfüllen, sind Sanktionen Unrecht. Die vorstehenden Zeilen bieten die Begründung, um sich gegen die Sanktionen zu wehren. Ein Überprüfungsantrag ist rückwirkend zum 1. Januar 2015 möglich. Wie dies geht? Nachlesen auf unseren Seiten oder einfach vorbeikommen! Der Gesetzgeber hat die Änderungen des SGB II zur bisherigen Sanktionspraxis noch nicht verkündet. Es ist noch Zeit für die Politiker nachzudenken!
Die „Junge Welt“ hat unter dem Titel „Von Armut distanziert“ über Jugendliche auf der Straße und andere Erfahrungen mit den Jobcentern berichtet: „Jugendliche ohne Obdach, ohne Ausbildung, ohne Hilfe, die in Parks und an Großstadtbahnhöfen betteln: Dass mindestens 50.000 Untersiebenundzwanzigjährige, darunter etwa 21.000 Minderjährige, in Deutschland davon betroffen sind, schätzte im Juni das Deutsche Jugendinstitut in einer Studie.“
Weiter: „Julian K. findet solche Debatten demütigend. Seit sieben Jahren erlebt er, was Hartz IV bedeutet. Obwohl seine Mutter stundenweise als Kassiererin arbeite, werde sie immer wieder zum Amt beordert. Auch ihn lädt das Jobcenter, seit er 15 ist, alle paar Monate vor, ‚mitsamt Sanktionsdrohung‘. Mit seinen früheren Schulfreunden kann er nicht mithalten, er hat die meisten Kontakte abgebrochen, denn für alles fehlt das Geld, ob Führerschein oder Geburtstagsfeiern.“
Die Überschrift stellt auch fest: „Bundesregierung negiert soziale Verwerfungen und zündelt mit Faulheitsdebatten“. Diese Faulheitsdebatte soll auch in Bremen Unfähigkeit im Amt überlagern. Erfunden wurde der „nicht arbeiten wollende Erwerbslose“. Er ist neu. Ich habe in über zehn Jahren Montagsdemonstration und Vereinsarbeit mit „so:leb“ viele Erwerbslose kennengelernt, aber ich kenne keinen Menschen, der arbeitsunwillig ist.
Über 75 Prozent der Sanktionen werden wegen Terminversäumens verhängt. Der Mensch erhält eine „Einladung“ mit normalem Brief, nicht per Einschreiben. „Einladungen“ werden aber erst wirksam, wenn sie den Empfänger erreicht haben: Der Mensch muss den Empfang der „Einladung“ zugeben, um diese Sanktionen zu erleiden. Gibt es einen besseren Beweis für die Ehrlichkeit der armen Menschen? Wie sich manche Millionäre verhalten, zeigt sich bei der Mehrfacherstattung von Kapitalertragsteuer. Das ist kein Versehen: Mit Absicht wird der Erstattungsantrag mehrfach gestellt.
4. Seit dem 1. Januar 2016 gibt es im SGB-II-Leistungsbezug keine Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse mehr. Auch Jugendliche ab 15 Jahren müssen sich für eine Krankenkasse entscheiden, oder das Jobcenter wählt eine aus. Dies ist eine weitere Besonderheit für die SGB-II-Betroffenen.
Auf Seite 4 der Arbeitsanleitung der „Caritas“ steht Näheres: Die Beiträge für die jetzt einzeln versicherten Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (früher: Familie) übernimmt das Jobcenter. Eine 100-Prozent-Sanktion beendet somit eventuell die Mitgliedschaft in der Krankenkasse. Auf Seite 5 wird diese Auswirkung beschrieben: „Bekommt er auf Antrag ergänzende Sachleistungen wie Lebensmittelgutscheine, ist er weiterhin versicherungspflichtig nach § 5 Absatz 2a SGB V, und es ändert sich an seinem Versicherungsschutz nichts.“
Das Jobcenter in Bremen gibt auch bei einer 100-Prozent-Sanktion Gutscheine nur auf Antrag aus. Der Bedarf wird auch nicht hinterfragt und angeboten. Für Privatversicherte ist alles anders, wie in der guten Anleitung der „Caritas“ nachlesbar. Wenn der Leistungsbescheid rückwirkend aufgehoben wird, müssen die Beiträge zur Krankenkasse an das Jobcenter erstattet werden, nach der Rechtsprechung zur Arbeitslosenhilfe auch dann, wenn ohne SGB-II-Bezug eine Familienversicherung möglich gewesen wäre. Nach meiner Meinung hilft eventuell ein vorsorglicher Antrag auf Familienversicherung bei der Krankenkasse.
5. Kurz noch in Dank an unsere lieben Mitstreiterinnen und Mitstreiter! Zu den aufgeworfenen Fragen: Unsere Beiträge waren früher auch auf der Website „Die Linke Bremen“ unter „Aktuelles“ zu lesen. Dann erfolgte gemäß Beschluss die Verschiebung zu „Debatte“. Wie dies gelaufen ist, möchte ich nicht aufwärmen. „Geboren“ wurde eine Verunsicherung. Unsere Beiträge waren damals unter „Aktuelles“ genauso „in der Überzahl“, so die mündliche Begründung, wie heute unter „Debatte“. Natürlich habe ich nichts gegen eine Rückkehr auf „Aktuelles“!
Damals waren auch unsere Termine unter „Termine“ nachzulesen, dann wurden sie nicht mehr eingetragen. Die mündliche Begründung lautete Überlastung. Ich habe aktuell um Eintragung gebeten, hilfsweise nur für Änderungen und Ergänzungen des Dauertermins. Am Donnerstag war ich in der Sitzung des Parteivorstandes „Die Linke“: Unsere Beiträge werden weiterhin „übernommen“, Weiterungen wird es nicht geben. Damit ist die Angelegenheit für mich geklärt. Ansonsten gehen uns leider die Themen nicht aus. Daher treffen wir uns immer wieder montags und hoffentlich mit weiterer Unterstüzung meiner Partei. Herzliche Grüße und alles Gute für 2016!
Weitere Informationen erhalten Sie durch Nutzung der Suchmaschine auf unserer Homepage, einfach mal ausprobieren! Die Beachtung der sozialen Auswirkungen wird immer zwingender. Wir arbeiten daran! Die Frage „Was kann ich machen?“ ist einfach zu beantworten: Wir haben auf dem Marktplatz noch viel Platz und ein Offenes Mikrofon. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und Erfahrung! Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!
An die Online-Redaktion der Bremer Linkspartei! Ich wundere mich über die Einschätzung, die Texte von Elisabeth und Hans-Dieter seien „keine Debattenbeiträge“. Ist „kein Debattenbeitrag“ einer, über den nicht debattiert wird? Liegt dann die Schuld dafür bei dem oder der Verfasser(in)? Hätte der Text „kontroverser“ sein müssen? Aber wäre er dann überhaupt auf eure Website gekommen?
Mein Eindruck ist, dass Hans-Dieter und Elisabeth nur gelegentlich und behutsam von eurer Parteilinie abweichen, wenn sie zum Beispiel hin und wieder mal die Forderung nach einem Grundeinkommen erheben, um das Existenzrecht jedes Menschen zu sichern. Insofern debattieren sie damit über den Forderungskanon der Linkspartei und liefern eben doch Debattenbeiträge, womöglich sogar notwendige.
Klar ist auch, dass nicht einfach „ins Blaue hinein“ debattieren darf, wer in der Politik ernst genommen werden will. Da muss erst einmal Aktuelles und Juristisches vorgetragen und erörtert werden, um den weniger gut Informierten den Sachverhalt zu verdeutlichen. Deshalb auf gute Zusammenarbeit im neuen Jahr! Es wirkt aber nicht sehr selbstbewusst, wenn eine Redaktion regelmäßig in nennenswertem Umfang zugeliefertes Material mehr versteckt als präsentiert.
Vielleicht habt ihr nur den Eindruck, die Überschrift der Rubrik sei nicht ganz passend, darin seien doch vor allem „Montagsdemo-Beiträge“ und keine „Debatten-Beiträge“. Ihr könntet euch an der Gestaltung von „Spiegel-Online“ orientieren, der seine Kolumnisten abwechselnd unter dem Punkt „Meinung“ auf der Startseite verlinkt, sich auf diese Weise gleichzeitig mit ihnen schmückt wie von ihnen distanziert und jederzeit die Möglichkeit hat, einen ihrer Artikel besonders herauszustellen, der „ins Schwarze“ trifft.