534. Bremer Montagsdemo
am 31. 08. 2015  I◄◄  ►►I

 

Eine Welle der Solidarität
mit den Flüchtlingen

Harald BraunDie Ströme Tausender Flüchtlinge quer durch Europa brechen nicht ab. Die kriminellen Methoden von Schlepperbanden fordern immer neue Opfer: 71 Flüchtlinge sind bei Wien im Laderaum eines Kühl-Lkw erstickt, etwa 50 unter Deck erstickte Menschen wurden auf einem mit 400 Flüchtlingen besetzten Schiff vor der libyschen Küste entdeckt. Dass ihre Verzweiflung trotzdem immer mehr Menschen in die Flucht treibt, trifft in breiten Teilen der Bevölkerung Europas auf eine Welle der Solidarität.

Das fängt schon in Griechenland, Italien oder Spanien an, wo viele Flüchtlinge nur deshalb überleben, weil die oft selbst von Armut betroffene einheimische Bevölkerung ihnen aufopferungsvoll hilft. Auf der griechischen Insel Kos, wo besonders viele Flüchtende von der Türkei kommend landen, versorgen Hoteliers in Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen wie „Solidarität Kos“ diese täglich mit Essen.

Auch in Deutschland bieten überall Menschen Flüchtlingen ihre Hilfe an – sei es bei ihrer Betreuung, beim Erlernen der deutschen Sprache oder bei der Vermittlung von Wohnungen. In Bremen herrscht vielerorts eine ausgesprochene Willkommenskultur: Am letzten Samstag organisierten 30 Personen in Pusdorf eine Willkommensparty für Flüchtlinge unterschiedlicher Herkunft, in der Neustadt findet am 5. September 2015 von 15 bis 19 Uhr ein Sommerfest in der Sankt-Pauli-Gemeinde statt (Große Krankenstraße 11).

Diese breite internationale Flüchtlingshilfe ist eine neue Erscheinung. In den Medien wird dagegen häufig nur über ultrarechte oder rassistische Stimmen berichtet, als ob die Mehrheit der Menschen den faschistischen Angriffen stillschweigend oder auch lautstark zustimme. Das verzerrt völlig das Gesamtbild. Tatsächlich gibt es eine Polarisierung in der Flüchtlingsfrage. Die Hauptseite ist dabei aber die breite und wachsende Solidarität mit den Geflüchteten.

Seit sich Til Schweiger öffentlich für Flüchtlinge engagiert, wird er in den „sozialen“ Medien mit Hasstiraden überzogen. Nun hat der prominente deutsche Schauspieler und Regisseur eine Stiftung gegründet, die sich für Schutzsuchende und Asylbewerber einsetzen will, vor allem für traumatisierte Kinder. Er kritisiert die Scharfmacher von der CSU und fordert ein härteres Durchgreifen der Polizei: „Wo Ausländerfeindlichkeit direkt in Aktion tritt, muss der Staat eben zwei Hundertschaften Polizei hinschicken.“

Die Heuchelei und Halbherzigkeit der Bundesregierung zeigt sich nicht nur in Heidenau, wo unter den Augen der Polizei der faschistische Terror gegen Flüchtlinge wüten konnte. Von Bundeskanzlerin Merkel war nach dem Straßenterror der Neofaschisten in Heidenau zunächst gar nichts zu hören. Erst als die Empörung in Deutschland immer größer wurde, sah sie sich am Rande ihres Treffens mit dem französischen Präsidenten Hollande zu einer halbherzigen Verurteilung genötigt. Diesen Montag hat sie mahnend ihre Stimme erhoben. Wir fragen uns aber: Warum werden die faschistischen Organisationen und ihre Propaganda nicht schon längst verboten, wie es auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens und des Grundgesetzes sofort möglich wäre?

Die Regierung unterscheidet zwischen politischen und „wirtschaftlichen“ Flüchtlingen. Diese Spaltung lehnen wir ab: Niemand flüchtet leichtfertig aus seiner Heimat und riskiert dabei sein Leben! Die große Armut und Not in vielen Ländern Afrikas und Osteuropas ist die Folge einer Zerstörung der dortigen Landwirtschaft durch das internationale Finanzkapital. Auch die Ausdehnung sogenannter sicherer Herkunftsländer durch die EU ist gegen Flüchtlinge gerichtet, denn damit wird das individuelle Recht auf Asyl außer Kraft gesetzt.

So können zum Beispiel politisch verfolgte Flüchtlinge aus Osteuropa gar kein Asyl mehr beantragen und sofort abgeschoben werden. Zur Solidarität mit den Flüchtlingen gehören für uns Hilfe und Schutz vor staatlicher Willkür und faschistischen Angriffen, gemeinsamer Kampf mit ihnen für soziale und politische Rechte hier in Deutschland und die Unterstützung des Kampfs für Freiheit, Demokratie und eine lebenswerte Zukunft in ihren Heimatländern!

Harald Braun
 

 

Prompt werden Flüchtlinge
und Kita-Beschäftigte
gegeneinander ausgespielt

1. Zumindest auf dem Papier gilt seit einigen Wochen in vier Bundesländern die sogenannte Miet­preis­bremse. Leider scheinen Verstöße dagegen an der Tagesordnung zu sein, und so zeigen sich die Mietervereine in Berlin und Hamburg enttäuscht. Der Hamburger Mieterverein vermutet sogar hinter jeder zweiten Wohnungsanzeige eine Missachtung der „Mietpreisbremse“.

Elisabeth GrafOffensichtlich wirkt das neue Gesetz nicht so, wie es sollte, wenn so häufig der Verdacht geweckt wird, die Vermieter hielten sich nicht an die Begrenzung. Obwohl Silke Gottschalk, Geschäftsführerin des „Deutschen Mieterbunds“ in Nordrhein-Westfalen, sich in Hinblick auf eine Wirkung der „Mietpreisbremse“ zuversichtlich zeigt, befürchtet sie jedoch, dass viele Mieter von ihrem Auskunftsanspruch gegenüber dem Vermieter keinen Gebrauch machen und sich einschüchtern lassen.

Seit die Länder für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt eine Preisbremse verhängen können, dürfen die Mieten in neuen Verträgen nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Nur Neubauten und umfassend modernisierte Wohnungen sind davon ausgenommen. Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, kritisiert als größtes Problem die Überprüfung der zulässigen Miete, weil die Mieter selbst kontrollieren müssen, ob sie zu viel zahlen, um ein überhöhtes Verlangen dann zu rügen.

Niemand wolle das Verhältnis mit dem Vermieter aufs Spiel setzen und dann womöglich nicht Recht bekommen. Erst wenn Vermieter verpflichtet würden, dem Mieter vor Vertragsabschluss Informationen über die ortsübliche Vergleichsmiete, Modernisierungen und zuvor verlangte Mieten vorzulegen, könne die „Mietpreisbremse“ wirksam werden. Kein Wunder, dass die Preise kaum sinken. Dagegen sei der Bundesverband von „Haus & Grund“ bereits auf der Suche nach einem Musterfall, um die „Mietpreisbremse“ juristisch überprüfen zu lassen.

 

2. Seit dem 1. Juni 2015 gilt nun endlich das Bestellerprinzip, wonach einen Mak­ler bezahlen muss, wer diesen bestellt hat. Jeder, der sich bisher darüber ärgerte, als Mieter die unglaublich hohe Courtage für die vom Vermieter bestellten Tätigkeiten der Makler bezahlen zu müssen, kann sich bestimmt vorstellen, dass manche Makler mit diversen Tricks das Bestellerprinzip zu umgehen versuchen, um die Kosten dennoch auf die Mieter abzuwälzen. Ich persönlich habe noch nie verstanden, wie der Aufwand für eine Annonce und ein paar Wohnungsbesichtigungen eine „Provision“ von zwei bis drei Monatsmieten rechtfertigen könnte.

Offenbar wird von Wohnungssuchenden etwa verlangt, rückwirkend einen „Suchauftrag“ zu unterschreiben, oder eine „Vertragsausfertigungsgebühr“ von mehreren Hundert Euro gefordert. Ganz schön dreist! Im Radio hörte ich vor ein paar Tagen einen Beitrag, wonach ein Mieter zum Schein auf die illegalen Forderungen eingehen könne, um die Wohnung zu bekommen und sich hinterher das Geld auf dem Rechtsweg wieder zurückzuholen.

 

3. Bei der Flüchtlingsdebatte in Deutschland werden nun weitere Register nach altem Muster gezogen und neue Fronten aufgemacht. Man höre und staune: Wegen der steigenden Ausgaben für Asylbewerber geben sich die Kommunen kompromisslos und behaupten, für höhere Gehälter von Kita-Beschäftigten sei kein Geld mehr da. Der Hauptgeschäftsführer des „Deutschen Städte- und Gemeindebunds“, Gerd Landsberg, kündigte an, den Gewerkschaften „schon wegen der großen Flüchtlingsbelastung keine Zugeständnisse“ zu machen und auch erneute Streiks nicht aufzufangen, was die Eltern finanziell voll treffen würde.

Landsberg schämt sich nicht dafür, an die Gewerkschaften zu appellieren, einen Zusammenhang zwischen der angespannten Finanzlage der Kommunen, unter anderem durch die hohen Kosten für die Flüchtlinge, und „unrealistischen Gehaltsforderungen der Kita-Beschäftigten“ zu erkennen und einzulenken. Ach ja, „wegen der Flüchtlinge“ können wir jetzt keine angemessene Entlohnung und Eingruppierung bekommen!

Genauso liegt es „an den Flüchtlingen“, dass der soziale Wohnungsbau schon seit Jahren brachliegt. Diese menschenverachtende neoliberale Politik setzt sich lieber für die gefüllten Portemonnaies der Wohlhabenden ein und versucht, die finanziell Schwächeren aufzuspalten und gegeneinander auszuspielen. Wie lange soll es eigentlich noch dauern, bis endlich der entscheidende Zusammenhang zwischen den bei uns Zuflucht und Hilfe suchenden Flüchtlingen und den deutschen Waffenexporten gesehen wird?

 

4. Eigentlich soll es ja so laufen, dass lange genug in die Sozialversicherung eingezahlt haben muss, wer Arbeitslosengeld bekommen will. Doch viele Beschäftigte schaffen das wegen prekärer Arbeitsverhältnisse nicht und stürzen gleich auf Hartz-IV-Niveau ab. Nach einer Auswertung des DGB sind mehr als ein Fünftel der Beschäftigten, die im ersten Halbjahr 2015 ihren Arbeitsplatz verloren haben, gleich zu Beginn ihrer Arbeitslosigkeit auf Hartz-IV-Zuwendungen angewiesen. Demnach erhielten viele Betroffene entweder gar kein Arbeitslosengeld oder nur derartig niedrige Leistungen, dass sie ergänzend Hartz IV beantragen mussten.

In einem Papier des Leiters der DGB-Fachabteilung Arbeitsmarktpolitik, Wilhelm Adamy, heißt es, der Weg vom Beschäftigten zum Hartz-IV-Bezieher könne sehr kurz sein, denn das soziale Auffangnetz der Arbeitslosenversicherung habe große Sicherungslücken. Viele der Betroffenen haben zwar gearbeitet und ein ganzes Jahr lang Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt, konnten dies aber nicht innerhalb der letzten zwei Jahre, der sogenannten gesetzlichen Rahmenfrist, schaffen, weil sie befristet oder unregelmäßig beschäftigt gewesen seien.

Vor allem Leiharbeiter sowie kurzfristig und prekär Beschäftigte kommen laut Adamy oft gar nicht in den Schutz der Arbeitslosenversicherung. Tja, wer vom Jobcenter in Dumpinglohnjobs gezwungen wird und dann von einem mickrigen Lohn popelige 60 Prozent ALG I bekommt, kann damit wohl nicht auskommen! Mit Inkrafttreten von Hartz IV im Jahre 2005 sollte das Sozialsystem vom Kopf auf die Füße gestellt werden, aber tatsächlich hat man es am Hals aufgehängt.

„Es wurden gesetzliche Regelungen geschaffen, die für die Betroffenen existenzbedrohend sind, gesetzliche Regelungen, die nichts anderes als Erpressungsszenarien sind, um lohnabhängig Beschäftigte in niedrige Löhne und Gehälter zu pressen. Das Ziel ist also nicht primär, Betroffene zu schikanieren, sondern Löhne zu drücken und bei Arbeitern und Angestellten die Angst zu erzeugen, ebenfalls in Hartz IV zu fallen und diese Schikanen selber erleiden zu müssen. Jobcenter sind also Garanten für Niedriglöhne und Betroffene von Hartz IV nur die Kulisse, mit der man zeigen kann, wie es jemandem ergeht, der sich gegen niedrige Löhne und befristete Beschäftigung wehrt. Damit hat die damalige rot-grüne Regierung unter Schröder und Fischer ein Angstsystem geschaffen, das es so in Deutschland noch nicht gegeben hat“, kommentiert das Fachportal „Gegen Hartz“.

Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen ließen sich solche Szenarien verhindern, wenn es vernünftig, im Sinne der Menschen, eingeführt würde. „Der Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann“, sagte der französische Schriftsteller, Maler und Grafiker Francis Picabia (1879 bis 1953).

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

Veranstaltung zum Antikriegstag am 1. September 2015
Veranstaltung zum Antikriegstag am 1. September 2015

Flüchtlinge werden instrumentalisiert: Wünscht sich die herrschende Klasse ein größeres Reserveheer an Jobsklaven, ist das der Politik Befehl („Junge Welt“)
 
Sie trinken gar keinen Alkohol: CSU-Herrmann warnt vor Flüchtlingsandrang
beim Oktoberfest („Oberbayerisches Volksblatt“)
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