530. Bremer Montagsdemo
am 03. 08. 2015  I◄◄  ►►I

 

Hartz IV ist auch
Mangelernährung per Gesetz

Elisabeth Graf1. Inzwischen schlagen auch Mediziner Alarm, weil in unserem reichen Deutschland Millionen von Erwachsenen und Kindern unter „verstecktem Hunger“ leiden müssen. Wer davon betroffen ist, spürt schon lange am eigenen Leibe, dass die Hartz-IV-Leistungen bei Weitem nicht dafür genügen, um sich aus ernährungswissenschaftlicher Sicht vollwertig und ausreichend zu ernähren. Gerade für Kinder sind die Folgen dafür fatal, weil aus der Mangelernährung Wachstums- und Entwicklungsstörungen sowie zum Teil schwere Krankheiten entstehen können.

Die gängige Meinung vieler selbsternannter Experten und Politiker lautet nur allzu gerne, dass in Deutschland niemand Hunger leiden müsse. Der Ernährungswissenschaftler Konrad Biesalski von der Universität Hohenheim mahnt hingegen, dass es nicht nur darum gehe, satt zu werden, sondern vor allem darum, ohne Nährstoffmangel gesund zu bleiben. Der Wissenschaftler bemängelt, dass viele Betroffene zu billigen Fertiglebensmitteln greifen müssten, wodurch aus Finanznot und wegen des zunehmenden Industrialisierungsgrades von Nahrungsmitteln eine Mangelernährung hervorgerufen werde.

In seinen Ausführungen verwies der Experte auf eingehende Studien der Welternährungsorganisation FAO, laut deren Erkenntnissen Vitamin- und Mineralstoffmangel Wachstumsstörungen und Krankheiten begünstigen. Abgesehen davon, dass betroffene Menschen unter diesen Mangelzuständen leiden würden, richtet Konrad Biesalski seinen Blick auch darauf, dass dieser Umstand volkswirtschaftlich schlecht sei, wenn die Betroffenen aufgrund der schlechten Entwicklung im späteren Lebensalter wieder soziale Leistungen wie Hartz IV benötigen.

Meiner Meinung nach liegt bei der heute vorherrschenden neoliberalen Politik der Fokus fast ausschließlich beim Thema Geld, und so wird hier doch ein Ansatzpunkt dargeboten, der nicht so schnell von der Hand zu weisen sein könnte. Weil die Regelsätze insgesamt viel zu niedrig bemessen sind, bezahlen die Betroffenen erst mal unumgängliche, nicht kürzbare Fixkosten wie Miete, Strom, Heizung, Monatskarte und Medikamente plus Zuzahlungen. Da die „Berechnungen“ für diese Posten utopisch zu niedrig sind, werden sie aus dem Geld fürs Essen „aufgerundet“. Oder wer kennt in der Realität eine Stadt, in der Transferleistungsbezieher eine Monatskarte für 25,14 Euro kaufen können, mit 33 Euro für Strom auskommen oder sich nur mit 1,52 Euro der Bildung verschreiben? Das Gleiche gilt, wenn ein Fahrrad repariert oder ein neues Paar Schuhe angeschafft werden muss.

Dann ist am Ende des Geldes oft noch ganz viel Monat übrig, und die Kinder bekommen zum Beispiel tagelang Weißmehl-Spaghetti mit Ketchup als Hauptspeise, Zuckerbrot oder Marmeladenbrot zum Frühstück, und eine Tüte Chips muss als Abendbrot herhalten. Mit einem Tagessatz für Essen und Trinken von insgesamt 2,79 Euro für Kinder unter sechs Jahren, von dem drei Mahlzeiten zubereitet werden sollen, ist nun auch kein Staat zu machen. Mitunter kotzen mich dann Buchtitel oder Sendungen an, wo der Regelsatz als „ausreichend“ propagiert und gern so getan wird, als müssten die Eltern nur mal ihre Alkohol- und Nikotinsucht bekämpfen, einen Kochkurs besuchen, dazulernen, wie mit Geld zu haushalten sei, und schon ginge allen das Wirtschaften mit dem Regelsatz ganz leicht von der Hand, und dieser würde natürlich prima ausreichen.

 

2. In der Solinger Arbeitsagentur soll es ein ungewöhnliches Projekt mit dem Namen „50 plus läuft“ zu bestaunen geben. Dazu treffe sich der Arbeitsvermittler Christian Bifolchi, der im „Team 50 plus“ tätig ist, mit „seinen“ Arbeitslosen, die beschönigend auch gerne „Kunden“ genannt werden, einmal die Woche zum Walken und Joggen. Er verfolge damit die drei Ziele Gesundheit durch Ausdauertraining, positive Sport- und Gruppenerfahrung ohne Druck sowie den eigenen Körper und die eigene Leistungsfähigkeit besser einschätzen lernen. Ob der Arbeitsvermittler davon ausgeht, dass bisher niemand der Teilnehmer in seinen über fünf Lebensjahrzehnten an seine Grenzen gestoßen ist?

Niemand werde zurückbleiben, es solle allen besser ergehen, sodass sie gemeinsam das Ziel erreichen könnten. Das „50-plus-Team“ in Solingen biete Arbeitsuchenden über 50 Jahren individuelle Unterstützung, Beratung und Vermittlung neuer Perspektiven in der Arbeitswelt. Der selbstgewählte Auftrag solle vermitteln, dass die individuelle Betreuung und Beratung nicht mit den beruflichen Aspekten aufhöre, sich dabei auf die tatsächlichen Bedürfnisse konzentriere und persönliche Erfahrung und Lebenssituation berücksichtigt würden. Das Angebot beinhalte berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten wie Schulungen, Coach­ings und Trainings sowie Workshops zu Themen wie Ge­sund­heits­vor­sor­ge und -erhaltung, Ernährung und Sport.

Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten solchen Gefallen am Training gefunden, dass sie inzwischen drei Mal in der Woche liefen. Wir „lernen“: Arbeitslosigkeit ist ein individuelles Problem, nicht etwa ein gesellschaftliches – und durch das wöchentliche Joggen mit dem Fallmanager werden ganz bestimmt Arbeitsplätze für Überfünfzigjährige geschaffen. Ob dabei dann stationsweise die Zeitarbeitsfirmen abgelaufen werden? Trägt der Arbeitsvermittler unfall- und versicherungstechnisch auch die Kosten, wenn etwas passiert? Oder ist hier „50 plus“ gleichbedeutend mit „50 Stuss“?

 

3. Heute war die Montagsdemo etwas anders als sonst – bis gar nicht. Da ich es nicht um 17 Uhr zum Ziegenmarkt schaffte, fuhr ich um 17:30 Uhr zum Bahnhof, über den die Solidaritätsdemonstration gehen sollte. Es war heiß, aber von der Demo keine Spur. So ging ich zum Markt, wo ich auf Marcus mit seinem „Hartz-IV-Schilderwald“ und auf Valentina stieß. Ein Polizist erkundigte sich, ob von uns noch mehr erwartet würden. Ich bejahte und sagte, dass die Übrigen jedoch bei der anderen Demonstration mitlaufen.

Wo denn Herr Roselius sei? „Der läuft auch mit.“ Da war der Polizist beruhigt. Er hatte nur wissen wollen, ob wir wüssten, dass noch eine andere Demonstration im Anmarsch sei und wir uns irgendwie einigen könnten. Ich kam mit Valentina ins Gespräch, die mir ein Gedicht mit ihren Gedanken nach dem Fernsehen mitgab. Erst um 19:15 Uhr kam eine laute, bunte Schar mit Polizeibegleitung zum Markt. Da sie nur auf Kurdisch sprachen, zog ich es vor zu gehen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

 

Wir sind alle Opfer

Opfer, Opfer überall.
Sind wir Opfer in dem All?
Sitzen auf dem Pulverfass?
Wir sind Opfer von dem Hass!

Und ich rufe zur Vernunft
Jeden Menschen, jede Zunft,
Jede Gruppe, jeden Klan:
Macht doch zu des Hasses Hahn!
Denk doch jeder etwas nach:
Was uns bringt des Hasses Macht?
Wir sind Menschen, können sprechen,
Können Macht des Hasses brechen!

Und ihr, Deutsche, denkt doch nach,
Was die Kriege euch gebracht:
Nur die Opfer, nur das Leid.
Bringt ihr wieder es so weit,
Um die Fremden zu verfolgen
Und beachtet nicht die Folgen,
Stellt die Menschen unter Druck?
Liebe bringt das nicht zurück!

Waffen werden hier verkauft.
Ganz egal auch, wer sie braucht:
Diese Waffen töten Leben!
Lasst die Opfer uns vergeben,
Damit nicht der Hass erwacht:
Kriege werden so gemacht.
Jeder Mensch, steh auf wie Eins,
Sag dem Hass dein Oxi: Nein!

Valentina Schneider

 

Stoppt den Krieg in Kurdistan!

Jobst RoseliusIn Bremen fand heute eine sehr kämpferische und lautstarke Demonstration statt unter dem Motto: Stoppt den Krieg in Kurdistan! Nach Schätzungen waren es fast 1.000 Menschen, darunter junge Mütter mit ihren kleinen Kindern, aber auch ältere Menschen. Bestimmt war die Demonstration von sehr aktiven jungen kurdischen Frauen, die die Teilnehmer immer wieder zu Sprechparolen aufriefen. Es waren auch Jesiden dabei, die die Einheit der Menschen in den bedrohten und befreiten Gebieten unterstrichen. Immer wieder wurde die Streichung der PKK aus der sogenannten Terrorliste der Imperialisten gefordert, weil eben YPG und YPJ und PKK die entschiedensten Kämpfer und Unterstützer für die Freiheit der Menschen in Rojava, Kobanê und Shengal gewesen sind und sein werden.

Die Bundesregierung wurde aufgefordert, die Bundeswehr aus der Türkei zurückzuziehen und Druck auf die türkische Regierung auszuüben, den Friedensprozess in Kurdistan ernsthaft wieder aufzunehmen und die verlogene Politik mit dem „Islamischen Staat“ zu beenden. Die Demonstration ging über zwei Stunden durch die ganze innere Stadt zum Marktplatz. Die Bremer Montagsdemo hatte sich zu einem großen Teil angeschlossen und verzichtete auf ihre eigene Kundgebung. Aufgrund der Länge der Demonstration war es nicht mehr möglich, einen eigenen Redebeitrag zu halten. Hier der dafür vorgesehen Text:

Liebe Menschen hier auf dem Marktplatz, liebe kurdische und türkische Freunde, im Namen von Mitstreitern möchte ich euch herzliche und solidarische Grüße der Bremer Montagsdemonstration übermitteln. Auch wir sagen Nein zum Krieg und Ja zum Frieden! Rojava und Kobanê sollen leben! Die Bremer Montagsdemo setzt sich wie in vielen anderen Städten Deutschlands für Frieden und Gerechtigkeit auf der ganzen Welt ein. Seit elf Jahren kämpft die Montagsdemobewegung für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen in Deutschland und auf der ganzen Welt. Wir kritisieren und bekämpfen die Hartz-Gesetze der deutschen Regierung, die Armut und Perspektivlosigkeit über die Menschen gebracht haben und besonders die Jugend betreffen.

Die am Maximalprofit orientierte kapitalistische Wirtschaftsweise zerstört immer tiefer und immer mehr die Einheit von Mensch und Natur und treibt mit kriegerischen Aktionen die Welt und den Wunsch nach einer lebenswerten Zukunft in die Zerstörung. Wir unterstützen euren Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung des kurdischen Volkes aus ganzem Herzen! Man muss den imperialistischen Kriegskurs der türkischen Regierung anprangern und die abwartende Haltung der USA und der deutschen Regierung kritisieren. Sie alle haben nur ein Ziel, die Orientierung des kurdischen Befreiungskampfes, der viel Unterstützung unter der fortschrittlichen Weltbevölkerung gewinnt, niederzuhalten und zu behindern. Aber dieses Rojava und Kobanê werden sie aus unseren Herzen und Köpfen nicht mehr heraustreiben!

Die Montagsdemo wird festhalten an ihrem Kampf am Montag, dem Widerstandstag, immer um 17:30 Uhr hier auf dem Marktplatz, und die Atompolitik wie in Fukushima oder die Unterstützung der Forderungen aller Flüchtlinge nach menschenwürdigen Lebensverhältnissen und den Kampf gegen Krieg, Zerstörung und Unterdrückung weiterführen. Ich möchte noch die Petition „Kobanê muss leben!“ ansprechen, für die einige Unterschriften sammeln werden. Das ist wichtig, um den Willen der Menschen zum Ausdruck zu bringen. Wir sind offen für weitere Zusammenarbeit und wünschen uns allen Erfolg in unserem Kampf! Hoch die Internationale Solidarität!

Jobst Roselius

 

Meistens ohne Demokratie

Immer wieder und mehr ist zu sehen, dass der Nationalismus Völker und Kulturen auseinandertreibt, so an der Türkei. Erdogan, dieser Lobby-, Profit- und Oligarchenpräsident mit antiquierter Religion im Sinn, hat das Land in kürzester Zeit auseinandergerissen und ignoriert, dass ein Bürgerkrieg bevorstehen kann. Das ist kein Einzelfall, das gibt es tatsächlich in ganz vielen Staaten. Wie mit der schon befriedeten PKK gleich wieder Terror entstehen kann, ist durch die Politik dieses Despoten schnell zu sehen. Was ist mit Deutschland in diesem Fall? Nur ärgerlich, dass es da nicht mehr so viel zu verdienen gibt! Das ist auch schon alles von Herrn Gabriel.

Es fehlt an Protest im Namen der Wahrheit. Schon seit langer Zeit werden dort Volksgruppen wie die Kurden unterdrückt. Es wäre doch so einfach gewesen: Der amerikanische Präsident hätte sofort „auf den Tisch hauen“ können, und diesen Erdogan hätten sie kalt stellen können. Bekommt er keinen Schutz mehr, wäre die Opposition mit den Kurden gestärkt worden. Aber es ging den USA wie damals in der Kubakrise um die Militärbasen, die sie da schon lange nicht mehr bauen, denn der „Islamische Staat“ wird bereits von anderen Stellen attackiert.

Wenn die Regierung den Humanismus predigt, sollte sie mal die Krisenherde erwähnen und Maßnahmen einleiten, aber das tut sie nicht, weil sie sich mit ihren Konzernen weiter dort bereichen will. Darin liegt die eigentliche Katastrophe für das Elend in den Nahoststaaten: Alles ohne Einfluss verkaufen, bis der Ungleichheitsterror auch hier ankommt! Jedenfalls müssen die Flüchtlinge schon mal deswegen kommen.

Günni, der „Mann mit dem großen Hut“

 

Wann wird in Deutschland die Steuerprüfung nicht mehr durch politische Interessen behindert?

Hans-Dieter Binder1. „Monitor“ vom 23. Juli 2015 ist voll auf unserer Linie. Die EU will sich mit den Despoten und Diktatoren Afrikas verbünden. Das Ziel, die Zahl der Flüchtlinge zu vermindern, soll mit Hilfe derer erreicht werden, die Grund und Ursache der Flucht sind. Mithilfe der EU wird die Grenze befestigt und undurchlässig ausgebaut. Die EU berät, die EU zahlt, und keiner kommt mehr raus – das freut doch jeden Diktator! Zusätzlich wird gemeinsam nach Fluchthelfern gesucht. Ein weiteres Fest für jeden Diktator! „Monitor“ hat die entsprechenden Unterlagen. Die Palette der Einzelmaßnahmen ist noch viel größer. Weitere Ungeheuerlichkeiten gehen aus der Pressemitteilung und dem Bericht in der „Tagesschau“ hervor, der die treffende Überschrift „Kampf gegen Fluchtursachen – notfalls gemeinsam mit Diktaturen“ trägt. Die EU hat für diese Pläne die volle Rückendeckung der Bundesregierung. Pfui Teufel!

„Monitor“ hat auch die Doppelzüngigkeit der deutschen Politiker bei den Auf­lagen für Griechenland aufgezeigt. Griechenland soll Agrardiesel besteuern – Deutschland hat darauf verzichtet, denn „ein Bauernhof, der Gewinne macht, ist besser als einer, der es nicht mehr schafft.“ Griechenland soll und hat die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen erhöht – Deutschland hat sie gesenkt. Jetzt werden Hotelübernachtungen in Griechenland höher besteuert als bei uns. In dem sehenswerten Beitrag sind die Argumente gut gegenübergestellt, auch die Stammtischparolen der Politiker werden offenbar.

„Monitor“ hat außerdem über die „Zwangsprivatisierung“ in Griechenland berichtet. Die Flughäfen auf den „Urlaubsinseln“ sollen verkauft werden. Diese 14 Flughäfen haben zweistellige Zuwachsraten und sind sehr ertragreich. Die übrigen circa 30 defizitären Flughäfen sollen im Staatsbesitz bleiben. Der Bürgermeister von Korfu hat es auf den Punkt gebracht: „Wenn man sich der Mittel beraubt, Wohlstand und Profit in diesem Land zu schaffen, um die Schulden zurückzubezahlen, um wirtschaftlich voranzukommen, wie können wir so was dann machen?“

Der griechische Infrastrukturminister: „Das passt eher zu einer Kolonie als zu einem EU-Mitgliedsland.“ Professor Rudolf Hickel, Universität Bremen: „Profite, die Griechenlands Kassen künftig fehlen. Und der Milliardenerlös aus der Privatisierung? Auch davon wird das Land sich nichts kaufen können. Dafür hat vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gesorgt. Denn mit den Privatisierungserlösen soll Griechenland erst mal seine Schulden begleichen. Aus Sicht der Opposition in Deutschland ein ziemlich mieser Deal.“ Eingefädelt wurde er von der griechischen Vorgängerregierung, natürlich auf Druck der EU. Die Pressemitteilung der neuen griechischen Regierung zeigt das Unverständnis.

Dazwischen hat „Monitor“ über die Sicht von ausländischen Medien auf uns berichtet. Wir kommen dabei nicht gut weg! Wen wundert es? Nur sollte die Bundesregierung nicht vergessen: Wir leben vom Export! Wir können uns so ein Gehabe, so eine Übervorteilung gar nicht leisten! Aus meiner Sicht darf Wolfgang Schäuble nicht mehr an den Verhandlungen teilnehmen. Er hat eine sichtbare Verbitterung. Die Griechen kleinzumachen, ist scheinbar sein dringlichstes Anliegen.

Deutschland ist der Zuchtmeister Europas. Hartz IV hat in Deutschland die Löhne nachhaltig gesenkt, und die Talfahrt ist noch nicht zu Ende. Trotz der gesunkenen Lohnstückkosten greifen die deutschen Unternehmen auf noch billigere Arbeitnehmer zurück. Leiharbeit, Scheinselbständigkeit und Werkverträge drehen die Spirale noch weiter nach unten. Diese niedrigen Lohnkosten führen zu den Exportüberschüssen und bewirken die Abhängigkeit der anderen Euroländer. Die Gefahren für Frankreich sind unter der 450. Bremer Montagsdemonstration nachzulesen. Ulrike Herrmann, Wirtschaftkorrespondentin der „Tageszeitung“, hat in Bremen einen Vortrag darüber gehalten.

Aktuell reicht es den Bauern in Frankreich. Der „Spiegel“ berichtet: „Die Bauern blockierten mit ihren Traktoren am Sonntagabend ab 22 Uhr sechs Straßen, um gegen ‚die Verzerrung des Wettbewerbs‘ zugunsten der deutschen Bauern zu protestieren.“ Deutschland kann in den nunmehr angelaufenen Verhandlungen über das neue Hilfspaket für Griechenland eventuell wieder etwas Boden gewinnen – oder ganz „absaufen“.

Herr Schäuble sollte mal darüber nachdenken: „Die immensen Exportüberschüsse haben die Staatskasse nicht gefüllt“. Warum eigentlich nicht? Wo sind die Schlupflöcher? Welchen Umfang haben die Steuerreduzierungsverträge à la Luxemburg (497. Bremer Montagsdemo)? Herr Schäuble, wann werden in Deutschland die Steuerprüfer und Steuerfahnder ausreichend vorhanden sein und nicht durch politische Interessen behindert?

Die unzureichenden Steuerprüfungen der Betriebe waren schon Thema in der „Tagesschau“ vom 26. Juli 1996, und noch immer ist es Deutschland nicht möglich, die Steuererhebung umfassend umzusetzen, im Gegenteil: Selbst die normale Sachbearbeitung leidet unter Personalmangel. Die „Grüne Woche“ in den Finanzämtern kommt inzwischen jedes Jahr wieder: Einfach keine Steuererklärung prüfen, bis der Berg abgebaut wurde. So eine „Grüne Woche“ kann viele Tage haben! Die Schlamperei bei der Steuererhebung gefährdet inzwischen unsere Demokratie.

 

2. Über Herrn Gabriel und das Freihandelsabkommen berichtet „Monitor“ im Beitrag „Geheime Schiedsgerichte – Schein und Sein des Sigmar Gabriel“. Der SPD-Vorsitzende fährt einen Zickzackkurs: Erst war er voll gegen die Schiedsgerichte, dann hat er ihnen einen neuen Rahmen gegeben und insgesamt den Parteiauftrag „Weg mit dieser Klausel“ nicht vertreten, denn in Brüssel wird unter Gabriels Anweisung nicht für die Streichung dieser Klausel verhandelt.

„Hinter verschlossenen Türen in Brüssel verhalten sich die Mitarbeiter aus Gabriels Wirtschaftsministerium allerdings ganz anders. Die geheimen Sitzungsprotokolle, die ‚Monitor‘ vorliegen, zeigen: Frankreich zum Beispiel versuchte offensiv, die Schiedsgerichte zu verhindern. Gabriels Wirtschaftsministerium blieb dagegen in Deckung.“ Und: „Als einige EU-Staaten fordern, zumindest die Dokumente über die Schiedsgerichte offen zu legen, sperrt sich Deutschland vehement.“

Der „Weser-Kurier“ titelt: „USA verwehren Bundestagsabgeordneten weiter Ein­blick in TTIP-Verhandlungen“. Demnach sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestags nicht befugt, Einblick in die TIPP-Verhandlungen zu nehmen. Die amerikanische Botschaft in Berlin hat ein Lesezimmer eingerichtet und inzwischen 139 deutschen Regierungsangestellten die Einsicht genehmigt. Lesezimmer gibt es auch bei der EU – natürlich nur für ausgesuchte Parlamentarier, nicht für alle.

In Berlin gibt es sie jedoch für keinen einzigen Parlamentarier: Es sollen Regierungsmitarbeiter zum Lesen vorbeikommen. Sie dürfen keine Kopien anfertigen, keine Fotos machen und keine Notizen machen. Und dies unter der Überschrift: „Wir sind demokratische Staaten. Alle Macht geht vom Volke aus.“ Sehr blamabel! Hoffentlich wird dies auch den letzten Befürworter zum Gegner werden lassen. Der Vertrag und die anderen sind schon aufgrund dieses Versteckspiels untragbar. Zu fordern ist: Abbrechen und konkret über die tatsächlichen Differenzen neu und öffentlich verhandeln! Dazu gehören auch die Verbraucherzentralen an den Verhandlungstisch.

In Berlin wird am 10. Oktober 2015 ab 12 Uhr am Hauptbahnhof gegen die Freihandelsabkommen demonstriert: „Im Herbst 2015 geht die Auseinandersetzung um die Handels- und Investitionsabkommen TTIP und Ceta in die heiße Phase. Beide Abkommen drohen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu untergraben und auszuhebeln.“

Dies waren nun viele Informationen über Entscheidungen und Weichenstellungen, die sozial betrachtet anders sein müssten. Die Beachtung der sozialen Auswirkungen wird immer zwingender! Wir arbeiten daran. Die Frage „Was kann ich machen?“ ist einfach zu beantworten: Wir haben auf dem Marktplatz noch viel Platz und ein Offenes Mikrofon. Wir sind gespannt auf Ihre und eure Meinung und Erfahrung! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

Gemeinsam gegen TTIP
und Hartz IV demonstrieren?

Liebe Montagsdemonstrant(inn)en, wir wenden uns in einer dringenden Angelegenheit an alle Montagsdemos. Es geht um den Termin der diesjährigen Herbstdemonstration, die bisher für den 3. Oktober 2015 geplant ist. Es gibt von den Montagsdemos Esslingen, Gelsenkirchen und Reutlingen Anträge an die Koordinierungsgruppe, die Herbstdemo als Teil der – eine Woche später in Berlin stattfindenden – bundesweiten Großdemo durchzuführen, um die Kräfte im Kampf gegen TTIP/Ceta und den Abbau sozialer, ökologischer und politischer Rechte zu bündeln. Zwei bundesweite Demos in Berlin hintereinander schaffen die meisten Montagsdemonstranten nicht.

Anliegen der Demo am 10. Oktober 2015, zu der unter anderem Umweltorganisationen, Bauernverbände, der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ und der DGB aufrufen, wie Verbot von Fracking und Protest gegen die Freihandelskommen TTIP und Ceta, sind auch wichtige Anliegen der bundesweiten Montagsdemo als Tag des Widerstands. Aus vielen Orten fahren Busse und Sonderzüge. Wir können uns als Montagsdemobewegung weiter bekanntmachen, mit Tausenden Gewerkschaftsmitgliedern verbinden und den Kampf gegen die Hartz-Gesetze breit zum Thema machen , verbunden mit der Forderung, dass die DGB-Gewerkschaften die Montagsdemos unterstützen.

Vorgeschlagen ist, dort einen gemeinsamen kämpferischen, unübersehbaren Block und, wenn möglich, eine gemeinsame Auftaktkundgebung der Montagsdemos zu machen. Wir hätten es natürlich auch begrüßt, wenn die Initiatoren der Demo auf die bundesweite Montagsdemo zugegangen wären. Wichtige Gegenargumente sind, dass der Termin schon länger beschlossen ist, viele Montagsdemos schon Busse gebucht haben und der Flyer zur Herbstdemo geraden erschienen ist, aber auch dass das besondere Profil unserer Herbstdemos auf der Demo am 10. Oktober 2015 nur eingeschränkt verwirklicht werden kann, die bundesweite Montagsdemo untergehen könnte.

Die Koordinierungsgruppe hat über die Anträge beraten, ist sich über eine Empfehlung an die Montagsdemos in der kurzen Zeit aber nicht einig geworden. Es muss aber eine zügige Entscheidung getroffen werden. Wir sind der Meinung, dass die Koordinierungsgruppe ohnehin darüber nicht alleine entscheiden kann, weil der Termin der Herbstdemo auf der Bundesdelegiertenkonferenz beschlossen wurde und sich deshalb möglichst viele Montagsdemos dazu äußern sollen. Bitte diskutiert und stimmt das auf den Montagsdemos am 10. August 2015 ab. Die Koordinierungsgruppe ist sich einig, dass gegebenenfalls entstehende Mehrkosten gemeinsam von der bundesweiten Montagsdemo getragen werden.

Koordinierungsgruppe bundesweite Montagsdemo

Jobst Roselius: Auch auf meine Anfrage hin an die Koordinierungsgruppe der bundesweiten Montagsdemo haben wir diese Antwort erhalten. Ich persönlich bin für eine gemeinsame Demo am 10. Oktober. Aber nun seid ihr gefragt. Bitte teilt über den Verteiler initiative(at)bremer-montagsdemo.de mit, ob ihr auch für das gemeinsame Auftreten am 10. Oktober in Berlin seid. Ich schlage vor, zum einen die Antworten über den Verteiler zu zählen und außerdem am Montag auf dem Marktplatz darüber abzustimmen. Das Gesamtergebnis würde ich dann sofort an die bundesweite Koordinierungsgruppe übermitteln. Überlegt und entscheidet!

Harald Braun: Ich bin sehr für die Zusammenlegung der beiden Demos. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Sozialabbau, Umweltzerstörung und TTIP, und wir sollten unsere Kräfte bündeln.

Michael Waldmann, Karlsbad: Zum 3. Oktober 2015 werde ich nicht nach Berlin fahren, zum 10. schon eher. Ich überlege zwar noch, ob ich sieben Stunden Fahrt meinen Bandscheiben zumute. Auf der anderen Seite böte die Fahrt die Möglichkeit, den neoliberalen Zusammenhang zwischen Hartz IV und TTIP, Ceta und Konsorten darzustellen in Gruppen, die das noch nicht sehen, wie „Naturfreunde“ oder „Umweltinstitut München“.

Gerolf D. Brettschneider: Die Herbstdemos hatten bisher immer vierstellige Teilnehmerzahlen. Da müsste es doch tatsächlich möglich sein, einen „un­übersehbaren kämpferischen Block“ zu bilden und eben nicht „unterzugehen“. Es ist gut, durch eine gemeinsame Demonstration wieder einen Zusammenschluss mit anderen Bewegungen herzustellen und das Eingefahrene auch mal durch etwas Neues zu unterbrechen. Zumindest in der medialen Wahrnehmung sind die letzten Herbstdemos komplett „untergegangen“. In der Hinsicht gibt es also nichts zu verlieren. Ich finde es nach dem „Friedensmahnwachen“- und „Pegida“-Spuk – genau wie schon zur „Bre­men-ist-bunt“-Demo im Januar – auch richtig, die Montagsdemo sichtbar „im linken Milieu“ zu verorten.

Hans-Dieter Wege: Meiner Meinung nach hat die Demonstration am 10. Oktober 2015 mit den Anliegen der Hartz-IV-Empfänger und mit dem Kampf gegen die asozialen Hartz-Gesetze leider überhaupt nichts zu tun. Mit Sicherheit wird dort kein Redner der Montagsdemobewegung zum Thema Hartz IV einen Redebeitrag halten dürfen. Ich wäre daher dagegen, die eigene Demo abzusagen und dann auch noch eine andere Demo teilweise mitzufinanzieren. Niemals vergessen: 2004, drei Tage nach der Großdemo in Berlin gegen Hartz IV, verabschiedete sich der DGB von den Demos und Kundgebungen gegen diese asoziale Gesetzgebung. Wieso sollte man Organisationen unterstützen, die danach immer die Teilnahme an den Demos der Montagsdemobewegung verweigerten? Das muss mir erst einmal jemand vernünftig erklären! In meinen Augen ist daher eine Teilnahme das falsche Verständnis von Solidarität.

Gerolf: Die großen Parteien, Organisationen und Verbände unterstützen nur jene, die kontrollierbar bleiben, also ihre taktischen Rückzüge mitmachen. Das tut die Montagsdemobewegung nicht, deshalb braucht sie jetzt nicht über den altbekannten Mangel an Solidarität zu murren. Sie kann am 10. Oktober die Beachtung politisch interessierter Menschen gewinnen und öffentlich zeigen, dass sie linke, nicht etwa rechte politische Forderungen vertritt. Vorkämpfer(innen) für eine Sache erhalten aber erst mal nur wenig Beifall und Solidarität. Was das Finanzielle betrifft, ist es günstig, wenn die großen Organisationen die Busse organisieren. Wenn sie nur als Block bei zentralen Demonstrationen statt als eigene Veranstaltung auftritt, kann es sich die Montagsdemobewegung vielleicht auch leisten, öfter als bloß einmal jährlich mit ihren Transparenten und Lautsprechern aufzumarschieren, wenn bundesweit dazu aufgerufen wird.

Frank Kleinschmidt: Im Jahre 2004 wusste ich noch nicht mal, wie politisches Kalkül und Taktierungsintrigen buchstabiert werden. Da gab es erst Schockierung, später Enttäuschungsmomente. Darüber sollte man irgendwann einmal hinweg sein und bedenken, dass Gewerkschaften sich aus Mitgliedern zusammensetzen: Menschen, mit denen man reden kann. Letztendlich können (einige) Montagsdemonstrant(inn)en nicht daran gehindert werden, sich eine Tour zur Demo zu organisieren und dort mit „Weg-mit-Hartz-IV“-Schildern aufzutreten. Schließlich geht es ja auch um die Sache selbst. TTIP ist eine Bedrohung, gegen die es Flagge zu zeigen gilt, und könnte sich als gemeinsame Schnittstelle erweisen.

Hans-Dieter: Bestimmt sollten dann aber die Mitstreiter(innen) der Montagsdemos auch wirklich einheitlich auftreten, vorschlagsweise alle mit einem gleichen „Sandwich“ und der richtigen und wichtigsten Forderung: „Weg mit Hartz IV! Nieder mit der Lohnarbeit! Her mit dem Eigentum an den Produktionsmitteln!“ Das würde mit Sicherheit sehr gut ankommen, vor allem bei den Organisierenden, der Presse und bestimmt auch bei der Regierung. Aber schafft das die Montagsdemobewegung?

Gerolf: Die „Rote Fahne“ hat in ihren Berichten von den Herbstdemos immer die „bunte Vielfalt“ der teilnehmenden Montagsdemonstrationen aus den verschiedenen Städten betont. Sie stand für eine erfreuliche Unabhängigkeit von der MLPD. Nun ist jedoch Vereinheitlichung gefordert, um in einer größeren Demo als Block aufzufallen. Die Koordinierungsgruppe sollte in den nächsten Wochen Vorschläge für Rufparolen, Transparente und Forderungen sammeln, auswählen und bundesweit zur Abstimmung stellen. Ein anderer Ansatz zur Vereinheitlichung wäre es, die abgedeckte Themenpalette strikt auf das Soziale zu beschränken, um das Selbstverständnis der Montagsdemobewegung als „soziales Gewissen“ zu betonen, jedoch die konkrete Auswahl an Rufparolen, Transparenten und Forderungen so wie bisher den Gruppen aus den einzelnen Städten vorzubehalten, damit Vielfalt und Buntheit nicht verloren gehen. Die Vervollkommnung der Themenpalette bleibt dann den übrigen an der Großdemo teilnehmenden Kräften überlassen.

E-Mail-Diskussion
 
Unkontrollierbar kämpferisch: Verdi-Basis lehnt Schlichterspruch ab
und droht mit weiteren Kita-Streiks („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz