In sogenannten Hartz-IV-Prozessen wird häufig um Vermögensfragen und die Einkommenssituation von Leistungsbeziehern gestritten. Um die Sachlage zu klären, befragen die Sozialgerichte immer wieder auch Verwandte dazu. Nun entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, dass Verwandte bei Vermögensfragen in Hartz IV-Prozessen nicht die Aussage verweigern dürfen. Eigentlich räumt die Prozessordnung Verwandten zwar ein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht ein, doch das Gericht stellte jetzt klar, dass dies uneigentlich offenbar nicht für Hartz-IV-Verfahren gelten dürfen soll. (Aktenzeichen: L19 AS 1880/14 B und L19 AS 1906/14 B). Bei Zuwiderhandlungen, sprich: Wenn Verwandte die Aussage dennoch verweigern, droht ihnen ein Ordnungsgeld.
Im verhandelten Fall verweigerte das Jobcenter einem Erwerbslosen Hartz-IV-Leistungen, weil dieser mit Mutter und Stiefvater in einer Wohnung lebte und angeblich mit ihnen eine Bedarfsgemeinschaft bilde. Der Erwerbslose sah nicht ein, dass er vom Geld seines Stiefvaters leben sollte, und versuchte, sich seine Transferleistung gerichtlich einzuklagen. Als Mutter und Stiefvater sich dann auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht beriefen und keine Aussagen zur Vermögenssituation machen wollten, wurde dies vom Sozialgericht als rechtswidriges Verwalten bewertet und vom Landessozialgericht als nächsthöherer Instanz bestätigt, dass nämlich Verwandte die Aussage bei Vermögensfragen in Hartz IV-Prozessen nicht verweigern dürften. Die Beschlüsse sind rechtskräftig.
Sowohl für den deutschen Zivilprozess wird in § 383 der Zivilprozessordnung als auch für den deutschen Strafprozess in § 52 der Strafprozessordnung geregelt: „Der Zweck des Zeugnisverweigerungsrechts ist der Schutz des Zeugen vor Konfliktlagen, die sich aus Loyalität zu sich selbst oder einem Dritten gegenüber und der Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage ergeben würde, wenn der Zeuge zur Aussage gezwungen wäre. Zu solchen Konfliktlagen gehört insbesondere die Situation, dass der Zeuge sich selbst oder ihm nahestehende Dritte belastet und so eventuell der Gefahr einer (schwereren) Strafverfolgung aussetzt.“
Werden demnächst alle Gesetze extra für Hartz-IV-Bezieher umgeschrieben? Braucht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz per se nicht auf Hartz-IV-Bezieher angewandt zu werden? In Artikel 12 des Grundgesetzes steht ja auch, dass alle Deutschen das Recht haben, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen, oder dass niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden kann, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht, und dass Zwangsarbeit nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig ist.
Darf dann der Sachbearbeiter eines Jobcenters einen Arbeitslosen unter existenzgefährdenden Sanktionsdrohungen dazu zwingen, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, in der er den Arbeitslosen beispielsweise zu Bürgerarbeit oder einen Ein-Euro-Job verpflichtet? Darf ein Existenzminimum überhaupt angetastet werden, gar nur wegen einer popeligen Ordnungswidrigkeit? Der Artikel 11 des Grundgesetzes garantiert auch das Recht, seinen Wohn- und Aufenthaltsort frei zu bestimmen. Wie ist das mit der Residenzpflicht für Erwerbslose zu vereinbaren? Der ohnehin viel zu geringe Mindestlohn, der in den ersten sechs Monaten nicht für Langzeiterwerbslose gilt, hat natürlich einen Drehtüreffekt zur Folge, sodass logischerweise nach sechs Monaten wieder eine neue „Ladung“ Langzeiterwerbsloser für ein halbes Jahr eingestellt wird.
Darf eine Grundsicherung so niedrig sein, dass sie eben kein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet, weil für die „Berechnung“ 20 Prozent der ärmsten Single-Haushalte zum Vergleich genommen werden, die nicht Hartz IV beziehen? Sind Kinder bloß „kürzere und leichtere Erwachsene“, kommen sie deswegen mit 60 bis 70 Prozent der Hartz-IV-Leistung für einen Erwachsenen aus? Wo hat Frau von der Leyen bloß die Sportvereine, Musikschulen und Nachhilfekurse versteckt, die es für ein zehn Euro teures Bildungspaket gibt?
Wenn ich als juristische Laiin alle Naivität zusammenkratze, aber dennoch weiß, dass die verankerten Grundrechte der Verfassung nicht durch das Parlament geändert oder aufgehoben werden können, wie kann es dann sein, dass für ALG-II-Bezieher offenbar doch andere Gesetze gelten? Verlieren Langzeiterwerbslose durch ihren Status als Arbeitslose quasi automatisch ihre Menschenwürde, weil dies ein Widerspruch in sich selbst ist? Gibt es juristisch einen gravierenden Unterschied zwischen der Abschaffung und der Aushöhlung des Grundgesetzes für alle? Ach, was rege ich mich auf, das Urteil des LSG ist nicht mehr und nicht weniger als wieder nur eine neue rechtliche Besonderheit im Umgang mit Erwerbslosen! Es kann nicht mehr so lange dauern, bis das abgehängte Prekariat einfach ganz vom Grundgesetz abgekoppelt wird, oder das Grundgesetz vom abgehängten Prekariat, oder wie auch immer.
1. Am Montag hat der „Weser-Kurier“ wieder über eine – dieses Mal ohne Mitwirkung der SWB – kalte Wohnung berichtet. Der gegenwärtige Vermieter hat sein Haus verkauft, Anfang Dezember soll es an den neuen Eigentümer übergehen. Der bisherige Hauswirt beklagt sich über Mietrückstände und lässt die Heizung kalt. Das Heizöl ist bereits länger „alle“. Der Neue soll es richten. Der betroffene Mieter hat trotzdem die Miete einschließlich Heizung überwiesen. Er ist „Kunde“ beim Jobcenter, das über die kalte Wohnung informiert ist.
Das Jobcenter hilft jedoch ihrem „Kunden“ nicht, weil es nicht Vertragspartner ist. Nur Adressen für professionelle Hilfe gibt es. Jobcenter-Geschäftsbereichsleiterin Gattow betont in diesem Zusammenhang den „Schutz des Sozialgeheimnisses“, auch gegenüber dem Vermieter. Dies ist sehr lobenswert, nur fordert das Jobcenter von seinen Kunden regelmäßig mehr Informationen über seine Wohnung, als sich aus dem vorzulegenden Mietvertrag ergeben. Die Zusatzfragen kann der Mieter oft problemlos beantworten, das Jobcenter glaubt aber meist nur dem Vermieter.
Dem ist spätestens jetzt klar: Sein Mieter ist Leistungsempfänger! Sozialdatenschutz geht anders. Vom jetzigen Hauswirt kann der Mieter Schadenersatz fordern. Der Mieter braucht keine Einmalberatung, sondern Sicherheit: eine Mitgliedschaft im Verein, in Bremen „Mieter für Mieter“ oder Mieterbund. Also auf zum Jobcenter, den Antrag für die Mitgliedsbeitrag stellen! Das Jobcenter schaut zu, erstattet aber nur Kosten, die zivilrechtlich geschuldet wurden.
2. „Gott hat hohe Nebenkosten“, heißt eine Reportage des SWR. Das Thema: „Bei Caritas und Diakonie finanziert die Kirche selbst nur noch etwa zwei Prozent des Etats, 98 Prozent trägt die Gesellschaft. Die Allgemeinheit zahlt Milliardenbeträge, aber sie hat nichts zu sagen. Wie kommt es zu diesen Summen? Und wofür gibt die Kirche das eigene, das Kirchensteuer-Geld aus?“ Letzteres kommt nicht klar rüber. Gut dargestellt wird die Besonderheit des kirchlichen Arbeitsrechts: Personal außerhalb des Betriebsverfassungsrechts. Die Kirche übernimmt ein Krankenhaus, dem Personal wird Lohnverzicht nahegelegt. Der Verantwortliche, ein Pastor, sagt dazu: „Wir müssen die Mitarbeiter marktgerecht stellen!“
Dabei hat die Kirche mit dem öffentlichen Dienst gerade im Krankenhausbereich eine marktbestimmende Position. Die Kirche kann die Rahmenbedingungen positiv verändern. Dazu war in dem Beitrag nichts zu sehen. „Es arbeiten weit über eine Million Menschen in sozialen Einrichtungen für die Kirchen – in Kindergärten, Krankenhäusern, Schulen und Altenheimen. Sie alle unterliegen einem besonderen Arbeitsrecht.“ Inzwischen ist sogar das Thema Scheidung bei Papst Franziskus angekommen. Die evangelische Kirche hat hierzu bereits eine tolerantere Einstellung. Ausgeschlossen von diesen Millionen Arbeitsplätzen sind in beiden Kirchen alle Nichtchristen!
Ist dies noch zeitgerecht, trotz aller Versöhnung? „Vergelt’s Gott“: Eine weitere Reportage des SWR betrifft den „verborgenen Reichtum der katholischen Kirche“: „Bis hin zu den letzten Fragen weiß die Kirche eine Antwort. Nur eine Frage beantwortet sie bislang nicht: Wie reich ist die katholische Kirche in Deutschland?“ Der Film zeigt eine bereits aufgrund der jetzigen Angaben sehr reiche Kirche. Gezeigt wird auch die Beteiligung an einem Wohnungsbesitz. Die Geschäftsführung ist in Holland per Briefkasten angemeldet.
Der verantwortliche Geistliche bestätigt die Steuervermeidung durch dieses Konstrukt: „Wir haben nichts Strafbares getan“. Recht hat er, doch für die katholische Kirche gilt doch vorrangig ein gutes Miteinander! Dieser Geistliche schadet uns allen durch Steuervermeidung. Dadurch, der Film bringt es klar zum Ausdruck, müssen die anderen Bürger mehr Steuern zahlen! Dieser Geistliche hat sich nach staatlichem Recht nicht strafbar gemacht – aber nach Kirchenrecht? Auch hier ruht die Veränderung auf den Schultern von Mensch Papst Franziskus.
3. „Steuer-Senker“, ein Beitrag von Dietrich Eickmeier im „Weser-Kurier“ vom 16. November 2014, nimmt die Steuerschuld von Ikea als Beispiel für die Gesamtproblematik. Ikea soll eine Jahressteuerschuld von 50.000 Euro in Luxenburg bezahlt haben und somit einen Steuersatz von 0,002 Prozent erzielt haben. Ikea ist seit Längerem dafür bekannt, dass die Möbelhäuser in Deutschland Lizenzgebühren an Ikea in Holland zahlen. Dort werden Erträge aus Lizenzen nur gering besteuert. Der Konzern schadet mit dieser Steuervermeidung der Gesellschaft: Er schmälert die verfügbare Haushaltsmasse – mit allen negativen Konsequenzen!
Ikea hält sich dennoch für einen guten Steuerzahler: „Der neue Ikea-Chef verteidigt die Steuermoral seines Unternehmens. Die aktuelle Steuerlast von 18 Prozent sei ‚nicht besonders niedrig‘.“ Ikea sagt nichts über ersparte oder vermiedene Steuern. „Ikea hatte sich im Juli ebenso wie die US-Konzerne Apple und Facebook geweigert, an einer Anhörung vor dem französischen Parlament zur ‚Steueroptimierung‘ teilzunehmen. Dies war bei den Abgeordneten auf scharfe Kritik gestoßen.“
„Extra 3“ hat einen Beitrag zur „Steueroase Luxemburg“ gebracht, garniert mit einem Liedchen über Juncker – einfach gelungen! Über Steuerbetrug gibt es viele Infos auf unseren Seiten, über die anderen Handlungen zu unserm Nachteil ebenfalls. Die Macht der Verbraucher kann dies ändern. Wie? Abgestimmt wird mit den Füßen! Diese Abstimmung wird ergänzt durch das Kreuz bei den Wahlen. Schaut euch die Meinung der Parteien an, ihre Reaktion auf die Gegenwart! Macht deutlich, was ihr davon haltet, und bringt euch ein!
4. Über die Reduzierung unserer Standards durch die Freihandelsabkommen wurde ausführlich berichtet. Die USA haben ein strengeres und besseres Bankenrecht – aus Sicht der Verbraucher. Die Banken in Deutschland wollen dies ändern: Über das Freihandelsabkommen sollen diesbezüglich die Standards der USA gesenkt werden. „Brisante Dokumente zeigen: Ausgerechnet die EU versucht, europäische Banken durch TTIP vor den strengen Finanzmarktregeln der USA zu bewahren.“
„Report München“ zeigt auch, dass selbst EU-Abgeordnete keinen Einblick in die Verhandlungsunterlagen haben. Parlamentarier Jan Philip Albrecht darf eigentlich Einsicht nehmen – aber doch nicht! Ist die Begleitung durch das Fernsehteam der Verweigerungsgrund? Die Dokumente des Bankenverbandes zeigen den Erwartungsdruck der Interessenverbände gegenüber den Unterhändlern der EU: Hart verhandeln, nicht nachlassen! Auch dieser Beitrag zeigt: Die EU hat viel zu verstecken, die USA ebenfalls. Den Ausführungen von Lori Wallach, Direktorin der „Public Citizen Foundation“, am Beitragsende ist nichts hinzuzufügen.
Diese Freihandelsabkommen sind für die Menschen in Deutschland nachteilig. Die Vorteile werden für die Konzerne vereinbart. Noch immer ist alles geheim, eine Veranstaltung der Interessenvertreter. Verbraucher, Arbeitnehmer, Beamte, Kleinunternehmer und mittelständische Betriebe sind nicht vertreten. Sie werden verlieren – aber nur, wenn diese Abkommen tatsächlich unterschrieben und ratifiziert werden! Verlieren werden auch die Länder der Dritten Welt und alle anderen Partner Europas.
5. In Bremen soll es weiterhin Arbeitsverhältnisse als Ein-Euro-Job geben. 1.500 sollen es sein. Die gefährdeten 237 Ein-Euro-Arbeitsverhältnisse sollen ebenfalls weiterhin bis zum 30. Juli 2015 finanziert werden. Bremen stellt dafür 630.000 Euro zur Verfügung. Vernünftige Arbeit muss mit angemessener Entlohnung einhergehen! Tariflohn mit voller Arbeitnehmereigenschaft wäre die richtige Lösung, wobei heute nicht einmal Tariflohn die Altersarmut verhindert – aber verringern würden sich die Ausgaben für die Grundsicherung dieser Ein-Euro-Arbeitnehmer.
Die Freie Hansestadt Bremen wäre auch das Prozessrisiko für die nachträgliche Anhebung der Ein-Euro- oder auch Null-Euro-„Entschädigung“ auf Tariflohn abzüglich ALG II los: Wer die eigene Tätigkeit als „normal“ und „nicht zusätzlich“ sieht, kann die Differenz einklagen – egal ob Ein-Euro-Job, mit null Euro als „Ehrenamt mit Aufwandsentschädigung“ oder „Bürgerarbeit“, auch rückwirkend. Die Klage ist gegen die Stadt Bremen zu richten, nicht gegen den Arbeitgeber oder Verein. Wie dies geht? Wir gehen mit!
„Renten steigen um bis zu zwei Prozent“, meldet der „Weser-Kurier“. Eine freudige Überschrift? Im Text steht, dass die Erhöhung um 1,1 Punkte niedriger ausfällt, weil die EU alle Beschäftigten im Niedriglohnsektor mitrechnen will. Gemeint sind auch die Beschäftigten in Behindertenwerkstätten, Weiteres habe ich nicht gefunden. Frau Buntenbach sieht die Auswirkungen als Einmaileffekt für 2015. Die Einschätzung stimmt aber nur, wenn dieser Beschäftigungssektor nicht ansteigt. Die Ein-Euro-Arbeitsverhältnisse wurden bereits bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Diese Ein-Euro-Jobs werden auf einen fiktiven Lohn hochgerechnet.
Bleibt es dabei? Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten! Den Satz „Ich bin nicht einverstanden“ kann ich so nicht mehr stehen lassen. Es gibt Bewegung, viele gute Entscheidungen wurden getroffen. Der Steuerbetrug verliert seine Hoffähigkeit und vieles andere auch. Die lebenswerte Zukunft ist mein Ziel. Die Änderung meines Schlusssatzes soeben ist schon jetzt Vergangenheit. Rund zehn Jahre liegen hinter uns – die 500. Bremer Montagsdemo am 8. Dezember 2014 liegt vor uns. Mehr als ein Grund zum Feiern!