495. Bremer Montagsdemo
am 03. 11. 2014  I◄◄  ►►I

 

Demokratie ist, wenn die Bürger
nicht so wählen, wie der
Präsident will

Elisabeth Graf1. Trotz der gesenkten Wachstumsprognose der Bundesregierung rechnet der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, auch weiterhin mit einem leichten Rückgang der Ar­beits­lo­sig­keit. Bei der Bundesagentur behält man die rosarote Brille fest auf der Nase, sieht derzeit keinen Anlass, die Erwartung für 2014 zu korrigieren und spekuliert immer noch auf 46.000 Erwerbslose weniger als im vergangenen Jahr. Wenn Weise erläutert, dass es nicht immer eine direkte Korrelation zwischen der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und der Arbeitslosigkeit gebe, weil die zahlreichen neuen Arbeitsplätze, die in vielen Dienstleistungsbereichen entstanden seien, leider nicht zum Wirtschaftswachstum beitrügen, ja, dann gibt er von hinten durch die Brust ins Auge beinahe unumwunden zu, dass beim deutschen Jobwunder lediglich prekäre Jobs entstehen.

Mit anderen Worten dürfen Dumpinglöhner wie gehabt arm bleiben, weil sie eben nach wie vor von einem über die Grundbedürfnisse hinausgehenden Konsum ausgeschlossen bleiben. Arm trotz Arbeit soll hier als Erfolgsmodell verschaukelt, äh: verkauft werden, weil es ja weniger Arbeitslose gebe. Die Linkspartei warnt indes vor Optimismus, hält dagegen, dass sich an der großen Zahl von Langzeitarbeitslosen nichts verändert habe und die Sockelarbeitslosigkeit gleichbleibend hoch sei. Dazu kämen statistische Tricks, die von der realen Zahl der Arbeitslosen ablenken. Langzeitarbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung blieben weiterhin die Großbaustellen auf dem Arbeitsmarkt, weil die Langzeitarbeitslosigkeit bei über einer Million verharre und über die Hälfte der neuen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze zudem Teilzeitjobs seien.

Die jubilierende Bundesregierung posaunt freudig aus, dass im September 2014 „nur“ genau 2.732.769 Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen seien. Doch wenn wir uns die Zahlen etwas genauer anschauen, bekamen im Oktober dieses Jahres 789.314 Menschen Arbeitslosengeld I, mussten 4.313.844 mit Hartz IV auskommen, womit wir zusammengerechnet bereits bei 5.103.158 Arbeitslosengeld-Beziehern im Oktober 2014 sind. Mit weiteren 1.698.937 Menschen, die Sozialgeld erhielten, kommen wir laut Bundesagentur-Tabelle schon auf 6.802.095 Leistungsbezieher.

Doch auch diese Zahlen reichen immer noch nicht aus, um das wahre Ausmaß der Armut im reichen Deutschland aufzuzeigen, weil Bezieher von Wohngeld, Kinderzuschlag oder Sozialhilfe nach SGB XII in den Berichten praktischerweise gar nicht erst nicht erfasst sind – gar nicht zu reden von den Aufstockern, zu hundert Prozent Sanktionierten, Umschülern, Besuchern von Fortbildungskursen und anderen Fördermaßnahmen, sogenannten Ein-Euro-Jobbern, Kranken, Über-58-Jährigen, gemeldeten Arbeitslosen, die keine Leistung beziehen, oder Alleinerziehenden mit einem Kind unter drei Jahren.

Laut einer Studie des „Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ „leben“ in Deutschland weitere 3,1 bis 4,9 Millionen Menschen, die eigentlich Anspruch auf die Pseudo-Grundsicherung hätten, diese aber uneigentlich wegen der unwürdigen Behandlung, der Verfolgungsbetreuung, oder aus Unwissenheit nicht beantragen. Neben solchen – nett ausgedrückt – „Euphemismen“, krasser formuliert: Lügen will offenbar niemand wahrhaben, dass den „ungebildeten“, „alkoholkranken“ Erwerbslosen, die vermeintlich an ihrem Status „selbst schuld“ sind, und einer mindestens ebenso hohen Anzahl von verdeckten Berechtigten gerade einmal mickerige 517.000 offene Arbeitsplätze gegenüberstehen!

 

2. In der Unionsfraktion werden Stimmen laut, die zwar die Sanktionen bei Hartz IV, das heißt Kürzungen der Regelleistungen bei verpassten Terminen, erhalten – und zwar bis zu hundert Prozent, also das Existenzminimum wegen einer Ordnungswidrigkeit antasten bis komplett wegnehmen –, aber zusätzlich auch Prämien und positive Anreize schaffen wollen, wenn sich zum Beispiel ein Jobsuchender besonders um einen Neueinstieg in das Berufsleben bemüht, einen Berufsabschluss erwirbt oder ähnliches.

Wie die Prämien finanziert werden sollen, steht noch außer Frage, doch gilt es genau hinzuschauen, was sich dort „zusammenbraut“: Denkbar ist, dass das „Anreizsystem“ eine versteckte Kürzung darstellt, wenn die „volle“ Transferleistung nur bekommt, wer sich „nachweisbar bemüht“ – was wiederum dehnbar auszulegen ist und wovon auch nur die „Spitze des Eisberges“ vor Gericht ausgetragen würde.

Klar ist lediglich, dass noch so viele Anreize zum Arbeiten ebenso wenig zur wundersamen Vermehrung von Arbeitsplätzen beitragen können wie ein vermehrtes Coachen mit immer mehr Mitarbeitern und entsprechend sinnlosen Terminen. Die Union schmiert scheinbar Zuckerbrote für Erwerbslose, während aus dem Hintergrund schon das Surren der Peitsche zu vernehmen ist, die schwingen und klatschen soll. Unterstellt wird auch hier wieder, dass sich Erwerbslose nur nicht genügend um Arbeitsplätze bemühten. Außerdem soll offenbar zwischen „guten“ und „bösen“ Erwerbslosen unterschieden werden.

 

3. Als ich Ende letzter Woche die von Bundespräsident Joachim Gauck geäußerten Bedenken gegenüber dem thüringischem Landeschef der Linkspartei, Bodo Ramelow, als potentiellem Ministerpräsidenten einer rot-rot-grünen Koalition hörte, glaubte ich mich im ersten Moment verhört zu haben. Er fragte doch allen Ernstes, ob die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg sei von den Vorstellungen, die die SED hier einst bei der Unterdrückung der Menschen hatte, dass wir ihr voll vertrauen könnten!

Worauf sich das Urteil des Bundespräsidenten gründet, die Linkspartei in Thüringen für nicht vertrauenswürdig und der SED verhaftet zu halten, erfahren wir nicht. Bei aller Meinungsfreiheit kam diese schwere Kritik eben nicht aus dem Munde eines Privatmannes, sondern aus dem unseres Bundespräsidenten. Darf sich ein Staatsoberhaupt auf diese Weise de facto für eine Verlängerung der CDU-Regentschaft in Thüringen einsetzen? Weil Gauck eben auch als ostdeutscher Bürgerrechtler spricht, wird seine Warnung schwer in der Waagschale liegen und eine Rot-Rot-Grün-Regierung nun vielleicht gar nicht mehr zustande kommen, weil diese an der äußerst dünnen Mehrheit von einer Stimme hängt.

Überschreitet Gauck nicht die Grenzen seines Amtes und greift sogar indirekt in den Prozess der Regierungsbildung in Thüringen ein, wenn er der CDU dabei hilft, Einfluss auf die SPD-Basis zu nehmen, indem sie den möglichen Ministerpräsidenten Ramelow und seine Partei verteufelt? Joachim Gauck tut der Demokratie, an die er doch appelliert, keinen Gefallen. Wes Geistes Kind er selber ist, offenbarte Gauck uns ja 2010 bei seiner Verteidigung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan oder des Sozialabbaus und als er die Gegner von Hartz IV kritisierte. Gauck gilt als Unterstützer der Agenda 2010 Gerhard Schröders und nannte den Begriff Montagsdemonstration im Zeichen der Sozialproteste gegen Hartz IV „töricht und geschichtsvergessen“.

Die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping griff Gauck scharf an, weil er „effektiv in einer parteipolitischen Auseinandersetzung Partei ergriffen“ habe. Gauck habe „polarisiert, wo von einem Präsidenten Signale der Versöhnung nötig wären“. Kipping warf ihm vor, sich in einer Weise geäußert zu haben, „die unsere vier Millionen Wähler direkt beleidigt und indirekt an der demokratischen Gesinnung der Hälfte der Bürger im Osten zweifelt. Das muss er richtigstellen. So gehen Demokraten nicht miteinander um.“

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
No, we can’t: Piesepampel hat alle enttäuscht („Spiegel-Online“)
 
„Fast“ absurd: Geringverdiener muss 63 Jahre
für Hartz-IV-Rente arbeiten („Die Welt“)
 
100 Prozent Lohnsubvention: Die alten Römer mussten
ihre Sklaven noch selbst bezahlen („Tagesschau“)

 

Die Stromkonzerne haben
die Politik tanzen lassen

Hans-Dieter Binder1. Bremens Versorger SWB hat eingeladen. Der Runde Tisch hat getagt. Er soll dazu beitragen, Lösungen zur Vermeidung von Energieunterbrechungen zu finden, siehe vorherige Bremer Montagsdemonstrationen. Der „Weser-Kurier“ hat mit der Überschrift „Debatte auch über Härtefonds“ berichtet. Der Runde Tisch hat sich vertagt und aufgespaltet in Arbeitskreise. Die SWB sucht den Kontakt zu ihren säumigen Kunden. Helfen sollen alle, Bürgerhäuser, Quartiersmanager et cetera. Aber wie sollen die wissen, wer bei der SWB ein säumiger Kunde ist?

Die Presseerklärung der SWB sieht ab 2015 Lösungen zur Vermeidung von Energiesperren. Die größte Energieeinsparung wäre wohl die Anschaffung von sparsamen Elektrogeräten. Das ist Menschen mit geringem Einkommen nicht möglich. Selbst bei der Erstausstattung einer Wohnung werden Leistungsberechtigte auf gebrauchte Elektrogeräte verwiesen, ohne Rücksicht auf den Energieverbrauch.

Ob die Erfahrungen von Herrn Köhne in die Beratungen des Runden Tisches eingeflossen sind, steht dort ebenfalls nicht. Im „Weser-Kurier“ vom 9. Oktober 2014 war zu lesen: „Laut Torsten Köhne arbeitet die SWB jedoch daran, die Zahl der Sperren zu reduzieren“. Davor steht in dem Artikel: „Sind zehn Tage ohne Geldeingang verstrichen oder ist ein Betrag von über 100 Euro offen, verschärfe man den Ton und drohe mit einer Sperre. Im schlimmsten Fall müssen säumige SWB-Stromkunden damit rechnen, dass ihnen das Wasser abgestellt wird – auch wenn sie die Abschläge dafür regelmäßig überwiesen haben.“

Dieses Vorgehen wurde von der SWB bisher bestritten. Ob dies mit der Sonderstellung als Monopolist für die Wasserversorgung vereinbar ist? In der Antwort des Senats auf die Anfrage der Fraktion „Die Linke“ steht das so nicht: „Antwort zu Frage 2: Nach Auskunft der SWB Vertrieb GmbH wurde in keinem Fall von einer Sperre der Wasserzufuhr abgesehen. Die SWB Vertrieb GmbH begründet dies wie folgt: Zum einen liegen keine Einreden dieser Art vor, zum anderen ist für einen Kunden die Darlegung äußerst schwierig. Denn im Regelfall werden, wenn die Kosten für Wasser nicht beglichen werden, auch die Kosten für Strom, Gas oder Fernwärme nicht gezahlt. Hierbei hat SWB prozessual – und zugunsten des Kunden –festgelegt, dass zuerst alle anderen Sparten und erst zuletzt Wasser gesperrt wird. Das hat zur Folge, dass eine Sperrung des Wassers dann immer verhältnismäßig ist. Die SWB Vertrieb GmbH sieht sich durch diverse Bremer Gerichtsurteile in dieser Ansicht bestätigt.“

Weiter: „Antwort zu Frage 7: Der Senat unterstützt die dargestellten Bemühungen der beteiligten Stellen und verfolgt weiterhin das Ziel, Einstellungen der Wasserlieferung zu vermeiden.“ Und was wurde bisher vom Senat unternommen? Die SWB macht vielerlei Geschäfte mit der Freien Hansestadt Bremen. Die Antwort des Senats datiert vom 20. Juni 2013!

Im aktuellen „Weser-Report“ hat ein Mitarbeiter eines Energielieferanten Hinweise zur Energieeinsparung gegeben. Einen Artikel weiter stehen aus dieser Feder Möglichkeiten zum Geldsparen. Allerdings wird mensch die SWB durch einen Anbieterwechsel nicht vollständig los. Die SWB hat in Bremen die meisten Kunden und ist daher Grundversorger. Dieser ist zuständig für die Zählerstände und auf Antrag des aktuellen Lieferanten auch für Energieunterbrechungen.

Die SWB ist ein leistungsfähiger Energieversorger! Wieso tanzt sie so um den „heißen Brei“ herum? Die SWB hat am Runden Tisch bedauert, dass sie keinen Kundenkontakt hat. In der Senatsantwort zu Frage 6 steht es anders: „ Die SWB Vertrieb GmbH lässt ein hohes Maß an Fürsorge walten, bevor die Versorgung unterbrochen wird und teilt dazu Folgendes mit: Kommt ein Kunde, aus welchen persönlichen Gründen auch immer, in Zahlungsverzug, bemüht sich die SWB Vertrieb GmbH , mit ihm eine Zahlungsvereinbarung zu treffen.“ Die Wirklichkeit sieht anders aus: Teilzahlungen werden nur ab 50 Euro monatlich akzeptiert. Warum nur? Weil die SWB es so will!

Wer von der SWB eine Mahnung erhält oder absehen kann, dass er mit der Zahlung in Verzug gerät, sollte handeln. Die Handlungsschritte sind nachzulesen unter vorherigen Bremer Montagsdemonstrationen. Sie stehen auch in dem vor den Jobcentern verteilten Flyer gegen die Wassersperren.

Diesen Montag war im „Weser-Kurier“ zu lesen, dass die SWB eine Wasserrechnung mit dem sechsfachen Verbrauch der Vorjahre aufrecht hält. Zum Glück hat eine Kostenübernahme des Jobcenters die Versorgungsunterbrechung verhindert. Für die Kundin ist es eine unerklärliche Rechnung: 1.200 Euro Nachzahlung für Wasser, einfach so, ohne Verbrauchsänderung und ohne Wasserrohrbruch. Die Wasseruhr wurde von der SWB geprüft und für gut befunden. Ratschläge dazu sind im „Wasser“-Forum nachzulesen. Am einfachsten sind die Zwischenablesung sowie das Beobachten des Verhaltens der Uhr, wenn kein Wasser entnommen wird. Ansonsten stehen in dem Forum auch Berichte über Uhren, die trotz Eichung falsch anzeigen.

Die SWB bekommt weitere Zusatzarbeit: Ihre Kunden können wahrscheinlich die Preiserhöhungen rückwirkend anfechten und die Mehrkosten zurückholen. Dies betrifft Kunden in der Grundversorgung für Strom und Gas. Es wurde „zu wenig über Preisanpassungen informiert“, wie der „Weser-Kurier“ berichtet. Die „Verbraucherzentrale Bremen“ rät den Kunden, sie „sollten die SWB schon jetzt vorsorglich schriftlich auffordern, auf die Einrede der Verjährung bezüglich der Rückzahlung bereits gezahlter Preiserhöhungen zu verzichten. Dies sollte man sich schwarz auf weiß bestätigen lassen. Es reiche nicht, wenn die SWB das öffentlich erklärt.“

 

2. Wie die Stromkonzerne sich entwickelt haben, geht aus einem Beitrag der ARD hervor. Beschrieben wird der Werdegang der RWE. Sie hat sehr früh ihre Gemeinden auch als Aktionäre gewonnen. Die RWE hat einen Beirat gebildet und in diesen alle Bürgermeister ihrer Gemeinden berufen. Jedem Beiratsmitglied wurde ein Automobil zur Verfügung gestellt – damals, vor dem ersten Weltkrieg. Die Stromkonzerne haben die Politik tanzen lassen!

Im Dritten Reich wurden die Konzerne verpflichtet, dem Volk günstigen Strom zu liefern. Dafür wurden die Konzerne vor schädlichem Wettbewerb geschützt. Dieses Gesetz hat die Zeit überdauert und wurde erst 1998 aufgehoben. Die Stromkonzerne hatten somit immer „ihre“ Liefergebiete: Es gab keinen Wettbewerb. Die Konzerne verdienten klotzig und festigten ihre Macht. Zur Atomkraft mussten die Politiker die Stromkonzerne „tragen“. Franz Josef Strauß hatte stolze Pläne mit der Atomnutzung. Von Gefahr und Entsorgung sowie allen Nebenkosten der Atomkraft wurden die Konzerne freigestellt!

Die EU wollte diese Monopolstellungen knacken. Gerhard Schröder hat mit den Änderungen in Deutschland jedoch die Monopolstellungen der Konzerne gestärkt. Nur mit der freien Wahl des Energielieferanten für Gas und Strom kommt langsam, sehr langsam der Wettbewerb. Die Stromkonzerne haben aktuell die Nutzung der erneuerbaren Energien verlangsamt und die Braunkohle wieder „angefahren“. Die geänderten Rahmenbedingungen für die Energiewende werden scheinbar mit allen Mitteln hintertrieben – von der Politik oder den Konzernen?

Die Fortsetzung der Konzerngeschichte läuft in der „Tagesschau“: „Russland annektiert die Krim, der Westen bereitet Sanktionen vor – doch die Wirtschaft macht weiter, als wäre nichts geschehen: Noch am Abend des Krim-Referendums verkündete der Essener Energiekonzern RWE, die Tochter RWE Dea für 5,1 Milliarden Euro an einen Investor namens ‚Letter One‘ zu verkaufen. Hinter dem steht der Oligarch Michal Fridman, einer der reichsten Russen überhaupt.“

 

3. Das Freihandelsabkommen mit Kanada darf nicht unterschrieben werden! Vorher sind die Vereinbarungen zu veröffentlichen. Auch das Freihandelsabkommen mit den USA muss überdacht und öffentlich werden. Beispiel Vattenfall: Der schwedische Konzern verklagt Deutschland, weil er durch den Atomausstieg seinen Gewinn geschmälert sieht. Die Klage wurde 2012 eingereicht. 4,7 Milliarden Euro will Vattenfall haben. Die Klage wurde nicht vor einem ordentlichen Gericht in Deutschland eingereicht, sondern ist vor einem US-Schiedsgericht anhängig, weil Vattenfall eine Investorenschutzklausel nutzt. Solche Klauseln sind auch im Freihandelsabkommen mit Kanada enthalten.

Diese Schiedsgerichte bestehen aus Rechtsanwälten. Die Klagen und die Verhandlungen sind nicht öffentlich. Auch die Ermittlung des entgangenen Gewinns ist nicht öffentlich. Das Urteil, Pardon: die Entscheidung dieser Anwälte ist bindend. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht möglich. Die Bundesregierung wendet bereits Millionenbeträge für die Abwehr der Klage auf. Die Mitbewerber von Vattenfall wollen ebenfalls die Bundesregierung wegen des Atomausstiegs verklagen. Die Mitbewerber können dies tun, aber vor den ordentlichen deutschen Gerichten, wie es sich gehört!

Wenn Vattenfall gewinnt und die anderen Konzerne vor den ordentlichen Gerichten in Deutschland verlieren, wird jeder Konzern Investitionen in Deutschland auf eine ausländische Gesellschaft verlagern. Dann können diese Konzerne über das Schiedsgerichtsverfahren für jede Ertragsverschlechterung eine Entschädigung vor den Schiedsgerichten einklagen – ein Bombengeschäft für die Rechtsanwälte!

Der Bundeswirtschaftsminister brauchte Argumente für die Freihandelsabkommen und die darin enthaltenen Bedingungen zum Investorenschutz. Es wurde ein entsprechender Gutachter gefunden: ein Anwalt aus der Welt der internationalen Schiedsgerichte soll es sein. Das Gutachten unterstützt den Minister voll und ganz! Anscheinend ist insgesamt die Gutachteritis ausgebrochen. Im Netz stehen viele Überschriften zu den Gutachten, aber wenig Inhalt. Die bestehenden Freihandelsabkommen der USA mit Kanada und Mexiko haben keine Arbeitsplätze oder irgendwelche Vorteile für die Arbeitnehmer geschaffen, aber die Anzahl der Klagen vor den Schiedsgerichten ist sprunghaft gestiegen. So werden die demokratischen Rahmenbedingungen ausgehöhlt! Alles andere war heiße Luft, aber die Umsatzverlagerung auf die Großkonzerne hat zugenommen.

 

4. „Attac“ ist zu politisch. Der Organisation wurde vom zuständigen Finanzamt in Frankfurt die Gemeinnützigkeit aberkannt: „‚Attac‘ verfolge allgemeinpolitische Ziele, zum Beispiel die Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder einer Vermögensabgabe, und sei deshalb nicht förderungswürdig, so das Finanzamt. ‚Attac‘ hatte die Förderung von Bildung und des demokratischen Staatswesens als Hauptzwecke des Vereins angegeben.“

Dass Steuergerechtigkeit Voraussetzung für den Bestand der Demokratie ist, ist wohl unstrittig. Dass Einkommensentwicklung und Vermögenskonzentration außer Kontrolle geraten sind, ist ebenfalls unstrittig. Die Börsen jagen Milliarden um die Erde, auch für minimale Gewinnmargen. Die Vermögensabgabe würde die Reichen nicht arm, aber die Schüler schlau machen. Die Finanztransaktionssteuer würde den wahnsinnigen Finanzzirkus etwas entschleunigen.

Bereits vor Jahren haben führende Mitarbeiter der Finanzämter darauf hingewiesen, dass die Durchsetzung der Steuergerechtigkeit eine Voraussetzung für die Bewahrung der Demokratie ist. Genau dies ist heute ein einziger Scherbenhaufen. Die Erfüllung dieser Forderungen von „Attac“ ist somit überfällig. Mehr dazu auf der nächsten Bremer Montagsdemonstration. Ich bin solidarisch mit „Attac“! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 

 
„Kreuziget ihn“: Lokführer-Gewerkschaftschef Weselsky
lässt fast fünf Tage streiken („Spiegel-Online“)
 

 
„Hier stehe ich“: Martin Luther taugt doch zum Vorbild („Focus“)
 
Beamtete Lokführer hätten nicht streiken dürfen: Aber die Bahn musste
ja unbedingt ein staatlicher Privatbetrieb werden („Spiegel-Online“)
 

 
„Wer kann Weselsky noch stoppen“: Um das Streikrecht einzuschränken, greifen Wutjournalisten zum verkappten Mordaufruf („Neues Deutschland“)
 
Jetzt ist ein Entgegenkommen der Bahn fällig: Nach zwei Siegen vor Gericht beendet die GDL ihren Ausstand vorzeitig („Spiegel-Online“)
 
Geistig ausgeblutet: Wolf Bierbauch hält sich
für einen Drachentöter („Spiegel-Online“)
 
Polystyrol ist das neue Asbest: Mit Steuermilliarden brachte die Wärmedämm-Lobby Millionen Menschen in die Gefahr des Feuertodes („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz