1. In Deutschland müssen 1,3 Millionen Menschen ALG II beantragen, obwohl sie arbeiten – das Geld reicht einfach nicht aus. Nun ist der geplante gesetzliche Mindestlohn mit 8,50 Euro allerdings derart lachhaft niedrig, dass er nur einen Bruchteil der Betroffenen, nämlich nur etwa 60.000 Aufstocker, aus ihrer prekären Situation, der Abhängigkeit von staatlichen Hilfen befreien wird. Es ist wohl eher als trauriger Witz zu bezeichnen, wenn das monatliche Einkommen um zehn bis zwölf Euro „steigt“, weil nun einmal jegliches Einkommen oberhalb von 100 Euro zu 80 Prozent mit dem Anspruch auf Arbeitslosengeld II verrechnet wird.
Bei einem anständigen Mindestlohn könnten nicht nur Arbeitnehmer von ihrer Hände Arbeit gut leben, sondern es ergäbe sich auch für den Staat eine gesamtfiskalische Entlastung von weit mehr als nur zwischen 2,2 und gut drei Milliarden Euro, denn die Unternehmer würden nicht länger überflüssigerweise aus Steuergeldern subventioniert. Ende letzten Jahres war von den erwerbstätigen 1,303 Millionen Hartz-IV-Beziehern nur jeder Sechste in Vollzeit beschäftigt; vier Fünftel der Aufstocker arbeiteten weniger als 32 Stunden in der Woche.
Das „Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ sieht im geringen Arbeitsvolumen den Grund, warum der Mindestlohn nur für wenige das Ende von Hartz IV bedeute, obwohl der durchschnittliche Stundenlohn von Aufstockern 6,20 Euro betrage. Das klingt in meinen Ohren beinahe so, als ob sich die meisten Arbeitnehmer aussuchen würden, nur in Teilzeit zu arbeiten! Ein weiterer Grund sei die Haushaltsgröße: Der Alleinverdienst eines Arbeitnehmers mit Hartz-IV-Unterstützung reiche nicht für den Rest der Familie aus.
2. Nachdem eine 30-jährige Wittgensteinerin ihr Studium an der Universität Siegen samt Zusatzqualifikation abgeschlossen hat, musste sie seit März ALG II beantragen. Nun steht ihr zum 1. Mai eine Stelle als Referendarin an einer Grundschule im Hochsauerlandkreis in Aussicht. Doch wie soll sie ihren Arbeitsplatz dort erreichen? Ein Darlehen über tausend Euro ihres Jobcenters würde ihr für ein gebrauchtes Auto reichen, mit dem sie in 45 Minuten am neuen Arbeitsplatz sein könnte.
Doch das Jobcenter in Bad Berleburg will der Alleinerziehenden ein solches Darlehen nicht gewähren, sondern rät ihr, für die Anfahrt auf Bus und Bahn auszuweichen – oder einfach noch ein paar Monate Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen. Was sind das denn für Witzbolde? Wenn die einfache Fahrt mit dem Auto schon 45 Minuten dauert, wie lange dauert es dann erst mit Bus und Bahn hin und zurück? Wo sollte so lange das kleine Kind betreut werden? Erst in 18 Monaten sei damit zu rechnen, dass die Bezirksregierung Arnsberg auch im Kreis Siegen-Wittgenstein wieder neues Lehrerpersonal einstelle.
In diesem Zeitraum stünden ihr rund 1.200 Euro pro Monat als Arbeitslosengeld zu, insgesamt 21.600 Euro, die die junge Mutter mit Blick auf ihre Stelle aber gar nicht erst in Anspruch nehmen möchte. Ich finde es unglaublich: Da hat eine ALG-II-Bezieherin gute Chancen, aus dem Bezug von Transferleistungen für sich und ihr Kind herauszukommen, erfährt aber keinerlei Unterstutzung, obwohl sie in die Lage versetzt würde, das Darlehen gleich zurückzuzahlen. Das Job-Center als Joke-Center oder als Verhinderungsbehörde? Wird die ausgebildete Lehrerin demnächst mit einer Maßnahme beglückt, die locker das Doppelte kostet, und bekommt dann die Fahrtkosten obendrauf?
3. Nachdem die Verkehrbetriebe in Düsseldorf einen Streik angekündigt hatten, wandte sich Michael L. in weiser Voraussicht mit der Bitte an die Behörde, einen sogenannten Meldetermin zu verlegen. Doch wurde ihm nur entgegnet, dass er eine Sanktion erhält, weil er ja zu Fuß gehen könne. Ich nehme an, dass dem Sachbearbeiter bekannt ist, dass Herr L. schwer lungenkrank ist und deshalb die zehn Kilometer nicht zu Fuß bewältigen kann. Nachdem Herr L. aus diesem wichtigen Grund den Termin nicht wahrnehmen konnte, wurde er dennoch mit zehn Prozent sanktioniert, was monatlich 39,80 Euro weniger bedeutet. Das ist viel Geld, das ihm nun fehlt. Gegen den Bescheid wurde Widerspruch eingelegt, jetzt Klage erhoben. Vielleicht melden sich auch noch andere Betroffene, die wegen des Streikes sanktioniert wurden.
4. Hartz IV soll reformiert werden. Ein Entwurf soll spätestens im November einer Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vorliegen und bis 2015 umgesetzt werden. In einem Interview moniert Martin Behrsing, Sprecher des „Erwerbslosenforums Deutschland“, dass der Vizechef der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, all das bevorzugt „Bild“ erzählt. Wenn es wirklich nur ums „Entbürokratisieren“ ginge, könne Alt Recht gegeben werden, doch hatte dieser der Gazette mit den vier Großbuchstaben erzählt, dass die Sanktionen verschärft werden sollen: Es werde kein Unterschied mehr gemacht, ob jemand einen Meldetermin bei der Arbeitsagentur versäumt oder eine Arbeitsstelle nicht angetreten hat.
Wenn ein Hartz-IV-Bezieher früher bei einem verpassten Meldetermin mit zehn Prozent Kürzung rechnen musste, sollen es jetzt sofort 30 Prozent sein, gleich um welchen Verstoß es sich handelt. Weiterhin ist in verschiedenen Varianten die Rede davon, den Bezug von ALG II dann ganz einzustellen und erst bei Neubeantragung wieder zu gewähren. Für Alleinerziehende soll der Mehrbedarf gestrichen werden, ebenso die Erstattung für den Besuch der eigenen Kinder, wenn diese in einer anderen Stadt leben, obwohl die Bundesregierung ständig propagiert, wie kinderfreundlich unsere Republik sei.
Wie in aller Welt sollen Aufstocker ihre Arbeitszeiten auf die Termine des Jobcenters abstimmen, wenn diese Behörde bekanntlich für ihre „Kunden“ telefonisch kaum erreichbar ist? So werden auch Aufstocker sanktioniert, wenn Termine wegen Arbeitszeiten nicht wahrgenommen werden können. Dann wird es jedes Mal ein Kampf, wenn die Menschen ihr Recht im Widerspruchverfahren oder gerichtlich durchsetzen müssen. Mit Hartz IV sei nichts billiger oder einfacher geworden, das alte System der Arbeitslosenhilfe hätte erhalten bleiben können. Schlimm sei auch, dass die Betroffenen in Zukunft für Widersprüche und Klagen Gebühren zahlen sollen.
Außerdem soll die Errungenschaft, nach der Bürger vor willkürlichen Verwaltungsakten geschützt werden, abgebaut werden, zum Beispiel das Recht auf rückwirkende Überprüfung. Jobcenter-Mitarbeiter sollen rechtswirksame Bescheide nicht einfach wieder aufheben können, selbst wenn das Amt nachweislich Mist gebaut hat. All das geschieht vor dem Hintergrund, dass jeden Monat 35 Prozent aller Widersprüche gegen Leistungsbescheide erfolgreich sind und 44 Prozent der Klagen zugunsten von Leistungsbeziehern stattgegeben wird. Sozialgerichte sollen künftig aber nicht mehr einbezogen werden: Es werden Sonderrechtszonen für Arme geschaffen, was die Erwerbslosennetzwerke nicht hinnehmen werden. Nach den Sommerferien sind bundesweite Aktionen geplant. Gesetze für verschiedene Klassen von Menschen zu schaffen, bedeutet, am Grundpfeiler unserer Demokratie zu rütteln!
Sehr geehrte Montagsdemonstranten! Ihr Anliegen ist richtig! Trotzdem scheinen Sie Institutionen wie Gewerkschaften und Betriebsräte gezielt auszublenden, als würden sie nicht in Ihren Fokus passen. Mit freundlichem Gruß!
Ich will nicht abstreiten, dass das Thema Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit auf der Homepage der Bremer Montagsdemo arg kurz kommt. Das ist aber nicht beabsichtigt. Es liegt schlicht daran, dass sich so wenige Gewerkschafter(innen) an den Montagsdemonstrationen beteiligen und entsprechende Redebeiträge abliefern. Erwerbslose gewinnen umgekehrt leicht den Eindruck, dass sich die Gewerkschaften kaum für das gesellschaftliche Problem der Arbeitslosigkeit interessieren, obwohl Hartz IV maßgeblich zur Stagnation der Lohnentwicklung und zu übergroßer Duldungsbereitschaft der Beschäftigten angesichts verschlechterter Arbeitsbedingungen beigetragen hat.
40.000 russische Soldaten stehen an der Grenze zur Ukraine im Manöver. Die Nato zieht ihre Marine in der Ostsee und im Schwarzen Meer zusammen und stationiert Flugzeuge im Baltikum und in Polen. Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war die Gefahr eines Krieges in Europa so akut wie heute. Beide Seiten spielen sich als Anwalt des ukrainischen Volkes auf – sie sind es aber nicht! Das ukrainische Volk fordert höhere Löhne, mehr Arbeitsplätze, demokratische Freiheiten und eine lebenswerte Zukunft – nicht Bomben und Raketen. Das Schicksal der Ukraine kann nur vom ukrainischen Volk selbst entschieden werden, nicht durch Einmischung der Großmächte.
Es geht weder dem Block USA/EU noch Russland um Menschenrechte und Selbstbestimmung. Es geht allen Mächten nur um ihre Machtausdehnung, um Vorteile im Konkurrenzkampf um Rohstoffe, Absatzmärkte und Einflussgebiete. EU und Bundesregierung sind seit Jahren aktiv, um die Ukraine dem russischen Einfluss zu entziehen. Das belegt eine neue Studie der „Informationsstelle Militarisierung“ mit dem Titel „Ukraine: Ringen um die Machtgeometrie“. Darin wird der Konflikt in der Ukraine als „Testlauf für die neue deutsche Weltmachtpolitik“ bezeichnet.
Diese neue Rolle brachte Bundespräsident Gauck bei der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz im Februar 2014 auf den Punkt mit seiner Forderung: „Deutschland muss seine Zurückhaltung ad acta legen“. Als wirtschaftliche Großmacht trage Deutschland eine Verantwortung für den Erhalt des internationalen Systems: mit zivilen Mitteln, wenn möglich – militärisch, wenn nötig. Es handelt sich um ein gefährliches Spiel mit dem Feuer, bei dem die Bundesregierung nicht einmal davor zurückschreckt, offen rechtsradikale Kräfte in der Ukraine zu hofieren und zu stärken.
Wir fordern: Keine Osterweiterung der Nato und der EU! Gegen imperialistische Aggressionen und Kriege! Kein Bundeswehreinsatz in Afrika und in anderen Ländern! Bisher hat vor allem der Friedenswille bei vielen Menschen auf der Welt den Kriegsausbruch verhindert. Wir haben die Verantwortung, gegen jeden Versuch eines militärischen Eingreifens – egal, von welcher Seite – eine machtvolle, internationale Friedensbewegung zu entwickeln. Dafür haben die Ostermärsche ein Zeichen gesetzt, und dafür steht auch die Bremer Montagsdemonstration.
Vor zwei Wochen waren aber einige „falsche Freunde“ dabei, um unseren Friedenswunsch für ihre faschistischen Positionen zu missbrauchen. Zweimal wurde Geschichtsfälschung betrieben und behauptet, das Deutsche Reich würde in den Grenzen von 1937 fortbestehen. Nicht einmal die reaktionärsten Kreise in der CDU/CSU und den Vertriebenenverbänden trauen sich heute offen, Anspruch auf ehemalige deutsche Ostgebiete zu stellen. Diese Position ist völkerrechtswidrig und kann letztendlich nur durch einen Dritten Weltkrieg verwirklicht werden. Damit entpuppt sich ihr angeblicher „Frieden“ als aggressive Kriegstreiberei.
Man kann das herrschende System auch von einem faschistischen Standpunkt aus kritisieren, um es noch elitärer, brutaler und menschenfeindlicher zu machen. Das hat nichts mit unserer fortschrittlichen Montagsdemobewegung und unserem Widerstand zu tun. Sie stehen eindeutig auf der anderen Seite:
Es gibt sicherlich weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die sie mit rechter Gesinnung „beglücken“. Wir werden unsere antifaschistischen und demokratischen Grundsätze verteidigen und solchen Positionen keine Plattform bieten. Das ist ein klarer Platzverweis für rechte Unterwanderungsversuche! Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!