467. Bremer Montagsdemo
am 07. 04. 2014  I◄◄  ►►I

 

Dreckige Energiewende

Helmut MinkusDie Energiewende in Deutschland ist zwar beschlossen, und theoretisch sollen hierzulande bis 2022 alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, doch bis dahin ist noch viel zu tun. Auch wir werden daran mitwirken und beobachten, dass es dabei bleibt. Wir von der Bremer Montagsdemonstration haben uns das buchstäblich auf die Fahne beziehungsweise das Banner geschrieben. Auch ich haben inzwischen genügend weltweite, praktische Erfahrungen mit Atomkraftwerken, um für mich die klare Entscheidung treffen zu können: Atomkraftwerke sind nicht zu gebrauchen, also schnellstmöglich abzuschaffen, bevor ihre Betreiber noch mehr Katastrophen damit anrichten!

Nun haben wir einen Sympathisanten, sogar einen starken Mitstreiter, der uns dabei zu helfen versucht, dass Atomkraftwerke abgebaut werden: In Deutschland ist die groteske Situation entstanden, dass Kohlestromproduzenten wieder Aufwind verspüren und sich große Marktanteile versprechen. Die Rhei­nisch-West­fä­li­schen Energieversorger, einer der größten deutschen Kohlestromproduzenten, verlieren zwar Marktanteile und wollen Hunderte von Mitarbeitern entlassen, doch der für die Produktion von regenerativem Strom bekannte schwedische Stromer Vattenfall bekommt in Deutschland das Recht, Dörfer zu zerstören, um Braunkohle abzubauen und damit hier die dreckigsten Kraftwerke zu betreiben, die es gibt, nach dem Motto: „Wer Atomkraftwerke abbauen will, braucht Strom aus Braunkohlekraftwerken“.

Irgendwann wurde mal ein entsprechender Vertrag mit einem dummen, skrupellosem oder profitgierigen deutschen Politiker ausgehandelt. Ein solcher Investitionsvertrag kann nicht mehr so einfach rückgängig gemacht werden, denn Vattenfall kann auf dessen Einhaltung klagen. In einem Braunkohlekraftwerk werden mit jeder verbrannten Tonne Kohle 3,25 Tonnen Kohlendioxid in die Atemluft geblasen. Im Kraftwerk Jänschwalde werden an einem 24-Stunden Tag rund 20.000 Tonnen Braunkohle verbrannt, damit es profitabel läuft. Das ist so grotesk, dass sogar schwedische „Greenpeace“-Aktivisten am Protest gegen den Kohlekraftwerksausbau Vattenfalls in der Lausitz teilnahmen.

Sie hatten sich an Schienen festbetoniert, um den Kohlenachschub für die drei Kraftwerke Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Boxberg zu verhindern. „Es ist eine Schande für alle Schweden, dass unsere staatliche Vattenfall einige der schmutzigsten Kohlekraftwerke in Europa betreibt“, sagt Emma Pettersson von „Greenpeace“. In Schweden betreibe Vattenfall nur Wasser- und Atomkraftwerke. Da sollten wir als direkt betroffene Deutsche etwas deutlicher unsere Meinungen vertreten. Ich selbst kann nur öffentlich fordern: Politiker, die so etwas heute noch zulassen, sollten sofort ihres Amtes enthoben werden!

Helmut Minkus (parteilos)
 

 
Unterwanderung: Völkische „Friedensbewegung“ macht mobil („Indymedia“)

 

Der Hartz-IV-Regelsatz deckt das Existenzminimum nicht

Elisabeth Graf1. Wenn am Ende des Geldes wieder mal ganz viel Monat übrig ist, spüren Hartz-IV-Bezieher sehr deutlich am eigenen Leibe, was bereits durch mehrere Studien und nun auch durch eine aktuelle Untersuchung der „Hans-Böckler-Stiftung“ bestätigt wurde: dass der Hartz-IV-Regelsatz nicht ausreicht, um das Existenzminimum zu decken. Durch die Trickserei bei der Berechnung der Regelsätze erreicht das Grundsicherungsniveau nur gut ein Drittel des durchschnittlichen Lebensstandards.

Auch Wohlfahrtverbände, Gewerkschaften, Er­werbs­lo­sen-Ini­tia­ti­ven und Politiker kritisieren, die seit Beginn des Jahres ausgezahlte Erhöhung um neun Euro auf 391 Euro für Alleinstehende falle viel zu gering aus. Der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ und der DGB kamen erstaunlicherweise zu dem Ergebnis, der Regelsatz für einen Alleinlebenden müsse mindestens 437 Euro pro Monat betragen. „Die Linke“ fordert mindestens 500 Euro pro Monat. Die Partei setzt sich für die Abschaffung von Hartz IV ein und will stattdessen eine sanktionsfreie und menschenwürdige Grundsicherung einführen. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass die Hartz-Kommission bereits im Jahre 2002 einen Re­gel­satz von 511 Euro pro Nase anstrebte.

Während die Höhe der Grundsicherung bis 1990 an einem Warenkorbmodell bemessen wurde, wurde durch die menschenverachtenden Hartz-Gesetze ein Statistikmodell eingeführt, in das die Ausgaben der Haushalte einfließen, die ein niedriges Einkommen knapp über der Regelleistung haben. Hier seien Alleinstehende als Referenzgruppe zur Berechnung der Grundsicherung ungeeignet, da dieser Haushaltstyp nur eine unterdurchschnittliche Position in der Gesamtverteilung erreiche. Zur Berechnung des Regelsatzes dürfe keine Bezugsgruppe herangezogen werden, die sich nicht zur Bestimmung der eigentlichen Einkommensentwicklung eigne.

 

2. Im Rahmen des bundesweiten Projektes „Stromspar-Check plus“ sollen Bezieher von Hartz IV, Sozialhilfe oder Wohngeld und deren Familien jetzt einen Gutschein zum Kauf eines energieeffizienten A+++-Kühlschrankes oder einer entsprechenden Kühl-Gefrier-Kombi in Höhe von 150 Euro für ihren alten Kühl­schrank bekommen, wenn dieser mindestens zehn Jahre alt sei. Mit solch einem modernen Gerät könne jeder Haushalt rund 100 Euro im Jahr sparen. In den nächsten zwei Jahren könnten so bis zu 16.000 alte Kühlschränke ausgetauscht werden.

Die Mitarbeiter des Programms, die selbst meist umgeschulte Langzeitarbeitslose sind, prüfen im Haushalt den Energieverbrauch und berechnen eine Einsparprognose beim Einsatz eines modernen Geräts. Die Abwrackprämie kann dem Haushalt übergeben werden, wenn nachgewiesen wurde, dass der alte Kühlschrank fachgerecht entsorgt wurde. Die Frage bleibt, wer den Rest vom neuen Kühlschrank bezahlen soll, wenn vom Regelsatz nichts angespart werden kann. Auch kann der Kühlschrank wohl kaum auf dem Rücken, dem Fahrrad oder im Bus nach Hause gebracht werden – die Transportkosten bleiben ungeklärt.

Ein 140-Liter-Kühlschrank eignet sich nur für Einzelpersonen, er käme für eine ganze Familie eher einer Art Kühltasche gleich. Oder stellt die Kühlschrank-Prämie nur einen Vorwand dar, um Hausbesuche durchzuführen? Mal eben einen Blick ins Badezimmer erhaschen, um die Zahnbürsten zu zählen oder in die Waschmaschine zu schauen, was da von wem gewaschen wurde? Wenn wegen der genannten Umstände kaum jemand das Programm in Anspruch nehmen wird, gibt es wenigstens einen Grund mehr, auf vermeintlich faule Hartz-IV-Bezieher zu schimpfen, die jetzt bereits einen Zuschuss zum Kühlschrank hinterhergeworfen bekommen, worin sie ihr Bier und die Tiefkühlpizza lagern können, bevor sie sich alles vor dem riesigen Flachbildschirm-Fernseher einverleiben.

 

3. Immer mehr gut ausgebildete und erfahrene Fachkräfte finden keine Arbeit. Sind sie zu alt und zu teuer? Dabei fällt die Frühjahrsbelebung am Arbeitsmarkt sehr moderat aus: Im Vergleich zum Vormonat waren im März knapp 700 Hamburger weniger arbeitslos gemeldet. Doch im Vergleich mit dem Vorjahresmonat gibt es noch keine Entspannung am Arbeitsmarkt, sondern jetzt knapp 4.000 Arbeitslose mehr als im März 2013. Der Anstieg um 5,5 Prozent rief auch den DGB Hamburg auf den Plan, der „verhaltene Einstellungsbereitschaft“ und „überzogene Erwartungen“ der Unternehmen kritisiert. Nach der neuesten Euphemisierung der Arbeitslosenstatistik hat die Erwerbslosigkeit etwas stärker abgenommen: Die Arbeitslosenquote sank um 0,2 Punkte auf 7,1 Prozent, und der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, rechnet mit einer weiteren Belebung des Arbeitsmarktes.

Wenn die Firmen ständig über Fachkräftemangel klagen, dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, dass jeder zweite der 75.828 Arbeitslosen in Hamburg eine Fachkraft mit einer qualifizierten Ausbildung ist. Das hört sich sonst immer ganz anders an. Wie wird eine Fachkraft durch die Bundesagentur für Arbeit definiert? Betrifft das jeden Arbeitnehmer, der einen Stundenlohn von 8,50 Euro die Stunde möglichst deutlich unterschreitet? Steht unserer „Elite“ das Wasser bis zum Halse, wenn solch ein Artikel in der Springer-Presse erscheint? Sechzehn Jahre Lohndumping und Profitmaximierung zulasten der tatsächlichen Leistungserbringer, bei gleichzeitigem Abbau auch des akademischen Mittelbaus, führten zu dieser desolaten Situation.

Gut ausgebildete Leute hangeln sich von einem befristeten Job zum nächsten oder müssen sich durch die Verfolgungsbetreuung der Mob- Center drangsalieren lassen und praktisch ohne Perspektive leben, besser: vegetieren. Soll durch Artikel wie diesen in der „Welt“ der Tenor übermittelt werden, es sei noch mehr Druck auf „Fachkräfte“ auszuüben? Erst weich einschmeicheln, bevor der Hammer niedersaust? Frei nach dem Motto: „Passt euch gefälligst mehr an, weil es den anderen auch mies geht, seid noch flexibler, devoter und verkauft eure Arbeitskraft noch billiger, weil die Märkte das halt alternativlos fordern!“ Dank des Mob-, Flop- oder (No-)Job-Centers geht der Status als Fachkraft recht zügig verloren, wenn er einfach nach einer Zeit der Erwerbslosigkeit aberkannt wird, um Leistungsberechtigte leichter in Dumpinglohnarbeit zwingen zu können.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz