384. Bremer Montagsdemo
am 23. 07. 2012  I◄◄  ►►I

 

Wie Merkel davon ablenkt,
dass der „Fiskalpakt“ das
Grundgesetz beschneidet

Elisabeth Graf Seit dem Beschneidungsurteil des Landgerichts Köln im Mai 2012 entflammte unter den Experten aus Wissenschaft, Politik und Recht, aber auch unter der gesamten Bevölkerung ein breiter gesellschaftlicher Diskurs darüber, „inwieweit die rituelle Beschneidung das Wohl des Kindes beeinträchtigt und wo die Grenzen der Religionsfreiheit liegen“. In der Beschneidungsdiskussion steht die Erziehungsfreiheit gegen das Wohl des Kindes, und sogar „dessen“ Religionsfreiheit wird in die hitzig geführte Debatte geworfen.

Unklar bleibt dabei, welches Interesse ein acht Tage alter jüdischer Säugling an seiner eigenen Religionsfreiheit haben könnte. Denn das natürliche Interesse aller Säuglinge umfasst primäre Bedürfnisse nach Nähe, Wärme, Sättigung, Schlaf, also jede Art von liebevoller Rundumversorgung. Natürlich erziehen Eltern ihre Kinder so, wie sie es für gut und richtig halten, oder auch, wie es ihrem kulturellen Hintergrund entspricht. Sofern dabei die körperliche und seelische Unversehrtheit des Kindes gewahrt bleibt, ist das ja in Ordnung!

Die jüdische Tradition verlangt, dass acht Tage alten männlichen Säuglingen die Vorhaut abgeschnitten wird. Weil bei so jungen Säuglingen die Vorhaut noch mit der Eichel fest verwachsen ist, muss diese zunächst von der Eichel abgerissen werden, um sie im Anschluss abzuschneiden. Dieser Vorgang geschah zumindest früher immer ohne Betäubung, und es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass es sich hierbei um einen äußerst schmerzvollen Vorgang handelt, der sich unmittelbar wie auch im Schmerzgedächtnis festsetzt und zu einem Trauma führen kann.

Während die Beschneidung im Judentum als Gebot Gottes gilt, ist sie im Koran zwar nicht ausdrücklich erwähnt, dennoch im Islam als Sunna weit verbreitet und wird als Zeichen der Religionszugehörigkeit im Kindesalter – bis zum Alter von 13 Jahren – durchgeführt. Doch ist die männliche Beschneidung nicht nur ein Teil der jüdischen und islamischen Identität – auch Christen propagierten sie: um die Onanie zu bekämpfen.

Bereits im 18. Jahrhundert empfahl der katholische Schweizer Arzt Samuel Tissot die Beschneidung als Kur gegen Masturbation, die er nicht nur als Ursache jugendlicher Rebellion, sondern auch von Hysterie und Neurosen ansah. Masturbation soll sich nach Entfernung der Vorhaut schwieriger gestalten, weil sie manchmal nur noch unter Zuhilfenahme von Gleitflüssigkeiten bewerkstelligt werden könne. Außerdem wird durch die meisten Beschneidungsformen ein großer Teil der sogenannten Meissner’schen Tastkörper entfernt, wodurch die Sensibilität des Organs beeinträchtigt werden kann. Durch eine „Verhornung“ der Eichel ergibt sich also eine komplett veränderte Sensorik, eine Desensibilisierung.

Körperliche Unversehrtheit sieht anders aus! Wenn ein Erwachsener sich dazu entscheidet, sich an seinem Genital manipulieren zu lassen, so ist das seine Entscheidung, und er soll dies in die Wege leiten. Aber aus vermeintlicher Religionsfreiheit auf diese Weise ein unmündiges, ausgeliefertes Kind unwiderruflich zu verletzen, dass sollte meiner Meinung nach verboten sein. Ich finde, ein Erwachsener kann sich zu der religiösen Identität bekennen oder sich dagegen entscheiden, mit der er aufgewachsen ist, einer anderen Glaubensform oder auch dem Atheismus, den Agnostikern zuwenden.

Die medizinisch nicht notwendige Beschneidung jedoch wird mitsamt der Desensibilisierung erhalten bleiben und kann anders als beispielsweise der Eintritt in die christliche Gemeinde durch eine Taufe nicht unbeschadet rückgängig gemacht werden. Diese Form der Körperverletzung mit Religion zu begründen, ist in meinen Augen auch vollkommen haltlos, weil die vermeintlichen religiösen Traditionen schon vor dem Entstehen der genannten patriarchalen Monotheismen praktiziert wurden.

In weiten Teilen Afrikas werden auch viele Tausend Mädchen und Frauen der noch weitaus grausameren weiblichen Beschneidung, der Genitalverstümmelung, unterworfen, woran viele sterben oder lebenslängliche Schmerzen erdulden müssen. Diese Tradition wird auch gern mit Religiosität begründet, obwohl sie den Frauen „nur“ die Lust an der Sexualität nehmen soll, damit die Ehemänner sicher sein können, dass die von ihr geborenen Kinder auch seine Nachkommen sind, die männliche Erbfolge also gesichert ist.

Wenn jetzt Juden und Muslime in seltener Eintracht gegen das Kölner Beschneidungsurteil wettern und klagen, dann sind sie sich plötzlich einig darüber, dass sie ihre Religionsfreiheit bedroht sehen. Der Präsident des „Verbandes Europäischer Rabbiner“, Pinchas Goldschmidt, bezeichnete das Urteil als „eine der schwersten Attacken auf jüdisches Leben in Europa“. Für ihn sei es erschreckend, dass das Kölner Urteil von der Bevölkerung so wohlwollend aufgenommen wird, und glaubt deswegen, dass Muslime und Juden in Europa nicht mehr „salonfähig“ seien.

Statt zu bemerken, dass sich für Kinderrechte eingesetzt wird, für das Recht auf körperliche Unversehrtheit, kommt er mit dem Totschlagargument so vieler, die sich nicht inhaltlich auseinandersetzen wollen, und behauptet, dass „die neue Sprache des Antisemitismus die Sprache der Menschenrechte“ sei. Was für eine unglaubliche Verdrehung, um bloß nicht differenzieren zu müssen, weil Kritiker ja automatisch „Antisemiten“ sein müssen! Die einzige Sorge der Bundeskanzlerin scheint darin zu bestehen, dass Deutschland sich ja sonst zur „Komiker-Nation“ machte, wenn wir das einzige Land wären, in dem Juden nicht ihre Riten ausüben können.

Ein neues Gesetz der Bundesregierung als Lösung dieses Konfliktes kann nicht auf der Grundlage von Angst und Zwang erfolgen. Der Kinderschutzgedanke und die Bedürfnisse der betroffenen Kinder sollten als Grundlage der Entscheidung dienen! Allerdings darf sich der Kinderschutzgedanke nicht bloß auf eine unbeschadete kindliche Vorhaut richten, sondern auf das ganze Kind, weltweit! Wahrscheinlich ist dies hier bloß ein Scheingefecht, ein Ablenkungsmanöver von all den hungernden, vom Krieg bedrohten Menschenkindern überall auf der Welt. „Jedes Kind, das verhungert, ist ermordet worden“, sagt Jean Ziegler. Der Kreis der Mörder nimmt in der Finanzkrise massiv zu durch Spekulationen auf Lebensmittel.

Wir müssen auch gar nicht so weit gucken, sondern können vor unserer eigenen Haustür bleiben und der wachsenden Armut der Kinder von erwerbslosen Eltern zusehen, von Eltern, die aufstocken müssen, weil sie für einen Dumpinglohn schuften. Wir können den vielen Armen dabei zusehen, wie sie die Papierkörbe nach Pfandflaschen und auch nach weggeworfenem Essbarem durchsuchen. Diese Debatte lenkt mitten im Sommerloch auch herzallerliebst davon ab, dass die Bundesregierung mit dem „Fiskalpakt“ das Grundgesetz und die Demokratie abschaffen will!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Richtiges Zeichen: Ein Verbot der Beschneidung, flankiert von einer Aufklärungskampagne durch die Bundesregierung, ist überfällig („Piraten Bremen“)
 
„Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl aufgehoben“: Karlsru­he erklärt schwarz-gelbes Wahlgesetz für verfassungswidrig („Spiegel-Online“)
 
Geschlechterdiskriminierung: Männer werden vom Jobcenter doppelt
so häufig sanktioniert wie Frauen („Spiegel-Online“)
 
Ausgegrenzten-Versorgung abschaffen : Die „Tafeln“ könnten in Läden
umgewandelt werden, die Lebensmittel „vom Vortag“ zu niedrigen Preisen
verkaufen und Tausende Arbeitsplätze schaffen („Hartz-IV-Plattform“)

 

Das geht uns alle an – Solidarität mit den griechischen Stahlarbeitern

Am 20. Juli wurde das von Stahlarbeitern bestreikte Werk in Aspropyrgos von einer Sondereinheit der Polizei mit Knüppeln und Tränengas gestürmt. Seit neun Monaten haben sich 400 griechische Stahlarbeiter geschlossen gegen die Entlassung von 120 Kollegen und die Kürzung ihrer Löhne um 40 Prozent gewehrt. Sie sind zu einem Symbol des Volkswiderstands in Griechenland und darüber hinaus für ganz Europa geworden, und sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die internationale Arbeitereinheit gewachsen ist.

Das hat die Regierungen in der EU in Angst und Schrecken versetzt. Ihre „Rettungsschirme“ in Billionenhöhe dienen nur dazu, das internationale Bankensystem vor dem Kollaps zu retten. Die Auflagen der EU stürzen ganze Völker in Massenarbeitslosigkeit und Armut. Heute sind es die Menschen in Spanien, Griechenland, Portugal oder Italien – morgen werden auch hier in Deutschland die Krisenlasten noch offener auf die Bevölkerung abgewälzt.

Deshalb stehen wir an eurer Seite und fordern: Alle Polizeieinheiten müssen abgezogen und die politisch Verantwortlichen bestraft werden! Wiedereinstellung der entlassenen Stahlarbeiter und vollständige Rücknahme der Lohnkürzung! Die Banken und Konzerne sollen die Krisenlasten selbst bezahlen! Für einen gemeinsamen europaweiten Kampf – es lebe die internationale Solidarität!

Resolution der Initiative Bremer Montagsdemo (einstimmig verabschiedet)
 
Von wegen „Griechenland muss raus aus dem Euro“: Athen
kann einfach die Notenpresse anwerfen („Focus“)
 
Umverteilung von Sparern zu Schuldnern: Die Altersvorsorge einer
ganzen Generation ist in Gefahr („Spiegel-Online“)
 
Protest gegen Umweltverschmutzung: Massendemonstrationen
in China stoppen Industrieprojekte („Spiegel-Online“)
 
Falsche, verleumderische, ehrverletzende Behauptungen: MLPD verklagt führende „Verfassungsschutz-Experten“ („Rote Fahne News“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz