381. Bremer Montagsdemo
am 02. 07. 2012  I◄◄  ►►I

 

Finanzpakt – riesiges, dauerhaft unausweichliches Kürzungsdiktat

Elisabeth Graf1. Obwohl Hartz IV per Definition den Lebensunterhalt absichern soll, zeigt sich durch eine ungebremst steigende Zahl der bei den (No-)Job-Cen­tern beantragten Darlehen, dass eben dies nicht der Fall ist! Bereits 2011 mussten pro Monat durchschnittlich 18.400 sogenannte Bedarfsgemeinschaften bei ihrem Mob-Center einen solchen Kredit beantragen, um unvorhergesehene, notwendige Sonderausgaben wie Stromnachzahlungen oder Haushaltsgeräte als „unabweisbaren Bedarf“ überhaupt bezahlen zu können. Die zinslosen Darlehen werden aus Steuergeldern finanziert. Laut Gesetz müssen die Transferleistungsbezieher die Kredite mit monatlich zehn Prozent des Regelsatzes zurückzahlen.

Allerdings entscheiden laut Sprecherin der Bundesagentur bei Bedarf die Jobcenter vor Ort, ob diese Raten tatsächlich geleistet werden können. Da dies bei vielen Hartz-IV-Beziehern nicht der Fall sei, würden Rückzahlungen der zinslosen Kredite oft erst dann vereinbart, wenn die Betroffenen wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Ich bin davon überzeugt, dass es in Wirklichkeit noch viel schlimmer ist, nur nicht immer sichtbar wird. Es wird woanders etwas geliehen oder auf Raten gekauft. Würden dazu die vielen Ablehnungen von Darlehen statistisch erfasst, wäre die wirkliche Not noch offensichtlicher. Bei der sogenannten Grundsicherung im SGB XII für arme Rentner sieht es auch nicht besser aus.

 

2. Immer wieder können wir in einem neuen Bericht lesen, wie sich die Armut in Deutschland zu einem Massenphänomen verfestigt. Manfred Steglich zitiert aus dem aktuellen „Armutsbericht“ des „Paritätischen Gesamtverbands“, dass in Bremen die Armutsquote inzwischen bei 21 Prozent liegt. Obwohl jede fünfte Bremerin und jeder fünfte Bremer an der oder meist sogar unter der Armutsgrenze vegetieren muss, ist Armut häufig nicht direkt sichtbar. Diese unsichtbare Armut verbirgt sich hinter den hässlichen grauen Wohnklötzen einiger Wohnungsbaugesellschaften in den durch Segregation abgehängten Stadtteilen wie Gröpelingen, Osterholz-Tenever oder Lüssum. Wegen des eklatanten Mangels an bezahlbarem Wohnraum steigt auch die Zahl der offiziell rund 350 Obdachlosen wieder an.

Eine Dunkelziffer geht von 500 obdachlosen Menschen in Bremen aus, die auf Abzugsschächten, Parkbänken oder in Notunterkünften übernachten müssen. Das „Papageienhaus“ bietet obdachlosen Männern maximal 75 Plätze als Notunterkunft, warmes Essen und Getränke, eine eigene Schuldnerberatung, Kurse zur selbständigen Haushaltsführung und Hilfe bei Suchtfragen. Das 1976 erbaute achtstöckige Haus muss saniert werden, doch Bremen hat ja bekanntlich kein Geld, weil das Schuldendiktat zu erfüllen ist – was sich bei Inkrafttreten des „Fiskalpakts“ drastisch verschlimmern wird. Dennoch ist zumindest eine Teilsanierung dringend notwendig! Für obdachlose Frauen gibt es eine Anlaufstelle und Übernachtungsmöglichkeiten in der Abbentorstraße. Es gibt das „Frauenzimmer“, ein Treffpunkt für wohnungslose Frauen.

 

3. Diese entlassenen Schlecker-Verkäuferinnen scheinen unverschämt maßlos zu sein, wenn sie die vielen tollen Arbeitsangebote der sich um sie bemühenden Arbeitsagenturen vor Ort gar nicht anzunehmen bereit sind! Für die Leiterin der baden-württembergischen Regionalagentur für Arbeit kristallisiert sich heraus, dass die guten Verdienstmöglichkeiten bei Schlecker ein „Vermittlungshemmnis“ seien, weil Schlecker nach harten Auseinandersetzungen mit Verdi Tariflohn zwischen zehn und 14 Euro gezahlt hatte. Dabei wurden jedoch im Handel die Löhne bekanntlich auf inzwischen acht bis zehn Euro pro Stunde runtergedrückt. So ein Hungerlohn hat doch gefälligst zu reichen! Die Agenturchefin weiß auch, wie sich die Erwerbslosen dazu bringen lassen, schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen: Die teuflischen Hartz-Gesetze sehen vor, dass die Frauen nach drei Monaten Stellen annehmen müssen, die 30 Prozent unter dem bisherigen Lohn liegen.

Nach sechs Monaten reicht es, wenn die angebotene Stelle 60 Prozent des bisherigen Gehalts einbringt. Warum sollen 50-jährige Frauen, die sich ohne Ausbildung in 20 Jahren bis zur Schlecker-Filialleiterin hochgearbeitet haben, nicht einen flexiblen Teilzeitjob bei H&M annehmen? Tönten die Arbeitsämter vor Kurzem nicht noch großartig herum, dass besonders Verkäuferinnen gute Chancen auf Arbeit hätten, weil sie schließlich gesucht würden? Dabei wurden von der ersten Welle der entlassenen 11.500 Frauen bislang gerade mal zehn Prozent vermittelt. Jetzt ist noch für weitere 13 000 Schlecker-Beschäftigte Schluss! Auch sie werden bald irgendwie so in die Statistik verwebt, dass sie dort nicht mehr zu erkennen sind.

Ist es nicht geradezu vermessen, heutzutage zu fordern, für Arbeit entlohnt zu werden, ohne aufstocken zu müssen und ohne Verfolgungsbetreuung davon leben zu können? Wie gut, dass es die Bundesagentur für Arbeit und ihre fleißigen Helferlein gibt, sonst müsste der Dumpinglohnsektor sich noch um Nachschub sorgen! Sollte den Schlecker-Frauen nicht jetzt schon der Geldhahn zugedreht werden, weil sie durch ihre überhöhten Gehaltsansprüche die Firmenpleite und somit ihre Erwerbslosigkeit doch selber verschuldet haben, wobei die bedauernswerte Familie Schlecker gleich mit ruiniert wurde? Könnten die Entlassenen nicht im Blitzkurs zu Erzieherinnen umprogrammiert werden? Bekommen diese jetzt angeblich ein zu üppiges Gehalt, oder warum sollen die Schlecker-Frauen nun doch im Einzelhandel untergebracht werden?

 

4. Nach einer Studie der You Gov Deutschland AG beschäftigt sich fast die Hälfte der Bundesbürger nur wenig oder überhaupt nicht mit der eigenen Alters­vorsorge. Sie seien mit der Wertentwicklung der betreffenden Produkte unzufrieden und blickten pessimistisch in die Zukunft. Nur 37 Prozent seien mit ihrem Einkommen zufrieden, 36 jedoch nicht. 27 Prozent der Befragten sähen ihre finanzielle Situation zwiespältig. Es sei nicht mehr die Frage, ob es zu Altersarmut komme, sondern nur noch, in welchem Umfang. Ich empfinde es als bodenlose Frechheit davon zu sprechen, dass sich deutsche Bürger aktuell „dafür entscheiden, nichts für ihre Altersvorsorge zu tun“, was langfristig fatale Folgen habe.

Hier wird allen Ernstes so getan, als ob sich die Bürger dafür entscheiden, keine private Altersvorsorge zu betreiben, weil sie durch die staatliche im Stich gelassen werden, wenn ihnen vom Lohn so gut wie nichts mehr bleibt. In Deutschland sind die Reallöhne in den unteren Einkommensschichten in den letzten zehn Jahren um bis zu 25 Prozent gesunken. Schade, dass immer wieder vergessen wird, dass totale Armut nichts mit Entscheidung zu tun hat, sondern mit gesellschaftlicher Ausgrenzung und der völligen Unmöglichkeit, von einem zum Leben nicht ausreichenden Hungerlohn noch etwas für die Altersvorsorge abzuzweigen!

 

5. Bei einem Gipfeltreffen der Regierungschefs von 25 europäischen Staaten wurde Ende Januar 2012 der sogenannte Europäische Fiskalpakt beschlossen. Er soll bis Ende des Jahres von allen beteiligten Staaten ratifiziert werden. Mit diesem Vertrag verpflichten sich die Mitgliedstaaten durch Einführung einer „Schuldenbremse“ zu strenger „Haushaltsdisziplin“. Der Fiskalpakt legt nicht nur die Axt an die parlamentarische Demokratie in Europa, sondern ist zur Lösung der europäischen Finanzkrise auch völlig untauglich. Er ist ein riesiges, unausweichliches, dauerhaftes Kürzungsdiktat!

Zwischen den Zeilen springt es ins Auge, dass die sogenannten Reformprogramme und die angebliche Haushaltsdisziplin unsoziale Kürzungen bei den Leistungen der Staaten für ihre Bürger bedeuten. Sie laufen auf weitere Einsparungen im Bildungsbereich, auf eine weitere Senkung von Löhnen und Renten und damit des Lebensstandards für den Großteil der Bevölkerung hinaus. Dieser Fäkalpakt wird „verkauft“ als Lösung für die Finanzkrise des Euroraumes. Mich erschreckt es über die Maßen, dass die erwirkten Kürzungen der Haushaltsausgaben in allen beteiligten Ländern unumkehrbar gemacht werden sollen, auch bei Regierungswechsel.

Sollte sich die Schuldenbremse als Fehler herausstellen, kann der verfassungsändernde Gesetzgeber sie nicht mehr aus dem Grundgesetz streichen oder wesentlich verändern, ohne gegen völkerrechtliche Vereinbarungen zu verstoßen. Was ist das denn für ein Demokratieverständnis? Der Fiskalpakt soll offensichtlich das Ende der Demokratie in Europa herbeiführen. Ich kann nicht begreifen, wie die Parlamentarier bei der totalen Beschneidung ihrer Rechte und Befugnisse zustimmen und diese an ein von niemandem gewähltes Gremium der Europäischen Kommission abtreten! Eine Demokratie werden wir dann nicht mehr sein, eine Monarchie auch kaum. Was bleibt bei entrechteten Wählern und ihren überflüssigen Vertretern, die nichts mehr zu bestimmen haben, weil durch Sparzwang alles bereits festgelegt wurde? Eine Diktatur, ein Polizeistaat!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 

 
Bundestag verkauft Bürgerrechte in 57 Sekunden: Meldeämter dürfen Ihre
Daten an Adresshändler und Werbetreibende weitergeben („Die Welt“)

 

Täuschungen und Lügen
mit Genfraß

Helmut Minkus Heutzutage wird fast jeder Mensch von allen Seiten auf alle möglichen Arten getäuscht, belogen, betrogen und abgezockt. Ich kann das in verschiedene Kategorien einteilen, die leicht zu erkennen sind. Die meisten sind sehr offensichtliche Methoden von Werbung, Spar- und Billigaktionen, die fast jeden Tag in unseren Briefkästen landen und in allen Medien laufen, von denen wir mehr oder weniger „berieselt“ werden. Es gibt Methoden, die wir sofort an unseren Geldbeuteln und Konten merken. Es gibt sogar Bereiche, da werden Sie betrogen, ohne es zu merken. Das ist umso dramatischer, je lebenswichtiger eine Ware für die Menschen ist.

Die größten Betrügereien und Skandale gab und gibt es noch immer bei der Produktion von Grundnahrungsmitteln. Sie geschehen, ohne dass wir etwas davon erfahren – oder erst, wenn es zu spät ist, zum Beispiel, wenn Leute aus „unersichtlichen“ Gründen plötzlich schwer erkranken oder tot umfallen. Über Pestizide in Obst und Gemüse wird schon lange aufgeklärt, um die Menschen über bewusstes Einkaufen zu informieren. Das „modernste“ Problem, mit dem wir konfrontiert sind, ist die Frage, wie wir unsere Grundnahrungsmittel wie Mehl und Öl von Gentechnisch veränderten Organismen (GVO) freihalten. Dies betrifft etwa Soja, Mais oder Raps.

Seit Jahren kämpfen in Europa und Deutschland viele Menschen und Organisationen für eine Kennzeichnungspflicht solcher Produkte. Das ist zwar seit dem 1. April 2004 in Deutschland Gesetz. Eine Lücke darin ist aber, dass Milch, Eier oder Fleisch von Tieren, die GVO-Futter gefressen haben, von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind, obwohl 95 Prozent der Bundesbürger die Kennzeichnung wünschen. In manchen Fällen wurde sie „vergessen“ oder bewusst unterlaufen, um so US-Produkte illegal auf europäischen Märkten einzuführen. Das hat zum Beispiel „Greenpeace“ mehrmals nachgewiesen, etwa im bekannten Berliner „Kaufhaus des Westens“.

Jetzt wird auf EU-Ebene darüber diskutiert, dass sogar Anteile von nicht zugelassenen GVO-Rohstoffen in Nahrungsmittel gelangen „dürfen“. Diese „Aufhe­bung der Nulltoleranz“ ist ein Skandal, von dem die meisten Betroffenen so nicht wissen. Warum in der EU nicht zugelassener, normalerweise bei Strafe verbotener GVO-Dreck, der nicht mal getestet wurde, jetzt in unseren Lebensmitteln zugelassen werden soll, ist unbegreiflich! Es ist schlimm genug, dass auch ohne Zulassung schon genügend Schadstoffe in unseren Nahrungsmitteln enthalten sind.

Da es ohnehin nicht möglich ist, genügend Tests für eine vernünftige Risikobewertung durchzuführen, werden von den GVO-Herstellern am liebsten gar keine gemacht. Die Menschen werden gleich direkt getestet. Das spart viel Geld und soll den „Hunger der Welt“ besiegen. So ist die wahre Geschäftsstrategie der Firma Monsanto und ihrer Hintermänner richtig zu verstehen. Sie haben bewiesen, dass sie so mächtig sind, um sogar US-amerikanische Regierungsbehörden und Politiker für ihre Zwecke benutzen zu können. Beispiele: Sie haben es von Beginn der gentechnischen Entwicklung an geschafft, in den USA neutrale Bewertungs- und Zulassungsverfahren zu verhindern und Bürgerinformationen oder eine Kennzeichnung zu verbieten. Sie haben „ihre“ Regierung dazu gebracht, das von ihr mit geschaffene „Internationale Protokoll zur biologischen Sicherheit“ von Cartagena zu unterlaufen.

Es gibt kein Beispiel aus der gentechnisch bereits heute schon verseuchten Landwirtschaft beispielsweise der USA, Kanadas, Argentiniens oder Indiens, wo die Gentechnik einem Landwirt mehr Nutzen gebracht hat als Schaden. Deshalb wird auch Ministerin Aigner niemals einen Nutzen der „Grünen Gentechnik“ erkennen. Es gibt außer für die Agro-Multis keinen Nutzen, weder für die Verbraucher noch für die Landwirtschaft noch für die Natur, nicht in Deutschland, nicht in Europa und nicht im Rest der Welt. Sie wird mit unserer Unterstützung hoffentlich erreichen, dass die Nulltoleranz nicht zugunsten weniger Großkrimineller aufgehoben wird.

Frau Aigner wird sich hoffentlich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass kein Anbau von GVO-Pflanzen mehr in Deutschland zugelassen wird; dass in der EU keine neuen GVO-Pflanzen mehr zugelassen werden; dass keine Gentechnik mehr im Tierfutter oder gar in unserem Essen zugelassen wird. Wir alle sollten genau prüfen, wo unsere Lebensmittel herkommen, und verstehen, was auf deren Verpackungen steht. Sie können der Bundesministerin für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz auch einen persönlichen Brief schreiben: Ilse Aigner, Wilhelmstraße 54, 10117 Berlin.

Helmut Minkus (parteilos)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz