369. Bremer Montagsdemo
am 26. 03. 2012  I◄◄  ►►I

 

Frauen brauchen gleichen Lohn
für gleichwertige Arbeit

Elisabeth Graf1. Der Gesundheitsexperte Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik an der Bremer Universität beklagt, dass in Deutschland eine Viertelmillion an Demenz erkrankter Menschen Psychopharmaka verabreicht bekommen, ohne dass es ihnen hilft. Mit dieser Praxis kann lediglich Personal einge­spart werden, damit die Heimbetreiber noch mehr verdienen können. Verschiedene Wissenschaftler und der Sozialverband VDK empfehlen dagegen, mehr Pflegeheime umzubauen, damit Demenz­er­krankte durch eine intensive Betreuung zu ihrem Recht kommen und nicht mehr aus lauter Bewegungsdrang aus dem Heim weglaufen müssen. Was für eine menschenverachtende, neoliberale Politik, die jeden, der nicht mehr ökonomisch verwertbar ist, kostensparend kalt stellen will! In meinen Augen ist das Körperverletzung!

 

2. Mit ihrer Forderung nach 40 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen bis zum Jahr 2020 bringt die EU- Kommissarin Viviane Reding Familienministerin Kristina Schröder (CDU) in die Bredouille oder auch auf den Plan, weil diese die Quote mit der Begründung strikt ablehnt, dass einer solchen ein „kollektivistisches Denken“ zugrunde liege. Überdies lehne sie „Belehrungen aus Brüssel“ für Berlin ab. Reding widersprach dieser Auffassung, weil es schon seit den Römischen Verträgen von 1957 eine ausdrückliche Zuständigkeit Europas für die Gleichberechtigung von Mann und Frau gebe. Die Selbstverpflichtungen seitens der Wirtschaft sind Schall und Rauch, sie sorgen kein bisschen für einen höheren Frauenanteil in Spitzenpositionen!

Wenn der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten und Vorständen im vergangenen Jahr um niedliche zwei Punkte von zwölf auf 14 Prozent gestiegen ist, dann ist dieses Schneckentempo entschieden zu langsam! Die 60-jährige EU-Politikerin warf der 34-jährigen Ministerin vor, mit ihrer Politik der Freiwilligkeit nicht genügend Druck auf die Unternehmen auszuüben, und ergänzte, als sie in ihrem Alter war, habe sie auch mal geglaubt, dass Frauen es ohne Quote schaffen würde, aber inzwischen wisse sie es besser. Kristina Schröder schien nicht wirklich zu begreifen, was die EU-Kommissarin ihr zu erklären suchte, weil sie so herzallerliebst blauäugig darauf pochte, dass Frauen „kein Mitleid“ bräuchten, sondern einfach nur „faire Chancen“.

Witz komm raus, Frau Schröder! Die meisten ergrauten Herren auf ihren Chefsesseln wollen, wie wir seit Jahrzehnten sehen müssen, Frauen keine fairen Chancen bieten und haben schon gar kein Mitleid mit ihnen! Darum müssen sie dazu gezwungen werden, endlich eine demokratische, nicht sexistische Machtverteilung zu praktizieren. Diese Herren sind eher bei der Wahrung ihrer eigenen Interessen engagiert. Warum wohl bekleidet eine so junge und unerfahrene Frau den Posten einer Familienministerin? Warum wurde er nicht mit einer älteren, erfahrenen Politikerin besetzt? Wer hatte den Platz zu vergeben, wer das Sagen und wollte bestimmt nicht mit gestandenem, wortgewandtem und kenntnisreichem Widerspruch einer Lebenserfahrenen konfrontiert werden?

 

3. Bremens Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe fordert eine bessere Bezahlung für Frauenjobs. Die Parole „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, welche die „Bremer Frauenunion“ auf eines der vielen Transparente beim „Equal Pay Day“ am 23. März 2012 geschrieben hatte, greife viel zu kurz, weil Frauen in Bremen nicht nur um 25 Prozent schlechter als ihre männlichen Kollegen bezahlt würden, sondern es auch um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit gehe: Mit welcher Berechtigung bekommt eigentlich ein Berufsfahrer 15,64 Euro die Stunde, wohingegen eine Alterpflegerin nur 11,84 Euro die Stunde erhält? Ist die Arbeit am oder mit dem Auto etwa wichtiger oder schwieriger als die an Menschen? Pflegerinnen bekommen trotz des vielen Hebens der Alten im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen keine Zulagen für körperliche Arbeit. Hauffe bemängelt, dass den Frauen ihre oft hohe Verantwortung für andere Menschen nicht honoriert werde. Wieso verdient eine Erzieherin nur halb so viel wie ein Techniker, obwohl doch beide eine Fachschule besuchten? Männer scheinen sich selbst per se besser zu bewerten! („Tageszeitung Bremen“ vom 24. März 2012, Seite 44)

 

4. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen kritisiert den Missbrauch von Zeitarbeit zur Lohnsenkung und will mit einer neuen Regelung Abhilfe schaffen. Weil es für sie inakzeptabel sei, dass Mitarbeiter längerfristig für ein und dieselbe Arbeit unterschiedliche Löhne bekommen, will sie sich in dieser Legislaturperiode für die gleiche Bezahlung von Zeitarbeitern mit der Stammbelegschaft einsetzen. Für sie sei Leiharbeit ein „ganz wichtiger Faktor“, um Auftragsspitzen abzufedern und kurzfristig „Flexibilität“ zu schaffen, doch dürfe Zeitarbeit weder dauerhaft Löhne senken, noch feste Arbeit ersetzen. Allerdings lehne die Ministerin eine Verpflichtung der Unternehmen darauf ab, auch Männern und Frauen für gleiche Arbeit gleiche Löhne zu zahlen, weil dies das „ureigenste Geschäft“ von Gewerkschaften und Arbeitgebern sei. Meiner Meinung nach fällt sie hier den Frauen in den Rücken: Sie will offenbar nicht berücksichtigen, dass nicht alle Frauen solch exklusive, privilegierte Arbeitsstellen innehaben wie ihre Kollegin Kristina Schröder oder sie selbst!

 

5. Die Bundesagentur für Arbeit sei seit Inkrafttreten der menschenverachtenden Hartz-Gesetze dafür bekannt, dass sie nichts auslasse, um den Menschen Angst einzujagen, damit sie gefügig werden, sagt Katja Kipping, die dann beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales nachfragte. Die Bundesregierung gab zu, dass Beziehende von Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen sich unter Androhung von Sperrzeiten und Sanktionen amtsärztlichen beziehungsweise psychologischen Untersuchungen unterziehen müssen. Selbstredend ist diese Untersuchung immer „vollkommen freiwillig“, nur dass eine Verweigerung der Einwilligung zur Untersuchung durch den psychologischen Dienst als „fehlende Mitwirkung“ bei der Arbeitssuche eingeordnet und dementsprechend mit Sanktionen – also der Kürzung der Leistungen in 30-Prozent-Schritten bis zur völligen Leistungsstreichung – geahndet werden kann!

Die Entscheidung, ob jemand zum Psychologen müsse, wird von eigentlich völlig fachfremden Verwaltungsangestellten getroffen, die uneigentlich, aber nachweisbar darauf getrimmt seien, eine Quote in Sachen Sanktionen zu erfüllen, um Kosten zu sparen. Auch kann und darf kein Arzt oder Therapeut des Vertrauens gewählt werden, weil sämtliche Psychologinnen und Psychologen, welche mit der Erstellung entsprechender Gutachten beauftragt sind, nicht etwa selbständig tätig seien, sondern Angestellte der Bundesagentur sind. Ach ja, wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing, trallala!

Auf diese unschöne Weise können ALG-II-Beziehende in den Bereich des SGB XII abgeschoben werden und dabei behilflich sein, die Arbeitslosenstatistik wieder hübsch zu frisieren. Zumindest werden ALG-II-Beziehende massiv eingeschüchtert und zur Aufnahme sittenwidrig bezahlter Billigjobs veranlasst, um nur ja nicht in die Gefahr zu geraten, mit dem Makel psychologischer Probleme belastet zu sein. Seit 2006 wurden laut Angaben des Ministeriums 259.173 Menschen zum Psychologen geschickt! Jede(r) sollte unbedingt nur mit einem Beistand zum Termin beim Jobcenter und oder zu einer solchen Untersuchung gehen, einen Ausdruck von der Diagnose anfordern, Akteneinsicht nehmen, Widerspruch gegen Sanktionen einlegen und rechtlich dagegen vorgehen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
440 Euro reichen nicht zum Leben: Piraten fordern ein Grundeinkommen,
von dem mensch auf Hartz IV aufstocken muss („Tageszeitung“)
 
Fünf Tage Serverabsturz nach israelkritischer Veröffentlichung: „Ihre Daten sind bei uns so sicher wie in einem Tresor(„Neuen Rheinische Zeitung“)
 

 

Acht Millionen haben einen Armuts­lohn – wie lange noch?

Harald BraunAcht Millionen Menschen in Deutschland müssen für weniger als 9,15 Euro brutto pro Stunde arbeiten. Das zeigt eine neue Studie des „Instituts Arbeit und Qualifikation“ (IAQ). Dabei sind 9,15 Euro noch eine Ausnahme, die Realität sieht weit gravierender aus. Die Durchschnittslöhne im Niedriglohnsektor liegen weit darunter: im Westen bei 6,68 Euro, im Osten bei 6,52 Euro. Inzwischen arbeiten 1,4 Millionen Menschen für einen Stundenlohn unter fünf Euro brutto.

Frauen sind von Niedriglöhnen doppelt so häufig wie Männer betroffen. Fast alle Beschäftigten mit einem Minijob auf 400-Euro- Basis müssen für Niedrigstlöhne arbeiten. Stark betroffen sind auch „Unterfünfundzwanzigjährige, befristet Beschäftigte, Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung sowie Ausländer“, führt die Untersuchung aus. Die große Mehrheit der knapp acht Millionen Betroffenen hat einen Beruf erlernt. 80 Prozent der Frauen im Niedriglohnsektor haben zum Beispiel eine abgeschlossene Berufsausbildung. Etwa die Hälfte der niedrig bezahlten Beschäftigten hat sogar eine Vollzeitstelle. Fast 800.000 von ihnen erhalten weniger als 1.000 Euro brutto im Monat.

Deshalb müssen heute über 2,5 Millionen Beschäftigte einen Zweitjob annehmen, im Jahr 2003 waren es „nur“ 1,2 Millionen. 1,3 Millionen Menschen benötigen trotz Arbeit heute die „Aufstockung“ durch Hartz IV. Die Zunahme „arbeitender Armer“ ist direkte Folge der Hartz- Gesetze. Dies hat sich durch die Weltwirtschafts- und -finanzkrise seit 2008 drastisch verschärft. Die deutschen Konzerne konnten ihren Export vor allem dadurch steigern, dass sie das Lohnniveau über Jahre systematisch nach unten gedrückt haben.

Die Veröffentlichung der Studie hat die Debatte über einen flächendeckenden Mindestlohn wieder verstärkt aufflammen lassen. Der Präsident des „Sozialverbandes Deutschland“ Adolf Bauer unterstrich, „wie notwendig ein für alle Beschäftigten geltender Mindestlohn ist“. Die IAQ-Forscher wollen für alle Branchen und Beschäftigtengruppen 8,50 Euro brutto als Mindestlohn. Davon kann man keine Familie ernähren. Mindestens zehn Euro pro Stunde sind dringend notwendig, und zwar für alle!

Geradezu frech ist vor diesem Hintergrund die Behauptung der kommunalen Arbeitgeber, sie kämen mit ihrem mickrigen Angebot von 3,3 Prozent mehr Lohn und Gehalt für zwei Jahre im öffentlichen Dienst den Forderungen von Verdi entgegen. Das wären 1,65 Prozent pro Jahr! Unverschämt beschimpfte der „Verband der Metall- und Elektroindustrie“ die Tarifforderung von 6,5 Prozent, sie passe „nicht zur aktuellen wirtschaftlichen Lage“. Wann passt sie den Herren dann? Seit 17 Jahren sind die durchschnittlichen Reallöhne in Deutschland gesunken. Die Fortsetzung der Spirale nach unten lässt ein gewaltiges Armenheer ansteigen. Der offensive Kampf für die Durchsetzung der aufgestellten Lohnforderungen und für einen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde passt voll in die aktuelle Landschaft!

Harald Braun
 

 
„Schlecht für die Nordsee“: Die ist dank außer Kontrolle geratener Tiefboh­rungen für unsere „geile neue Karre“ leider total tot („Spiegel-Online“)
 
„Illegale Hautfarbe“: Deutsche Richter säen die Saat des
Mistrauens und des Rassismus („Tageszeitung“)

 

Uschi, mach kein’ Quatsch!

Hans-Dieter WegeSehr geehrtes Uschi-Glas-Team! Ich möchte Sie bitten, meine Mail an Frau Glas weiterzuleiten beziehungsweise ihr den genauen Inhalt zur Kenntnis zu bringen. Vielleicht möchte Frau Glas hierzu ja etwas richtigstellen? Am vergangenen Sonntag hat Uschi Glas, Schauspielerin und Lobeshymnensängerin der „Bertelsmann- Stiftung“, in der Sendung „Hart aber fair“ behauptet, Verwandte – hier der Onkel von auf Hartz IV angewiesenen Kindern – könnten eine Bescheinigung für erteilte Nachhilfestunden im Rahmen des „Bildungspaketes“ (in Wahrheit: der Bildungsblendgranate!) mit dem Jobcenter abrechnen. Sie hat so den Eindruck erweckt, Hartz IV-Bezieher würden selbst hierzu betrügen.

Ich wollte es genau wissen, ob so was möglich sein kann, oder ob Uschi Glas sich möglicherweise an einer pauschalen Verunglimpfung von Menschen beteiligt, die auf Hartz IV angewiesen sind. Nach Auskunft des Jobcenters Oldenburg entsteht hier leider ein solcher Eindruck. Dessen Antwort lautet nämlich: „Sehr geehrter Herr Wege! Personen, die Lernförderung anbieten wollen, müssen den beigefügten Interessenbekundungsbogen ausfüllen und die darin genannten Nachweise zur Prüfung durch das Amt für Jugend, Familie und Schule einreichen. Wird von dort die Geeignetheit der Person festgestellt, schließen wir eine Leistungsvereinbarung mit der ‚Lernförderin‘ beziehungsweise dem ‚Lernförderer‘. Das Kind beziehungsweise die Eltern haben bei der Auswahl des Anbieters dann ein Wahlrecht. Bei der Abrechnung muss bestätigt werden, dass Lernförderung tatsächlich im abgerechneten Umfang erteilt wurde.“

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner unsozialer Politik)
 

 
Bloß nicht über Krieg, Reichtum und Armut sprechen: Amerikas Kindern wird das kritische Denken abgewöhnt („Spiegel-Online“)
 
Schlecker-Beschäftigte werden nicht „aufgefangen“: „Es ist nicht Aufgabe
des Staates, für unternehmerische Fehler zu bezahlen“, sofern
keine Banken betroffen sind („Spiegel-Online“)
 
Betriebsklima in kürzester Zeit abgekühlt: Wann werden die Bremer Medien endlich zu 100 Prozent Hellwig-frei? („Tageszeitung“)
 
Die Montagsdemobewegung ruft auf zur Teilnahme an
der 10. Bundesdelegiertenkonferenz am 31. März 2012 in Kassel.
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz