368. Bremer Montagsdemo
am 19. 03. 2012  I◄◄  ►►I

 

Basis von gelebter Freiheit sind
wirtschaftliche Unabhängigkeit
und soziale Sicherheit

Elisabeth Graf1. Gauck war und ist in aller Munde, und ich bin froh, dass es nun vorbei ist, seit klar ist, was schon lange feststand, dass er nämlich Bundes­präsident geworden ist. Ich hoffe, jetzt die Medien wieder einschalten zu können, ohne dass einer permanent Gauck hier und Gauck da vorgegauckelt wird! Den Umfragen nach soll er ja eine große Mehrheit hinter sich stehen haben. Aber ist er wirklich der Richtige, oder haben wir in ein paar Monaten nach einem erneuten Zapfenstreich einen reichen Pensionär mehr? Albrecht Müller meint, dass sich die Wahl dieses Kandidaten zum Bundespräsidenten als schlecht erweisen wird, wenn er nichts dazulernt.

Gauck habe sich zur Finanzkrise und zu den unglaublichen Folgen der Spekulation kaum geäußert. Auch scheine er die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft in Reiche und Arme überhaupt nicht im Blick zu haben. Vom ewigen Beschwören des Wertes der Freiheit gibt es weder etwas zu essen noch eine Festanstellung! „Worin besteht die Freiheit eines Arbeitslosen? Worin besteht die Freiheit einer abgearbeiteten Alleinerziehenden?“ Wenn Gauck nicht weiß, dass die Basis von gelebter Freiheit wirtschaftliche Unabhängigkeit und soziale Sicherheit sind, dann wird er nur der Präsident der Besserverdienenden.

Kann der neue Bundespräsident sich überhaupt in die Lage von Menschen versetzen, denen es nicht gut geht, weil sie sich als Leiharbeiter ausbeuten lassen, ihr kümmerliches Gehalt aufstocken, sich vielleicht von Praktikum zu Praktikum hangeln müssen und dabei noch die Bedingungen der Verfolgungsbetreuung ertragen müssen? Lieben diesen Mann wirklich alle, oder sollen wir hier vergauckelt, äh: verschaukelt werden? Nein, nicht alle stimmen in den Jubelchor mit ein: Es stört linke Aktivisten und Migrantenvertreter, dass Gauck die Empathie für die soziale Bewegung fehle, dass er das Engagement von Menschen, die in der „Occupy“-Bewegung auf die Straße gehen, ins Lächerliche ziehe, ausgerechnet Sarrazin „mutig“ findet. Anstelle eines Lobliedes auf die Frei­heit (der Bes­ser­ver­die­nen­den) solle er lieber eine Lobeshymne auf die Gerechtigkeit anstimmen – schließlich gibt es viel zu viele, die sich diese Freiheit gar nicht leisten können!

Martin Behrsing formulierte so schön, wer Menschen, die bereits 2004 gegen die geplante Hartz-IV-Gesetzgebung demonstrierten, als „töricht und geschichtsvergessen“ bezeichne und die „Occupy“-Bewegung mit seiner Kapitalismuskritik für „unsäglich albern“ halte, sich fragen lassen müsse, ob er wirklich ein Bundespräsident für alle werden kann. In der Politik und Wirtschaft gebe es genügend Menschen, „die täglich zeigen, wie sehr sie Armut ankotzt“. Einen arroganten Oberlehrer brauchen wir dann nicht auch noch als Bundespräsidenten.

Die als „Stuttgart-21“-Gegnerin bekannte Kabarettistin Christine Prayon frotzelt: „Gauck findet Hartz IV prima, ‚Occupy‘ albern, Sarrazin ‚mutig‘ und die Entscheidung, aus der Atomkraft auszusteigen, ‚gefühlsduselig‘. Was lernen wir daraus? Aus der Kernkraft auszusteigen, schützt leider nicht vorm Super-Gauck.“ Dabei betrachtet Gauck sich selbst erstaunlicherweise nicht nur als einen Liberalen und Konservativen, sondern auch als einen Linken. Alea iacta est. Für mich ist er keinesfalls ein Präsident der Herzen, höchstens derer aus Eis und wohl eher ein Präsident für die mit dem prall gefüllten Portemonnaie.

 

2. Die Idee des Berliner Sozialsenators, dass Job-Center künftig die Kosten von Hartz-IV-Klagen tragen sollen, um die Zahl der Gerichtsverfahren zu reduzieren, gefällt mir sehr, weil ausnahmsweise mal die Verursacher und nicht immer die Hartz-IV-Bezieher als ewige Sündenböcke zur Verantwortung gezogen werden. Unverschämt herablassend und völlig am Thema vorbei empfinde ich dagegen die Forderung, dass die „Qualität der Bescheide so verbessert werden“ müsse, „dass sie jeder versteht“. Die Leute klagen keinesfalls, weil sie zu ungebildet wären, um die Bescheide zu verstehen, sondern weil die Bescheide schlicht und ergreifend falsch sind!

 

3. „Linken“-Fraktionschef Oscar Lafontaine will die Reichsten in Deutschland wieder zur Kasse bitten. Es verarme kein Millionär, wenn ihm bis zu 75 Prozent Ein­kom­men­steu­er abgeknöpft würde! Lafontaine erinnerte daran, dass der Spitzensteuersatz nach dem Zweiten Weltkrieg bei 95 Prozent gelegen habe und daran auch „keiner gestorben“ sei. Außerdem setzte er sich für Generalstreiks als politisches Druckmittel in Deutschland ein. Lafontaine sagte, dass der politische Streik immer dann ein Instrument sei, wenn das Parlament gegen elementare Interessen der Bevölkerung abstimmte. Dies sei bei der Agenda 2010 und bei Hartz IV so gewesen. Schließlich heiße Demokratie Volksherrschaft und nicht Minderheitenherrschaft.

 

4. Laut Reinhold Schramm ist die Bundesregierung ein „Brandbeschleuniger für noch mehr Altersarmut“, wenn diese im nächsten Jahr den Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung um eine Milliarde Euro und in den Folgejahren um 1,25 Milliarden Euro kürzen will. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagt dazu, die Rentenversicherung werde bis auf das letzte Hemd ausgeraubt, wenn die Koalition den Rentenbeitrag weiter senke und den Steuerzuschuss kürze. Dann blieben keine Spielräume gegen die drohende Altersarmut, und Bundesministerin von der Leyen würde mit ihrem ohnehin kläglichen Versuch, Altersarmut zu vermeiden, „frontal gegen die Wand“ fahren. Die dringend nötige Aufbesserung von Armutsrenten werde damit grundsätzlich in Frage gestellt.

Buntenbach fordert, die Rücklagen der gesetzlichen Rentenversicherung für schlechte Zeiten zurückzulegen und den Beitragssatz stabil zu halten. Wer aber heute den Beitrag und die Steuerzuschüsse senke, kürze die Renten von morgen. Nach den Plänen der Lobby-Bundesregierung werden bis zum Jahr 2016 4,5 Milliarden Euro aus der Arbeitslosenversicherung in den Bundeshaushalt umgeleitet. Hierzu sagte Annelie Buntenbach, dass es genauso unverantwortlich sei, den Staatshaushalt auf Kosten der Arbeitslosenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung sanieren zu wollen. Es sei fatal, wenn sich die Bundesregierung an den Sozialversicherungen vergeht, nur um sich zum „Oberstreber der einseitigen europäischen Kürzungsorgie“ aufzuspielen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Ruhigstellen ohne Genehmigung: Um Personal zu sparen, werden
Demenzkranke in „Pflegeheimen“ mit chemischer Gewalt
außer Gefecht gesetzt („Die Welt“)

 

Verwirkt den Leistungsanspruch, wer sich nicht untersuchen lässt?

Hans-Dieter Binder Die Fraktion der Partei „Die Linke“ hat aktuell durch mehrfaches Nachfragen eine Aussage der Bundesregierung zu den ärztlichen Untersuchungen auf Veranlassung der Fallmanager erhalten. Die Ant­wort der Regierung un­ter­stellt dabei die Notwendigkeit dieser Zwangs­un­ter­suchungen. Auf Seite 5 steht: „Die Notwendigkeit eines sozialmedizinischen oder psychologischen Gutachtens ergibt sich im Rahmen des individuellen Eingliederungsprozesses, wenn sich zeigt, dass die leistungsberechtigte Person gesundheitlich so stark eingeschränkt ist, dass entweder generelle Zweifel an der Erwerbsfähigkeit bestehen oder es zumindest der fachkundigen Feststellung bedarf, welche Tätigkeiten ohne das Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung zumutbar ausgeübt werden können beziehungsweise für welche Tätigkeiten eine Eignung besteht.“

Was folgern wir daraus? „Wenn sich zeigt“ heißt, das Ansinnen muss begründet werden. Diese Begründung kann eingefordert werden. Auf Seite 5 steht weiterhin, dass „die Einwilligung der leistungsberechtigten Person zwingend vorausgesetzt“ wird. Damit wäre eigentlich klar, dass es ohne Zustimmung keine Einladung zum Untersuchungstermin und somit keine Untersuchung geben kann. Aber auf Seite 6 steht: „Das Selbstbestimmungsrecht des Bürgers ist einer der Gründe, warum keine Rechtspflicht, die mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden könnte, zur Teilnahme an ärztlichen und psychologischen Untersuchungen im Sozialgesetzbuch normiert wurde. Damit ist sichergestellt, dass ohne Einwilligung des Betroffenen kein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Bürger erfolgt.“ Und weiter: „Die betroffenen Bürger können sich hier entscheiden, ob sie ihrer Obliegenheit nachkommen oder nicht und dafür gegebenenfalls Rechtsnachteile in Kauf nehmen.“

Damit wird angedroht, dass den Leistungsanspruch verwirkt, wer sich nicht untersuchen lässt! Dies steht auch noch deutlicher in dieser Antwort. Wie geht der Erwerbslose damit um? Ich bin für offensives Vorgehen. Meistens wird diese Untersuchung als positives Angebot unterbreitet: „Wir haben über unseren ärztlichen Dienst diese Möglichkeit.“ Wer eine Fortbildung oder Umschulung beantragt hat, kommt nicht umhin, dieser Untersuchung zuzustimmen. Es ist aber möglich, die Zustimmung einzuschränken, auf eine „Untersuchung wie für eine Einstellung“. Dies ist die Meinung eines Sozialrichters in Bremen. Auch Arbeitgeber lassen die Bewerber vom Betriebsarzt untersuchen. Logisch!

Wer von dieser Untersuchungsmöglichkeit durch den ärztlichen Dienst des (No-)Job-Centers nicht überzeugt ist, kann den Fallmanager bitten, sein Ansinnen zu erläutern und, falls dieses nicht überzeugend ist, sagen: „Geben Sie mir Ihre Begründung bitte detailliert schriftlich mit“ oder: „Stellen Sie Ihre Fragen schriftlich, ich gehe damit zu einem Arzt meines Vertrauens“. Bislang war mit diesem Vorbringen die Nutzung des ärztlichen Dienstes des (No)Job-Centers erledigt. Auch wurden keine schriftlichen Fragen gestellt. Der Vorschlag wurde einfach fallengelassen!

Auf Seite 6 heißt es weiter: „Schließlich liegt es im allgemeinen öffentlichen Interesse und im Interesse der vielen Millionen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass die Leistungsberechtigten ihren Teil dazu beizutragen, dass die aus dem Steuer- und Beitragsaufkommen zu bestreitenden Leistungen von den Behörden gesetzeskonform festgesetzt und erbracht werden können.“ Diese Sichtweise der Bundesregierung kann mensch durchaus aufgreifen, denn aus ihr ergibt sich auch, dass die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung gut überlegt sein will, weil dadurch Kosten entstehen.

Auch hier ist festzustellen: Gegenwehr ist möglich! Eine Nutzung dieser Gegebenheiten auch. Zuerst die Nutzungsmöglichkeit: Die Aussage, diese Untersuchung soll für alle Sozialversicherungsträger verbindlich sein, hat sich noch nicht durchgesetzt. Das Sozialamt und die Rentenversicherung vertrauen nur dem eigenen ärztlichem Dienst. Die Gegenwehr ist mit Widerspruch und notfalls Klage möglich. Dabei ist aber zu beachten, dass der Widerspruch gegen die Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt keine aufschiebende Wirkung hat. Bitte im Widerspruch vermerken: „Hiermit beantrage ich die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs und bitte um kurzfristige Bestätigung.“ Wenn dies nicht umgehend bestätigt wird, die Hilfe des Sozialgerichts per Eilverfahren suchen. Ich gehe aber davon aus, dass das (No-)Job-Center bereits bei der Begründung das Handtuch werfen wird. Wie dies alles geht? Wir gehen mit!

Falls eine einvernehmliche Untersuchung ergibt, dass die tägliche Leistungsfähigkeit unter drei Stunden liegt und daher kein Anspruch auf ALG II mehr besteht, so ist das ALG II trotzdem weiterzuzahlen, bis der zuständige Leistungsträger die Zahlung aufnimmt. Die Überzahlung kann das (No-)Job-Center mit dem Sozialamt beziehungsweise der Rentenversicherung verrechnen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine Vermittlung in Arbeit schon lange nicht mehr stattfindet! Der größte „Vermittlungserfolg“ ist die Vermittlung in Erwerbsunfähigkeit. Der Nachgeschmack beim Gedanken an Zwangsuntersuchungen ist sehr erinnerungsbehaftet! Sie sind eines Sozialstaates unwürdig!

 

2. Aus persönlicher Überzeugung möchte ich auf das neue Buch der „Georg-El­ser-Initiative Bremen“ hinweisen. Es wurde am vergangenen Sonntag auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt und heißt: „Wir sind empört! Gegen die Zerstörung des Sozialstaates und den Angriff auf unsere Grundrechte“. In der Ankündigung heißt es: „Experten und engagierte Bürger beschreiben die Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte in unserem Land. Schwerpunkte dabei sind: Welches Geschichtsbild herrscht bei uns? Sind auf dem Weg in einen legalen Polizeistaat? Was passiert mit Millionen von Hartz-IV-Empfängern auf den Ämtern? Wie kann Arbeit gerechter verteilt werden? Wer profitiert von der Spaltung der Gesellschaft?“ In diesem Buch steht auch ein Beitrag von mir über Erfahrungen mit der Armut und die „Angst vorm Klappern des Briefkastens“. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Hänflinge beim Hitlergruß: „Entarteter“ Bremer Böttcherstraßen-Künstler
versuchte vergeblich, sich bei den Nazis anzubiedern („Bild“-Zeitung)
 
„Verfassungsschutz“ lässt V-Leute von der Leine: Grundlage fürs NPD-Verbot muss Potsdamer Abkommen sein, nicht Parteienrecht („Süddeutsche Zeitung“)

 

Montagsdemo Hamburg legt sich mit menschenverachtender kapitalistischer Wohnungswirtschaft an

In Hamburg fehlen 40.000 Wohnungen. Der Wohnungsbau wurde seit 1980, schon unter SPD-Senaten, zurückgefahren. Im gleichen Zuge stiegen die Bruttokaltmieten um 22,3 Prozent, nicht gerechnet die Wucherpreise bei Strom und Heizung. Das Neubauprogramm des neuen SPD-Senats von 6.000 Wohnungen ist ein Zugeständnis an die anhaltenden Proteste, angesichts des Mangels aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Wohnungswirtschaft beteuert eilfertig, das würde nicht zu Mietpreissenkungen führen.

Der Leiter der Rechtsabteilung des Mietervereins Hamburg rechnet vor: „Bei Vermietern gilt die Regel, eine Familie muss einen Wochenlohn für die Warmmiete aufbringen. Bei einer neu vermieteten 90-Quadratmeter-Wohnung von 1.300 Euro Warmmiete müsste eine Familie dafür über ein Nettoeinkommen von 5.400 Euro verfügen. Das sei illusorisch, sagt Chychla. Schließlich verfügten in Hamburg zwei Drittel der Haushalte nur über ein Nettoeinkommen von unter 3.000 Euro“ (Hamburger Abendblatt, 3. März 2012).

Unser Mitstreiter Joachim von der Montagsdemo Hamburg wurde unverschuldet wohnungslos und hatte nach drei Monaten noch nichts Neues. Da legt sich die Montagsdemo mit dem Senat an und forderte am 1. Dezember 2011 in einem Offenen Brief vom Ersten Bürgermeister und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga-GWG eine Sofortlösung bis Ende des Jahres: „Eine Notunterkunft ist im Allgemeinen schon eine Zumutung, in diesem Fall aber schlicht unzumutbar.“ Joachim hat nach 40 Jahren Arbeit auf einer Rostocker Werft und danach bei Spar in Hamburg starke Arthrose, Altersdiabetes und einen noch nicht behandelten grauen Star.

Den Eingang des Offenen Briefes ließen wir uns mit einem Eingangsstempel auf dem Rathaus bestätigen und gingen noch am selben Abend mit sechs Leuten von der Montagsdemo zur Bürgersprechstunde von Olaf Scholz mit circa 120 Besuchern. Starken Applaus bekamen wir für die Begründung unserer Forderung: „Unbürokratisch für Tausende Wohnungssuchende wäre die sofortige Umwidmung von leer stehenden Büroräumen in Wohnräume. Das wäre ein Zeichen von Ihnen, dass der Senat der Wohnraumverknappung als erwünschter Geschäftsgrundlage für den Mietwucher großer Immobiliengesellschaften entgegentritt.“ 1,4 Millionen Quadratmeter Büroraum stehen in Hamburg leer!

Olaf Scholz gab über seinen Pressereferenten zu verstehen, dass er sich um diesen Einzelfall kümmern will. Mit den Immobilienhaien will er sich aber nicht mal verbal anlegen. Die Saga als größter Hamburger Wohnungsgeberin ist selbst Teil dieser kapitalistischen Wohnungswirtschaft: „Sie wirft jedes Jahr Gewinne in dreistelliger Millionenhöhe an die Stadt ab. Die verschleppte Sanierung von Schulgebäuden und die Finanzierung großer Teile der Elbphilharmonie werden über die Saga betrieben“, schreibt Petra Paul von „Mietenwahnsinn stoppen“.

Nach einem harten Wortgefecht mit unserer dreiköpfigen Delegation musste der Leiter einer Saga-Geschäftsstelle von seinem „kaufmännischen Standpunkt“ abrücken, es handle sich um „keinen dramatischen Fall“ und Joachim stehe „am Ende der Bonitätsliste“. Zum Schluss sicherte er ihm eine Wohnung zu. Dazu trugen der Rathausstempel auf dem Offenen Brief und der politischen Rückwind des Senats bei, deren Bausenatorin Aufsichtsratsvorsitzende der Saga ist. Das „obere Ende der Bonitätsskala“ geht in diesen Wochen durch die Presse: ein Herr Wulff, Altbundespräsident, mit der Finanzierung seines bescheidenen Eigenheims, oder der alte Hamburger Regierungschef Ahlhaus mit seinem Deal der Vermittlung einer Luxusvilla ohne Courtage gegen einen Gesetzentwurf zur Steuersenkung für Hamburger Spielbanken.

„Ohne die Montagsdemo hätten Sie in Ihrer Situation keine Chance auf eine Wohnung“, musste der Saga-Geschäftsstellenleiter anerkennen. Wir kamen inzwischen auf mehr als ein Dutzend Aktivisten im Kampf um eine Wohnung. Ende Februar konnte Joachim den Mietvertrag unterschreiben. Der Umzug musste kurzfristig organisiert werden. Das Jobcenter verlangte drei Kostenvoranschläge von Umzugsfirmen: Das wurde nicht mal bei der Elbphilharmonie verlangt! In der kurzen Zeit ist das unmöglich, wir müssen den Umzug in einem neuen Kraftakt selbst durchführen. Im Einzelfall haben wir uns so durchgesetzt. Wir sind sehr stolz auf den Erfolg der praktischen Solidarität.

Was das Ganze angeht, stellen wir die Forderungen auf: Für höhere Löhne und Gehälter! Unbegrenzte Fortzahlung des Arbeitslosengeldes I! Kampf um die Schaffung von ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum! Wir singen auch gern das Lied der Kommunarden von Bert Brecht: „In Erwägung, dass da Häuser stehen, während ihr uns ohne Bleibe lasst, haben wir beschlossen, jetzt dort einzuziehen, weil es uns in unseren Löchern nicht mehr passt. In Erwägung, dass wir der Regierung, was sie immer auch verspricht, nicht trauen, haben wir beschlossen, unter eigner Führung uns nunmehr ein gutes Leben aufzubauen.“ Das wäre ein Aspekt einer vom Kapitalismus befreiten Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung!

Zuschrift von Christian Kölle, Montagsdemo Hamburg
(18:15 Uhr Mönckebergstraße/Spitalerstraße)

 
Bürgerverachtung im Saarland: Warum wählen, wenn das Ergebnis
Große Koalition schon vorher feststeht? („Tageszeitung“)
 

 
Ob Stadt, ob Land: FDP raus, Piraten rein („Die Welt“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz