367. Bremer Montagsdemo
am 12. 03. 2012  I◄◄  ►►I

 

Gemeinschaftliche Ziele mit
allen anderen „Weltverbesserern“

Hans-Dieter Binder In den Jahren des Widerstandes haben wir vieles dazugelernt. Als ich erstmals das SGB II und die Kommentare dazu gelesen habe, dachte ich, da haben sie den Schröder über den Tisch gezogen. Inzwischen ist klar: Schröder hat seine Agenda 2010 abgeschrieben, von der „Lissabonner Strategie“. Noch nie wurden soziale Errungenschaften so schnell abgebaut und Löhne so rasant gesenkt. Das betraf aber nur die Einkommen der Arbeiter und Angestellten, jene der Spitzenverdiener sind explodiert.

Die Armut per Gesetz wurde verfestigt, die Körperschaftsteuer zum Kostenfaktor, weil Schröder deren Umgestaltung für Kapitalgesellschaften zehn Jahre rückwirkend zuließ. Die Atomkraft wird sauber gewaschen, der Atommüll nach Bergbaurecht behandelt. Die Strahlungsschäden werden ignoriert, da nicht nachgewiesen. Die Banken wurden mit Milliarden gerettet. Bankbilanzen von heute wären damals als Bilanzfälschung geahndet worden. Die Banken erhalten frisches Geld für ein Prozent per anno, so viel die Banken mögen. Mein Überziehungszinssatz beträgt 9,75 Prozent, die Griechen zahlen über 20 Prozent Zinsen.

Die Schuldenbremse, der Zwang zum Sparen, der Sparkommissar, natürlich auch der Krieg in jeder Form und in allen Details mit Mensch und Waffen, die Umgestaltung Europas entsprechend der „Lissabonner Strategie“, die Vereinbarung der Waffengewalt zur Sicherung der Versorgung Europas, egal wo, überall in der Welt, die Ausgrenzung des Parlaments, eine eigene EU- Streitmacht, überall einsetzbar, auch in Berlin und London – über all dies haben wir in den Jahren des Widerstandes dazugelernt.

Ich höre auf, denn vollständig wird es nicht. Nicht zu vergessen ist aber die persönliche Not, die durch diese Rahmenbedingungen täglich entsteht. Es gibt somit eigentlich nur gemeinschaftliche Ziele mit allen anderen „Weltverbesserern“, und sie alle sind auf der Bremer Montagsdemo willkommen! Kritik ist erlaubt und auch aushaltbar. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Arbeitslose besetzten Pariser Luxusrestaurant: Während in Deutschland kaum noch Menschen gegen Hartz IV demonstrieren („Gegen Hartz“)

 

Noch die Nazimord-Entschädigung wird aufs Hartz IV angerechnet

Elisabeth Graf1. Weil die Deutschen angeblich zu oft zum Arzt gingen, wurde am 1. Januar 2004 die Praxis­ge­bühr eingeführt, um Eigenverantwortung und Kostenbewusstsein der Versicherten zu stärken und damit die medizinische Versorgung sinnvoll steuern zu können. Statistisch brachte das herzlich wenig, weil die Zahl der Arztbesuche in Deutschland laut OECD mit 8,2 Konsultationen pro Kopf und Jahr immer noch über dem internationalen Durchschnitt von 6,5 Besuchen liegt. Doch gibt es eine Gruppe von Patienten, die Arztbesuche tatsächlich verzögert oder vermeidet – und das sind natürlich die Einkommensschwachen, die es sich in unserem reichen Land nicht leisten können, zum Arzt zu gehen und sich behandeln zu lassen.

Geld für die Praxisgebühr ist im Regelsatz nicht ausreichend berücksichtigt worden, sodass vielleicht Apotheker um Rat gefragt werden, welche Medikation nun angebracht erscheine. Schließlich müssen alle nicht verschreibungspflichtigen Medikamente ohnehin aus dem eigenen Portemonnaie bezahlt werden. Wenn mehr als ein Zehntel der Befragten aufgrund von Zuzahlungen trotz Krankheit nicht zum Arzt gegangen ist, dann dürften die Ausgaben für die Krankenkassen dadurch halt später explodieren, weil die Kosten immer mehr ansteigen, je später zum Beispiel eine Krebserkrankung erkannt und behandelt wird. So erfüllt die Praxisgebühr mitnichten die Sparvorgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, auch wenn sie beachtliche Zusatzeinnahmen von knapp zwei Milliarden Euro jährlich eingespült hat.

Meiner Meinung nach wird nicht wirklich auf die Gesundheit der Bevölkerung geguckt, sondern ausschließlich auf mögliche Kostenersparnis. Aber bitte nicht da, wo sie verursacht wird, also bei der aufgeblähten Verwaltung und den gerade in Deutschland dank Pharmalobby überbordenden Arzneikosten, sondern bei den finanziell Schwächsten, die sich ohnehin kaum zur Wehr setzen. Auch wenn die gesetzlichen Krankenkassen nun einen Überschuss von 20 Milliarden Euro erwirtschaftet haben, will die AOK den ausnahmsweise mal vernünftigen Vorschlag der FDP nach Abschaffung der Praxisgebühr nicht umsetzen, sondern am liebsten alles beim Alten belassen. Der AOK-Chef warnte angesichts der 2013 auslaufenden Sparpakete aus der Gesundheitsreform davor, dass die Versicherten „nicht heute Prämien bekommen und übermorgen Zusatzbeiträge zahlen“ wollten. Die Forderung der FDP nach einer Abschaffung der Praxisgebühr nannte er Augenwischerei, weil sie im Anschluss daran die Patienten an jeder einzelnen Behandlung finanziell beteiligen wollten.

 

2. Die Bundesregierung gab auf mehrfaches Nachhaken der Abgeordneten Katja Kipping in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/8846) zu, dass sich Bezieherinnen und Bezieher von Hartz-IV-Leistungen unter Androhung von Sperrzeiten oder Sanktionen amtsärztlichen beziehungsweise psychologischen Untersuchungen unterziehen müssen. Dazu erklärte die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“, dass „dieser Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen nicht hinnehmbar“ und eine „Zwangspsychiatrisierung von Menschen gemeinhin nur aus diktatorischen Systemen bekannt“ sei.

Ich finde auch, dass dies eigentlich ausreichen sollte, „die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter davon abzuhalten, Erwerbslose und Menschen mit geringem Einkommen unter Androhung der Kürzung von Mitteln der Existenzsicherung ärztlichen und psychologischen Diensten zuzuführen“ und dass „Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld und Sanktionen bei den Grundsicherungen sofort abzuschaffen“ sind. Schade, dass sich noch kein Hartz-IV-Leistungsbezieher in diesem Punkt sein Recht vor Gericht erstritten hat, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass diese grundgesetzwidrige Praxis dann länger Bestand hätte.

 

3. Seit Kurzem können Betroffene eine Entschädigung einklagen, wenn ein Ge­richtsverfahren „unangemessen“ lange gedauert hat, wie es im Gesetz heißt. Allerdings ist damit noch lange nicht geregelt, wie lange ein Prozess dauern darf. Bei vier von fünf Verurteilungen Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geht es um Verzögerungen bei der Justiz. Auch wenn von dem Gesetz prinzipiell alle Verfahren – Straf- ebenso wie Zivilsachen, Arbeits- ebenso wie Verwaltungsgerichte, die Arbeit von Richter(inne)n ebenso wie jene der Staatsanwält(inn)e(n) – betroffen sind, gilt als Voraussetzung für eine Entschädigungsklage, dass der Betroffene die Verfahrensdauer zuvor beim jeweiligen Gericht offiziell gerügt hat. Doch spricht der Bremer Strafverteidiger Sven Sommerfeldt von einem „stumpfen Schwert“, weil die Gerichte zwar gerügt, aber nicht verpflichtet werden könnten, schneller zu arbeiten. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt: Viele solcher Klagen könnten am Ende ein Argument für mehr Personal sein.

 

4. Offenbar sind einige Jobcenter dazu übergegangen, Entschädigungs­zah­lun­gen an die Hinterbliebenen der Neonazi-Morde auf laufende Hartz-IV-Leistungen anzurechnen. Barbara John, Ombudsfrau und Sachverständige im Ausschuss zur Aufklärung der Neonazi-Morde an elf Menschen, will nun auf die Leistungsträger einwirken, damit diese die Anrechnung wieder zurücknehmen. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy wolle zudem Gespräche mit der Bundesregierung führen, damit die Jobcenter dazu angewiesen werden, ihre bisherige Praxis zu revidieren.

Ich kann gar nicht fassen, was hier zurzeit geschieht, und frage mich, ob hier die Behörden jedes menschliche Maß an Empathie verloren haben, indem sie eine Entschädigungszahlung faktisch ad absurdum führen. Dabei haben viele Familien durch den Tod der Opfer ihre damalige Existenz aufgeben und infolgedessen überhaupt erst Sozialleistungen beantragen müssen. Die Angehörigen der Opfer haben wahrlich genug Unrecht ertragen müssen, auch weil sie von den Ermittlungsbehörden zur damaligen Zeit selbst zum Kreis der Verdächtigen hinzugezählt und gleichzeitig von ihrer Umwelt „aus dem Kreis der Anständigen ausgeschlossen“ wurden. Vonseiten der Jobcenter oder des Arbeitsministeriums liegen noch keine Stellungnahmen vor.

 

5. Auch in diesem Jahr wurde am 8. März der Internationale Frauentag begangen, zum 101. Mal. „Gefeiert“ möchte ich gar nicht sagen, denn was sollten wir denn feiern? Dass Frauen gerade in Deutschland noch immer etwa 23 Prozent weniger Gehalt bekommen? Dass zwar mehr Frauen Arbeit haben, aber eben was für welche? Es ist und bleibt ein Skandal, dass Frauen zu niedrigsten Löhnen, in unfreiwilliger Teilzeit, befristet oder in Minijobs arbeiten und ein Job oft zum Leben nicht mehr ausreicht! Unverändert muss die Gleichstellung der Geschlechter in Wirtschaft und Verwaltung, in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft auf der Agenda bleiben.

Die Forderungen nach einem Entgeltgleichheitsgesetz, mehr Frauen in Führungspositionen, gesetzlicher Quotierung für Aufsichtsräte und Vorstände von 50 Prozent sowie gesetzlichen Regelungen für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft erschallen noch immer nahezu ungehört und werden offenkundig sogar von Politiker(inne)n nicht ernst genommen. Mehr Betreuungsplätze für Kinder müssen natürlich auch geschaffen werden! Auch in Deutschland haben Gewalt und Armut ein Geschlecht. Trotz Wahlrecht, trotz eigenständiger Berufswahl, trotz Antidiskriminierungsrechten und -gesetzen sind es die Frauen, die strukturell unterdrückt und ausgebeutet werden. Die Hartz- Repressionen haben die Abhängigkeiten manifestiert. Sie richten sich gegen Männer und Kinder gleichermaßen, doch verhindern sie die notwendige weibliche Emanzipation.

 

6. Der Super-GAU in Fukushima jährt sich zum ersten Mal, und der Energiekonzern Tepco, der die Katastrophe zu verantworten hat, versucht nun, sich von seiner Schuld freizukaufen. Entschädigungsberater sollen helfen, bezahlt wird auch mit Steuergeld. Natürlich müssen immer noch Lebensmittel wegen zu hoher Strahlungswerte aus dem Handel genommen werden. Menschen meiden Leitungswasser und leben in Furcht vor Schilddrüsenkrebs und Leukämie. Im Entschädigungsberatungszentrum von Koriyama versucht Tepco, seine Schuld zu bürokratisieren. Wer für sein Leid Entschädigung sucht, muss ein Formular von 30 Seiten ausfüllen.

Die Ereignisse in Fukushima würden von der Bertreiberfirma Tepco und der japanischen Regierung so dargestellt, dass in der Öffentlichkeit als Ursache mehr der Tsunami und weniger das Erdbeben wahrgenommen worden sei. Der Super-GAU sei jedoch eingetreten, weil wichtige Hochdruck-Einspeisesysteme unabhängig von behaupteten Tsunami-Schäden ausgefallen waren. Zudem sei die Flutwelle mit 14 Metern deutlich höher dargestellt worden, als sie vermutlich war. Die vorliegende Unfallanalyse stützt sich insbesondere auf offizielle Dokumente der japanischen Regierung und anerkannten Gutachterorganisationen der Atombehörden, die sich wiederum fast ausschließlich von der Betreibergesellschaft Tepco ableiten.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

 

Maßstab von Gleichheit und
Brüderlichkeit verhöhnt

Jetzt geht es wieder los, mit einem weiteren Schritt in noch mehr Armut. Der Satz von gleichem Recht und Brüderlichkeit wird wieder als Maßstab verhöhnt. Nach dem Gleichheitsgrundsatz kann jeder in einer vernünftigen Mitte leben, aber wieder denkt jeder nur an sich selbst und zeigt sich: „Ich bin der Fleißigste, und ich habe noch mehr“, aber das macht uns zu Wölfen, die einen saftigen Braten gleich fressen wollen. Im leben im Mehrwertsystem, wir wollen aber Menschen sein, mit sozialem Gewissen, alle zusammen. Wir sehen, wie gestreikt wird und wer die besseren sein sollen in der Abstufung zehn Euro, 200 Euro, 7.500 Euro. Für größten Schaden gibt es schnell 199.000 Euro und Chauffeur dazu. Das ist keine Menschlichkeit mehr, und das macht den Wolf bis in den letzten Winkel des Globusses. Ich und du, wir haben alle sieben Sinne, und die sind gleich, mit Glauben und Emotion. Da sehen Sie, wir sind im ganz falschen System, wenn wir Mensch sein wollen. Entweder alle reich oder alle gleich arm, das steht es in manchen Bibeln; aber das wirklich Tun, vom Atom bis zum letzten Öltropfen, ist, dass „wolf“ sich immer als der gute Mensch darstellt, der nur an Jetzt denkt und eine Horde Kinder in die ausgebrannte Zukunft entlässt.

Zuschrift von Günni, dem „Mann mit dem großen Hut“

 

Atomkraft nicht am Ende: Internationaler Widerstand muss wachsen

Harald BraunÜber 100.000 Menschen waren in den letzten Tagen weltweit auf der Straße, um den Opfern der Reaktorkatastrophe vor einem Jahr in Japan zu gedenken und um die Stilllegung aller AKWs zu fordern. Die Mehrheit der Bevölkerung will einen schnellen Ausstieg aus der gefährlichen Atomenergie und den sofortigen Ausbau der erneuerbaren Energien. Die führenden Energiekonzerne und ihre Dienstleister in den Regierungen wollen aber an fossiler Verbrennung und Atomtechnologie festhalten, weil damit Höchstprofite erzielt und Machtinteressen verfolgt werden.

Deshalb verfolgen sie gegenwärtig die Doppelstrategie, das Ausmaß der Katastrophe in Fukushima und die Gefahr der Atomenergie zu verharmlosen und gleichzeitig die Wende zu erneuerbarer Energie zu torpedieren. Der Kommentar im „Weser-Kurier“ vom 13. März 2012 liegt genau auf dieser Linie und verunglimpft die Proteste der Atomkraftgegner: „Die Lichterketten und Mahnwachen sind zum absurden Selbstzweck von Freizeit-Demonstranten geworden. Befürchtungen, so etwas wie in Japan könne jederzeit auch in Deutschland passieren, sind fern der Realität“. „Bei uns gibt es keine Tsunamis“: Mit solchen Sprüchen will uns die Atomlobby beruhigen.

Tatsächlich ist es um die Sicherheit in deutschen AKW keineswegs besser bestellt als um jene in japanischen Reaktoren. Ein Stromausfall im Atomkraftwerk gehört zu den gefährlichsten Situationen in einem Reaktor. Ohne intakte Notstromversorgung fällt dann – wie in Japan – die Kühlung aus, und es droht die Kernschmelze. Dafür braucht es aber keinen Tsunami. Als Auslöser genügt vielmehr schon ein simples Unwetter. Achtmal zwischen 1977 und 2004 führten Blitz oder Sturm in einem westdeutschen Atomkraftwerk zum gefürchteten Notstromfall. Außerdem sind die deutschen AKWs deutlich schwächer gegen Erdbeben geschützt als in Japan. Geologen gehen zum Beispiel in Neckarwestheim davon aus, dass aufgrund des Kalkgesteins mit 30 Prozent stärkeren Erdstößen zu rechnen ist, als beim Bau der Reaktoren berücksichtigt wurde.

Die erneuerbaren Energien haben in Deutschland im Jahr 2011 zum ersten Mal einen Anteil von 20 Prozent der Energiegewinnung erreicht. Dazu hat der Ausbau der Fotovoltaik eine wichtige Rolle gespielt. Mit einer jährlich neu installierten Leistung von 7.500 MW übernimmt sie inzwischen vier Prozent der Energiegewinnung. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, würden die erneuerbaren Energien 2020 bereits einen Anteil von 47 Prozent erreichen. Das rasche Wachstum dieser Zukunftstechnologie, die über 100.000 neue Arbeitsplätze geschaffen hat, ist den Energiemonopolen ein Dorn im Auge. Deshalb soll die Merkel-Rösler-Regierung der Solarenergie einen „Riegel“ vorschieben: In ihrem Anti-Solar-Plan soll der Zubau von Sonnenergie auf lächerliche 900 bis 1.900 MW begrenzt werden.

Die Vergütungssätze für Solarstrom werden um 35 Prozent gesenkt. Künftig dürfen auch nur noch 85 Prozent eingespeist werden. Dadurch werden Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet und die Energiewende „an die Wand“ gefahren. Die ganze Strategie der Bundesregierung und der Energiekonzerne läuft darauf hinaus, das selbst verschuldete Scheitern der Energiewende zum Vorwand zu nehmen, um den Ausstieg aus der Atomkraft rückgängig zu machen. Sie haben sich vom Atomkurs nie abgewendet: Das sieht man zum Beispiel daran, dass die Regierung den Bau eines AKW in Brasilien mit einer Kreditbürgschaft in Höhe von 1,3 Milliarden Euro unterstützt und dass EON und RWE aktuell ihre Beteiligung beim Bau neuer AKWs in Großbritannien, Frankreich und Portugal vorbereiten.

Der internationale Protesttag war gestern ein wichtiges Zeichen, dass die Anti-AKW-Bewegung weltweit an Kraft gewonnen hat. Aber wir sind noch nicht stark genug, um die weltweite Stilllegung aller Atomkraftwerke und die Wende zu 100 Prozent erneuerbaren Energien durchsetzen zu können. Dazu bedarf es größerer Klarheit über den menschenverachtenden Gegner und einen internationalen Zusammenschluss, zum Beispiel in Form einer kämpferischen Umweltgewerkschaft.

Die „Internationale Koordinierung revolutionärer Parteien“ (ICOR) und die „Internationale Liga der Volkskämpfe“ (ILPS) haben die Initiative ergriffen, um in über 40 Ländern den Widerstand zum Schutz der natürlichen Umwelt auszubauen und zu koordinieren. In ihrem Manifest zum Gedenken an Fukushima heißt es: „Wir hoffen, dass dieses Manifest von Millionen von Menschen gegen die Atomenergie unterschrieben wird. Wir sollten die Uno auf dieses Manifest aufmerksam machen und Taten fordern. Wir rufen alle Organisationen auf, sich ab dem 11. März und bis zum Hiroshima-Tag am 6. August 2012 mit diesem Manifest an die Menschen zu wenden, um anlässlich des Gedenkens an die Toten und die Verwüstungen in Fukushima die Menschen zu mobilisieren, Teil dieser Kampagne gegen die Atomenergie zu werden“.

Harald Braun

 

Offensichtlich wird mit
Armutswanderung gerechnet

Gestern vor einem Jahr war die Katastrophe in Fukushima. Sie forderte schon 16.000 Tote und wird noch eine Million zusätzlicher Krebsfälle bringen. Der Super-GAU in gleich drei Reaktorblöcken wurde bis jetzt nicht in den Griff bekommen. Gestern gab es weltweite Proteste und Gedenkdemos. Weltweit heißt es: Abschalten, sofort! In Deutschland wird so getan, als ob das alles unnötig wäre. Als „absurd“ betitelt der „Weser-Kurier“ die Demos, denn der „Ausstieg“ sei doch längst beschlossen. Aber Wachsamkeit ist nötig! Schon will die Regierung die Solarförderung kürzen, ein Anschlag auf die erneuerbaren Energiequellen. Nach wie vor ziehen RWE, Eon, ENBW und Vattenfall die Fäden. Ihre Niederlage vor einem Jahr haben sie längst nicht hingenommen.

Wolfgang LangeKollegen aus 17 EU-Ländern bekommen drei Monate lang kein Hartz IV. Es ist kein Zufall, dass dies gerade jetzt beschlossen wird. Schließlich wurden auf Drängen der deutschen Regierung und des deutschen Finanzkapitals drastische Sparprogramme in Griechenland, Italien, Portugal und Spanien aufgelegt. In Spanien sind über 51,5 Prozent der Menschen unter 25 Jahren trotz oft guter Ausbildung arbeitslos. In Griechenland wurden die Löhne um 22 Prozent, bei den Unterfünfundzwanzigjährigen um 32 Prozent gekürzt. Die deutschen Konzerne wollen gern gut ausgebildete Arbeitskräfte, aber die Kosten für Ausbildung und Arbeitslosigkeit sollen andere bezahlen. Offensichtlich wird mit Armutswanderung gerechnet. Wir dürfen uns nicht spalten lassen! Kämpfen wir gemeinsam gegen die Krisenprogramme!

Wolfgang Lange (MLPD)

Liebe Umweltfreundinnen und -freunde! Ein Jahr nach der Atomkatastrophe von Fukushima verteilt sich die Radioaktivität immer noch unkontrolliert in den Pazifik und über die Weltmeere. Die bereits eingetretenen und noch weiteren Folgen bedrohen die Zukunft ganzer Generationen. Gleiches gilt auch schon für den „Normalbetrieb“ der Atomindustrie – von der Urangewinnung bis zu den Atomlagen. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass zum Fukushima-Jahrestag Zehntausende in Deutschland für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit demonstrieren.

Wir können gemeinsam stolz darauf sein, mit den Massenprotesten im Frühjahr letzten Jahres die AKW-Laufzeitverlängerung der Merkel/Röttgen-Regierung zu Fall gebracht zu haben. Was hat uns die Regierung nach ihrer Niederlage nicht alles versprochen, nicht zuletzt eine angebliche „Energiewende“. Wie viel davon zu halten ist, zeigt sich unter anderem bei der jetzigen Kürzung der Solarförderung.

Vor dem Hintergrund einer erneut drohenden Vertiefung der Weltwirtschafts- und Finanzkrise werden in Deutschland und weltweit bereits erkämpfte Umweltschutzmaßnahmen wieder zurückgenommen beziehungsweise hinausgezögert. Eine „Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie“ bedeutet im Kapitalismus, jeden Fortschritt dem Profitprinzip unterzuordnen beziehungsweise ihn auf dem Altar des Konkurrenzkampfes zu opfern. Der Kapitalismus funktioniert doch heute nur noch auf der Grundlage chronischer krisenhafter Deformierung, Verseuchung und Vergiftung der natürlichen Umwelt. Ziehen wir daraus also die Schlussfolgerung: Die kapitalistische Profitwirtschaft und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit sind nicht mehr kompatibel!

Gefordert ist eine internationale Front des aktiven Widerstands zum Schutz der natürlichen Umwelt vor dieser menschen- und naturverachtenden Politik! Ein konsequenter Umweltschutz braucht die Erkämpfung gesellschaftlicher Verhältnisse, in denen die grundlegende Einheit von Mensch und Natur die Leitlinie jeglicher Produktion und Verteilung wird – den echten Sozialismus. Dafür tritt die MLPD in Wort und Tat ein.

Seit dem 1. September 2011 führt die revolutionäre Weltorganisation ICOR, die „Internationale Koordinierung Revolutionärer Parteien und Organisationen“, gemeinsam mit dem ILPS , der „Internationalen Liga der Volkskämpfe“, eine einjährige Kampagne zur weltweiten Stilllegung aller AKWs durch, getragen von über 100 Organisationen in über 40 Ländern. Der heutige Tag ist auch Startschuss eines „Manifest zum Gedenken an das Desaster von Fukushima und zur Forderung nach der Beendigung der Nutzung von Atomenergie“. Bis zum Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima am 6. August werden dafür weltweit Unterschriften gesammelt und dann der Uno öffentlich übergeben.

Die Umweltbewegung hat bisher einiges erreicht und insbesondere zum gewachsenen Umweltbewusstsein in der Bevölkerung beigetragen. Zur Lösung des Problems eines drohenden und bereits begonnenen Umschlags in eine globale Umweltkatastrophe ist jedoch eine neue Qualität erforderlich. Überwinden wir die noch oft vorhandene Zersplitterung und Beschränkung auf einzelne Fragen beziehungsweise Orte und Regionen und schließen uns international eng zusammen. Blicken wir über den Tellerrand des überlebten Kapitalismus hinaus und streiten mutig, offensiv und solidarisch um die richtige systemverändernde Perspektive im Umweltkampf.

Wir müssen stärker und überlegener werden. Das geht nur organisiert und kämpferisch! Entwickeln wir das enorme Potential der vereinigten Kraft und des Zusammenschlusses von Umwelt- und Arbeiterbewegung gegen die Hauptverursacher der Umweltkrise. Dazu gilt es, voneinander zu lernen, enger zusammen zu rücken, auch Barrieren und Vorbehalte zu überwinden. In diesem Sinne wünschen wir allen weiterhin viel Mut, Offensivgeist und Durchsetzungsvermögen! Rettet die Umwelt vor der kapitalistischen Profitwirtschaft!

Grußwort der MLPD zu den überregionalen Demonstrationen und
örtlichen Montagsdemonstrationen am Fukushima-Jahrestag

 
Trotz höherer Grenzwerte: Bei mehrwöchiger Strahlenfreisetzung
wie in Fukushima müssten in Deutschland ganze Städte
evakuiert werden („Spiegel-Online“)
 
„Ich bin ein Hotspot“: Web-Festival-Betreiber lässt Internetzugang
von Obdachlosen errichten („Spiegel-Online“)
 
Mythos Fachkräftemangel: Die Zahl der laut Bundesagentur unbesetzten
Ingenieurstellen wird willkürlich mit 7,14 multipliziert („Spiegel-Online“)
 
Selbstmord aus Angst vor dem Tod: NRW-FDP lässt Rot-Grün
am Haushalt scheitern („Spiegel-Online“)
 
Alternative Krisenbewältigung: Isländer verweigern Rettung ihrer Pleitebanken und zahlen deren Schulden nicht („Financial Times“)
 
Nein, danke: Joachim Gauck ist der falsche Präsident („Junge Welt“)
 
Kritik zeigt Wirkung: Gauck legt erstes Lippenbekenntnis zum
„Ausbau des Sozialstaatsmodells“ ab („Spiegel-Online“)
 
Empört euch: Gegen die schrankenlose Freiheit
des Fuchses im Hühnerstall („Indymedia“)
 
Der katholische Wirtschaftsethiker Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach, Prof. Dr. Rudolf Hickel und Finanzsenatorin Karoline Linnert führen am Mittwoch, dem 14. März 2012, um 19:30 Uhr ein ökumenisches Gespräch zum Thema „Geld, Macht, Staat“ in der Kirche Unser Lieben Frauen. Der Eintritt ist frei.
 
Die Sozialdeputation tagt am Donnerstag, dem 15. März 2012, im Haus des Reichs, Sitzungsraum 208 der Senatorin für Finanzen, Rudolf-Hilferding-Platz 1, und zwar ab 15 Uhr für das Land und ab 15:30 Uhr für die Stadt. Der Senat hat endlich die Unterlagen hierzu öffentlich gemacht, entsprechend der Bürgerschaft.
 
Auf der Leipziger Buchmesse wird am Sonntag, dem 18. März 2012, um 15 Uhr auf der Bühne in Halle 5 das neueste Buch der „Georg-Elser-Initiative Bremen“ vorgestellt. Es heißt: „Wir sind empört! Gegen die Zerstörung des Sozialstaates und den Angriff auf unsere Grundrechte“.
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz