1. Der „Occupy“-Bewegung gegen das Finanzkapital schlossen sich am Aktionstag, dem 15. Oktober 2011, auch in Deutschland Tausende Menschen an. In vielen Großstädten – auch Bremen – fanden Demonstrationen statt. Die größten Proteste gab es in Rom mit rund 200.000 Teilnehmern. Auf Transparenten waren Slogans zu lesen wie „Stoppt die Gier“, „Ihr spekuliert mit unserem Leben“, „Es geht gegen die Banken, gegen die finanziellen Machthaber im System, es geht darum, dass Profite vor den Menschen stehen“. In mehr als 80 Ländern und über 1.300 Städten weltweit gingen mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straße. Einige von ihnen besetzten Plätze und protestierten gegen die Auswüchse des Kapitalismus und soziale Ungleichheit.
Der Funke ist also übergesprungen. Endlich gehen auch in Deutschland in vielen Städten Menschen gegen dieses Immer-mehr- höher-weiter des Raubtierkapitalismus auf die Straße, der über Leichen geht und die Demokratie aushöhlt. Egal, wie viele Menschen es sind, die ihren Protest in der Öffentlichkeit zeigen: Sie nehmen es nicht länger hin, dass mit ihrer Zukunft gespielt wird, dass die Rettung der Banken im Vordergrund steht, nicht aber das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger. Die Zeiten des nahezu paralysierten Ausharrens müssen endlich ein Ende haben! Ich wünsche mir endlich eine Demokratie, die diesen Namen wirklich verdient, in der Politiker ihr Wahlvolk und dessen Anliegen vertreten und nicht als Marionetten der Wirtschaft fungieren.
Was nützt den Politikern all ihr guter Veränderungswille, wenn doch die Zukunft längst durch langfristige Verträge festgelegt ist, die bestimmen, wohin das Geld geht? Wenn zu viele Politiker nur nach Macht streben und sich deshalb korrumpieren? Wir wollen uns dem Zocken der Bankster nicht unterordnen, die unsere Steuergelder für kriminelle Geschäfte verschwenden. Immer schon war ich eine Gegnerin von Gewalt, aber ich möchte Gewalt nicht nur als sichtbare körperliche Aggression definiert wissen, sondern Gewalt ist für mich auch Ausgrenzung von gesellschaftlicher, medizinischer und bildender Teilhabe. Ich wünsche mir eine Hinwendung zur wirklichen Demokratie, in der Menschen auch wieder mit ethischer Verantwortung füreinander, im Sinne des früheren Sozialstaates, gesehen und nicht nur neoliberal als verwertbare Ware betrachtet werden!
2. Am 11. Oktober jährte sich zum fünften Male der Tag, an dem der bedauernswerte, zu Tode misshandelte kleine Kevin im Kühlschrank seines Ziehvaters aufgefunden wurde. Nach Ansicht von Rita Mohr-Lüllmann steht Kevins Tod in keinem Zusammenhang mit „Sparbemühungen“ der damaligen Koalition aus SPD und CDU. Die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende wies damit die Äußerung von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) zurück, auf dem damaligen Jugendhilfehaushalt habe ein „finanzieller Deckel“ gelegen. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss belegt angeblich eindeutig, dass es im Fall Kevin nicht an Geld für notwendige Maßnahmen gemangelt hat („Weser-Kurier“ vom 11. Oktober 2011: CDU zu Kevin: Es lag nicht am Geld).
Wenn die damalige Bagis dem Ziehvater die Leistungen vorübergehend einstellte, weil sie sich mit dem Sozialamt darüber stritt, wer für den Unterhalt von Kevins vermeintlichem Vater aufkommen müsse, dann hat das natürlich gar nichts mit Geld zu tun! Was kann wohl mit einem gewalttätigen Methadonabhängigen geschehen, wenn ihm das Geld gestrichen wird? Ob er seine Wut dann nicht wieder an diesem kleinen, leise in sich hineinwimmernden Kind austoben wird? Arbeitsunfähige kosten Geld. Wer will oder will es nicht für sie bezahlen? Wie konnte das Jugendamt überhaupt ein hilfe- und liebesbedürftiges kleines Menschlein einem bekanntermaßen gewaltbereiten Mann ausliefern?
Wenn ein Amtsvormund rund 180 Mündel zu „betreuen“ hat, was außer Verwaltung nichts mehr an wirklichem Kümmern bedeuten kann, dann hat auch das natürlich rein gar nichts mit Geld zu tun! Für mich ist nicht nachvollziehbar, wie zu solch einem Urteil gekommen werden kann. Sind die Kinder von Erwerbslosen und Arbeitsunfähigen genauso viel wert wie der Nachwuchs von Eltern, die mehr Geld zur Verfügung haben? Hauptverantwortlich für die zum Tode führenden grausamen Misshandlungen von Kevin ist natürlich der Ziehvater, und dann erst kommt der Staat. Aber die Frage muss erlaubt sein, was der Staat für Rahmenbedingungen schafft, die aus einem Ziehvater einen Mörder machen! Kevin starb nämlich etwa in der Zeitspanne, in der dem Ziehvater das Geld von der Bagis zu Unrecht vorenthalten wurde.
3. Deutschland und Österreich sind die einzigen Länder in Europa, in denen eine angehende Erzieherin kein Studium absolvieren muss. Hier reicht eine vierjährige Ausbildung mit Vorpraktikum und bezahltem Anerkennungsjahr. Überall werden Anstrengungen unternommen, die Ausbildung zur Erzieherin zu optimieren, nur nicht in Bremen, wo ausgerechnet der rot-grüne Senat die Kita-Kinder in Zukunft durch gering qualifizierte sozialpädagogische Assistentinnen betreuen lassen will. Statt wie die südlichen Bundesländer in die frühkindliche Bildung zu investieren und die Erzieherinnen-Ausbildung zu akademisieren, führt Bremen einen neuer Ausbildungsberuf ein, in dem die Erzieherin noch schlechter bezahlt wird als ohnehin schon. Die Hansestadt scheint sich für diese Billiglösung entschieden zu haben, um die Betreuungslücke zu schließen und ab 2013 den Rechtsanspruch der Eltern von Kindern unter drei Jahren gewährleisten zu können.
Meiner Meinung nach sollte nicht auf die bloße Erfüllung der Quantität gesetzt werden, wenn die Qualität darunter leiden muss. Mich empört auch, dass Erzieherinnen immer mehr leisten sollen, um den berechtigten Anforderungen des Rahmenbildungsplans nachzukommen, während gleichzeitig nur darüber nachgedacht wird, wie auch hier noch irgendwie Geld einzusparen sein könnte. Wie soll denn der angestrebte „Personalmix“ in den Kindergruppen praktisch aussehen? Für „pädagogisch wertvolle“ Arbeit ist dann die Erzieherin zuständig, für „weniger anspruchsvolle“ Tätigkeit die Sozialassistentin? Wer entscheidet, wie die Arbeitsabläufe zu bewerten sind, ob sie mit 2.200 bis 2.400 oder nur mit 1.400 bis 1.700 Euro brutto zu entlohnen sind? Eine wahrlich tolle Idee, Frauen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu drängen, von denen sie nicht leben können! Selten las ich solch unausgegorene Ideen, die vielleicht ein bisschen zu lange im Mixer verquirlt wurden, kaum als Bildungsausbau verkauft werden können, aber von den Kindern, Sozialassistentinnen und Erzieherinnen ausgehalten werden sollen.
4. Der Präsident des „Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte“, Wolfram Hartmann, bemängelt, dass in Deutschland wegen der „Höhe“ des Hartz-IV-Regelsatzes, aber auch der „Inkompetenz etlicher Familien“ Hunderttausende Kinder in Deutschland regelmäßig hungern müssen. Ein Skandal in diesem eigentlich reichen Land! Die Folgen einer unzureichenden Ernährung in jungen Jahren seien verheerend, weil fehl- oder unterernährte Kinder zeitlebens benachteiligt sind und sich die „Folgeschäden nie wieder korrigieren“ lassen. Hartmann kritisiert, es werde Geld für „überflüssige Lebensmittel“ wie Limonade ausgegeben, weshalb am Monatsende kein Geld für mehr als eine Mahlzeit täglich vorhanden sei.
Der Mediziner beanstandet das Scheitern einer „Ampel“-Kennzeichnung für Lebensmittel, die auch Kinder und „bildungsferne Familien“ verstünden. Natürlich wird wieder versucht, den Eltern die Schuld dafür zu geben, dass sie von dem viel zu wenigen Geld ihren Kindern keine ausgewogene Ernährung zukommen lassen! Dann wird ganz gewiss nach dem Billigsten gegriffen, was selten gesund ist. Es scheint erwünscht zu sein, dass die „Überflüssigen“, weil nicht mehr Verwertbaren, und ihre „Brut“ so früh wie möglich ableben, um die Steuerzahler nie auch nur im Ansatz so viel zu kosten, wie für „notleidende“ Bankster jederzeit sofort zur Verfügung steht!
5. Die wachsende Armut in Deutschland zeigt sich immer deutlicher anhand der Geldprobleme von Mietern. Das Statistische Bundesamt hält 16 Prozent der Bevölkerung für armutsgefährdet, weil sich jeder dritte von ihnen durch die Wohnkosten „finanziell schwer belastet“ sieht. Die Betroffenen sind nicht dazu in der Lage, „ihre Wohnung angemessen warm zu halten“ und wenigstens an jedem zweiten Tag eine warme Mahlzeit einzunehmen. Bei derlei starker Beeinträchtigung nur von „Armutsgefährdung“ zu sprechen, betrachte ich mindestens als Verniedlichung des Problems, wenn nicht gar eher als Verhöhnung! Diese akute Armut verfestigt sich, weil es nur ganz wenigen gelingen kann, ihre finanzielle Situation zu verbessern. Die Akademiker dürfen unter sich bleiben, weil hierzulande der Bildungserfolg der Kinder noch immer wesentlich vom Ausbildungsstand der Eltern abhängt.
Natürlich gibt es auch eine Verbindung zwischen Bildung und Gesundheit: Die Lebenserwartung gut ausgebildeter Bürger ist um Jahre höher als die von Frauen und Männern mit niedrigem Schulabschluss. Männer, die nur über 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens verfügen, werden im Schnitt 70,1 Jahre alt; Männer, die über 150 Prozent bekommen, hingegen 80,9 Jahre. Frauen erreichen bei 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens 76,9 Lebensjahre, bei 150 Prozent 85,3 Lebensjahre. Bei der Altersgruppe ab 45 Jahren lässt sich bezüglich der Verbreitung chronischer Krankheiten und Beschwerden feststellen, dass viele Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Angina pectoris, Hypertonie, Diabetes, chronische Bronchitis, chronische Lebererkrankung, Osteoporose, Arthrose oder Depression in der Armutsrisikogruppe vermehrt auftreten.
Den Armen wird glatt ein ganzes Lebensjahrzehnt gestohlen, wenn sie nicht an die gleichen Bildungs-, Ess- und Gesundheitströge herankommen, wodurch sie gezwungen sind, sich wegen ihres geringen Einkommens mit unzumutbaren Unwägbarkeiten abzufinden! Es wird kein Politiker zugeben, doch viele frühe Tode der ökonomisch nicht Verwertbaren entlasten die Sozialkassen, mindern die Reproduktionskosten und erhöhen Gewinne, Dividenden und Vorstandsbezüge, müssen demnach also erwünscht sein. Zu allem Überfluss lassen sich arme Menschen so herzallerliebst widerstandslos manipulieren und missbrauchen, durch Dumpinglöhne bei prekären Tätigkeiten, Hartz IV, Armutsrente und angeblicher Grundsicherung.
6. Kommt jetzt bald die Frauenquote? Familienministerin Schröder will führenden Dax-Konzernen auf einem Spitzentreffen eine Selbstverpflichtung abringen, auf freiwilliger Basis den Frauenanteil in ihren Führungsetagen zu erhöhen. Unternehmen wie VW oder BASF kündigten an, ihn bis 2020 gerade mal auf elf beziehungsweise 15 Prozent erhöhen zu wollen. Klar, wir haben ja auch nur einen Frauenanteil von 11 bis 15 Prozent! Warten die sonoren Herren so lange, bis die Europäische Union Deutschland eine verbindliche Quote aufzwingen wird? Das kann ja so nichts werden!
Die 25.000 Euro Strafgebühr werden doch lächelnd aus der Portokasse beglichen – oder die Eigenverpflichtung wird so niedrig gehalten, dass sie leicht einzuhalten ist, nur leider den Frauen nicht hilft! Wie wäre es wohl, notorisch rücksichtslosen Rasern anzubieten, sich selbst zu verpflichten, freiwillig etwas langsamer zu fahren? Wie lange die sich wohl daran halten würden? Und wie erfolgreich wird letztlich Angela Merkels Forderung nach freiwilliger Beteiligung der privaten Gläubiger bei der Griechenland-Hilfe sein?
Sie haben ja Recht in der Darstellung unseres maroden Wertesystems, und den uns überlieferten Kerngedanken und Ideen des Jesus von Nazareth, mit denen Sie ein anderes, besseres und menschliches Wertesystem vorschlagen, kann ich nur zustimmen – aber ist es so schwierig, feststehende Tatsachen einfach nur zur Kenntnis zu nehmen, statt sie zu ignorieren?
Der Sündenfall in der Bibel ist nicht der Beginn des analytischen Denkens und auch nicht der Beginn der Möglichkeit des Menschen zu Reflexion und Selbsterkenntnis. Haben Sie schon mal vor 20.000 Jahre alten Höhlenmalereinen unserer Vorfahren gestanden? In diesen Höhlen sind Musikinstrumente gefunden worden. Die Evolution ist längst keine Theorie mehr, sondern eine Tatsache, die bereits am Menschen von einer zur übernächsten Generation nachgewiesen wurde.
Der Urknall ist keine Theorie mehr, sondern Tatsache, seit er als kosmisches Hintergrundrauschen gemessen wurde. Die Astronomen und Astrophysiker nennen dies ehrfürchtig „das Echo Gottes“, wobei sie garantiert nicht den Gott der Bibel meinen. Lassen Sie mich versuchen, es anhand eines Beispiels zu verdeutlichen. Die Schwerkraft ist keine wissenschaftliche Theorie, sondern eine Tatsache, die wohl niemand bestreiten und ignorieren kann. Die Schwerkraft wird mit wissenschaftlichen Theorien beschrieben, wie zum Beispiel den Fallgesetzen von Galilei, den Gravitationsgesetzen von Newton bis hin zur allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein.
Mittlerweile ist die Evolution längst keine Theorie mehr – wie zu Darwins Zeiten –, sondern eine Tatsache, die nahezu täglich von Biologen und Ärzten immer wieder neu belegt und angewandt wird. Das „Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie“ wird sicherlich nicht wegen einer alten Schöpfungsgeschichte (und es gibt ja viele davon) den Laden dicht machen. Der strenggläubige Charles Darwin konnte sich den Tatsachen auch nicht verschließen, als er in den Anden, in einer Höhe von 4.000 Metern über dem Meeresspiegel, versteinerte Muscheln entdeckte, die viel älter sind als die Zeitalter, die die Bibel beschreibt.
Es verhält sich doch vielmehr umgekehrt: Religionen sind entstanden, weil der Mensch des analytischen Denkens und der Reflexion und Selbsterkenntnis fähig ist. Weil der Mensch ein intelligentes Lebewesen ist, das über Ursachen ihn umgebender Phänomene nachdenkt und nach Erklärungen sucht. Woher kommen Blitz und Donner? Die Antwort kennen wir heute: Entladungen elektrostatischer Wolken gegensätzlicher Polaritäten, wobei die Luftverdrängung aufgrund der Hitzeentwicklung, den Knall hervorruft. Kein Zeus und kein Thor lässt es donnern und blitzen. Das ist eine Tatsache.
Seit der Kopernikanischen Wende sind Tatsachen entdeckt worden, die doch nicht einfach mit „Glauben“ ignoriert werden können. „Das ist Quatsch und blasphemisch, was du mir da über Entladungen erzählst. Du willst nur meinen Glauben untergraben. Ich glaube an Thor. Egal, was du erzählst.“ Na schön. Dann entfernen wir doch alle die Blitzableiter von unseren Häusern und beten zu Thor oder zu Gott, dass er uns verschone. Wenn Sie konsequent sind, dann heizen Sie während des jetzt anstehenden Winters Ihre Wohnung nicht mit Erdgas. Denn Erdgas dürfte es nach Ihrem Weltbild gar nicht geben.
Ist es so schwierig, feststehende Tatsachen einfach nur zur Kenntnis zu nehmen und daraus Konsequenzen zu ziehen? Das sollte für einen analytisch denkenden Menschen doch möglich ein. Islamisten haben in gar nichts Recht. Religiöse Fundamentalisten, ganz gleich welcher Religion sie anzugehören meinen, haben in nichts Recht und sind rundweg abzulehnen, und ihnen ist wie Nationalisten und Rechtsradikalen entgegenzutreten. Hier wäre jedwede religiöse Toleranz unangebracht.
Natürlich ist Heuchelei am Werk, wenn von der „christlichen Hemisphäre“ als Gegensatz zur „islamischen Welt“ gesprochen wird, denn dieser Gegensatz ist ein seit Jahren von den Medien konstruiertes Feindbild, das sich im Alltag überhaupt nicht wiederfinden lässt, und jeder, der darauf anspringt, erzeugt damit nur neue Fundamentalisten, die wiederum als Vorwand für mehr Kontrolle, Überwachung und weitere Militäreinsätze dienen. Es kann nur ein Miteinander geben.
Wenn für Sie die Voraussetzung zur Realisierung eines anderen, besseren und menschlicheren Wertesystems der Glaube an eine bestimmte Religion oder Mystik sein sollte, denke ich, dass Sie hier schon im Ansatz scheitern werden und auch scheitern sollten, denn ich möchte in keinem Gottesstaat leben, in dem Tatsachen und Erkenntnisse mit „Glauben“ ignoriert werden.
Schließlich sind Ideen wie Demokratie und Gleichberechtigung, Meinungs- und Pressefreiheit, die Freiheit von Wissenschaft und Kunst, das Verbot von Folter und Todesstrafe, Minderheitenschutz und Toleranz gegenüber Andersdenkenden, in deren Genuss Sie kommen möchten und deren Rechte Sie in Anspruch nehmen, nicht von religiösem Dogmatismus herbeigeführt worden.
Letztlich kann ich mich nur fragen, was es für Menschen sein müssen, die strikte Befolgung von Geboten eines Kultes aus der späten Bronzezeit aus Furcht vor Bestrafung als Maßstab ihres ethisch- moralischen Handelns nehmen. Ich vermag in der Befolgung solch archaischer Maßstäbe nur Egoismus und engherzige Denkart erkennen, die lediglich der eigennützigen Gottgefälligkeit statt dem Respekt und Mitgefühl gegenüber den eigenen Mitmenschen dienen.
Auch nach Kant kann die Verpflichtung eines Menschen zur Moralität prinzipiell nicht dadurch begründet werden, dass man auf die „Idee eines andern Wesens über ihm“, also auf einen Gott verweist. Ein solcher Verweis mag als Enthebung der eigenen Verantwortung für das eigene Leben und das Leben anderer zweckmäßig erscheinen, zeugt aber nicht unbedingt von der Mündigkeit einer eigenständigen Persönlichkeit, ganz zu schweigen von der Fähigkeit zu analytischem Denken und der Reflexion und Selbsterkenntnis.
Ich weiß aber auch, dass Menschen eine Zuflucht, einen geschützten Ort brauchen, um sich zu versammeln, sich alltägliche Bedrängnisse einzugestehen und mit dem fertig zu werden, was unserer Macht entzogen ist oder unser Vorstellungsvermögen übersteigt – sowie die Hoffnung und das Streben nach einem besseren und menschlicheren Wertesystem nach den Kerngedanken und Ideen des Jesus von Nazareth, jedoch mit Eigenreflexion, ohne Selbstaufgabe und Verzicht auf den Kampf um eine bessere Gegenwart.
Ich war am Montag richtig glücklich, bei eurer Demo gewesen zu sein. Gedanklich ist sie immer ein Zuhause, trotz der wenigen Leute. Die kleine Demo ist so etwas wie Glauben an die Wahrheit, denn Wahrheit ist das Recht aller Menschen auf der Erde. Wahrheit sind für mich keine Geister oder himmelwärts fantasierende Vorstellungen wie bei den beiden großen Kirchenblöcken auf der Welt. Wahrheit kann man anfassen, Wahrheit ist denkbar, Wahrheit sind eben auch die Schmerzen von der Zerstörung auf dem Globus und von all den Kirchen und Kriegswahnsinnigen, wovon die Demo der echte Gegenpol ist. Ich freue mich auf die nächste große Tat! Wenn ich oder andere bei der Demo dabei sind, ist für mich die Versammlung trotz weniger Teilnehmer eine einmalige Riesenhaftigkeit der Wahrheit. Es ist ganz groß zu loben, dass ihr schon so lange dabei geblieben seid!
In der letzten Woche haben wir viel gehört und gelesen von der Verschuldung Griechenlands und wie man das alles retten kann. Ich habe auch gelesen, dass Griechenland ein günstiges Geschäft mit den USA machen will: Das griechische Militär wird 400 Panzer für 500.000 Dollar pro Stück kaufen. Das ist sehr günstig, denn ein „vernünftiger“ Panzer kostet heute einige Millionen. Bei diesen Summen ist es fast egal, ob es Dollar oder Euro sind, doch ist zu beachten, dass ein Dollar heute nur noch etwa 70 Euro-Cent wert ist. Damit zahlt Griechenland nur etwa 140 Millionen Euro für so viele Panzer. Das ist wirklich günstig, wenn man es mit dem Beitrag vergleicht, den allein Deutschland zur Sicherung des Euro leistet: 210 Milliarden Euro. Das ist das 1500-Fache von dem, was die Panzer kosten. Für jeden Bundesbürger sind das rund 2.500 Euro Neuverschuldung, für die „Panzerspende“ hingegen nur 1,70 Euro. Um solch einen kleinen Betrag kann man doch mit gutem Gewissen sogar jeden deutschen Sozialhilfe- oder Hartz-IV-Bezieher bitten!
Dieser Deal ist außerdem ein „guter“ Beitrag ganz Europas, der notleidenden US-Wirtschaft ein kleines Geschäft zu ermöglichen, denn die Gläubiger Griechenlands bezahlen dann, mithin alle europäischen Steuerzahler. Da die Gläubiger zum großen Teil Banken sind, ist es unwahrscheinlich, dass sie Griechenland einen Teil der Schulden erlassen werden. Davon ist auch die Privatwirtschaft betroffen, die ihre Verluste dann an Arbeitsmarkt und abhängige Arbeitnehmer weitergibt. Doch das Panzergeschäft ist zu klein, um der hoch verschuldeten amerikanischen Wirtschaft wirklich zu helfen, denn jeder US Bürger ist mit 34.000 Dollar verschuldet, seine Regierung mit 14.000.000.000.000 Dollar. Das bekommt ein sehr großer Teil der Bürger direkt zu spüren, viel härter als in Deutschland. Deshalb kommt es von US-Bürgern jetzt zu Massenprotesten.
Ich wundere mich, warum das nicht schon viel früher geschehen ist. Am Wochenende haben diese Massenproteste mit der „Occupy“-Bewegung von New York auf ganz Europa übergegriffen. In den USA kostet ein Semester Studium zigtausend Dollar, und jeder Student ist am Ende seiner Ausbildung hoch verschuldet, aber ohne Garantie auf einen guten Arbeitsplatz. Einige deutschen Unis erheben keine Studiengebühren. Es wurde errechnet, wie groß der Schuldenanteil aller Studenten sein wird, wenn viele ihren Kredit nie mehr zurückzahlen können. Toll, was eine Rating-Agentur so alles errechnen und bewirken kann! Sie ist ein weiteres fragwürdiges Instrument der skrupellosen Finanzindustrie, das auch wir Steuerzahler mitfinanzieren müssen.