339. Bremer Montagsdemo
am 08. 08. 2011  I◄◄  ►►I

 

Der Krieg vor unserer Haustür

Frank KleinschmidtLetzten Samstag fand auf dem Bremer Marktplatz der jährliche Hiroshima-Ge­denk­tag des „Bremer Friedensforums“ statt. Ich halte solche Ereignisse für wichtig, da sie zeigen, dass wir derartig entsetzliche Massenmorde als Folgen verfehlter Politik nicht vergessen. Umso notwendiger erachte ich, dass wir erkennen, dass der Krieg als Folge verfehlten sozioökonomischen Handelns, sozialrassistischer Ideologien und religiöser Intoleranz längst bei uns angekommen ist.

Krieg ist nicht nur, wenn die Bomben woanders fallen. Er beginnt dort, wo in einem unserer Jobcenter ein verzweifelter Mensch erschossen wird, oder wenn ich bei Begleitungen zur Rechtsantragsstelle des Sozialgerichts erlebe, dass Betroffene vor Hunger ohnmächtig werden, weil sie seit Tagen nichts zu essen hatten, und ganze abgehängte Bevölkerungsgruppen in Gettos an den Rand unserer Städte gedrängt werden.

Der Krieg vor unserer Haustür findet auch dort statt, wo sich mitten unter uns Menschen befinden, die fundamental-christliches Gedankengift mit sich herumtragen, in deren Einbildung der Islam die falsche Religion und Mohamed der Antichrist ist und die in ihrem verblendeten Wahn in jeder harmlosen Dönerbude eine islamistische Terrorzelle vermuten. So sehe ich die Notwendigkeit, dass wir vor allem den Kriegsursachen vor unserer Haustür und in unserer Nachbarschaft den Nährboden entziehen und hier vor Ort aktiv werden, damit entsetzliche Massenmorde wie die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki nie wieder vorkommen.

Frank Kleinschmidt (parteilos, „so:leb – Sozialer Lebensbund“)
„Blitzkrieg“ in Tottenham: „Wie kann man eine Million Jugendliche arbeitslos machen und dann erwarten, dass wir stillhalten?“ („Süddeutsche Zeitung“)

 

Keinem Mörder, aber Arbeitslosen wird bei uns das Essen gestrichen

Elisabeth Graf1. Nach Angaben des Betreibers Tepco wurde auf dem Gelände des Atomkraftwerks Fukushima mit mehr als zehn Sievert die höchste radioaktive Strahlung seit der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe gemessen. Sie ist sogar um ein Vielfaches höher als der bisherige Rekordwert. Die Strahlungsdosis in Fukushima ist bereits nach einer Sekunde fast dreimal so hoch wie der hierzulande zulässige Jahreshöchstwert. Die dort eingesetzten Arbeiter setzen sich mit jeder einzelnen Sekunde ihres Aufenthaltes einer ganzen Jahresdosis aus, was sicher nicht wenige mit ihrem Leben bezahlen müssen.

Ich weiß gar nicht, was da so großartig als Ursache für den deutlichen Anstieg der Strahlung zu prüfen ist, weil es meiner Meinung nach auf der Hand liegt, dass wegen der mehrfachen Kernschmelze in den Reaktoren die Brennelemente so weit geschmolzen sind, dass hochradioaktive Materialien den Reaktorboden durchfräst haben. Die zehn Sievert in Fukushima dürften nur den Anfang einer sich immer weiter verschlimmernden Katastrophe darstellen, denn unter den Reaktorblöcken befinden sich 100.000 Tonnen verstrahltes Wasser, weil bei den Löscharbeiten und Kühlungsversuchen Tonnen von salzhaltigem Meerwasser in die Reaktoren gepumpt wurden, die sich dort zu einer hochradioaktiven Brühe vermischten. Einen Teil davon „entsorgte“ Tepco einfach ins Meer, ein anderer Teil wurde in Tankern zwischengelagert. Es gibt bisher weder eine Möglichkeit, die radioaktiven Partikel aus den vielen Tausend Tonnen hochradioaktiven Schlamms herauszufiltern oder alle Lecks zu verschließen.

So ist damit zu rechnen, dass in der nächsten Zeit noch weitere „Strahlennester“ auftauchen werden. Tepco scheint hochgradig daran interessiert zu sein, das wahre Ausmaß zu vertuschen, um nicht eingestehen zu müssen, dass auch friedlich genutzte Atomenergie alles andere als beherrschbar ist – und damit eben nicht zu verantworten. Deswegen wird den unzureichenden Messungen von Organisationen, die nicht der Regierung angehören, schon lange nicht mehr geglaubt, sondern selbst nachgemessen. Weil der größte Teil des radioaktiv verseuchten Schlamms ohnehin ins Meer gekippt wurde, in dem selbstredend keinerlei Messungen vorgenommen werden, ist kaum damit zu rechnen, dass das gesamte Ausmaß der Fukushima-Katastrophe jemals ans Licht kommen wird.

 

2. Letzte Woche glaubte ich, meinen Augen nicht zu trauen, als ich las, dass der CDU-Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer ein Ende von Hartz IV forderte: Die Agenda 2010 sei abgearbeitet, nun gehe es um eine „neue bildungsorientierte Beschäftigungspolitik“. Doch der Politiker will bloß für jene ein äußerst bescheidenes „Bürgergeld“ einführen, die im erwerbsfähigen Alter weniger als das Existenzminimum verdienen. Das ist wieder nur dieser Workfare-Mist aus Amerika, wo für den Erhalt von noch so geringen Sozialleistungen eine Gegenleistung in Form von superschlecht bezahlter Arbeit erfolgen soll. Wir fordern: Weg mit den Hartz-Gesetzen, ohne sie durch erneute Menschenverachtung unter dem Deckmäntelchen eines anderen Namens zu ersetzen!

 

3. Letzte Woche entschied der Bundesgerichtshof, dass Alleinerziehende in Vollzeit arbeiten müssen, sobald das Kind drei Jahre alt ist. Die Alleinerziehenden sind zu 95 Prozent weiblich – und die Richter zu wie viel mehr Prozent männlich? Ich halte dieses Urteil für einen Skandal, denn der eine Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, zumeist der Vater, hat in der Regel Freizeit, wenn er nach seiner Vollzeitarbeit nach Hause kommt, und muss sich höchstens um den eigenen Haushalt kümmern.

Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, zumeist die Mutter, soll vor der Arbeit das Kind liebevoll wecken, ihm ein gesundes Frühstück zubereiten, es in der Kindertageseinrichtung abliefern und es dort nach der Arbeit wieder abholen, es rund um die Uhr „bespaßen“, fördern, es zu eigenen Aktivitäten wie musikalischer Früherziehung, Sportverein, später vielleicht Nachhilfe bringen, also kindgerecht ausgeglichen eine perfekte Reproduktionsarbeit für zwei Personen ableisten.

Es ist ein unerhörtes Glück, mit dem eigenen Kind zusammenleben zu können und es aufwachsen zu sehen, aber mit welcher Berechtigung muss mal wieder zumeist die Mutter alle anstehende Arbeit leisten, das heißt einen De-facto-Arbeitstag von morgens 6 bis abends 21 Uhr bewältigen und, wenn das Kind im Bett ist, noch die Küche aufräumen, das Bad putzen, Wäsche legen, während der Vater es dann nur mal an zwei Wochenenden betreut? Sind die Pflichten mit dem Kind und der Alltag für die Mama, die spannenden Freizeitaktivitäten jedoch für den Papa reserviert?

Dieses Fehlurteil versucht, der Ex-Ehefrau den Unterhalt nach 20 Jahren Ehe auf Null zu setzen, obwohl diese doch auf ihre Karriere verzichtete und nur teilweise Minijobs annahm, um die Kinder zu versorgen und dem Ehegatten den Rücken zwecks dessen Karriere frei zu machen. Aber wenn sie dann „ausgedient“ hat und durch ein jüngeres „Modell“ ausgetauscht wird, neuer Nachwuchs auftaucht, dann darf die „Ex“ halt Vollzeit arbeiten gehen! Dabei wissen wir alle, wie schwer es ist, jenseits des „Verfalldatums“ von 35 Jahren noch einen Vollzeitarbeitsplatz zu bekommen. Es ist eine patriarchale Schweinerei, wenn die Lebensleistung und eheliche Solidarität des betreuenden Elternteils im Nachhinein so mit Füßen getreten wird.

 

4. Eine ALG-II-Beziehern begibt sich zur Krebsuntersuchung in ein Krankenhaus und muss sich dort dann unvorhersehbar einer unverzüglichen Weiterbehandlung unterziehen. Eine Bekannte der 57-Jährigen gibt im zuständigen Jobcenter vier oder fünf Mal Dokumente wie Liegebescheinigungen und Atteste ab, die auch über den jeweiligen Aufenthaltsort von Frau Müller informieren. Allerdings verschwanden diese Dokumente wie so oft auf Jobcenter-eigenen, wundersamen Wegen. Zur gleichen Zeit macht sich die im gleichen Haus wohnende Vermieterin der Erkrankten Sorgen und nimmt einfach Kontakt mit dem Jobcenter auf.

Dieses wird plötzlich hellhörig, aktiviert den Außendienst zur „Sachverhaltsaufklärung“ und stellt „vorsichtshalber“ die Zahlungen für den kommenden Monat wegen der „unklaren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse“ komplett ein. Ein Mitarbeiter betritt die Wohnung der ALG-II-Bezieherin im Beisein der Vermieterin, macht offensichtlich einen Hausbesuch ohne Anwesenheit und Einverständnis der erkrankten Mieterin. Hier wurde doch offenkundig das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gebrochen!

Gelten in diesem Land die Grundrechte nur noch für jene, die, warum auch immer, keine Transferleistungen beziehen? Ich finde, es wird Zeit, dass auf den Jobcentern endlich die dort angestellten Missetäter persönlich zur Rechenschaft gezogen werden und dass sie selbst für ihre verbockten Handlungen, wenn sie Hartz-IV-Beziehern zum Beispiel keine Wohnung oder kein Fahrtgeld zur Arbeit genehmigen, geradestehen müssen, sprich: für den Schaden aufkommen!

 

5. Nachdem einer Mutter aus Saarbrücken und ihrem Kind die Hartz-IV-Leistungen komplett gestrichen wurden, schien sich niemand mehr dafür interessiert zu haben, wie diese Familie ohne Geld für Miete, Heizung, Strom, Lebensmittel und Krankenversicherung überleben konnte. Fakt ist leider, dass die Mutter und ihr Kind jetzt tot sind. Vor einem Monat fanden Polizisten in Saarbrücken-Burbach in der Wohnung eines Mehrfamilienhauses die Leichen einer 36-jährigen Brasilianerin und ihres zweijährigen Sohnes.

Jetzt müssen die Hintergründe und Umstände um den tragischen Tod der Frau und ihres kleinen Kindes geklärt werden. Außerdem müssen bestehende offensichtliche gesetzliche Lücken im Sozialsystem geschlossen werden. Wenn einem Hilfsbedürftigem die Hartz-IV-Leis­tun­gen, aus welchen Gründen auch immer, gestrichen würden, fällt er nicht in die Sozialhilfe, sondern erst einmal aus dem Hilfesystem heraus. Es fehlt an automatisch auffangenden Hilfen und einem Über­gangs­manage­ment von SGB II nach SGB XII.

Dabei war schon Wochen vor dem Tod einer Mutter und ihres zweijährigen Sohnes das Jugendamt in den Fall eingeschaltet worden. Bei zwei Überprüfungen seien jedoch keine Besonderheiten bei dem Kind festgestellt worden. Dennoch wurde das Familiengericht eingeschaltet und ein Termin für Ende Juli eingesetzt. Doch zuvor starben Mutter und Kind, sie lagen schon mehrere Tage oder sogar Wochen in der Wohnung. Nach Auskunft der Polizei sei der Junge Polizei möglicherweise verhungert oder von der Mutter getötet worden. Bei ihr komme Selbsttötung in Betracht.

Ich möchte die Frage in den Raum stellen, wieso der Mutter eines zweijährigen Kindes der Geldhahn zugedreht werden konnte, obwohl sie wegen des Alters des Kindes ohnehin nicht zur Arbeitsaufnahme gezwungen werden konnte. Was können Mutter oder Kind so Schweres verbrochen haben, dass die Transferleistungen komplett eingestellt wurden? Dazu ist Sippenhaftung in Deutschland verboten! Wer hat das angeordnet? In Deutschland bekommen selbst verurteilte Mörder nicht das Essen und das Dach über dem Kopf gestrichen – wieso dann ALG-II-Bezieher?

Leider hat nicht jede(r) die Kraft, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Manche(r) hat keinen Anwalt, Sozialarbeiter oder Pfarrer um Unterstützung gebeten und gibt sich dann auf! Wir müssen mehr auf die Depressiven unter uns aufpassen. Schlimm, wenn ein Kind mit darunter zu leiden hat und dann auch noch mit dem Leben für die Sanktionen bezahlen muss! In meinen Augen wurde hier von einem Mitarbeiter dieses Jobcenters eine schwere Straftat begangen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 

 
Kollateralschaden: Die jüngsten Notaktionen zugunsten
der Euro-Krisenländer lassen den Aktienindex von
„Zahlmeister Deutschland“ abstürzen („Focus“)


339. Bremer Montagsdemo vor dem Alten Rathaus

 

Einladung zum Widerstandsfest

In den Neustadtswallanlagen am Südbad feiern wir am Samstag, dem 3. September 2011, von 15 bis 20 Uhr sieben Jahren Montagsdemo im Kampf gegen Hartz IV, ein Jahr Schwabenstreich im Kampf gegen „Stuttgart 21“ und ein halbes Jahr Mahnwache und Demonstration im weltweiten Widerstand gegen alle Atomanlagen.

Der Montag ist zum gemeinsamen Widerstandstag geworden. Die Bremer Montagsdemo hat bisher jedes Jahr ein Sommerfest gefeiert. Lasst uns dieses Jahr gemeinsam feiern: unseren Widerstand gegen menschenfeindliche Politik und für eine Welt, in der Mensch und Natur im Mittelpunkt stehen! Es wird Musik, Spaß, Kuchen und Gegrilltes geben.

Alle Kolleginnen und Kollegen – ob mit oder ohne Arbeit, mit oder ohne ALG II – sind ebenso willkommen wie Gruppen aus der sozialen und gewerkschaftlichen Bewegung, der Anti-Atom-, Umwelt- und Friedensbewegung, Migranten- und Frauenorganisationen sowie Parteien und Organisationen der sozialistisch-kommunistischen Bewegung – nicht nur als passive Besucher, sondern um das Fest aktiv mitzutragen und gestalten, durch ein kurzes Grußwort, Infostand, Lied oder Gedicht.

Alle, die das Sommerfest unterstützen wollen – zum Beispiel auch durch Salat- oder Kuchenspende oder Mitmachen am Buffet oder Grill – melden sich bitte bei Initiative(at)Bremer-Montagsdemo.de oder Wolfgang Lange, wolf­gang.lan­ge(at)nord-com.net, Telefon 0421-554 337.

Initiative Bremer Montagsdemo

 

Die Auswirkungen der Atomkatastrophe in Japan werden vertuscht

Harald BraunDie Atomkatastrophe in Fukushima ist in den letzten Wochen weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden. Um die Weltöffentlichkeit zu täuschen, werden immer wieder Erfolgsmeldungen durch die japanische Regierung und die Betreiberfirma Tepco verbreitet: Eine stabile Kühlung der Brennstäbe sei erreicht, die Strahlungswerte um das havarierte AKW würden ständig fallen, und das Herunterfahren des Kraftwerks könne bis Januar 2012 abgeschlossen werden. Aber in Wirklichkeit hat die Betreiberfirma die Atomkatastrophe keineswegs im Griff. Die drei Kernschmelzen sind immer noch aktiv und können sich bei ausbleibender Kühlung schnell kritisch verhalten.

Die Probleme, ein stabiles Kühlsystem einzurichten, sind noch längst nicht gelöst. Vor einer Woche wurde die höchste Radioaktivität seit der Katastrophe im März 2011 gemessen. Mehr als zehn Sievert pro Stunde betrug die Strahlung am Boden eines Außenrohrs zwischen den Reaktoren I und II. Laut Plan von Tepco sollen ab 2021 die geschmolzenen Brennstäbe geborgen und entsorgt werden. Allerdings ist die Technologie dafür noch gar nicht entwickelt, wie der Atomexperte Kochi Okamoto erklärte. Auch die Frage, wohin mit all dem radioaktiven Schrott und den geschmolzenen Kernen, ist völlig ungeklärt. Nirgends auf der Welt gibt es dafür eine Entsorgungsmöglichkeit. Außerdem sind die Folgen der Atomkatastrophe weit gravierender als offiziell zugegeben.

Den 90.000 Menschen in Lagern wird erklärt, es sei eventuell 2012 möglich, in ihre Häuser zurückzukehren. Gleichzeitig muss die japanische Regierung aber weiteren Haushalten in der Nähe des havarierten Atomkraftwerks Fukushima eine Evakuierung empfehlen. Inzwischen musste der Staat einen Lieferstopp für Rinder aus Fukushima beschließen, weil 2.749 mit verstrahltem Heu gefütterte Rinder an Schlachthöfe in ganz Japan geliefert worden waren. Die Behörden hatten bereits zu hohe Strahlenwerte in Gemüse, Meeresfrüchten, Milch und Tee festgestellt. Jetzt wurden auch Messungen bekannt, dass Reisstroh aus Motomiya 70 Kilometer westlich der AKW-Ruine mit bis zu 690.000 Becquerel Cäsium pro Kilo verseucht ist. Sogar Stroh aus den 160 Kilometer nördlich von Fukushima liegenden Städten Tome und Kurihara ist kontaminiert.

Die Manöver zur Vertuschung und Verharmlosung der Atomkatastrophe in Fukushima dienen der Atomindustrie und den meisten Regierungen dazu, an dem Weiterbetrieb der bestehenden und neu geplanten AKWs festzuhalten. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete am 26. Juli 2011 in dem Artikel „Schmieren, lügen, tricksen“ über die Praktiken der japanischen Energiekonzerne zur Bestechung der Parteien und zur Manipulation der Medien. Da Unternehmen in Japan nicht spenden dürfen, wurden jahrzehntelang Spenden von den Top-Managern der Atomkonzerne an die regierende Liberaldemokratische Partei überwiesen. Auf diese Weise sammelte die LDP fast drei Viertel aller legalen Parteispenden von Privatpersonen ein. Die Atomkonzerne erleiden nach der Katastrophe mit ihrer Korruption und Manipulation immer häufiger Schiffbruch. Immer mehr Menschen widersetzen sich der Atomkraft.

Der beliebte Schauspieler Taro Yamamoto wurde im Mai aus der Besetzung einer geplanten Fernsehserie geworfen, weil er sich öffentlich gegen Atomkraftwerke ausgesprochen hatte. Mittlerweile tritt er auf Anti-AKW- Demonstrationen auf und ruft zu einem nationalen Referendum gegen Atomkraft auf. „Yamamoto sagte, die Atomlobby habe die Japaner über Fernsehen und Zeitungen einer Gehirnwäsche unterzogen. Jetzt verteidigen sie ihre Interessen, und es ist ihnen todernst. Die Regierung sagt zwar, sie bemühe sich um Transparenz, sucht aber gleichzeitig eine PR- Firma, die in ihrem Auftrag „schädlichen Gerüchten“ über die Atomkraft entgegentreten soll.“ Dass mittlerweile 82 Prozent der japanischen Bevölkerung den Ausstieg aus der Atomenergie wollen, konnten all die Manipulationen nicht verhindern. Das zeigt eine enorme Veränderung im Bewusstsein der japanischen Bevölkerung. Der Widerstand für die sofortige Stilllegung aller Atomkraftwerke muss weltweit gestärkt und vernetzt werden!

Harald Braun

 

50. Schwabenstreich in Bremen

Mit dem friedlichen Widerstand der Stuttgarter Bevölkerung gegen „Stuttgart 21“ hat ein Wandel in der Verantwortung der Bürger für ihre Umwelt, Natur und Heimat stattgefunden. Wir alle tragen diese Verantwortung, auch für unsere Kinder und Kindeskinder. Wir können die Verantwortungslosigkeit von Politik und Wirtschaft im Umgang mit den ihnen anvertrauten Ressourcen und Steuergeldern nicht mehr so einfach hinnehmen. Der Kampf gegen „Stuttgart 21“ ist nicht nur ein Widerstand gegen den Bau eines nicht funktionierenden Tiefbahnhofes, sondern ein Bürgerprotest für freien Bürgerwillen, für Bürger- und Volksentscheide und Basisdemokratie.

Die heutigen Politiker leben in einer Scheinwelt, in der als mündiger Bürger gilt, wer alle vier oder fünf Jahre brav zu den Bundes- und Landtagswahlen geht, seine Kreuzchen macht, sich dann wieder bei einer Flasche Bier und einer Tüte Chips hinter den Fernseher zurückzieht und alles gutheißt, was über die Köpfe hinweg entschieden wird! Es kann nicht sein, dass Manager von Privatunternehmen der Politik vorschreiben, was wie gemacht wird, denn sie haben hierfür keine rechtliche Legitimation.

Gerade bei der Deutschen Bahn wird vonseiten des Herrn Rüdiger Grube das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinausgeschmissen, ohne dass wir einen reellen Nutzen davon haben. Das gilt für „Stuttgart 21“, die Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt, die Y-Trasse Lüneburger Heide, die feste Fehmarnbelt-Querung und Hinterlandanbindung oder auch die 2003 eröffnete Hochgeschwindigkeitsstrecke Köln-Frankfurt. Wichtige Projekte, darunter die Betuwe-Strecke Rotterdam-Emmerich-Oberhausen, die neue Alpentransversale Karlsruhe-Basel-Gotthardt-Italien, der Aus- und Neubau des deutschen Schienennetzes für einen Kombiverkehr aus Fern-, Nah- und Güterzügen sowie die Renovierung von Bahnhöfen bleiben „auf der Strecke“.

Gernot-Peter Schulz Ich war mir der Aufgabe und Verantwortung gar nicht bewusst, als ich mit Andreas Falk aus Schorndorf im Rems-Murr-Kreis, einem aktiven Parkschützer und „Stuttgart-21“-Gegner, am 12. September 2010 den Schwabenstreich Bremen-Oldenburg „aus der Taufe hob“. Die Ausmaße unseres heutigen Netzwerkes ließen sich damals noch gar nicht erahnen. Kontakte reichen von den Umweltschützern aus Chimki bei Moskau bis ins französische und spanische Baskenland („Non à la LGV au Pays Basques“) und von Fehmarn bis nach Italien zur No-TAV-Bewegung im Susatal bei Turin.

Umkämpft sind der Bahnhof von Florenz und die Brücke von Messina ab Ende August 2011. Mehrere Kontaktfahrten werden mich im September und Oktober 2011 nach Oberbayern, Moskau, Fehmarn, an den Mittelrhein und ins Saarland führen. Des Weiteren werden verschiedene Bürgerinitiativen in Bremen erwartet. Hier am Widerstandsbaum im Gustav-Detjen-Park möchte ich der Bremer Montagsdemo für ihr Vertrauen und ihre Unterstützung danken. Im Widerstand sind Solidarität und Zusammenarbeit verschiedener Gruppierungen wichtig!

Gernot-Peter Schulz (parteilos)

 

Arbeitslosengeld statt Hartz IV,
Sozialhilfe kräftig anheben!

Wolfgang Lange Deutschland ist das kinderärmste Land Europas. Seit 2010 sank die Kinderzahl um zwei auf 13,1 Millionen. Gleichzeitig stieg der Anteil der armen Kinder: 15 Prozent aller Kinder in Deutschland und 37,5 Prozent der Alleinerziehenden leben in Armut. Wie alle wissen, sind diese Zahlen in Bremen noch viel höher: Hier lebt jedes dritte Kind in Armut. Deswegen lauten unsere Mindestforderungen: Abschaffung von Hartz IV und einerseits Ersetzung durch Arbeitslosengeld für die Dauer der Arbeitslosigkeit, andererseits kräftige Anhebung der Sozialhilfe! Als Sofortmaßnahme fordern wir die Anhebung von ALG II auf 500 Euro und zehn Euro Mindestlohn! Gleichzeitig werden die Löhne immer mehr gedrückt; auch das ist Folge der Hartz-Gesetze.

Weltweit regt sich Widerstand gegen diese brutale Verarmungspolitik, so in Israel am Wochenende mit 325.000 Demonstranten. Eine ihrer Parolen lautet: „Nach dem arabischen Frühling jetzt israelischer Sommer!“ Immer mehr Menschenfordern ein Ende des „Raubtierkapitalismus“. Aber ist das nicht sein Wesen? Immer mehr sagen deshalb auch: Das System ist faul und muss weg! Die Kreditwürdigkeit der USA wurde von einer Rating-Agentur herabgestuft, und die Börsen spielen verrückt. Seit Juli wurden bereits fünf Billionen Dollar Spekulationskapital vernichtet! Es drohen eine Finanzkrise und eine erneute schwere Abwärtsbewegung der Weltwirtschaft. Auch das zeigt: Ein System, in dem es um Profite geht und nur noch spekuliert wird, nachdem so viel Kapital angehäuft worden ist, dass es immer schwieriger anzulegen wird, weshalb der Spekulation Tür und Tor geöffnet sind, während weltweit die Menschen an Hunger sterben, obwohl es zu viel Lebensmittel gibt, das gehört auf den Misthaufen der Geschichte!

Die überall aufkeimenden Kämpfe zeigen: Die Mehrheit der Menschen wehrt sich. Sie möchte nicht in Elend und Barbarei versinken. Lieber auf die Straße gehen und notfalls das Leben riskieren, als passiv dem Untergang entgegen! Wichtig bei diesen Kämpfen ist das Streikrecht. Das erstinstanzliche Verbot des Fluglotsenstreiks war ein Versuch, das Streikrecht weiter auszuhöhlen. Letztes Jahr wurden Fluglotsen in Spanien kurzerhand unter Militärrecht gestellt und zwangsarbeitsverpflichtet, bei Zuwiderhandlung drohte mehrjährige Haft. Die Presse hetzt gegen die „reichen“ Fluglotsen, um ein Streikverbot salonfähig zu machen. Wir brauchen ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht bis hin zum Recht auf Generalstreik – und den wird es bestimmt geben!

In Stuttgart und anderen Städten Baden-Württemberg gab es am Wochenende einen Busfahrerstreik. Die Regierung ätzt, es würden „unbezahlbare“ Forderungen gestellt. Die Fahrer bekommen Wege von Depot zu Depot nicht bezahlt, so haben sie oft zwei bis drei unbezahlte Freistunden. Der Stress wird immer mehr. Die Fahrer, die zu 100 Prozent den Verdi-Streikaufruf befolgten, sagen: „Geld für ‚Stuttgart 21‘ ist da!“ Bei diesem Projekt wurde jetzt Geißlers oberfauler Kompromissvorschlag von den Grünen aufgegriffen. Das war letzte Woche auch hier beim Schwabenstreich Thema. Nun sollen die Regionalbahnen „oben“, die Fernzüge „unten“ fahren. Der Tiefbahnhof mit all seinen Folgen für Grundwasser, Mineralquellen und Park würde also doch gebaut und ein Milliardenbetrag dafür verbuddelt! Lasst euch nicht einseifen von Kretschmann und Geißler! Wenn der jetzt in Göbbels-Manier fragt: „Wollt ihr den totalen Krieg?“, dann zeigt das nur: Er ist völlig daneben!

Am Sonntag gab es einen Störfall in Brokdorf, EON ließ das AKW abschalten. Trafos versagten, die Ursache ist angeblich unbekannt. Und so sehen sichere AKWs aus? EON will 10.000 Arbeitsplätze abbauen und begründet das demagogisch mit dem „Atomausstieg“. In Wirklichkeit hat EON schon seit Jahren Zehntausende Arbeitsplätze gestrichen und nicht zuletzt dadurch die Sicherheit immer mehr gefährdet. Auch diese Herrschaften in der Vorstandsetage gehören zum Lumpen- und Lügenpack, wir brauchen sie nicht! Der Abbau des Schrottreaktors Esenshamm dauere zehn Jahre, und es sei ungewiss, ob die 500 Millionen gesetzliche Rücklage reichen. Warum wird jetzt erst diese Frage gestellt? EON muss eben enteignet werden, dann reicht es schon! In Fukushima herrscht außerhalb der Atomruinen jetzt die extremste Strahlung von zehn Sievert pro Stunde. Das ist mehr, als nach GAU innerhalb der Gebäude gemessen wurde! Die Lage wird daher nicht entspannter, sondern immer dramatischer. Aber das ist der Presse nur Dreizeiler wert. Die versuchen immer noch, zu beschwichtigen und runterzuspielen! Weltweit aber wächst der Widerstand gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und der natürlichen Umwelt!

Wolfgang Lange (MLPD)

Am Widerstandsbaum beim 50. Bremer Schwabenstreich
Am Widerstandsbaum beim 50. Bremer Schwabenstreich

www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz