Seit 2004 steht eine kleine Schar montags auf dem Marktplatz und protestiert.
Herr Roselius, die wievielte Montagsdemo findet heute statt?
Es ist die 338.! Im August 2004 haben wir angefangen. Damals war die „heiße Phase“. Viele Menschen wollten, dass die Hartz-Gesetze rückgängig gemacht werden, die der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder gemacht hat. Es ist sogar noch schlimmer geworden, denn seit Angela Merkel sind Leih- und Zeitarbeit angestiegen.
Heute veranstalten Sie eine Anti-Atom-Mahnwache. Warum bleiben Sie nicht bei Hartz IV?
Die Umkehr von Hartz IV ist nach wie vor unser Hauptpunkt. Aber es gibt so viele Stellen, an denen etwas schiefläuft. Seit Fukushima demonstrieren wir eben auch gegen Atomkraft. Wir integrieren in einer Montagsdemo viele Themen. Der Ablauf ist in der letzten Zeit derselbe.
Wie denn?
Um 17:30 Uhr fangen wir an. Die erste halbe Stunde ist der Abschaffung von Hartz IV gewidmet. Nach dem Domläuten kommt die Anti-Atom-Mahnwache und ein Demonstrationszug zum Hauptbahnhof. Um 18:45 Uhr solidarisieren wir uns dort mit den „Stuttgart-21“-Gegnern. Der Montag ist Widerstandstag.
Ihre Gruppe ist nicht größer geworden, eher kleiner. Warum machen Sie weiter?
Wir sehen da eine moralische Verpflichtung. Nach dem Unglück von Fukushima hatten wir einen großen Zulauf. Da waren bei unserer Demo schon mal 3.000 Menschen dabei. Aber seit dem Moratorium kamen weniger Leute. Und bei Hartz IV sind viele Empfänger resigniert und gehen deshalb wenig auf die Straße. Aber wir wollen, dass das Sozialsystem so wird, wie es vor den Hartz-Gesetzen war.
Liebe Freunde der Montagsdemo Bremen, zuerst möchte ich mich vorstellen. Mein Name ist Günter Buhtz. Ich komme aus einer Stadt, die wie Bremen einen Roland hat, nämlich aus Stendal, der größten Stadt im Norden Sachsen-Anhalts. Ich war schon einmal auf eurer Demo, bei der 219. Damals übermittelte ich euch als „Opa von Stendal“ solidarische Grüße von unserer Montagsdemo. Leider muss ich euch mitteilen, dass es bei uns nun keine mehr gibt. Woran hat es gelegen?
Ich habe mich darüber mit vielen ehemaligen Mitstreitern unterhalten. Viele sind der Meinung, es habe „sowieso keinen Zweck“ mehr, da uns die Unterstützung von Parteien, Organisationen und Gewerkschaften fehlt. Am Anfang war das anders. Viele Vertreter speziell der ehemaligen PDS, jetzt „Linke“, traten bei uns auf, außerdem die von einem Lehrer und einem Rechtsanwalt geführte Organisation „Direkte Demokratie“. Denen ging es aber nur um persönliche Posten in der Politik.
Einige – insbesondere ehemalige PDS-Genossen – haben es erreicht. Danach sah man sie nicht wieder. Der Fernsehsender „Offener Kanal“ stellte seine Sendungen über unsere Montagsdemos ein. Die Anzahl der Teilnehmer wurde immer geringer, und das war es dann gewesen. Ich freue mich deshalb, dass ihr hier immer noch weitermacht! Eure Reden am Offenen Mikrofon verfolge ich ständig. Das tun auch viele ehemalige Mitkämpfer aus Stendal. Lasst euch nicht unterkriegen, macht weiter so! Hartz IV muss weg!
Es war heute wieder eine Freude, am Offenen Mikrofon reden zu dürfen. Ich hatte über die Hungersnot am „Horn von Afrika“ gesprochen. Tatsächlich ist die Wüste unten in 100 bis 300 Metern Tiefe voller Wasser! Daran können wir sehen, wie unwichtig dieser bürgerlichen Gesellschaft arme, kranke und hungernde Menschen sind: Die kommt mit „Brot für die Welt“, aber das ist immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir sehen wieder, dass nur Geldgewinne zählen und nicht die Würde des Menschen! Das Thema können wir mal nach vorne legen. Mit sozialistischem Gruß!
1. Fast vier Monate nach der verheerenden Atomkatastrophe kam nun auch der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) im Schutzanzug vorbei und fand lobende Worte für die sich aufopfernden Arbeiter bei der Atomruine in Fukushima. Er bagatellisierte die Situation und befand, dass die Arbeiten „reibungslos“ verliefen. Zudem harmonisierte er artig mit der Aussage, dass diese Krise „bewältigt“ werden könne. Die IAEA hatte lediglich im Juni in einem Bericht kritisiert, dass Japan nicht auf ein Übereinkommen der IAEA zum Umgang mit Atomkatastrophen zurückgegriffen und auch die Gefahr von Tsunamis für Atomkraftwerke unterschätzt habe.
Das Lob der Behörde für Japans Reaktion auf die Katastrophe vom März als „beispielhaft“ klingt wie eine Humoreske, obwohl dies ursprünglich bestimmt nicht so gedacht war. Der Betreiber braucht sicher eine große Tüte Euphemismus, um sagen zu können, dass er bis Januar die gesamte Anlage „stabilisieren“ will. Wer weiß, vielleicht bekommen wir auch einfach nur eine ganz neue Definition geliefert, was „Stabilität“ heißen kann?
Weil die radioaktive Verstrahlung eben doch nicht nur verniedlicht werden kann, weitete die Regierung ein Verkaufsverbot für radioaktiv belastetes Rindfleisch auch auf die Präfektur Miyagi aus. Wenn nur „mindestens sechs“ kontaminierte Tiere entdeckt worden seien, kann es mit flächendeckenden Untersuchungen nicht allzu weit her sein: Es wird befürchtet, dass seit dem Atomunfall in Fukushima landesweit das Fleisch von bis zu 3.000 Rindern, die radioaktiv kontaminiertes Reisstroh gefressen haben, in den Handel gelangt ist.
Auch für das „Reich der Mitte“ war die Havarie des Atomkraftwerkes in Fukushima ein tiefer Schock, weil sie sich eben fast genauso auch in China zugetragen haben könnte. Zwei chinesische Experten sind davon überzeugt, dass es die Regierung mit ihrem Moratorium für neue Atomkraftwerke ernst meinte. So ließ das Pekinger Kabinett wenige Tage nach der Atomkatastrophe an die hundert Baugenehmigungen für neue Kernkraftwerke aussetzen, und es wurde sich darauf geeinigt, an keinem Standort mehr als vier Reaktoren zu bauen. So ganz scheint aber in China doch noch nicht angekommen zu sein, wie lebensbedrohlich und unbeherrschbar die Atomkraft grundsätzlich ist und weswegen auf ungefährliche und erneuerbare Energien umgesattelt werden muss! Fukushima hat die Menschen wohl doch noch nicht genügend aufgerüttelt.
2. Die Hartz-Gesetze wirken: Es scheint geradezu en vogue, besonders bei den unteren Löhnen immer weniger zahlen zu wollen. Unlängst machte die Zustellagentur „Monika Gehrke Direktvertrieb“ schlecht von sich reden, weil sie aus „Optimierungsgründen“ von ihren Zeitungszustellern verlangte, für sage und schreibe 15 Prozent weniger Geld weiterhin frühmorgens um 3:30 Uhr 165 Zeitungen bei der Sammelstelle abzuholen und sie innerhalb von drei Stunden bei Wind und Wetter zu verteilen. Mit derselben Dreistigkeit, durch die schon einige Supermarktketten unangenehm auffielen, wird sich auch hier der Masche bedient, Beschäftigten den Vertrag zu kündigen und sie dann eben für 15 Prozent weniger Gehalt „neu“ einstellen zu wollen. Die Rentner haben Glück im Unglück, dass sie keine Transferleistungen beziehen und so selbst entscheiden können, ob sie bei solch einem unverschämten Lohndumping noch dazuverdienen wollen. Menschen, die der Verfolgungsbetreuung durch Hartz IV ausgeliefert sind, haben diese Wahl nicht und keine Möglichkeit, bei solchen Kürzungen nicht mitzumachen.
3. Jede Woche gibt es neue Meldungen, die von der wachsenden Armut in Deutschland berichten: Alte Menschen, die Flaschen aus dem Müll sammeln; Senioren, die um Almosen bitten; Rentner, die sich weder Urlaub noch Medikamente leisten können. Altersarmut in Deutschland ist sichtbar geworden. Wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens der Bevölkerung hat, gilt hierzulande als arm. Damit beginnt Armut bei 935 Euro. Dank der Hartz-Gesetze, die zu immer geringeren Löhnen führen, sinkt auch das Durchschnittseinkommen – was langfristig wiederum zu geringeren Sozialleistungen führen wird. Daher können die Regierungsparteien in Wirklichkeit gar nicht an einem flächendeckenden Mindestlohn interessiert sein. Dies ist ein perfides System, das dazu führt, dass sich immer mehr Menschen entscheiden müssen, ob sie Brot oder Medikamente kaufen, weil sie sich beides zusammen nicht leisten können!
Laut dem Sozialverband VdK in Düsseldorf sind über drei Millionen Rentner arm oder von Armut bedroht, leben also am oder unter dem Existenzminimum. Leider verhindert auch die angebliche Grundsicherung nicht das Hineinrutschen in die Armut am Lebensabend. Die Altersarmut wird noch rasant zunehmen, wenn heute schon jede(r) vierte Beschäftigte im Minilohnsektor arbeitet. Steigende Gesundheitskosten sind für Alte besonders belastend, wenn sie sich die notwendige Brille, den Zahnersatz, die Pflege nicht mehr leisten können. Armut grenzt immer aus. SPD, Grüne, CDU und FDP sorgten dafür, dass die gesetzliche Rente immer geringer wird. Sie machte 1996 nach 45 Jahren Einzahlung noch 70 Prozent des letzten Bruttogehalts aus; 2030 werden es nur noch 43 Prozent sein. Gerade Geringverdiener, die eine Ergänzung zur gesetzlichen Rente besonders nötig bräuchten, können sich eine zusätzliche Altersvorsorge nicht leisten.
4. Laut einer Statistik der Techniker-Krankenkasse bekamen Bezieher von Arbeitslosengeld I im vergangenen Jahr die höchste Pro-Kopf-Menge an Medikamenten verschrieben. Sie erhielten im Schnitt Arzneimittel für 254 Tage des Jahres. Durchschnittlich wurden jedem der 3,5 Millionen bei der TK versicherten Erwerbspersonen Medikamente für 182 Tage verschrieben. Die Krankenkasse wertete die Statistik als Beleg dafür, dass auch fehlende Arbeit krank machen könne, vor allem im psychischen Bereich. Wenn in unserer Gesellschaft Arbeit einen so unglaublich hohen Stellenwert hat, wenn Arbeitslose als Verlierer gebrandmarkt und gedemütigt werden und nach einem Jahr „Schonfrist“ bereits ins tiefe Armutsloch mit ALG II fallen, wozu die Medien ihren schändlichen Teil beitragen, dann darf sich niemand wundern, dass dies bei vielen Erwerbslosen Spuren hinterlässt!
5. Sind wir schon wieder mitten drin im Sommerloch, oder warum träumt Rösler von Vollbeschäftigung, von der Leyen von neuen Arbeitsmarktreformen? Der Bundeswirtschaftsminister sieht Deutschland „auf gutem Weg in die Vollbeschäftigung“. Er will uns glauben machen, dass die Fantasieberechnungen der Erwerbslosenstatistik Anlass zum Jubilieren gäben, obwohl so viele Gruppen von Arbeitslosen einfach nicht mitgezählt werden und mit 2,939 Millionen im Juli 46.000 Menschen mehr arbeitslos gemeldet waren als im Juni. Die Erhöhung komme nur deswegen zustande, weil sich viele Jugendliche nach dem Schul- oder Ausbildungsende kurzfristig arbeitslos meldeten.
Verglichen mit dem Jahr 2010 sei die Zahl der Arbeitslosen um 247.000 zurückgegangen. Die Wirtschaft „stabilisiere“ sich nun auf „hohem Niveau“, sodass 2012 durchschnittlich nur noch 2,7 Millionen Arbeitslose erwartet würden. Glaubt Rösler auch noch an den Weihnachtsmann und an den Osterhasen? Von der Leyen will der Arbeitslosigkeit mit „Reformen“ Herr werden: Bei mehr als einer Million offener Stellen müssten so viele Menschen wie irgend möglich aus den „künstlichen Warteschleifen“ geholt werden. Dass sie bloß nicht doch noch in der Statistik auftauchen! Wir haben es ja gelernt, dass „Reformen“ auf dem Arbeitsmarkt fast immer mit Entrechtung und finanziellen Kürzungen zusammenhängen.
6. Der SPD-Vorsitzende wirbt für „sozialen Patriotismus“ in Deutschland, einer Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder was er dafür hält. Gabriel fordert ein Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose und die Einbeziehung von Leih- und Zeitarbeit in die betriebliche Mitbestimmung. Weil es in Deutschland längst eine Unterschicht gebe, die von der Politik nichts mehr erwartet, möchte er ein Programm mit dem herzallerliebsten Namen „Zweite Chance“ für diejenigen kreieren, die aus Hartz IV heraus wollen, sich anstrengen und etwas leisten. Auch fordert er mehr Mitspracherechte auf der Arbeitnehmerseite bei der Leih- und Zeitarbeit.
Was soll das? Wird das hier mal wieder ein Profilierungsversuch in der Sommerpause auf Kosten der finanziell Schwächsten? Herr Gabriel sollte lieber seinen Mund halten, oder hat er vergessen, wem wir die Unterschicht beziehungsweise das „abgehängte Prekariat“ zu verdanken haben? Was soll das heißen: „Zweite Chance“, wo sich doch so viele Langzeitarbeitslose wie blöde abstrampeln, um überhaupt auch nur eine, also die erste Chance zu erhalten? Abgesehen davon wollen alle lieber gestern als heute raus aus der Verfolgungsbetreuung, aber bestimmt nicht mit so einem Kokolores von den Spezialdemokraten. Weg mit den menschenverachtenden Hartz-Gesetzen, her mit einem flächendeckenden Mindestlohn, der auch ein „armutsfestes Altern“ ermöglicht, her mit einem Verbot von Leih- und Zeitarbeit, her mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, und gut ist es!
7. Mit Freude las ich, dass der Soldatenberuf trotz des Einsatzes von „Jugendoffizieren“ an den Schulen weiter unbeliebt ist. Vor allem das hohe Risiko der Auslandseinsätze lasse die Jugendlichen zweifeln, wenn sie von ermordeten, verniedlicht: „gefallenen“ Soldaten in den Medien erfahren. Der Soldatenberuf wird zu Recht mit Auslandseinsätzen und Gefahr für Leib und Leben assoziiert. Der Einsatz der „Jugendoffiziere“ in Schulen ist umstritten: Für die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner(innen)“ vermitteln sie ein falsches Bild vom Soldatentum, weil die Kriegswirklichkeit der Auslandseinsätze ausgeblendet wird. Soldat zu sein, das ist kein Beruf wie jeder andere. Deswegen könne die Bundeswehr auch nicht Imagepflege wie andere Organisationen betreiben.
1. Nachrichten werden „gemacht“. Fangen wir mit einer guten und schönen an: Die Bundeswehr hat zum 1. Juli 2011 weniger Freiwillige gewinnen können als geplant. Die „Deutsche Welle“ meldet dies etwas anders. Ich habe diese Meldung trotzdem ausgesucht, weil sie die Ergänzung zum Artikel in der „Tageszeitung“ darstellt. Es werden noch weniger werden: „Kein Bock auf Bundeswehr“, titelt das Blatt. Es werden noch mehr weglaufen, vernünftigerweise der Bundeswehr den Rücken zuwenden, wieder gehen, den Dienst quittieren. Die neuen haben eine Probezeit von sechs Monaten mit kurzfristiger Kündigungsmöglichkeit. Der Bundeswehrverband spricht in der „Rheinischen Post“ von circa 13 Prozent.
Die Zahl der kurzfristig quittierten Dienstverhältnisse will die Bundeswehr erst in einigen Monaten bekannt geben. Im NDR wurde „Bequemlichkeit“ als Grund herausgestellt: „Die Freiwilligen beim Bund nehmen Reißaus“. Weil es nicht in der Zeitung steht: Rekruten, lasst euch nicht irre machen, sondern geht einfach! Den Dienst jetzt zu quittieren ist vernünftig. Wer von der Bundesagentur für Arbeit oder dem (No-)Job-Center an die Bundeswehr vermittelt wurde, muss keine Sanktionen fürchten. Soldat ist kein normaler Beruf! Wer mit Leistungskürzung bedroht wird, kann sich wehren. Wie dies geht? Wir gehen mit!
Der Ausstieg ist für „zwangsvermittelte“ Soldaten auch nach der Probezeit noch möglich, und die Ablehnung eines Stellenangebots „Soldat/in“ darf nicht mit einer Sanktionsandrohung versehen werden. Selbst der Besuch einer Informationsveranstaltung der Bundeswehr darf nicht mit einer Sanktionsandrohung erzwungen werden. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat dies bestätigt: „Obwohl hier anderslautende Berichte vorliegen, bestreitet der Senat, dass Druck auf Arbeitslose ausgeübt werde, sich bei der Bundeswehr zu bewerben oder an entsprechenden ‚Informationsveranstaltungen‘ teilzunehmen“. Unser Angebot gilt: Wenn ihr als Gruppe Informationen wollt, wir kommen zu euch! Wer trotzdem genötigt wird, kann sich wehren! Wie dies geht? Wir gehen mit!
Nun zu einer verschwundenen Meldung. Warum „Leos“ nach Saudi-Arabien, habe ich vor drei Wochen gefragt. Die Regierung schweigt noch immer. Der „Stern“ hat die Vereinbarung mit Saudi-Arabien bekannt gemacht. Die Regierung weicht aus und schweigt mit Macht. Die letzte Meldung dazu steht am 10. Juli 2011 in der Übersicht. In den Nachbarländern ist nachzuverfolgen, wozu Panzer fähig sind. Wollen wir das? Protestieren auch Sie gegen die Lieferung von 200 Panzern nach Saudi-Arabien!
2. Jetzt zu den „Kleinigkeiten“: Haben Sie darüber in Ihrer Zeitung etwas gelesen? „Zumutbare Arbeit und Sanktionspraxis – zu den Neuregelungen im SGB II“ hat Frau Prof. Dr. Helga Spindler im Juni 2011 einen Vortrag auf einer Tagung der „Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen“ gehalten. Die Ausführungen sind lesenswert. Da wird klar, welchen Druck Erwerbslose aushalten und wie nah Erwerbstätigkeit und Erwerbslosigkeit beieinander sind. Die Sachzwänge werden hervorragend herausgearbeitet. Nachstehend eine Leseprobe aus der Mitte zur „Auswirkung von Sanktionen beim Fordern“.
„Trotz der ständigen Rechtslage hat sich durch die neue politische Zielsetzung aber doch etwas Geändert: Das Fordern ist zu einem Übervorteilen geworden, das heißt, man wird in Arbeitsverhältnisse gezwungen, die früher keiner gewagt hätte, bei der öffentlichen Arbeitsvermittlung überhaupt anzubieten. Und das Fördern ist zu einem Kontrollieren und Überwachen geworden, zum klammheimlichen Durchsetzen von Workfare-Modellen, dem es auf die Nachhaltigkeit, Qualifizierung oder die erfolgreiche Einmündung in eine sinnvolle und dauerhafte Arbeitsstelle nicht mehr ankommt. Ich unterscheide deshalb in der Wirkung der Sanktionen beim Fordern und beim Fördern. Am weitesten verbreitet in der Bevölkerung ist sicherlich die Auffassung, dass die, die reguläre Arbeit ablehnen, zu faul und unangepasst sind und deshalb Sanktionen benötigten, um sich anständig zu verhalten.
Statistisch gesehen sind das wenige: Etwa zehn Prozent der dokumentierten Sanktionen entfallen auf diese Begründung. Die schädliche Wirkung dieser Sanktionsdrohung liegt aber in den Hunderttausenden von Fällen, in denen es aus Angst um die Existenz nicht zu Sanktion kommt und ausbeuterische Arbeit angenommen wird. Viele der ausgesprochenen Sanktionen sind auch noch rechtswidrig – falls jemand den Weg zum Gericht findet. Die Drohung wirkt auf die vielen, die ebenfalls gute Gründe hätten, die aufgezwungenen Arbeitsbedingungen abzulehnen. Welche Angst da erzeugt wird, zeigen inzwischen viele Untersuchungen, zum Beispiel der ‚Hartz-IV-Kampagne‘ in Berlin, von Anne Ames, von Nikolas Grießmeier in München, von der Diakonie in Baden Württemberg oder dem Sozialpfarramt in Gelsenkirchen.“
Hierzu die nächste Nachricht von den „Kölner Erwerbslosen in Aktion“. Über die Beteiligten hinter den Schreibtischen der Bundesagentur für Arbeit sowie der (No-)Job-Center gibt es viel zu ergänzen. Deren Mitarbeiter müssen sich fragen lassen, wie sie ihre Aufgabe lösen wollen, denn es gibt viel mehr Erwerbslose, aber viel weniger Stellenangebote, als die Statistik weismacht. Die klare Vorgabe lautet: Sanktionieren und raus aus dem Leistungsbezug! Wie damit umgehen? Nachstehend ein guter Leitfaden auch für die Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung in Deutschland. Daher ist die Erklärung zur beruflichen und bürgerlichen Ethik von ANPE, der Gewerkschaft in der französischen Agentur für Arbeit, hier vollständig wiedergegeben.
„Unsere Aufgabe ist es vor allem, den Arbeitsuchenden zu helfen, eine Beschäftigung zu finden. Das erwarten die Arbeitsuchenden von uns, aber es gibt einfach keine Arbeit für alle. Die Zunahme von Gesprächen, die ständigen Aufforderungen zum Besuch der Agentur werden keine Arbeit schaffen, sondern erhöhen nur das Risiko für die Arbeitsuchenden, gezwungen, schikaniert und abgestraft zu werden. Wir, die Beschäftigten der ANPE, erklären, dass wir auf keine Weise Menschen schaden wollen, die schon durch den Verlust der Beschäftigung und des Einkommens verletzt sind.
Wir verweigern uns, sie auszugrenzen, und wir werden keine Streichungen mehr durchführen, ohne vorher die moralischen und menschlichen Folgen mit zu beachten. Wir schlagen Angebote vor, wir zwingen aber Angebote nicht auf. Wir werden die Arbeitsuchenden nicht zwangsweise in kleine Kästen stecken. Wir erpressen sie auch nicht mit Streichung. Wir verweigern uns auch, der Wut der Arbeitsuchenden ausgesetzt zu werden. Wir verweigern uns, eine soziale Polizei zu sein, angewiesen zur Unterdrückung, anstatt als öffentlicher Ratgeber für Beschäftigung agieren zu können.
Weder Arbeitsuchende noch Beschäftigte der ANPE sind verantwortlich für den Zustand des Arbeitsmarktes und für die wachsende Prekarisierung. Wir sind mit den Arbeitsuchenden solidarisch. Wir weigern uns, falsche Zahlen, unlautere Angebote und leere Unterhaltungen zu produzieren, und wir werden unsere beruflichen Praktiken dazu einsetzen, den Nutzern unserer Dienste zu helfen, im vollen Respekt ihrer bürgerlichen Rechte.“
Diese Erklärung umzusetzen, erfordert sicherlich viel Mut und Umsicht. Nehmt doch einfach einen Ausdruck mit zum nächsten Gespräch und informiert uns bitte über die Reaktion! Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ermöglicht auch den Mitarbeitern der (No-)Job-Center die Anprangerung der Zustände und die Veröffentlichung der Sanktionsvorgaben im Detail. Wir freuen uns darauf! Es kann sich kein Mitarbeiter mehr hinter den erkennbar unrichtigen Dienstanweisungen verstecken! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!
Ob der Begriff „Hartz-IV-Empfänger“ angemessen ist, dazu hat es im Rahmen der Bremer Montagsdemo Überlegungen gegeben. Auch ich finde den Begriff „Empfänger“ nicht angemessen. Ist der Begriff „Hartz-IV-Bezieher“ angemessener? Ich denke, nein. Die Masse der Menschen, die Hartz IV aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichen Situationen „bekommen“, „beziehen“ oder „empfangen“, haben ein Merkmal gemeinsam: Sie sind abhängig von Hartz IV, haben sich ihre Situation nicht selbst „gewählt“, wünschen sich eine Veränderung ihrer Lage. Daher schlage ich vor zu überlegen, ob die Begriffe „Hartz-IV-Abhängige“ oder „Hartz-IV-Betroffene“ angemessener sind.
Zwischenzeitlich musste sich die schwarz-gelbe Regierung dazu durchringen, die AKW-Laufzeiten auf 2022 zu reduzieren. Das ist im Vergleich zum Wunsch von Bahnchef Rüdiger Grube eine gewaltige Verkürzung um immerhin 15 Jahre: Der wollte, dass der Meiler Neckarwestheim II bis 2037 Strom für die Bahn produziert! Es hat sich also etwas bewegt in der Energiepolitik Deutschlands. Dies haben unter anderem alle unsere Proteste und Ihre Montagsdemonstrationen bewirkt. Das ist ein erfreulicher Erfolg, doch es ist wichtig, weiterhin wachsam und kritisch zu bleiben. Noch immer produziert jedes deutsche Atomkraftwerk pro Jahr 30 Tonnen hochradioaktiven Atommüll, der nicht vernünftig gelagert werden kann.
Bleiben wir also weiter am Ball und unterstützen „Bundesmutter Angela“ mit unserem „persönlichen Atomausstieg“. Machen Sie zunächst Ihren privaten Energiehaushalt effizient. Dann fordern Sie das Gleiche von unseren Politikern jeder Partei: effiziente wirtschaftliche Kraftwerke mit Kraft-Wärm-Kopplung und Gaskraftwerke beziehungsweise ehrliche regenerative Stromerzeugungsanlagen. Lassen Sie sich nicht von Atomstromern verdummbeuteln, die von höheren Strompreisen oder Versorgungsproblemen erzählen oder gar mit Abbau von Arbeitsplätzen drohen.
Ein Atomkraftwerk ist fast so ineffizient wie eine alte Glühbirne, beide haben einen schlechten Wirkungsgrad. Eine Glühbirne erzeugt nur fünf Prozent Licht und 95 Prozent Hitze als Abwärme. Ein Atomkraftwerk erzeugt auch nur zu 23 Prozent Strom und 77 Prozent Abwärme. Seit Anfang 2011 dürfen Glühbirnen nicht mehr verkauft werden. Die hat der Gesetzgeber abgeschafft, sie dürfen nicht mehr hergestellt werden. Es wäre also nur logisch und konsequent, Atomkraftwerke aus dem gleichen Grund, also wegen Ineffizienz, per Gesetz abzuschaffen. Überprüfen Sie Ihren privaten Energiehaushalt und fordern Sie das Gleiche: eine effiziente Energieversorgung. Leben Sie vor Sie, wie das geht, und fordern Sie saubere, ehrliche Energiepolitik!
Limerick der Vorwoche
Der Nazi-Vergleich gilt uns
als total überzogen,
Selbst wenn einem Demonstranten, der unverdrossen,
Die Augen werden aus dem Kopf geschossen.
Nun sehen sich die Schwaben auch von Grün-Rot betrogen,