297. Bremer Montagsdemo
am 27. 09. 2010  I◄◄  ►►I

 

Die Hartz-IV-Verschlimmerungen übersteigen fünf Euro bei Weitem

Hans-Dieter Binder1. Die Höhe der Regelsätze wurde nunmehr mit plus fünf Euro verkündet. Die Schleiertänze sollen beendet sein. Aber die Regelsatzhöhe ist nur eine Seite der Medaille – und der krasse Betrag ein krasses Ablenkungsmanöver. Frau von der Leyen war bei Anne Will, natürlich wegen der Regelsätze: „Sollen wir Flugreisen und illegale Drogen drinlassen?“, hat sie sinngemäß Klaus Ernst gefragt. Allein diese Fragestellung hat mich nachdenklich gemacht, denn ausgewertet wurden die geringen Einkommen. Wer sich mit einem solchen Einkommen eine Flugreise leistet, wird den Gegenwert bei seinen anderen Ausgaben einsparen, sich diese Reise also vom Munde absparen. Wenn alle anderen Ausgaben, die sich ja reduziert haben, gewertet werden, gehört die Flugreise auch dazu! Die illegalen Drogen wird sich die „Gute“ wohl aus den Fingern gesogen haben.

Bereits im Vorfeld hatte die Ministerin angekündigt, dass diesmal der Regelsatz auch die Gesundheitsreform mit der Praxisgebühr berücksichtige. Wieso diese Feststellung? Wegen der vergessenen Gesundheitsreform wurde der Regelsatz bereits 2005 berichtigt. Es wurden tatsächlich noch kürzungsfähige Ansätze gefunden, dadurch konnte die Regelsatzhöhe unverändert bleiben. Die Gesundheitsreform war somit auch im bisherigem Regelsatz enthalten, jedenfalls noch den Ausführungen der Regierung. So holen einen die eigenen Schandtaten ein! Entgegen der offiziellen Begründung für die geplante magere Erhöhung im Jahr 2011 ist wohl jedem klar, dass dieser Regelsatz nicht für ein menschenwürdiges Leben reicht. Jetzt müssen wir nur noch nachsehen, wie getrickst wurde! Die Gelegenheit ist günstig: Am verkaufsoffenen Sonntag, dem 10. Oktober 2010, soll in Oldenburg die AktionKrach statt Kohldampf“ stattfinden. Gefordert werden 80 Euro mehr im Monat für Ernährung.

Ein Verstoß gegen die Auflagen des Verfassungsgerichts besteht in der Koppelung der Regelsätze an die Lohnentwicklung. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Bindung an die Preisentwicklung vorgeschrieben – wohl wissend, dass gerade die Hartz-Gesetze weiterhin für eine rasante Talfahrt der Löhne und Gehälter sorgen. Die 100-Prozent-Koppelung an die Preisentwicklung ist die einzige Alternative, da der Regelsatz bedarfsdeckend sein muss! Die weitere Absenkung der Löhne und Gehälter wird zu einer vermehrten Zahl von Aufstockern führen. Auch der Lohn für die „Bürgerarbeit“ führt zu Aufstockungsansprüchen jedes Hilfebedürftigen und nunmehr „Leistungsberechtigten“. Es geht auch nicht mehr um das Lohnabstandsgebot, weil die Bedarfsdeckung erforderlich ist. Der Abstand zu den Löhnen wird durch den Freibetrag bei Erwerbseinkommen gebildet. Die gesunkenen Löhne lassen keinen größeren Abstand mehr zu! Jeder Hilfebedürftige oder „Leistungsberechtigte“ muss jede zumutbare Arbeit annehmen, auch wenn der Arbeitslohn 30 Prozent unter dem Tarif- oder ortsüblichen Lohn liegt. Wie soll da noch ein Lohnabstandsgebot umgesetzt werden? Die Lösung wäre ein auskömmlicher Mindestlohn. Dies wird von der Regierung nicht umgesetzt, und so sackt der Lohn rasant immer weiter nach unten!

Selbst die Änderung der Zumutbarkeitsgrenzen wird nicht umgesetzt. Die Freibeträge für Arbeitseinkommen wurden bisher durch einen Platzhalter im Referentenentwurf vorgemerkt (§ 11 bis § 11b SGB II). Die Umbenennung von Hartz IV ist wieder einmal gescheitert. Die Umbenennung des Hilfebedürftigen in einen „Leistungsberechtigten“ steht noch im Referentenentwurf, zusammen mit vielen weiteren Änderungen des SGB II und SGB XII. Harald Thomé, Referent für Arbeitslosen- und Sozialhilferecht, hat dazu geschrieben: „Er beinhaltet eine Viel­zahl von deutlichen Verschärfungen im SGB II und in verfahrensrechtlichen Bereichen“. In der Gegenüberstellung ist dies nachlesbar. Noch ist alles nur der Entwurf eines Gesetzestextes ohne die Paragrafen 11a und 11b. Der Kampf gegen die Zwangsumzüge hier in Bremen und anderswo erhält hiermit eine Neuauflage.Die Umsetzung dieses Referentenentwurfs würde trotz geringer Erhöhung der Regelleistung insgesamt sogar zu einer Ersparnis für den Bundeshaushalt führen. Wir halten wir dagegen! Gemeinsam können wir dies verhindern!

 

2. Die Bagis, die Bremer Arge, wird völlig umgekrempelt und in ein Jobcenter überführt, so der „Weser-Kurier“ vom 26. September 2010). Frau Ingelore Rosenkötter holt sich die Verhandlungsvollmacht am Dienstag dieser Woche vom Senat. Verhandelt wird, ohne vorher die Deputationen zu informieren! Die Bagis wird zu Jobcenter Nummer fünf in ganz Deutschland, denn Bremen ist ein Armenhaus! Das Mitarbeiterlage ist angespannt – offiziell, weil alles in der Schwebe hängt. Ich glaube, dieser Arbeitgeber hat seine Glaubwürdigkeit verspielt! Im neuen Jobcenter soll es möglich sein festzustellen, wer die Akte bearbeitet und wer die Entscheidung getroffen hat, dass zugesagte Maßnahmen auch bezahlt werden. Es soll einen Personalrat geben und ein Vorgesetzter allen Mitarbeitern seiner Abteilung Weisungen erteilen können. Daraus folgen die Zustände, welche die jetzige Behörde beherrschten. Der Einfluss von Bremen auf diese Behörde soll erhalten bleiben, so der Wunsch der Grünen an die Verhandlungsführerin. Der Einfluss der Hansestadt konnte die Bagis in der Vergangenheit aber nicht für überzogene Strafen, Sanktionen oder Leistungskürzungen zurechtweisen, siehe vorherige Bremer Montagsdemo. Die Umgestaltung der Bagis folgt Zielen der Bundesagentur.

 

3. In Bremen wird die Deutsche Einheit gefeiert, nunmehr auch in Berlin („Weser-Kurier vom 25. September 2009“: Der Bundestag hat geplant, eine Stunde zu feiern, Herr Lammert möchte das so. Geladen hat er zu dieser Feierstunde am Sonntag damalige und heutige Vertreter der Verfassungsorgane. Viele davon feiern in Bremen – und fliegen mal eben zur Feierstunde nach Berlin und zurück? Angesichts der Haushaltslage ist eine konkurrierende Feier nur schwer zu ertragen, meint dazu Walter Müller von der Fraktion „Die Linke“. Auch die Grünen stören sich an diesen Plänen. Her Röwekamp von der CDU meint, denen stehe es nicht zu, anderen das Feiern zu verbieten. Herr Röwekamp, gegen feiern hat ja keiner etwas – aber bitte selbst bezahlen und nicht über die Spesenabrechnung!

Weitere Verschwendung besteht in den Gehältern für Ex-Kommissare der EU und den üppigen Pensionen für Chefs der HRE, der Bank auf dem politischen Altar. Welch ein Gegensatz, Milliarden zur „Bankenrettung“, Millionen zur Regelsatzerhöhung! Am Mittwoch, dem 29. September 2010, rufen Verdi und das „Bremer Antikrisenbündnis“ zu Protestkundgebungen auf dem Domshof um 15:30 und 16:30 Uhr auf. Darum auch Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Übrigens bin ich im Museum gelandet. Dabei fühle ich mich eigentlich noch gar nicht so alt! Das Focke-Museum hat die Sonderausstellung „Bremen 1945 bis 2010 – So viel Wandel war nie“ eröffnet. Dabei geht das Museum bis ins Heute. Zur Ausstellung gehören auch Videoaufnahmen mit Zeitzeugen mit ihren Erfahrungen und Wahrnehmungen zur Veränderung in Bremen. Die Ausstellung ist sehenswert! Ich habe mich mit meinen Erfahrungen beteiligt und konnte meinen Anstoß zur Begleitung unter dem Motto „Wir gehen mit“ und einige Erfahrungen rund um das ALG II und die Bagis schildern.

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Gewaltexzess gegen friedliche Anti-„S21“-Demonstranten: Was sollen Schüler von einem Staat halten, der sie von der Straße spritzt? („Spiegel-Online“)

 

Es ist Klassenkampf

1. Letzte Woche zog die Staatengemeinschaft auf einem mehrtägigen UN-Gipfel Bilanz, wie weit die zu Beginn des Jahrtausends versprochene Armutsbekämpfung vorangekommen ist. Von dem vor zehn Jahren verpflichteten Millenniumsziel, bis 2015 die die Armut zu halbieren, sind sie doch meiner Meinung nach weiter denn je entfernt! Woher nimmt Frau Merkel die Chuzpe zu behaupten, dass die Zahl der Hungernden auf der Welt im vergangenen Jahr um 100 Millionen gesunken sei? Komisch, lauschen wir verschiedenen Nachrichten, oder verhält es sich hier wie mit der aufgehübschten Arbeitslosenstatistik? Dabei hätte unsere Welt natürlich das Wissen und auch die Ressourcen, die Millenniumsziele zu erreichen! Aber augenscheinlich fehlt der Welt, gemeint sind damit die Regierungen, der Wille, nicht nur auf dem Papier so etwas wie ein Grundrecht auf Leben für alle zu gewähren, sondern dieses im Sinne der Allgemeinheit höher zu stellen sei als das Recht auf Raubtierkapitalismus mit ungebremster Profitgier! Das Gipfeltreffen mit rund 100 Staats- und Regierungschefs ist doch eine reine Alibiveranstaltung, wo die Politiker es sich gut gehen lassen und sinnlos Geld verprassen, das besser für die Hungernden ausgegeben worden wäre! Ich vermute, dass es bei diesem Treffen eher darum geht, neue Märkte zu erschließen, die zuvor eigens dafür geschaffen wurden. Wenn diese Veranstaltung auf einem „Gipfel“ veranstaltet wird, dann kann es sich dabei höchstens um den „Gipfel der Frechheit“ handeln! Auch der Begriff „Armutsbekämpfung“ hört sich eher nach einer kriegerischen Auseinandersetzung an als nach echter Hilfe an. Da macht die Kanzlerin in New York große Worte zum Thema Armut, scheint jedoch im gleichen Atemzug kein Problem damit zu haben, dass die Armut, weil staatlich gelenkt, im eigenen Lande beständig zunimmt!

 

Elisabeth Graf2. Obwohl Gesundheitsminister Philipp Rösler gerade dabei ist, die Arbeitnehmer und Kassenpatienten mit dem eingefrorenen Arbeitgeberanteil immer mehr einseitig zu belasten, kreischen schon die Hyänen aus der Wirtschaft und fordern weitere „Nachbesserungen“ zu ihren Gunsten. Der Kranke ist dabei immer der Dumme, so viel steht fest. Der AOK-Bundesverband spricht davon, dass die Gesundheitsreform nur eine Notoperation sei. Die Arbeitgeber fühlen sich noch immer zu stark belastet, wohl weil sie überhaupt etwas bezahlen sollen. Lediglich die privaten Krankenkassen halten sich auffällig zurück – schließlich gehören sie zu den Gewinnern der Reform. Wenigstens ist es Philipp Rösler noch nicht gelungen, den Gesundheitsfonds abzuschaffen und das Gesundheitswesen finanziell auf komplett neue Füße zu stellen. Statt bei den kranken Kassenpatienten zu knapsen, sollte Rösler lieber bei der Pharmaindustrie klotzen und sie in deutliche finanzielle Schranken verweisen! Warum sind denn bei uns die Medikamente so teuer wie in keinem anderen EU-Land? Wenn wir derart viel dazu bezahlen müssen, frage ich mich ohnehin, wieso ich überhaupt noch Krankenkassenbeiträge zahlen muss, auf die in Zukunft auch noch Zuschläge drauf gesetzt werden. Weil aber der Arbeitgeberanteil an den Krankenkassenbeiträgen eingefroren wird, sind die Arbeitgeber dauerhaft aus dem Schneider. Auch Philipp Rösler zeigt, wer seine Klientel ist: An den steigenden Gesundheitskosten werden sie sich nicht beteiligen müssen. Auf diese Weise schleicht sich die vermaledeite Kopfpauschale klammheimlich und leise zur Hintertür herein. Der Sozialausgleich für die Geringverdiener wird ganz asozial aus Steuergeldern bezahlt, obwohl davon auch schon die Aufstocker zusätzliches ALG II beziehen, weil die Unternehmer ihnen keine Löhne zahlen müssen, von denen sie leben können. Diese Regierung nimmt sich raffgierig das Geld von den Geringverdienern und schüttet es über den Häuptern derer, die ohnehin schon alles im Überfluss haben, großzügig wieder aus!

 

3. Wenn die schwarz-gelbe Bundesregierung die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit für die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen zusammenstreicht, ist das nicht immer unbedingt ein Grund zur Klage – vor allem dann nicht, wenn diese Mittel in Wirklichkeit nur in den allerseltensten Fällen überhaupt wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingliedern, auch wenn sie in Bremen krampfhaft „Integrationsjobs“ genannt werden. So spricht der „Bremer Erwerbslosenverband“ angesichts der Unsinnigkeit dieser Jobs und ihres Zwangscharakters von einer „guten Nachricht“, weil dies in Bremen faktisch das Aus für mehr als 2.200 Ein-Euro-Jobs im kommenden Jahr bedeutet. Vorsitzender Herbert Thomsen lehnt Zuschüsse des Landes, um Ein-Euro-Jobs zu finanzieren, ab, weil es darum gehen müsse, Aufgaben der Daseinsvorsorge stattdessen in reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln. Mit dieser Position liegt der Verband im Prinzip auf Linie des rot-grünen Senats, der im Koalitionsvertrag vereinbart hat, die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen im zweiten Arbeitsmarkt deutlich zu erhöhen, weil diese im Vergleich zu Ein-Euro-Jobs größere Chancen für Betroffene böten, auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen und der Verfolgungsbetreuung mit dem Hartz-IV-Bezug entkommen. Bloß sind die Ein-Euro-Jobs viel günstiger, weil der Bund sie bezahlen muss!

Für „Vadib“-Vorstand Uwe Lange-Mühlmeyer kommt es dagegen einem „Horrorszenario“ gleich, wenn die Zahl der Ein-Euro-Jobs drastisch sänke. Er tut so, als ob die Position des „Bremer Erwerbslosenverbandes“ eine „politisch-ideologische“ sei, da für die Arbeitslosen beides angeblich kaum einen Unterschied mache. Mich wundert es gar nicht, dass der „Verbund arbeitsmarktpolitischer Dienstleister in Bremen“ eine Unterschriftensammlung an den Bund richtet, damit die Kürzungen wieder zurückgenommen werden. Jetzt könnte es endlich mal den Trägergesellschaften, die die Not der Langzeiterwerbslosen in meinen Augen permanent schamlos ausnutzen, an den Kragen gehen! Lange-Mühlmeyer leitet den Beschäftigungsträger „Bras“, der bekanntlich von den sogenannten „Regiegeldern“ für die etwa 740 Wiedereingliederungsstellen lebt. Sie sind konkurrenzlos billig, denn für die darauf geleistete Arbeit muss die „Bras“ keinen Cent Gehalt bezahlen. „Die Linke“ fordert, die Kürzungen des Bundes mit Landesmitteln zu kompensieren, weil die Erwerbslosen andernfalls der schwarz-gelben Bundespolitik „schutzlos ausgeliefert“ seien. Ich gehe mal davon aus, dass diese Gelder nicht für den Erhalt der menschenverachtenden Ein-Euro-Jobs gedacht sein sollen, sondern für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse!

 

4. Die Bremer CDU übte scharfe Kritik an der von der SPD geführten Sozialbehörde. Grund ist der vor kurzem aufgedeckte Fall von Sozialhilfebetrug, bei dem ein Transferleistungsbezieher über mehrere Monate hinweg mehr als 100.000 Euro mit gefälschten Quittungen „rückerstatten“ ließ. CDU-Chef Thomas Röwekamp findet, dass die Arbeitspraxis der Sozialbehörde förmlich zum vorsätzlichen Betrug einlade und sich so ein Fehler „jederzeit wiederholen“ könne. Ach Gottchen, könnte das tatsächlich passieren? Herr Röwekamp hält die Forderung offenbar nicht für übertrieben, deswegen ernsthaft zusätzliche Sonderermittler einzusetzen, die alle bisher abgearbeiteten Fälle von Sozialhilfebeziehern noch einmal überprüfen, wobei höhere Summen von den Vorgesetzten genehmigt werden müssten. Ausgerechnet die Ärmsten der Armen, die sich ohnehin mit jedem noch so kleinen Geldgeschenk, jeder popeligsten Überweisung auf ihr eigenes Konto nackig machen müssen, die sollen nun noch gläserner werden, während viele Stellen für Steuerprüfer für die betuchten Bundesbürger absichtlich unbesetzt bleiben, die Vermögenden ihre Einnahmen am Fiskus vorbei auf Schweizer Nummernkonten bunkern und sich ins Fäustchen lachen! Ich fasse es nicht, aber von diesem Herrn war eigentlich nicht anders zu erwarten. Wir wissen es doch alle, wo hier die wahren Betrüger sitzen. So manchem Politiker möchte ich sagen, er solle nicht immer von sich selbst auf andere schließen!

 

5. Die Bundesregierung wird durch neue Details des äußerst lukrativen Arbeitsvertrags von Bankmanager Axel Wieandt unter Druck gesetzt, der im Frühjahr die Münchner Immobilienbank Hypo Real Estate überraschend wieder verlassen hatte. Ende 2008 hatte sich deren Aufsichtsrat mit Wieandt – mitten in der Finanzkrise – einen überaus attraktiven Arbeitsvertrag ausgehandelt, wonach dieser vom 60. Lebensjahr an unbegrenzt ein jährliches Altersgeld von 240.000 Euro erhält, unabhängig davon, wie lange er der Bank diente. Nicht schlecht, Herr Specht, nach eineinhalb Jahren eine Rente von 240.000 Euro jährlich, was einer Apanage von monatlich 20.000 Euro gleichkommt! Ja, Arbeit muss sich wieder lohnen. Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick kritisiert zu Recht, dass der Bund es noch nicht geschafft habe, der Selbstbedienungsmentalität bei der HRE Einhalt zu gebieten. Es ist empörend, wie leichtfertig hier Steuergelder im großen Stil aus dem Fenster geschmissen werden! Der Name der Verantwortlichen ist natürlich wieder Hase, und keiner wusste irgendwas. Da bleibt einer doch fast die Luft weg: Die HRE hat bislang staatliche Garantien im Umfang von 142 Milliarden Euro erhalten und soll weitere zehn Milliarden als Eigenkapital bekommen! Der ganze Irrsinn im System tritt überdeutlich hervor, wenn bei Hartz IV von den neoliberalen Volkszertretern im Übermaß gespart wird, während den Pleitebankstern die Milliarden ins Popöchen gepustet werden. Solch eine „soziale Marktwirtschaft“ wünschen sich doch alle Bürger dieses Landes! Mit üppigen Pensionsansprüchen im Gepäck wollen zwei weitere Top-Manager die Krisenbank verlassen: Die Vorstände Kai Wilhelm Franzmeyer und Frank Krings haben ihren Abgang angekündigt, sobald die geplante „Bad Bank“, die Abwicklungsanstalt steht. Wofür eigentlich? Für die glanzvolle Arbeitsleistung, den Karren, äh: die Bank vor die Wand zu fahren, wofür jetzt die Steuerzahler in die Bresche springen sollen? Hinzu kommen außerdem diese unverschämten, viel zu hohen Pensionen! Andere kommen dafür stattdessen ins Gefängnis.

 

6. Die Regierung will den Hartz-IV-Regelsatz um monatlich fünf Euro anheben, ganze 16,5 Cent mehr am Tag! Kinder gehen leer aus, von Sachleistungen einmal abgesehen. Mit dieser „angewiesenen Berechnung“ entschied sie sich eindeutig dazu, den Niedriglohnsektor weiter auszubauen, für den ein absurdes Lohnabstandsgebot krampfhaft eingehalten werden muss, und auch weiterhin keinen Mindestlohn einzuführen, von dem es sich anständig leben ließe! Die Opposition ist darüber äußerst empört. Die Linkspartei erklärte, dass die schwarz-gelbe Koalition das Land in eine soziale Eiszeit führt und dabei selbst höchstrichterliche Urteile ignoriert. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, sie lasse sich von Vizekanzler Guido Westerwelle erpressen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig verlangte die sofortige Offenlegung der „Berechnungen“ der Bundesregierung für die neuen Hartz-IV-Regelsätze. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, sprach von einer „willkürlichen Berechnung“ und kritisierte, die Würde des Menschen sei mehr wert als fünf Euro. Aber ich vergesse es bestimmt nicht, wer die menschenverachtenden Hartz-Gesetze eingeführt hat: die rot-grüne Bundesregierung war es! Das werde ich nicht vergessen, auch wenn Rot-Grün in der Opposition groß gegen die unsoziale „Erhöhung“ um fünf Euro wettert!

Der Hauptgeschäftsführer des „Paritätischen Wohlfahrtsverbandes“, Ulrich Schneider, nannte die mögliche Erhöhung des Regelsatzes von 359 auf 364 Euro einen „sozialpolitischen Skandal“. Das „Erwerbslosen Forum Deutschland“ nannte von der Leyens Vorschlag einen „schlechten Scherz“. Mit Blick auf Berichte, dass 200 Banker aus Kreditinstituten mit Staatshilfe wieder auf ein Jahreseinkommen von mehr als 500.000 Euro kämen, erklärte der Verband, Schwarz-Gelb könne uns nicht deutlicher klarmachen, dass ihr Menschen mit Hartz-IV-Leistungen nichts wert sind, während die „Büttelpolitik“ für die Akteure und Profiteure der Finanz- und Wirtschaftskrise immer schamloser fortgesetzt wird. Die Bundestagsabgeordneten von Schwarz-Gelb sollten sich darauf einstellen, dass sie nicht mehr in Ruhe gelassen und permanent damit konfrontiert werden, dass allein für eine ausgewogene und gesunde Ernährung mindestens 80 Euro im Monat fehlen, abgesehen von den anderen Beträgen zur Teilhabe. Es solle nun jede Möglichkeit in den kommenden Monaten genutzt werden, um bei öffentlichen Auftritten von Mandatsträgern das Thema Hunger auf die Tagesordnung zu bringen, um sie damit öffentlich als unsozial bloßzustellen. Die Bundesregierung hält die neuen Regelsätze in der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ dagegen erstaunlicherweise für „transparent, fair und zukunftsorientiert“. Transparent finde ich persönlich hier nur die Scheinheiligkeit und Menschenverachtung der Bundesregierung!

Denn es kommt noch dicker: Der Regelsatz wird faktisch ab 2011 um 30 Prozent gekürzt. Effektiv wird die Regelleistung nämlich nicht nur nicht erhöht, sie wird spätestens ab Mitte 2011 aufgrund der Auswirkungen, welche die durch CDU/CSU und FDP geplanten Änderungen des SGB II haben, deutlich sinken, wenn die überwiegend rechtswidrigen Festlegungen der Kommunen zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten gesetzlich legalisiert und die Kommunen dazu ermächtigt werden, ohne Prüfung und Zustimmung der obersten Landesbehörden die Höhe der „angemessenen Unterkunftskosten“ pauschaliert nach Gusto selbst festzulegen. Mit dem Referentenentwurf des „Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“ sollen weitere Entrechtungen von ALG-II-Beziehern vorgenommen werden. Der zu niedrige Regelsatz ist nur ein Puzzlestück in einem Paket: Es genauso um Erwerbstätigenfreibeträge, um die Abschaffung der Rentenversicherung, um deutliche Verschärfungen bei den Sanktionen, Verkürzung der Wirksamkeit des § 44 SGB X bei zu Unrecht nicht erbrachten Leistungen, Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Bezieher und vieles mehr. Leute, wacht auf und zeigt auf der Straße lautstark, dass ihr damit nicht einverstanden seid!

 

7. Wir haben wirklich jeden Grund, uns auf den „Tag der Deutschen Einheit“ am 3. Oktober 2010 zu freuen, den Rückblick auf zwanzig Jahre Annexion, äh Wiedervereinigung! Ich begrüße die Öffnung der „Mauer“ um die ehemalige DDR und dass sie friedlich vonstatten ging. Doch inzwischen ist die Euphorie, die nach dem Mauerfall herrschte, weitgehend verflogen, und die deutsch-deutsche Wiedervereinigung hat die Erwartungen vieler Deutscher nicht erfüllt. Laut einer Umfrage sieht weniger als die Hälfte der Befragten ihre persönliche Lebenssituation als verbessert an. Jeder vierte Ostdeutsche meint sogar, dass es den Ex-DDR-Bürgern vor 1989 besser gegangen sei als jetzt. Früher war die DDR mit Metallgittern umzäunt. Heute können jene, die über das nötige Kleingeld verfügen, ihre Reisefreiheit nutzen und mit den Vögeln ziehen. Leider ist für immer mehr Menschen der „Eiserne Vorhang“ durch eine finanzielle Spaltung der Gesellschaft ersetzt worden, sodass es ihnen am nötigen Kleingeld fehlt, um die theoretische Freiheit für sich zu nutzen. Erschwerend kommt hinzu, dass im Zuge der Verfolgungsbetreuung ALG-II-Bezieher erst die Genehmigung einer Ortsabwesenheit beantragen müssen und dabei auf die Gutwilligkeit ihres Fallmanagers angewiesen sind, auch wenn weit und breit kein Arbeitsplatz in Sicht ist, jedoch eine unsinnige Maßnahme angetreten werden soll. Mir ist nachhaltig in schlechter Erinnerung geblieben, wie sich der ehemalige Vorsitzende des BDI Michael Rogowski 2004 äußerte: „Am 9. November 1989 haben wir mit der Maueröffnung auch die Abrissbirne gegen den Sozialstaat in Position gebracht. Hartz V bis VIII werden demnächst folgen. Es ist Klassenkampf, und es ist gut so, dass der Gegner auf der anderen Seite kaum wahrzunehmen ist.“ Ein paar Wochen später, am 8. Februar 2005, zitiert die „Tagesschau“ den Chefvolkswirt der Deutschen Bank Norbert Walter: „Wir müssen, nachdem der Sozialismus der DDR überwunden wurde, den westdeutschen Sozialismus überwinden, damit wir die Zukunft gewinnen können.“ Gegen Übelkeit und Brechreiz empfehle ich Nux vomica.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 

 

Die Herrschaft der Konzerne

Wolfgang Lange Die Katze ist aus dem Sack: Um lächerliche fünf Euro soll Hartz IV erhöht werden! Dies sei die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Da hatten die meisten wohl anders erwartet als eine solche Verhöhnung von sieben Millionen ALG-II-Beziehern, ihren Familien und überhaupt eines Großteils der Bevölkerung. Für Kinder gibt es gar keine Erhöhung, laut Regierung ist es bloße Gnade, dass der Regelsatz für sie nicht noch gesenkt wurde! Dass für Erwachsene genau der bereits 2008 für 2010 angesetzte Wert von 364 Euro „ausgerechnet“ wurde, gelang mit einem statistischen Trick: Nicht mehr die untersten 20, sondern nur noch 15 Prozent der Einkommensbezieher wurden zur Ermittlung der Lebenshaltungskosten herangezogen. Von denen war ein Großteil ja gerade durch die Hartz-Gesetze in Billiglohn gedrückt worden: Friseure, Wachleute, Putzhilfen, Leih- und Zeitarbeiter. Die fünf Euro Erhöhung sind in Wirklichkeit eine Senkung , schaut nur die Preiserhöhungen an: Die Verkehrsbetriebe wie BSAG und die Energiekonzerne erhöhen schon wieder. Außerdem sollen künftig nur noch Pauschalen für Miete und Heizkosten gezahlt werden, nicht mehr die tatsächlichen Beträge.

Merkel zeigt ihr wahres Gesicht, indem sie gleichzeitig 40 weitere Milliarden für Hypo Real Estate lockermacht. 240.000 Euro Rente jährlich erhält deren bisheriger Chef Wieandt bis an sein finsteres Lebensende! 186.000 Euro gibt es für seine Stellvertreter, ganz zu schweigen von den Bonuszahlungen. Die ganze Spekulantenbande, die Milliarden und Abermilliarden in ihrer Gier verbrannt hat, wird auch noch aufs Fürstlichste belohnt, auf unsere Kosten! Es reicht nicht, die Hartz-IV-Sätze um zehn, 20 oder auch 100 Euro zu erhöhen: Hartz IV musss weg! Dafür steht die Montagsdemo seit über sechs Jahren. Dafür demionstrieren wir am 16. Oktober 2010 in Berlin – und schon am 10. Oktober in Oldenburg! Am Mittwoch dieser Woche ist außerdem europäischer Aktionstag gegen die Abwälzung der Krisenlasten, in Bremen um 15:30 Uhr auf dem Domshof, wozu unter anderem DGB, Verdi und IG Metall aufrufen. Unsere Forderungen lauten: Zehn Euro Mindestlohn! Bezahlung des Arbeitslosengeldes I für die Dauer der Arbeitslosigkeit! Erhöhung der Sozialunterstützung auf mindestens 631 Euro Regelsatz plus tatsächliche Miet- und Energiekosten! In dieser Höhe müsste der Regelsatz liegen, wenn alle Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt würden, basierend auf den Daten der alten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2003.

Merkel preist „S21“ als „wichtiges europäisches Bauprojekt“, das umgesetzt werden muss; Profiteure sind Banken, Baukonzerne und Daimler. Umweltminister Röttgen will die Streichung von Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke: Was als „unwahrscheinlich“ gilt, soll nicht mehr berücksichtigt werden – allerdings galt vor wenigen Jahren auch ein Vorfall wie der Wassereinbruch im „Versuchsendlager Asse“ offiziell als „unwahrscheinlich“. Leute, wo leben wir? In einer Diktatur der Monopole! Und die Regierenden wie Merkel, Westerwelle, Brüderle, Röttgen sind die Typen, die diese Diktatur gegenüber dem Volk umsetzen! Deswegen geht es auch nicht nur um mehr Hartz IV, Mindestlohn oder die Verhinderung von „S21“ und AKW-Verlängerung, sondern um das ganze System: Wollen wir auf ewig in einer Diktatur der Monopole leben – oder wollen wir direkte Demokratie und selbst bestimmen, was und wie produziert wird, damit alle in den Genuss der Früchte unserer Arbeit kommen? Für diesen echten Sozialismus stehe ich und steht die MLPD! Am Mittwoch ist europäischer Aktionstag gegen die Abwälzung der Krisenlasten, diesen Montag war Streik der Eisenbahner und Lastwagenfahrer in Griechenland. Letzte Woche haben drei Millionen am Streiktag in Frankreich teilgenommen. Hoch die Internationale Solidarität!

Wolfgang Lange (MLPD)
 

 

Reizgas, Schlagstöcke und Wasser­werfer gegen Kinder und Alte

Hans-Dieter WegeMappus und Rech gehören nicht auf die Regierungsbank, sondern ins Gefängnis“. Dieser Meinung der Autorin Edith Bartelmus-Scholich muss sich eigentlich jeder in Deutschland lebende Demokrat uneingeschränkt anschließen. Ich zumindest schließe mich dieser Meinung vollumfänglich an. Auch jeder an diesem Einsatz beteiligte Polizist, der die Verhältnismäßigkeit der Mittel bei seinem eigenen gegen die friedlichen Anti-„S21“-Demonstranten gerichteten Agieren nicht berücksichtigte, gehört mit auf die Anklagebank. Ein polizeilicher Angriff auf Kinder und Greise mit Wasserwerfern, Schlagstöcken, Reizgas oder auch mit Fußtritten und massiven körperlichen Einsatz gegen wesentlich schwächere Personen beinhaltet in meinen Augen immer einen schweren Rechtsbruch. Zu prüfen ist in meinen Augen aber auch, wie viele Ärzte und Sanitäter durch die Polizei selbst angefordert wurden – und ob überhaupt.

Sehr nahe zu liegen scheint mir die traurige Vermutung des Kadavergehor­sams. So bezeichnet man einen Gehorsam, bei dem der Gehorchende sich einem fremden Willen uneingeschränkt unterwirft wie ein willenloser Kadaver. Verwandt ist der Begriff des blinden Gehorsams, demzufolge der Gehorchende sich von einem fremden Willen wie ein Blinder von einem Sehenden führen lässt. Wenn sich diese Vermutung bewahrheiten sollte, gehört die gesamte polizeiliche Ausbildung auf den Prüfstand. Polizisten, die wirklich hiernach handelten, sollten sich in meinen Augen dringend in psychologische Behandlung begeben und vielleicht auch einen Intelligenztest machen. Ich stelle mir die Frage, wie die Familienväter unter den Einsatzkräften ihren eigenen Kindern überhaupt noch unter die Augen treten können.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner asozialer Politik)
 
Wasserwerfer-Opfer erblindet: Natürlich gibt es ein Widerstandrecht gegen illegales Baumfällen und brutale Polizeigewalt („Linke Zeitung“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz