283. Bremer Montagsdemo
am 21. 06. 2010  I◄◄  ►►I

 

Reichensteuern rauf, bevor Sozial­leistungen angetastet werden!

Elisabeth Graf1. Wir hören und lesen schon länger, dass sich in Deutschland die soziale Schieflage immer weiter verschärft, doch nun ist es amtlich: Die neue DIW-Studie belegt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Soziologen und Ökonomen warnen vor verheerenden Folgen wie zum Beispiel sozialer Resignation, Elendsquartieren in den Großstädten und einer Zunahme des gesellschaftlichen Gewaltpotentials. Im Jahr 2000 gehörten noch 18 Prozent der Bevölkerung zur Unterschicht, also zu jenen, die weniger als 70 Prozent vom mittleren Einkommen zur Verfügung haben. 2009 waren es schon fast 22 Prozent. Auf der Sonnenseite des Lebens verhält es sich nun offensichtlich genau umgekehrt, wenn die Gruppe der Wohlhabenden, die mehr als 150 Prozent des mittleren Einkommens ausgeben können, dagegen von 16 auf 19 Prozent gewachsen ist.

Als ob diese schreiende Ungerechtigkeit, dass Tausende Personen von der Mittel- in die Unter- und Oberschicht wandern, nicht schon schlimm genug wäre, nimmt jetzt auch noch das Lohngefälle zu. Für die erodierende Mittelschicht werden Gründe wie Globalisierung und Technologisierung genannt. Mit zunehmender Spezialisierung der Arbeit stiegen die Hürden des gesellschaftlichen Aufstiegs. Last not least tragen auch die menschenverachtenden Hartz-Gesetze dazu bei, dass die Langzeiterwerbslosen heutzutage nach einem Jahr fast zwangsläufig in die staatlich gelenkte Armut der Unterschicht abstürzen müssen. Zwar drifte in allen industrialisierten Staaten die Gesellschaft auseinander, aber die Geschwindigkeit, mit der die deutsche Mittelschicht wegbröckelt, habe bedenklich zugenommen. Niemand dürfe sich darüber wundern, dass schwindende Aufstiegschancen und eine immer schlechtere soziale Absicherung auf die Volksseele drückten und fast so viele Angestellte mit Hochschulabschluss um ihren Arbeitsplatz fürchteten wie Erwerbstätige ohne Berufsabschluss. Wer den gesellschaftlichen Abstieg fürchte, mache dafür gern eine andere Bevölkerungsgruppe verantwortlich. Als Folge dessen könnten Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass wachsen.

Meine Güte, hier kommt kein Erdbeben, kein Tsunami, sondern eine hausgemachte Kapitalismuskrise auf uns zu! Es liegt an unserer Regierung und unseren Gewerkschaften, ob die Kluft sich weiter vergrößert oder nicht. Wenn die schwarzgelbe Koalition ihr sogenanntes Sparpaket derart ungerecht gestaltet, dass sie den Wohngeld-Beziehern den Heizkostenzuschuss und den Hartz-IV-Beziehern Elterngeld sowie Rentenversicherungsbeiträge zu hundert Prozent wegnehmen will, statt sich an Bankster zu halten, die sich verspekuliert und diese Krise verbockt haben, dann hat sie sich zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft entschieden! Bevor die Sozialleistungen angetastet werden dürften, müssten gefälligst eine gerechtere Erbschaftsteuer sowie eine neue Vermögensteuer geschaffen und ein höherer Spitzensteuersatz der Einkommensteuer sowie eine Finanztransaktionsteuer bei den Reichen erhoben werden, um die benötigten Einnahmen zu verbessern! Wirklich schade, dass sich der DGB erst jetzt vernehmbar mit seinem Vorstandsmitglied Claus Matecki zu Wort meldet, dass ausgerechnet in dieser Situation diejenigen zur Kasse gebeten werden, die ohnehin besonders unter der Krise zu leiden haben.

 

2. Politikwissenschaftler Peter Grottian fordert die Schließung der Lebensmittel-„Tafeln“. Diese sollten sich nicht mehr als „sozialpolitische Instrumente“, die den „verfallenden Sozialstaat beblümen“, missbrauchen lassen, denn sie nützten vor allem den Politiker(inne)n, die „mit der einen Hand Sanktionen gegen Hartz-IV-Epfänger(innen) verhängen und gleichzeitig die Arbeit der ‚Tafeln‘ bejubeln“. Ich finde auch, dass den finanziell Armen auf diese Weise mehr geschadet wird und sich der Staat klammheimlich aus seiner Verantwortung und Fürsorgepflicht verabschiedet. Die „Tafel“-Bewegung schwappte 1993 aus Amerika über den „Großen Teich“. Binnen weniger Jahre wurde ein flächendeckendes System der Hilfe für Bedürftige aufgebaut, statt sich für eine Erhöhung der Regelsätze einzusetzen. Die verteilten Lebensmittel haben sich in der Regel nicht mehr im Laden verkaufen lassen, daher werden sie von Supermärkten, Discountern und Bäckereien in großen Mengen kostenlos entsorgt, äh, gespendet. In der überaus großen Nächstenliebe, mit der die Spenden, die häufig die Verfallsdaten übersprungen haben, vergeben werden, lassen sich dann einige Politiker groß feiern und suchen mit strahlendem Lächeln einen Platz neben Familienministerin Kristina Schröder, die die Schirmherrschaft dafür übernommen hat.

Die Sozialpädagogin Sabine Werth, die vor 17 Jahren die erste deutsche „Tafel“ in Berlin mitbegründete, wehrt sie sich gegen die Vorwürfe, die „Tafeln“ ließen sich instrumentalisieren und beförderten die Armut. Anfangs sei es zuerst gegen die Verschwendung von Lebensmitteln gegangen. Zunächst seien Obdachlose, dann erst „Arme“ versorgt worden. Sie seien keine „willfährigen Helfer des Sozialabbaus, sondern das schlechte Gewissen der Gesellschaft“. Ich unterstellende ihr durchaus wohlmeinende Absicht, aber meiner Meinung sieht sie nicht, wozu sich ihre Bewegung eben doch instrumentalisieren lässt: Gäbe es die „Tafeln“ nicht, müssten noch mehr Menschen in Deutschland hungern, und vielleicht gingen dann mehr auf die Straße, um ihrer Wut darüber in diesem reichen Land Luft zu verschaffen! Es ist eines Sozialstaates nicht würdig, wenn finanziell arme Menschen bei Verteilungsstellen anstehen und um Essen betteln müssen, statt es sich selbstbestimmt in einem normalen Supermarkt einkaufen zu können!

 

3. Die Lebensmitteldiscounter sind die Gewinner der Kürzungen im Sozialbereich. Schließlich seien die Armen die besten Discounterkunden, sogar der Hartz-IV-Satz orientiere sich an Aldi-Preisen. Komisch, ich dachte, der sei gar nicht nachvollziehbar „errechnet“, sondern nach politischem Gutdünken „erwürfelt“, indem bei den Verbraucherstichproben des Statistischen Bundesamtes bei den einkommensmäßig unteren 20 Prozent der Bevölkerung immer noch der Wert für einen Pelzmantel abgezogen wird. Je weniger Geld die Leute zur Verfügung haben – und je mehr Menschen Angst haben abzusteigen –, desto sicherer kaufen sie bei Lidl, Aldi und Konsorten ein. Nach einer Erhebung kauft bereits die Hälfte der Haushalte in Deutschland 65 Prozent ihres Bedarfs bei Discountern und alimentiert damit ausgerechnet jene Unternehmen, die durch aggressive Geschäftspolitik ihren Angestellten, Zulieferern und Mitkonkurrenten gegenüber umgekehrt wieder Armut schaffen. Ein tolles System – aber wer kaum Geld im Portemonnaie hat, muss dort kaufen, wo es am billigsten ist.

Für die Marktforscher sind die Discounter wie so vieles andere „made in Germany“ und schreiben „deutsche Erfolgsgeschichte“. Nun werden sie sogar schon mit einer „Erfolgsformel“ geadelt, die da lautet: „niedrigster Preis mal größte Menge plus höchste Effizienz gleich optimale Wertschöpfung“. Damit sind sie wie Pilze aus dem Boden geschossen, verdrängten die Einzelhandelsgeschäfte und erwirtschaften heute 43 Prozent des Umsatzes im gesamten Lebensmittelbereich. Da nun ihre Zuwachszahlen nicht mehr so rasant steigen, haben die Discounter seit drei Jahren ein Problem, weil sie an ihre Grenzen gestoßen sind. Aldi, Lidl und Konsorten können sich nicht mal eben eine neue Zielgruppe aus den Rippen schneiden. Lebensmittel kaufen halt keine Lebensmittel! Ein weiterer Skandal ist wohl, dass es offenbar von der ganzen Gesellschaft akzeptiert und für normal befunden wird, wenn Verkäufer(innen) zu solch schlechter Bezahlung und prekär beschäftigt arbeiten müssen! Der Staat müsste die Unternehmen dazu zwingen können, diese ordentlich anzustellen und ebenso zu bezahlen. Unsere Gewerkschaften scheinen nicht zu wissen, für wen sie kämpfen sollen oder wie das geht!

 

4. Schwere Vorwürfe des Rechnungshofs gegen die Bundesagentur für Arbeit setzen deren Chef Frank-Jürgen Weise unter Druck. Die SPD forderte ihn letzte Woche auf, sein Amt ruhen zu lassen, bis die Vorgänge aufgeklärt seien. Dem Rechnungshof stoßen bis zu 200.000 Euro im Jahr für Behördenmitarbeiter auf. Offenbar wurde bei der Besetzung der Stellen gemauschelt, und die Zusammensetzung der Leistungskomponenten dieser Gehälter scheint schwer durchschaubar zu sein. Weder habe die Bundesagentur das zuständige Arbeitsministerium über die Gehälter informiert noch die Stellen ausgeschrieben. Agenturchef Weise versucht sich damit zu verteidigen, die Bezahlung sei „leistungsgerecht“ gewesen. Dabei war er sich nicht dafür zu schade, auf die „Reformerfolge“ der Bundesagentur für Arbeit hinzuweisen und auf die „Änderungen im Führungsverhalten“, die durch erfolgsabhängige Bezahlung gefördert würden. Auch das habe dabei mitgeholfen, die Wirtschaftskrise zu meistern.

Welchen Film guckt der denn? Ist er gerade bei der Würfelmeisterschaft, beim Kennenlernen der verschiedenen Rosarottöne, die zum Aufhübschen von Statistiken nötig sind oder etwa beim Erlernen besonderer Grausamkeiten in der täglichen Verfolgungsbetreuung? Weise stellt die Bundesagentur gern als ein Unternehmen dar, obwohl es sich hierbei in Wirklichkeit um eine Sozialbehörde handelt! Die Sprache der Marktwirtschaft ist hier ein Euphemismus. Das Gleiche gilt für die kühne Behauptung Angela Merkels, wenn sie davon fantasiert, die Arbeit in den Jobcentern „zielgenauer“ und „effizienter“ zu machen, obwohl es lediglich um das Wegkürzen von Milliarden geht. Den Rotstift wird sie mit Lesebrille sicher punktgenau bei den Ärmsten der Armen ansetzen. Ich kann nur darüber spekulieren, wie scheinbar in jeder Behörde die oberen Positionen nebulös verschleiert vergeben und unfassbare Selbstbedienungsgehälter von einer Hand mit „Vitamin B“ in die andere geschoben werden. Sie scheinen bei ihrer Umverteilung von unten nach oben wunderbar zu kooperieren.

 

5. Hartz-IV-Kochbücher werfen ein Blitzlicht auf einen bizarren Armen-Messia­nismus. Werden in anderen Ländern auch Kochbücher zu einer derart umwälzenden Sozialgesetzgebung geschrieben, die dazu nach einem rechtskräftig verurteilten Straftäter benannt wurde? Merkwürdig, wenn sich wohlanständige Bürger dazu berufen fühlen, den vermeintlich unwissenden Armen zu erklären, wie schmack- und nahrhaft es sich mit ein paar Euro am Tag kochen und essen lässt. „Schmackhaft kochen mit Hartz IV“ nennt sich ein hochstapelndes Produkt, das für 8,90 Euro eine unglaublich banale Aufzählung von Küchengeräten, Kräutern oder Suppen bietet und dazwischen ein paar Gerichte mit Geflügelleber oder Waldpilzen einstreut. Im Vorwort erklärt der Autor, dass dies kein Kochbuch für den verwöhnten Gaumen sei, weil sich ein Hartz-IV-Bezieher Trüffel nicht leisten könne. Warum sich in seinen Aufzählungen dabei jedoch immer um ein sehr teures Meersalz findet, wo ein Kilogramm 100 Euro kosten, das bleibt sein Geheimnis.

Ähnliches ist in der Öl-Rubrik zu lesen. In der Broschüre mit dem vollmundigen Titel „Glücklich und satt für zwei Euro am Tag“ legt die Autorin Wert darauf, „sich und seinen Lieben auch bei kleinem Budget großes Essvergnügen zu gönnen“, was schon für diesen Kleinstbetrag möglich sein soll. Mit morgens zwei Scheiben Toastbrot, mittags zwei Eiern mit Kartoffelbrei, abends einer Scheibe „Schwarzbrot, dünn“ mit Leberwurst lassen sich auf Dauer wohl kaum Kinder, Heranwachsende oder Erwachsene ernähren, geschweige denn satt und glücklich machen. Ist die Bemerkung, dass die Broschüre mit ihren Rezepten ausdrücklich keinen Anspruch darauf erhebt, „kulinarisch besonders erwähnenswert oder ernährungswissenschaftlich besonders ausgewogen zu sein“, als eine Art Rückversicherung gegenüber möglichen Schadensansprüchen zu verstehen?

„Hartz IV in aller Munde“ nennt sich etwas keck ein Vollwert-Kochbuch, das der Frage nachgehen will, wie es sich 31 Tage lang von dem in Hartz IV vorgesehenen Anteil in Höhe von 132 Euro wirklich vollwertig-biologisch ernähren lässt. Dies soll angeblich möglich sein. Beim Birnenfrühstück oder Rotkohlauflauf mit Haferkartoffelkruste ist auch hier Schmalhans Küchenmeister. Mit einer Hauptmahlzeit aus Endiviensalat, Möhren und Rotkohl lässt es sich zwar ganz wunderbar abnehmen, ist aber irgendwann nur noch Haut und Knochen. Unerträglich auch hier jene unbedarfte Beflissenheit, sich messianisch der Welt der Armut in einem „Versuch“ für ein paar Tage zu nähern. Für eine Diät ist das vielleicht ganz gut zu gebrauchen, aber nicht für den Rest des Vegetierens in der womöglich lebenslänglichen Langzeiterwerbslosigkeit. Wie nett, ja allerliebst, wenn einem kurz von Menschen mit normal gefülltem Geldbeutel erzählt wird, wie es sich dauerhaft von so einem unglaublichen Zuwenig leben lassen soll! Leben ist das nicht, nur nacktes Überleben. Wie gesagt, es handelt sich hier um die offenbar in den Büchern nie wirklich realisierte Lebenswirklichkeit, die nicht mal eben nach Cent und Gramm berechnet werden kann! Wenn genügend Geld da ist, damit es zum wirklichen Leben reicht, dann erübrigen sich meiner Meinung solche ominösen Kochbücher ganz von allein!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

 

Albtraum Unfall

Bettina Fenzel Soltau, 13. Mai 2010. Liebe Freunde und Freundinnen, einige haben ja von mir mitbekommen, dass mein Fußgelenkknochen gebrochen ist. Zurzeit befinde ich mich in der Reha-Einrichtung in Soltau. Am 18. Mai ist der Entlassungstermin. Nun stellt sich das Problem dar, dass ich mit meinen Fuß nicht in der Lage bin, die Treppen hoch und runter zu laufen. Ich wohne im ersten Stock und benötige laut Gespräch mit meiner Ärztin eine ebenerdige Wohnung ohne Treppen sowie eine Haushaltshilfe. Doch wer kein Geld hat, steht schlecht da. So wäre die Stadt Bremen doch verpflichtet, die Wege zu streuen, oder, wenn das nicht möglich ist, Warnschilder aufzustellen, die auf die Gefahr von Glatteis hinweisen. Bei meinem Sturz im Winter war das nicht gegeben! Jeder Hausbesitzer würde verklagt, wenn er nicht der Streupflicht nachkäme, doch die Stadt Bremen stiehlt sich aus der Verantwortung und behauptet, um 12:45 Uhr sei das letzte Mal gestreut worden an jenem 5. Januar. Als ich um 15 Uhr in der Innenstadt unterwegs war, da war von alledem nichts mehr vorhanden, nur habe ich leider keine Zeugen, die das bestätigen können. Die Stadt Bremen muss mir nicht mal Schmerzensgeld zahlen und für die Folgekosten aufkommen. Dafür ist die dem kapitalistischen System, das die Menschen immer noch ausbeutet, innewohnende Profitgier auf raffinierte Weise verantwortlich. So will ich auch nicht sagen, dass ein Hume’scher Sozialismus perfekt ist. Dass Menschen auf Glatteis ausrutschen, könnte da aus anderen Motiven geschehen, die nicht aus der Gier nach Profit entstehen, da nur Reiche sich einen armen, verschuldeten Staat leisten können. Wer reich ist, zahlt fast oder gar keine Steuern. Ein Hume’scher Sozialismus lässt aber keine vorzeitigen Entlassungen aus Krankenhäusern zu, wie es durch die Fallpauschale geschieht.

Befinden sich Menschen in der Reha, durchlaufen sie in drei Wochen ein Stressprogramm, das bei Kuren sonst innerhalb von sechs Wochen durchlaufen wird. Nur Menschen, die es aus gesundheitlichen Aspekten dringend nötig haben, können länger als sechs Wochen dort verbleiben. Die Reha dient dazu, dass Menschen gesund ins Alltagsleben entlassen werden können. Ist dies nicht möglich und bleiben gesundheitliche Dauerschäden zurück, gehört den Menschen dabei geholfen, dass sie nach dem Verlassen der Reha gut im Alltagsleben zurechtkommen. Bis dies gewährleistet ist, verblieben sie besser noch in der Reha, und es würde versucht, die Krankheitssymptome abzumildern durch gezielte Therapiemaßnahmen. Die Menschen würden vom Sozialdienst unterstützt, eine behindertengerechte Wohnung zu finden. Der Umzug würde organisiert. Kehrten sie in die neue Wohnung zurück, erhielten sie die nötige Hilfe durch fachliches Personal. Es entsteht in einem kapitalistischen System, das den Menschen als Kostenfaktor einstuft, eine Versorgungslücke, die ihre Wurzel in der Gier nach Profit hat. Durch die Kopfpauschale werden die Arbeitgeberanteile eingefroren: Die Reichen müssen zehn Prozent weniger zahlen, die Armen zehn Prozent mehr. Was wir benötigen, ist eine Einheitsbürgerversicherung, in die alle einzahlen, auch Beamte, Wohlhabende und Reiche, und die der Profitgier von Konzerne und Pharmaindustrie Einhalt gebietet. Die Stadt Bremen als ausführendes Organ des kapitalistischen Ausbeutungssystems hat das Leben von vielen Menschen, die Opfer des Glatteises waren, auf kurze oder längere Zeit oder bis ans Lebensende zerstört.

So kann ich mit einen Fuß, der andauernd anschwillt, nicht mehr fünf- oder sechsmal umsteigen und, mit einen Wochenendticket für 35 Euro, mit viel Gepäck nach Mannheim fahren, denn das Geld für „Bahncard“ und durchgehenden ICE besitze ich nicht. Meine Freundinnen und Freunde und die Stadt, in der ich geboren war, kann ich nicht mehr besuchen. Meine Wohnung wird zum Gefängnis in ersten Stock. Ich kann keine Treppen mehr hoch- und runtersteigen und muss in eine behindertengerechte Wohnung ziehen. „Was wir uns zu erkämpfen haben, ist eine Hume’sche sozialistische Gesellschaft“, schreibt Lenin. Wie ging der erste „Arbeiter- und Bauern-Staat“ mit den Kindern der Reichen um? Und wie gehen die Reichen mit den armen Kindern um? Sie verursachen es, dass dank Hartz IV die Kinder hungrig und ungesund in Kindergärten und Schulen kommen. Qualifizierte Bildung ist, mit ein paar Ausnahmen, nur noch für eine kleine Elite von reichen Kindern da. Dieses ungerechte System verursacht es, dass Kinder durch ihre Lebensverhältnisse krank werden. Alle, die für eine gerechte Aufteilung des Reichtums eintreten, sind aufgerufen, einen Hume’schen Sozialismus zu erkämpfen und Gesinnungsgenoss(inn)en dafür zu gewinnen!

Bettina Fenzel (parteilos)

 

Gauck tischt uns
die alten Lügen auf

Wieland von HodenbergHorst Köhler sagte über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr die Wahrheit: Er gab zu, dass Berlin den Krieg im Interesse der Wirtschaft führt. Vielleicht drängte ihn deshalb eben diese „Wirtschaft“ zum Rücktritt. Sein eventueller Nachfolger Joachim „Fantômas“ Gauck stellte jetzt prompt die alte „Wahrheit“ wieder her! In einem Interview des „Tagesspiegel“ erklärte er dieser Tage, die Bundeswehr führe den Kampf im Namen der Vereinten Nationen gegen den „internationalen Terrorismus“. Er fügte hinzu, dass sie den Kampf auch deshalb führe, damit die Menschen dort „in Sicherheit und Würde“ leben könnten. Wirtschaftliche Erfolge bringe dies nicht. Also tischt auch er uns die alten Lügengeschichten auf. Von präsidialer Überparteilichkeit nicht die leiseste Spur!

Für die Montagsdemo hat Gauck – im Gegensatz zu Köhlers Bremer Äuße­rungen – nur eiskalte Verachtung übrig: Wie das Bundestagsmitglied der „Linken“, Andrej Hunko, auf seiner Internetseite berichtet, verunglimpft Gauck uns Montagsdemontrant(inn)en als „töricht und geschichtsvergessen!“ Er unterstütze Schröders Agendapolitik von Anfang an und wünscht sich auch heute wieder „solche Versuche mit Mut“. Das war unmissverständlich, und diesen Wunsch hat ihm die jetzige Bundesregierung mehr als erfüllt! Um am Wahltag in der Bundesversammlung seinen Rivalen Wulff zu übertrumpfen, hat er gleich klar gesagt, wes Ungeistes Kind er ist. Ganz gleich, wer Bundespräsident wird – auf jeden Fall wissen wir, woran wir sind!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Nichtmitglieder müssen Einfluss aufs Programm der „Linken“ haben!

Pete Ording1. Für meinen Antrag zur Beteiligung der Initiative Bremer Montagsdemo an meinen Kampf gegen die BSAG zur Umstellung des „Stadttickets“ auf Übertragbarkeit erhielt ich 13 Jastimmen und drei Enthaltungen. Gegenstimmen gab es nicht. Damit ist die Initiative Bremer Montagsdemo offizieller Teilnehmer an diesem Kampf.

 

2. Heute erhielt ich ein Schreiben der Bagis mit der Aufforderung zur Einreichung des unterschriebenen Eingliederungsvertrages. Ich teilte dem Arbeitsvermittler gleich mit, dass ich die Angebote zwar recht nett und gut finde, diesen Vertrag jedoch aufgrund des Rechtsbelehrungshinweises unter keinen Umständen unterzeichnen werde. Kurz darauf rief mich der „Schreiber“ an, um diese Angelegenheit mit mir zu besprechen. Er ging auch gleich auf meine Weigerung ein und besänftigte mich, ich müsse das auch gar nicht unterschreiben. Es sei ein Standardschreiben, auf das er keinen Einfluss habe. Ich könne mit ihm zusammen auch einen Vertrag machen, der auf meine persönlichen Bedürfnisse zugeschneidert sei. Er würdigte selbst meinen Einwand, ich wolle auch keine Arbeit annehmen, in der ich zwar bis maximal 3.000 Euro verdiene, um dann aber die Hälfte wieder für Steuern und Sozialabgaben zahlen zu müssen, sodass ich gar nicht einmal weiß, für wen ich überhaupt arbeite. Daraufhin schlug er mir ein Existenzgründerseminar vor.

All dies heißt also: Gib nichts auf den Inhalt des Schreibens, sondern mach einen Termin, geh persönlich hin, am besten mit einer Begleitperson – das kann ein Bekannter, Freund oder offizieller Berater sein – und besprich alles. Mach sehr deutlich klar, was du willst oder lass dich beraten. Lass dir nichts gefallen, was du nicht willst. Laut Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz gilt: „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“ Absatz 3: „Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“ Laut Artikel 1 der Verfassung ist die Würde des Menschen unantastbar! Was kann unwürdiger sein, als mit zu wenig Geld in einem kapitalistischen Land wie dem unseren zu leben, wenn die Bagis, aus welchen Gründen auch auch immer, sanktionierend den Regelsatz kürzt – dessen Festsetzung laut Urteil des Bundesverfassungsgerichtes für grundgesetzwidrig erklärt wurde?

 

3. Ich las einen Aufsatz, in dem erklärt wird, was der Bundespräsident in Deutschland für Aufgaben hat. Diese sind recht überschaubar für das Gehalt, das man in diesem Amt bezieht: immerhin 200.000 Euro jährlich (37.500 Euro monatlich). Dafür muss ein Gelehrter recht lange arbeiten, um so viel zusammen zu kriegen! Und dann spricht man immer von „notwendigen Einsparungen“ im Sozialbereich, das kann ja wohl nicht wahr sein. Spart man am besten dort, wo kaum noch etwas ist – oder dort, wo sich am schwersten gewehrt werden kann? Will man die schwächsten Bürger ausbluten lassen oder gar erreichen, dass es bald nur noch solche gibt, die reich sind, und solche, die für sie knechten müssen?

 

4. Meine Herausforderung an die Linkspartei, stellvertretend an den anwesenden Jost Beilken gerichtet, lautet: Wann fängt „Die Linke“ einmal an – wie auch immer dies technisch gelöst wird –, dem Volk und den Wählern die Möglichkeit zu bieten, sich einzutragen, ohne gleich Mitglied werden zu müssen, damit das Parteiprogramm nach dem bestimmt wird, was die Wähler, also nicht nur die Mitglieder, wollen? Ich fordere „Die Linke“ heraus, wer in diesen Punkt stärker wird und am meisten Teilnehmer oder Unterstützer in allen Sachthemen zur Mitabstimmung findet! Eine Kooperation wird unter Wählerbestimmung angestrebt.

Pete Ording (parteilos oder -gründend)

Warum wir nicht zu Kundgebungen und Massenveranstaltungen gehen? Vielleicht weil es an der Zeit ist, den passiven Widerstand zu beenden und einen Aufstand mit Feuer und Blut zu wagen. Aber bevor es so weit ist, müssen noch viele Empfänger sanktioniert werden, so fürchten wir.

Zuschrift von Joscha Meyer
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz