278. Bremer Montagsdemo
am 10. 05. 2010  I◄◄  ►►I

 

Scheindebatten beenden!

Hans-Dieter Wege Hallo Stefan Engel! Vielen Dank für deine Antwort, die du wohl im Namen der MLPD zum Thema des bedingungslosen Grundeinkommens verfasst hast. Ich möchte dir und den Mitgliedern eurer Partei hiermit auch öffentlich und für jeden transparent antworten. Die Mitglieder der Bremer Montagsdemo haben sich öffentlich in einer Abstimmung mit einer großen Mehrheit, ohne Neinstimme und bei nur einer Stimmenthaltung für die Forderung nach einem Einheitsgrundeinkommen, das jedem erwerbsfähigen und erwerbswilligen Arbeitnehmer die gerechte Teilhabe an der Lohnarbeit garantieren soll, ausgesprochen und dafür gestimmt. Niemand soll von der Lohnarbeit durch Zahlung von irgendwelchen Almosen abgekoppelt werden! Dieses Einheitsgrundeinkommen soll jedem in Deutschland lebenden Menschen bereits mit der Geburt in gleicher Höhe gezahlt werden, unabhängig davon, ob man bereit ist, eine Lohnarbeit auszuführen oder nicht.

Auf gar keinen Fall aber darf man Lohnarbeitsunwilligen Schmarotzertum oder parasitäres Verhalten vorwerfen, zumal wenn man die Lohnarbeit eigentlich überwinden will. Dafür sind die Arbeiter auch absolut die falsche Adresse. Leider kommen aber auch von Mitgliedern der MLPD solche Vorwürfe. Anscheinend ist ihnen nichts von der Forderung nach Abschaffung der Lohnarbeit bekannt. Alle anderen Arbeiten, die nicht unbedingt der Lohnarbeit entsprechen, sollen bis zur Höhe des Einheitsgrundeinkommen gleichberechtigt gewürdigt werden und über eine Arbeitskraftabgabe in Höhe des Mindeststundenlohnes für Lohnarbeit finanziert werden. Da diese Abgabe zusätzlich zu den Stundenlöhnen gezahlt werden müsste, würde sie die Profite der Arbeitgeber selbstverständlich entsprechend kürzen.

Wir müssen uns auch gar nicht darüber streiten, ob in Deutschland nun genau 46 Milliarden Lohnarbeitsstunden oder mehr oder auch weniger geleistet werden. Nur muss jeder erwerbswillige und erwerbsfähige Lohnarbeitnehmer mindestens einen Rechtsanspruch auf die erforderlichen durchschnittlichen Monatsarbeitszeiten bekommen, die auch wirklich in einem Jahr erledigt werden müssen, um daran auch teilhaben zu können! Für diese zusätzliche Lohnarbeit soll er auch zusätzlich zum Einheitsgrundeinkommen – möglichst nach Tarifvertrag, aber mindestens in Höhe des Mindestlohnes – entlohnt werden.

Nimmt man einmal das Beispiel der Partei „Die Linke“, die immer von der „Guten Arbeit“ redet, was immer sie damit auch meint, dann muss doch trotzdem jede Lohnarbeiterin und jeder Lohnarbeiter das verbriefte Recht bekommen, auch Nein sagen zu dürfen, selbst dann, wenn eine angebotene Lohnarbeit der Qualifizierung entspricht und vielleicht sogar hervorragend bezahlt wird. Genau dieses Recht müsste zum Beispiel auch in einer sozialistischen Gesellschaft gelten. Nicht jede und jeder Arbeitnehmer würden beispielsweise für alles Geld der Welt in der Rüstungsindustrie arbeiten wollen! Wäre das nicht „Gute Arbeit“ nach Vorstellung der Partei „Die Linke“? Bestimmt gibt es noch genügend andere Beispiele.

Meine weiteren Gründe, die für ein bedingungsloses Einheitsgrundeinkom­men sprechen, kann man übrigens hier nachlesen, und ich muss mich diesbezüglich nicht wiederholen. Ich empfehle daher allen Mitstreiter(inne)n der bundesweiten Montagsdemo, sich der Forderung der Bremer Montagsdemo nach einem bedingungslosen Einheitsgrundeinkommen anzuschließen, um hiermit den Einstieg zur Überwindung der Lohnarbeit überhaupt zu bekommen und die Scheindebatte zu Mindestlöhnen, Kombilöhnen und Sozialversicherungen, die später kein junger Mensch mehr ausreichend für die Alten erbringen kann, zu beenden! Für eine neue internationale solidarische und gerechte Gesellschaft, wie immer diese sich dann auch nennen wird! Beste Grüße.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner asozialer Politik)
 
Existenzrecht darf nicht an Bedingungen geknüpft werden: Sanktionen führen zu Verschuldung und Kleinkriminalität („Tageszeitung“)
 
Raubtierfütterung: Im Windschatten der NRW-Wahl zweigt Schnatte­rinchen 123 Milliarden für Euro-Spekulanten ab („Spiegel-Online“)

 

Ein herzlicher Glückwunsch
an die Linkspartei!

1. Die Wahlen in Nordrhein-Westfalen waren ein Debakel für Schwarz-Gelb. Die CDU fuhr mit 34,5 Prozent ein Minus von 10,5 Punkten ein, die FDP ist nach ihrem Höhenflug bei der Bundestagswahl wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt, mit 6,5 Prozent. Dies bei einer Wahlbeteiligung von nur noch 59 Prozent! Das Volk ist mit der Politik seiner Regierungen immer weniger einverstanden, ob „Griechenlandhilfe“ – in Wirklichkeit Bankenhilfe – oder Hartz-Gesetze mit abartiger Hetze von Westerwelle oder Steuersenkungspolitik für die Reichen. Von der Selbstbedienungsmentalität der Politiker – zum Beispiel bekommt Merkel nächstes Jahr 334,49 Euro mehr Gehalt im Monat, die Minister entsprechend, also fast so viel, wie ein Hartz-IV-Betroffener überhaupt zum Leben hat –, von der Atompolitik und vom Afghanistankrieg haben die Menschen die Schnauze voll!

Wolfgang LangeDie Grünen haben nur deshalb so gutes Ergebnis von 12,2 Prozent, weil sie auf „Atomkraftgegner“ und auf „links“ machten. Dass die Linkspartei mit 5,6 Prozent in den Düsseldorfer Landtag kommt, freut mich, denn es ist Ausdruck des Linkstrends. Herzlichen Glückwunsch! Aber jetzt bloß nicht auf „Pöstchenjagd“ gehen, das kennen wir von den Grünen! Die Bundesregierung wird es nach dieser Wahl schwerer haben, ihren Taktikwechsel zur offenen Abwälzung der Krisenlasten durchzuziehen und beispielsweise die Laufzeit der Atomkraftwerke auf 60 Jahre zu verlängern. Egal, welche Regierung in Nordrhein-Westfalen gebildet wird: Die Menschen in unserem Land müssen sich einstellen auf härtere Zeiten. Dazu brauchen wir eine starke kämpferische Opposition auf der Straße, in den Montagsdemos und über die Grenzen hinweg! Außerdem brauchen wir die Debatte über eine Alternative zu diesem krisenhaften und korrupten Kapitalismus.

 

2. An den „Weser-Kurier“! Im Artikel „So wird aus Abfall Energie“ vom 6. Mai 2010 von Miriam Keilbach über das neue Müllverbrennungswerk der SWB sind gravierende Fehler. So wird behauptet, diese Methode sei „klimaschonend“ und stehe „auf Platz zwei der regenerativen Energien – nach der Windkraft“. Das ist vollkommener Blödsinn: Weder ist die Müllverbrennung klimaschonend, noch hat sie etwas mit regenerativer Energie zu tun. Schlicht und einfach gelogen ist die Behauptung, dass „die Abfallverbrennung kaum Kohlenstoffdioxid produziert“. Das Gegenteil ist der Fall: Bei der Verbrennung des Mülls zusammen mit Erdöl entsteht extrem viel klimaschädliches Kohlendioxidgas. Als regenerative, also gleich erneuerbare Energie können nur Windkraft, Sonnenenergie und Wasserkraft bezeichnet werden. Dazu kommt noch die Biomasse, bei deren Verbrennung gleich viel Kohlendioxid freigesetzt wird wie beim Wachstum der Pflanzen. Daher ist die Kohlendioxidbilanz bei Biogas neutral. Dasselbe über Hausmüll zu behaupten, ist eine grobe Irreführung der Verbraucher.

Eine wirklich klimaschonende Behandlung des Mülls ist nur in einer Kreislaufwirtschaft möglich, wo alle Bestandteile getrennt und wiederverwertet werden. Ein sehr wirksames Verfahren dabei ist das „Kryo-Recycling“. Die Verbrennung hingegen ist eine Verschleuderung von Rohstoffen, auch wenn dabei Strom erzeugt wird. Für die Umwelt und unser Leben ist sie nicht nur schädlich, weil dabei Kohlendioxid freigesetzt wird, sondern auch, weil im Abgas, selbst wenn es noch so viele Filter durchströmt hat, immer noch gefährliche Feinstäube enthalten sind. Gerade der ultrafeine Staub ist aber besonders toxisch angereichert. Er geht tief in die Lunge, da es dagegen keine Schutzmechanismen gibt, und kann unmittelbar durch die Zellwand ins Blut gelangen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es keine wirkliche Eingangskontrolle für den angelieferten Müll gibt. Es können daher auch sehr gefährliche Stoffe in den Verbrennungsprozess gelangen.

Noch eine Anmerkung zum Schluss: Frau Keilbach bezeichnet die SWB an einer Stelle in ihrem Artikel als „Stadtwerke“. Das sind sie aber schon lange nicht mehr: Die SWB gehören der EWE (bis auf eine Aktie, die Bremen behalten hat). Bei der EWE ist ein Hauptaktionär der Energieriese EON – bekannt auch durch seine Atomkraftwerke. Mit „regenerativer Energie“ und „Recycling“ hat das alles nichts zu tun. Hier geht es darum, wie mit Müll richtig viel Geld verdient wird.

Wolfgang Lange (MLPD)

 

Die Oberschicht und ihre Sklaven

Elisabeth Graf1. Wer den Ausführungen von Familienministerin Ursula von der Leyen, Bundesagentur-Vorstand Heinrich Alt, Hunderten von selbsternannten Experten und dem Ergebnis aller „relevanten“ Talkshows leichtfertig Glauben schenkt, der meint, dass der Grund für Langzeiterwerbslosigkeit in der Person des Betroffenen selbst liegen müsse. Angeblich sei der Hauptgrund neben fehlender Einstellung in der mangelnden Berufsausbildung zu suchen. Keine noch so gut ausgelegte Bildungsoffensive kann etwas daran ändern, dass nur 60,8 Prozent nach der Berufsausbildung in den nächsten sechs Jahren eine vollwertige Beschäftigung finden werden, solange wir 40-Stunden-Wochen haben! Das Aussieben um die immer weniger werdenden Jobs findet halt auf „höherem Niveau“ statt, auf dem aber auch nicht alle Qualifizierten einen Platz finden können.

Leider lässt sich die andauernde Massenarbeitslosigkeit nicht nur mit dem Ausbau von Bildung beseitigen. Es kann auch niemandem damit gedient sein, wenn sich künftig Abiturienten um freie Ausbildungsplätze im Handwerk, in der Bau- und Metallindustrie und in allen anderen Branchen prügeln, während andere Schulabsolventen einen zweiwöchigen Schnellkurs machen müssen, um sie für ein Vegetieren als dauerhafter Hartz-IV-Bezieher mit allen Demütigungen und Schikanen, die die Verfolgungsbetreuung parat hält, „fit“ zu machen! Mehr als doppelt so viele Absolventen wie in der Statistik für Absolventen einer dualen Berufsausbildung auftauchen, sind letzten Endes tatsächlich erwerbslos. Aber die Deutschen sind ja wahre Meister im Verschönern von Statistiken! Wenn sich die Absolventen einer Berufsausbildung in den nächsten Jahren danach oft in prekärer Beschäftigung wiederfinden, kann sich mindestens ein Viertel von ihnen Themen wie Familienplanung oder Hauskauf abschminken und leider kein bisschen die Wirtschaft ankurbeln!

 

2. Für immer mehr Berufstätige reicht ihr Lohn nicht mehr zum Leben aus, sodass bereits fast eineinhalb Millionen Bürger dazu gezwungen sind, den spärlichen Hungerlohn mit dem ALG II aufzustocken. Für den Staat wird diese Form der Lohnsubvention zunehmend teurer: Die Bundesagentur für Arbeit beziffert die Ausgaben mit 10,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Die Quote derjenigen, die zusätzlich ALG II benötigen, stieg in den vergangenen Jahren mehr als deutlich an. Vor allem in der Leiharbeitsbranche, in der Gastronomie und bei Dienstleistungen müssen die Löhne sehr oft aufgestockt werden. Der Anteil derjenigen, die trotz Vollzeitjob weniger als das Existenzminimum verdienen, war in den vergangenen drei Jahren allerdings rückläufig: 2009 bezogen etwa 300.000 Menschen einen Bruttolohn von 800 Euro oder mehr und zugleich die staatliche Grundsicherung.

Der DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy führt dies vor allem auf den Ausbau des Kinderzuschlags und des Wohngelds sowie auf die wachsende Zahl von Mindestlöhnen in einzelnen Branchen zurück. Er verstieg sich sogar zu der Behauptung, dass zwar der Niedriglohn wachse, nicht jedoch die Zahl der Niedriglöhner, die aufstockend Anspruch auf das ALG II hätten. Merkt dieser Herr überhaupt noch, was er da redet? Er scheint uns als Erfolg verkaufen zu wollen, dass weniger ALG II beantragt werden muss, weil die um einen fairen Lohn betrogenen Erwerbstätigen stattdessen sogar bei zwei Ämtern neben ihrer Arbeit Schlange stehen und zig Formulare ausfüllen müssen, um eben Wohngeld und Kindergeldzuschlag zusätzlich zu bekommen! Sind das etwa keine Sozialleistungen, die hier der Staat anstelle des Arbeitgebers zahlt? Es ist den Aufstockern doch völlig egal, wie die Leistungen heißen, die sie bei viel zu niedrigem Lohn zusätzlich beantragen müssen! Zu allem Überfluss kommt dann noch ein Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände daher und sieht wegen dieser Zunahme „Fehlanreize bei Hartz IV“. Die sieht er jedoch nicht da, wo sie sind, nämlich bei den Unternehmern für deren nahezu uneingeschränkte Profitmaximierung, sondern er wirft den doch schon genug gebeutelten ALG-II-Beziehern vor, dass es die Freibetragsregelung attraktiv mache, sich mit geringem zeitlichen Arbeitseinsatz ein beträchtliches Taschengeld zur Grundsicherung hinzuzuverdienen.

Neben Hartz IV Taschengeld verdienen? Weit gefehlt, denn es reicht ja nicht aus, um genug zum Vegetieren zu haben! So entstünde ein Anreiz für den dauerhaften Bezug der Fürsorgeleistung, statt über eine Vollzeittätigkeit aus der Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung zu kommen. Ich empfinde es als eine bodenlose Frechheit, wenn der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt die zunehmende Inanspruchnahme von Aufstockungsleistungen mit dem ALG II als einen Anreiz für den dauerhaften Bezug der Fürsorgeleistung hält, anstatt über eine Vollzeittätigkeit aus der Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung zu kommen. Nein, bitte nicht immer die Fakten verdrehen, um das altbekannte Sündenbockprinzip zu bedienen, auch wenn das aus alter Gewohnheit großen Spaß macht! Denn hier gehören wahrlich die Unternehmer in die Pflicht genommen, die viel zu geringe Löhne zahlen, die sogar bewusst darauf verweisen, es könne ja zusätzlich ALG II beantragt werden. Das sind die wahren Asozialen, die sich auf Kosten der Steuerzahler Paläste bauen! Ich kenne absolut niemanden, der freiwillig weniger Stunden arbeitete, nur um sich der Verfolgungsbetreuung auch noch auf mehreren Behörden auszusetzen. Es klingt offenbar einfach viel netter, so einen Schmarrn zu reden als darauf hinzuweisen, dass die Vollzeitstellen gewissermaßen mit vollen Händen aus dem Fenster geschmissen werden, aber viele davon so wenig Geld einbringen, dass immer noch ALG II beantragt werden muss, um überhaupt vegetieren zu können. In meinen Augen kommt das ALG II nicht annähernd an das Level einer Grundsicherung heran.

 

3. Einer neuen Studie zufolge wird es um die Rentner von morgen nicht gut bestellt sein, weil zunehmend mehr junge Menschen Erfahrungen mit der Erwerbslosigkeit machen, wodurch das Rentenniveau immer weiter absinkt. Es bedarf keiner teuren Studie, weil schon der gesunde Menschenverstand weiß, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsleben und der zu erwartenden Rente gibt. Wer länger arbeitet, wird auch mehr Rente beziehen können als jemand, der kürzer erwerbstätig oder wie eine Mutter zur Versorgung der kleinen Kinder zu Hause geblieben ist, was jedoch nicht als Arbeitsleistung angerechnet wird. Diese Studie erzählt uns, was wir schon lange beobachten können: dass das Arbeitslosigkeitsrisiko im Vergleich zu den achtziger Jahren angestiegen ist und sich der Anteil der Dauerarbeitslosen mindestens verdoppelt hat. Während zwischen 1985 und 1989 nur ein Prozent der 20- bis 30-Jährigen mindestens 30 Monate arbeitslos waren, mussten dieses Schicksal zwischen 2003 und 2007 bereits fünf Prozent ertragen. Auch die Situation älterer Arbeitnehmer zwischen 51 und 65 Jahren veränderte sich stark: Es verdoppelte sich der Anteil der Dauerarbeitslosen im Vergleichszeitraum von vier auf acht Prozent. Schon lange ist bekannt, dass durch die vermaledeiten Hartz-Gesetze die Altersarmut steigen wird!

 

4. Das neueste Urteil des Bundessozialgerichtes, wonach behinderte Kinder von ALG-II-Beziehern keinen Behindertenmehrbedarf geltend machen können, da Hartz IV kein Fürsorge-, sondern ein Arbeitsmarktgesetz sei, klingt unglaublich und eines Sozialstaates absolut unwürdig! Auf die Klage der Eltern eines heute sechsjährigen Jungen aus Gelsenkirchen, der aufgrund einer starken Entwicklungs- und Wachstumsstörung nicht laufen kann, auf Erstattung der erhöhten Mehrkosten beim Transport entschied das Bundessozialgericht, dass Kinder mit Behinderung keinen Anspruch auf Mehrbedarf hätten, weil sie ja grundsätzlich nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Erst wenn sie im erwerbsfähigen Alter seien, könnten sie unter Umständen einen Mehrbedarf von 17 Prozent geltend machen (Aktenzeichen B 14 AS 3/09 R).

Dazu sagte Martin Behrsing vom „Erwerbslosenforum Deutschland“: „Das Bundessozialgericht folgt in seinem Urteil ganz der neoliberalen Verwertungslogik der Agendapolitik und deren Hartz-IV-Gesetzen. Selbst behinderte Kinder müssen für die Erwerbslosigkeit ihrer Eltern büßen, indem das Bundessozialgericht die soziale Fürsorgekomponente bei Hartz IV verneint und den betroffenen Kindern nichts gewährt. Erneut zeigt sich die Fratze von Hartz IV: Es dient ausschließlich der Verwertung der Ware Arbeitskraft auf niedrigstem Niveau. Die Armut der Kinder soll den Druck auf Menschen erhöhen, Jobs zu jeder Bedingung und jedem Preis anzunehmen. Gegenüber behinderten Kindern kann unsere Rechtsprechung kaum eine größere Verachtung aussprechen. An welche Form der Gerechtigkeit sollen denn Kinder später einmal glauben?“ Wenn ich mir das eine oder andere Urteil von den obersten Gerichten in unserem Land betrachte, könnte oder sollte ich fast zu der Meinung kommen, dass es sich hier um „Klassenjustiz“ handelt. Auch ist es sicherlich nicht ohne Bedeutung, dass das Bundessozialgericht wohl zum ersten Mal festgestellt hat, dass Leistungen nach dem SGB II keine Leistungen nach den Fürsorgegesetzen, sondern nach den Arbeitsmarktgesetzen sind.

 

5. Deutsche Manager können sich im europäischen Vergleich wahrlich nicht über zu geringe Gehälter beschweren. Nach einer bislang unveröffentlichten Studie der „Managementberatung“ werden Vorstandschefs großer Unternehmen und die Führungsriege eine Hierarchieebene darunter in Großbritannien am besten bezahlt. Auf Platz zwei der Gehaltstabellen folgt dann schon ganz munter und ungeniert Deutschland. So erhielt der Vorstandschef eines Unternehmens mit mehr als 1.000 Mitarbeitern hierzulande im vergangenen Jahr Bezüge von durchschnittlich 570.000 Euro. Mehr Geld in den gierigen Schlund geworfen bekamen nur die britischen Vorstandschefs mit umgerechnet 733.000 Euro. Offenbar begründen die Unternehmen ihre exorbitanten Löhne für die Herren in den Führungsgremien immer unverhohlener damit, dass die besten Mitarbeiter abwanderten, falls sie sich „unterbezahlt“ fühlten. 2009 sei kein Jahr der Gehaltserhöhungen gewesen. Die Gesamtbezüge der Unternehmensführer seien in Deutschland nur um durchschnittlich 2,6 Prozent gestiegen. Wer glaubt das? Auch sei der Anteil der Bonuszahlungen an der Gesamtsumme auf der Gehaltsabrechnung im Zuge der Wirtschaftskrise zurückgegangen. Ach Gottchen! Wenn ich lese, dass im vergangenen Jahr Bonuszahlungen an den Gesamtbezügen der Spitzenmanager der größten deutschen Unternehmen einen Anteil von durchschnittlich schlappen 40 Prozent hatten, kann ich wohl davon ausgehen, dass die grandiosesten Versager die größten Einkommen bekommen, weil sich Leistung eben wieder lohnen muss!

 

6. Mich packte auch die brodelnde Empörung, als ich bei „Stern.de“ den Artikel über das berufliche Desaster einer Hartz-IV-Aufstockerin mit dem Titel: „Manchmal packt mich die kalte Wut“ las. Hier erzählt eine Krankenpflegehelferin und fünffache Mutter, warum sie trotz mieser Bezahlung gerne arbeite. Sie erhält keine Umschulung vom Arbeitsamt, hört stattdessen die liebevolle Unterstützungsbotschaft, dass sie wegen ihrer großen Kinderzahl eh nicht eingestellt würde, nimmt sogar Arbeit an, bei der sie sich als Ein-Euro-Jobberin in der Seniorenbetreuung ausbeuten lässt, später in der ambulanten Pflege, wo ihr manchmal Doppelschichten zugemutet werden, die sie erledigt, ohne dafür Freizeitausgleich zu bekommen. Ob sie wirklich der Meinung ist, ihren Kindern ein gutes Vorbild zu sein, weil sie Arbeit zu jedem Preis zu akzeptieren scheint? Aus der Sauerei, dass sie trotz Vollzeitarbeit auch noch aufstockende Leistungen beantragen und die Verfolgungsbetreuung der argen Arge ertragen muss, zieht sie den falschen Schluss. Es ist mal wieder eine Lüge mehr, ein bekannter Bestandteil der üblichen Hetzerei gegen Erwerbslose, dass andere Menschen, die nicht arbeiten gehen können, weil sie keinen Job bekommen, genauso viel Geld wie sie bekämen! Mit dem ALG II und einer Behandlung der Hartz-IV-Bezieher, die sie demütigen soll, kann grundsätzlich niemals von „Genuss“ beim Bezug von Transferleistungen gesprochen werden! Meiner Meinung nach sollte sich ihre Wut besser gegen die neoliberale Politik, die Hartz-Gesetze und den Lissabonner Vertrag richten!

 

7. Landessozialgerichte fordern die Einführung von Unterkunftspauschalen, Pro­zess­kosten für Kläger und von verschiedenen Klagebeschränkungen für das Rechtsgebiet des SGB II. Statt eine gesetzliche Verankerung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu fordern, wollen die Sozial- und Landessozialgerichte ALG II-Bezieher massiv in ihren Rechten einschränken, um so der immer weiter steigenden Klageflut Herr zu werden, welche größtenteils darauf zurückzuführen ist, dass die Leistungsträger des SGB II sich immer dreister über Recht und Gesetz hinweg setzen, um Kosten zu sparen. Auf diese Weise werden die rechtswidrigen Handlungen der Leistungsträger des SGB II zwar nicht legalisiert, aber unangreifbar gemacht. Wenn finanziell äußerst klamme ALG-II-Bezieher, denen zum Beispiel gerade wegen einer ungerechtfertigten Sanktion die Bezüge gekürzt bis komplett gestrichen wurden, vor der Einreichung einer Klage eine Prozesskostenpauschale von bis zu 150 Euro zahlen müssen, was sie so natürlich gar nicht können, dann wird ihnen das bürgerliche Recht vorenthalten, das Recht auf Recht! Wohin soll das denn führen? Faschismus oder Plutokratie? Oder ganz einfach eine Mischung daraus, die sich dann EU nennt? Werden Umzugkartons eine neue Bedeutung bekommen: nicht mit ihnen umziehen, sondern sie bewohnen müssen?

 

8. Nach den Worten des zuständigen Verfassungsgerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle schließt das aktuelle Urteil zu Hartz IV eine Senkung der momentanen Regelsätze nicht komplett aus. Es komme darauf an, dass die Sätze nicht evident unzureichend seien. Ein trauriger Witz, weil mir nicht klar ist, wie denn eine ausreichende Höhe bei einer Kürzung der jetzt bereits völlig unzureichenden „Höhe“ bewerkstelligt, gar nachvollziehbar begründet werden könnte! Oder ist hier „evident“ das Zauberwort, das Regelungen zu Gummiparagrafen machen kann, die dann so oder so interpretiert werden können, also an der eigentlichen Misere nichts ändern? Evident heißt soviel wie augenscheinlich oder unbezweifelbar. Wann aber ist ein Regelsatz „evident unzureichend“? Wenn Hartz-IV-Bezieher nur noch in Lumpen herumlaufen; wenn sie so abgemagert sind, dass sich die Rippen unter der verlumpten Kleidung abzeichnen; oder wenn sie unter Brücken schlafen müssen? Oder ist der Regelsatz schon dann „evident unzureichend“, wenn Kino- oder Theater-Besuche nicht mehr möglich sind? Die ständige Volksverdummung durch Medien und Politik, das Spalten der Gesellschaft und das ständige Wiederholen von falschen „Tatsachen“ scheinen doch sehr gut zu wirken. Kommen wir den Zielen der EU in Riesenschritten näher, welche nur noch die Oberschicht und ihre Sklaven vorsieht und die ehemals nivellierte Mittelschicht dazwischen komplett ausradiert sehen will?

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Montagsdemo wünscht gute Besserung: Bremer Sozialsenatorin auf funktionierendes Gesundheitssystem angewiesen („Bild“-Zeitung)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz