277. Bremer Montagsdemo
am 03. 05. 2010  I◄◄  ►►I

 

Ein-Euro-Jobber mit acht Euro Stundenlohn in Rechnung gestellt

Elisabeth Graf1. Ausgerechnet der Berliner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky wurde von der SPD mit dem Gustav-Heinemann-Bürgerpreis ausgezeichnet. Was ist dazu von einem Sigmar Gabriel zu halten, der den so Geehrten für einen „sozialdemokratischen Schatz“ hält, der dringend gezeigt werden müsse? Buschkowsky sei ein Mann mit klarer Sprache, der auf die Menschen zugehe und die Probleme anpacke, der eine Bereitschaft zu Veränderungen, für neue Ideen und Mut zum Widerspruch besitze. Angeblich weise der streitbare Sozialdemokrat nur in deutlichen Worten auf soziale Missstände hin.

Ach, wenn er im Zusammenhang mit dem geplanten Betreuungsgeld für Kinder behauptet, die deutsche Unterschicht würde das Geld „versaufen“, dann ist das natürlich lediglich als „Hinweis“ zu werten und natürlich niemals als Umstand der Volksverhetzung zu deuten? Ob Buschokwkys Idee wirklich so neu sind? Ist Deutschland zu einer Bananenrepublik geworden, in der die Hetzer auch noch geehrt werden? Oder warum scheinen die Sarrazins, Buschkowskys, Möllenstädts und Heinsohns beim Lostreten einer perfiden Unterschichtendebatte bei der deutschen Staatsanwaltschaft absolute Narrenfreiheit zu genießen? Soll hier erneut eine soziale Selektion betrieben werden, um den „Pool minderwertiger Gene“ nicht noch weiter zu füllen? Dabei müsste solch ein ekelhaft gefährlicher Dummfug schleunigst im Ausguss runtergespült werden!

 

2. So darf es nicht verwundern, wenn wir schon wieder lesen müssen, dass Akademikerkinder unabhängig von ihrer Intelligenz und ihrem Lesevermögen bundesweit eine fast dreimal so große Chance haben, von ihren Grundschullehrern eine Empfehlung für den Besuch des Gymnasiums zu bekommen, wie Kinder aus der Mittel- und Unterschicht. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Die Koppelung von sozialer Herkunft und Gymnasialchancen ist demnach im Saarland, in Sachsen, Hessen, Bayern und in Sachsen-Anhalt besonders groß, wohingegen die Forscher in Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen keine bedeutsamen Unterschiede finden konnten, wenn die Gymnasialempfehlungen von Kindern mit gleicher Intelligenz und Lesekompetenz verglichen wurden.

Während bundesweit die Gymnasialchancen von Akademikerkindern 2,72 Mal so groß sind wie die von Kindern aus der Mittel- und Unterschicht, erreicht das Saarland mit einer Quote von 4,52 im Bundesländervergleich den schlechtesten Wert in Sachen Chancengleichheit, gefolgt von Sachsen (4,12), Hessen (3,84) und Bayern (3,30). Auch das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen schneidet mit 3,10 schlechter als der Bundesschnitt ab. Hiermit wird erneut der Unsinn einer Auslese von zehnjährigen Kindern für unterschiedliche Schulformen bewiesen. Die Begründungen für das dreigliedrige Schulsystem widerlegen sich selbst, wenn es eindeutig so viele Talente und Fähigkeiten unentdeckt lässt oder sogar verschüttet, weil Kindern aus unteren Schichten der Besuch des Gymnasiums nicht zugetraut wird. Stattdessen ist es dann einfacher, erneut eine Hetze loszutreten, damit offenkundig nicht unbedingt die geistige, wohl aber die finanziell gehobene Schicht fein unter sich bleiben darf. Wie oft müssen Untersuchungen noch durchgeführt, solche Artikel eigentlich noch gedruckt werden, bevor sich an dem System etwas verändert? Oder ist das etwa gar nicht beabsichtigt?

 

3. In der Region Ruhr leben rund ein Viertel der Menschen in Armut! Dabei fallen die Armutsquoten umso höher aus, je jünger die Kinder sind. Weil zum Beispiel in Unna die Zahl der 10- bis 16-Jährigen um satte 30 Prozent zurückgehen wird, lassen sich manche Orte in der Gegend als aussterbende Areale bezeichnen. Es stellt sich die Frage, wie die Region mit diesen Erkenntnissen umgeht, die seit Dezember 2009 vorliegen, wenn das Ruhrgebiet nun wirklich „ärmer und dümmer“ wird. Aha, sie veröffentlicht also das Papier erst einmal nicht. Der Vorbericht zur Studie besteht aber nicht nur aus einer Ansammlung loser Blätter, sondern aus einem 121 Seiten starken Druckwerk mit aktuellen Zahlen. Die Forscher beklagen besorgniserregende Befunde, die von struktureller Art seien. Mit den Daten lasse sich die Bildung im Ruhrgebiet in Abstimmung mit den Städten auf ein ganz anderes Niveau zu heben. Natürlich habe das weitere Herummodern des Papiers in den verstaubten Schubladen rein gar nichts mit der bevorstehenden Wahl in Nordrhein-Westfalen zu tun. Das kann man glauben oder auch nicht, zumal die Annahmen der derzeit noch amtierenden schwarz-gelben Landesregierung in krassem Gegensatz zu dem stehen, was der Bericht aufzeigt.

Während Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) tapfer an der gegliederten Schule und auch an der Hauptschule festhalten will, machen die Autoren die Risiken dieser Strategie deutlich. Denn die Hauptschule sei die „Achillesferse“ der allgemeinbildenden Schulangebote. Die Schülerrückgänge an den Hauptschulen fallen im Vergleich zum restlichen Land an der Ruhr noch dramatischer aus. Die unter besonderer Finanznot leidenden Städte und Gemeinden der Ruhrmetropole haben einen Überhang von 20,4 Prozent Hauptschulen und müssen mit einem hohen Finanzaufwand eine Schulform erhalten, die fast keiner mehr besuchen will. Weil von den Grundschulabgängern im Ruhrgebiet nur noch zehn Prozent eine Hauptschule besuchen, entsteht bei dieser Quote eine soziale Problemverdichtung, die ein erfolgreiches Lernen quasi verunmöglicht. An der Ruhr sind die Migranten besonders benachteiligt, weil fast jeder zweite Hauptschüler ein Migrantenkind ist. Von ihnen verlassen insgesamt 15,1 Prozent die Schule ohne Abschluss. Damit ist der Anteil der Schüler mit Zuwanderungsgeschichte an den Schulabgängern mit unzureichender Bildung 2,5 Mal so groß wie bei den deutschen Schülern.

 

4. Überall zeigt sich, wie das dreigliedrige Schulsystem versagt. Dennoch soll es unbedingt beibehalten werden, koste es, was es wolle. So wird halt auf Teufel komm raus geflickschustert. Nun möchte Bundesbildungsministerin Annette Schavan bundesweit 3.200 Billig-, äh, „Bildungslotsen“ einführen, die speziell Hauptschüler aus der Schule in eine Ausbildung begleiten. Mit Staunen vernehme ich den angeblichen Lehrlingsmangel, obwohl ich überall junge Menschen sehe, die verzweifelt nach einer Lehrstelle suchen, keine bekommen und stattdessen in die sinnlosen Warteschleifen des Arbeitsamtes gesteckt werden, bloß damit sie nicht die Statistik belasten und ein bisschen mehr „schöne neoliberale Welt“ gezeigt werden darf. Ich brauche es eigentlich kaum zu erwähnen, dass die „Lotsen“ zu einem Drittel ehrenamtlich arbeiten sollen. Ist es nicht Aufgabe der Länder, dafür zu sorgen, dass die Schüler ausreichend in der Schule bei dafür ausgebildeten Lehrern den Stoff lernen, den sie für den Abschluss, eine weiterführende Schule oder eine Ausbildung benötigen? Nach dem Ende der Schulzeit darf den Jugendlichen das Ergebnis ihrer vielleicht mangelhaften Bildung durch das unzulängliche Bildungssystem nicht auch noch als persönliche Dummheit ausgelegt werden!

Aber Hauptsache, Frau Schavan fordert eine faire Chance für alle. Deshalb richtet sich ein neues Programm ihres Hauses speziell an Hauptschüler ab der siebten Klasse. Immerhin sollen die Bildungslotsen über pädagogische Qualifikationen verfügen, brauchen aber offensichtlich keine examinierten Lehrer mehr sein. In der 7. Klasse würden mit einer „Potenzialanalyse“ Fähigkeiten und Neigungen der Schüler festgestellt. In Klasse 8 erlebten die Schüler dann an Praxisstationen in der Handwerkskammer zehn Tage hintereinander einen Acht-Stunden-Tag. Dort könnten sie ihre Fähigkeiten testen und bekämen einen Berufswahlpass. In Klasse 9 folge eine vertiefende Orientierung, in Klasse 10 schlössen sich Berufspraktika an. „Da es ja nicht Sinn und Zweck sein kann, die nächste Generation Hartz-IV-Kunden zu züchten“, werden sie dann möglichst bald in nicht existenzsichernde Jobs vermittelt, oder dafür ausgebildet. Sollen hier wirklich initiativ junge Menschen nach der Schule zu guter Ausbildung verholfen werden, die anschließend wieder hohe Gehaltsansprüche stellen? Wieso haben wir dann gerade unter den Facharbeitern einen so erschreckend hohen Anteil von Aufstockern oder Kurzarbeitern? Etwa, weil genug Arbeitsplätze und entsprechende Aufträge da sind? Oder einfach nur, weil die bisherigen Löhne, von denen es sich noch leben ließ, gar zu hoch sein sollen?

 

5. Toll, künftig soll es auch in Deutschland eine nationale Elitenförderung geben. Frau Schavan sprudelt offenbar über vor lauter merkwürdigen Ideen. Die Bundesbildungsministerin plant, die besten Studierenden mit einem Stipendium zu belohnen. Weil das Stipendium unabhängig vom Einkommen der Eltern vergeben werden soll, würden wahrscheinlich vor allem all jene einen Nutzen daraus ziehen, die eine Unterstützung überhaupt nicht benötigten. Nach Meinung von Frau Schavan müssten sich doch Begabung, Fleiß und Leistung lohnen. Wenn nur die „besten, begabtesten und leistungsfähigsten“ zehn Prozent der Studierenden ein vom Einkommen ihrer Eltern unabhängiges Stipendium von monatlich 300 Euro bekommen, dann wird sich von der Idee der Chancengleichheit mit Hochdruck verabschiedet!

Dabei gelten im internationalen Vergleich die bundesdeutschen Schulen und Hochschulen bereits heute als besonders sozial ungerecht. Das Elitenförderungsprojekt der Regierung wird die bildungsbezogene soziale Schließung der Gesellschaft nach unten noch weiter verstärken. Wer hat, dem wird gegeben! Auch sind die Vergabekriterien für die Stipendien weitgehend unklar, und Rechtsansprüche wie beim Bafög bestehen nicht. Studien belegen, dass große Teile der Stipendiaten aus gut verdienenden Haushalten kommen. Das kann natürlich nicht wirklich überraschen, auch wenn schulischer und universitärer Erfolg gerne als individuelle Leistung verkauft werden, obwohl er doch wesentlich durch den familiären und sozialen Hintergrund mitbestimmt wird. Das Bafög muss erhöht und der Zugang zu den Hochschulen auch denen geöffnet werden, die nicht von klein auf mit dem goldenen Löffel gefüttert wurden und bei Bedarf auch immer Nachhilfeunterricht bezahlt bekommen haben!

 

6. Knapp drei Monate nach dem Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts setzen die ersten Gerichte die neuen Vorgaben um. Das Sozialgericht in Detmold verurteilte die städtische Arge, die Kosten von Monatsfahrkarten für zwei Schüler zu übernehmen. Diese Tickets stellten einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf dar, wie er zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums nötig sei, entschied das Gericht in einem am Freitag, dem 30. April 2010, veröffentlichten Urteil. Darin wird die neue Härtefallregelung angewandt.

 

7. Etwa 7.000 Menschen beteiligten sich an der diesjährigen Demo zum 1. Mai. Der DGB hatte sich ausgerechnet „Wir gehen vor: Gute Arbeit, gerechte Löhne, starker Sozialstaat“ auf die Fahnen geschrieben und propagierte gleichzeitig auf dem Domshof einen Mindestlohn von lachhaften 7,60 Euro die Stunde. Brutto bestimmt noch! Wer soll denn davon leben können und sich gleichzeitig solche bescheidenen Selbstverständlichkeiten erfüllen wie eine Familie zu ernähren und für das Alter vorzusorgen? Liegt es daran, dass die meisten Politiker einkaufen lassen und auch sonst die Lebenshaltungskosten nicht im Kopf haben, oder warum wird mit derartig absurd zu niedrigen Zahlen gehandelt?

Es war eine gemütliche Latschdemo, auf der es sich gut nebenbei mit Freunden und Bekannten reden ließ. Auf dem Domshof war wie üblich vor der Bühne ein Sammelsurium von Fressbuden bis zu Büchertischen aufgebaut. Mit einer Kollegin diskutierte ich über die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft und wie gerne ich einer beitreten würde, wenn ich denn eine fände, die sich nicht wie ein zahnloser Tiger schnurrend auf dem Schoß der Unternehmer einrollen würde. Statt die Banken bei ihren Zockereien mit Milliarden Euro wie Sterntaler zu überhäufen, sollte dieses offensichtlich vorhandene Kapital gefälligst in gute Bildung, in Soziales und das bitte nicht noch weiter gekappte Gesundheitssystem gesteckt werden! „Gute Bildung für alle“ Und „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ muss immer energischer gefordert werden, angesichts steigender Kurzarbeit, Lohndumping, Leiharbeit und sehr ungleichen Bildungschancen. Wir zahlen nicht für eure Krise!

Gegen 12:30 Uhr zog eine kleine „Sonderdemo“ von etwa 70 Leuten zum Bremer Geschichtenhaus im Schnoor. Hier fördert die „Bras“ Erfolge in der Bremer Tourismusförderung auf Kosten von Arbeitslosen. Wir finden die Idee, Bremer Geschichte zu erzählen, wirklich gut, bloß darf dies nicht auf dem Rücken von Erwerbslosen per Arbeitszwang, gar als nahezu rechtlose Ein-Euro-Jobber geschehen, sondern selbstverständlich mit einem fairen Lohn, von dem es sich unabhängig von der Verfolgungsbetreuung durch die Bagis leben lässt! Klar arbeite die Erwerbslosen hier „freiwillig“, weil ihnen andernfalls ihre Gelder komplett gestrichen würden, wenn sie niemanden haben, der ihnen dabei helfen kann, ihre Rechte durchzusetzen. Zwangsweise Geschichten erzählen ist dann bestimmt noch „besser“ als zwangsweise Müll aufzusammeln!

Auf der Montagsdemo, beim „Sozialen Lebensbund“, bei „Bestand und Beratung“ oder dem „Bremer Erwerbslosenverband“ kann ihnen dabei geholfen werden! Nichtsdestotrotz lassen sich hier Langzeiterwerbslose für schlappe 1,20 Euro die Stunde zusätzlich zum ALG II ausbeuten, was den Verzicht von jahrzehntelang erkämpften Arbeitnehmerrechten wie Bildung eines Betriebsrates, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub mit einschließt! An den Ein-Euro-Jobbern verdienen immer nur deren Träger und bestimmt nicht die Erwerbslosen! Eigentlich darf ein Ein-Euro-Job nur als letzte Maßnahme angeraten werden. Er soll unbedingt dabei helfen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Uneigentlich wird hier ein ungeheurer Missbrauch betrieben. Die „Bras“ kassiert pro Ein-Euro-Jobber 250 Euro pro Monat pro Nase!

Das Geschichtenhaus ist nicht der einzige Ort in Bremen, an dem Menschen, die von den Unternehmen nicht mehr profitabel eingesetzt oder von der Stadtkommune aufgrund der Sparorgien der vergangenen drei Jahrzehnte nicht mehr regulär beschäftigt und bezahlt werden können, in „Ein-Euro- Jobs“ gezwungen werden. Sie werden überall dort ausgebeutet, wo früher schlecht bezahlte Jobs waren. Heute können kaum noch Schulkantinen, Kitas und Einrichtungen zur Betreuung und Pflege für gebrechliche Menschen, öffentliche Grünflächenpflege, Tätigkeiten in Behörden und Ämtern ohne Ein-Euro-Jobber auskommen. Das ist ein einziger Skandal, der jedoch zur Normalität erklärt werden soll!

Viele der großen „Beschäftigungsträger“ nutzen die ihnen kostenlos von der Bagis zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte zum Gewinnmachen und zur Sicherung der gut bezahlten Arbeitsplätze ihres Leitungspersonals. Leider mutierten viele ehemals „gemeinnützige“ Träger zum Teil zu gewöhnlichen Geschäftsunternehmen, die ihre Vorgehensweise mit gesetzlichen Vorgaben und angeblichem sozialem Tun für hilfsbedürftige Menschen rechtfertigen. Skandalöserweise werden „Ein-Euro-Jobber“ den Kunden mit acht Euro Stundenlohn in Rechnung gestellt! Solche Geschichten werden im Bremer Geschichtenhaus natürlich nicht erzählt. Während der Kundgebung trat eine benachbarte Unternehmerin in die Breschen der „Bras“ und behauptete, dass deren Mitarbeiter alle gerne dort arbeiten würden und auch alle in Arbeit vermittelt worden wären. Da haben wir sehr gegenteilige Ergebnisse vorliegen!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

 

Restriktive Gewährungspraxis
ist nichts anderes als die
Vorenthaltung von Leistungen

Hans-Dieter Binder1. Die Senatspressestelle hat rechtzeitig zum 1. Mai eine Studie das IAB vorgestellt. Auftraggeberin ist die Senatorin für Soziales et cetera der Freien Hansestadt Bremen. Die Pressemitteilung beginnt wie folgt: „Die Arbeitsmarktregion Bremen ist dynamisch Arbeitsressort und Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen stellen Studie über die ‚Dynamik und Aufnahmefähigkeit des Bremer Arbeitsmarkts‘ vor. Die Dynamik am Arbeitsmarkt in der Region Bremen ist enorm. Etwa ein Drittel der Arbeitsplätze wird durchschnittlich innerhalb eines Jahres neu besetzt. Anders gesagt: In jedem Jahr finden rund 160.000 Neueinstellungen statt. Damit dauert ein Beschäftigungsverhältnis durchschnittlich drei Jahre.“

Den Text der Pressemeldung habe ich dreimal auf der Bremen-Homepage gefunden, den IAB-Bericht nicht. Scheinbar wurde er vorgestellt und vergessen. Gut am 1. Mai vorbeigeschummelt? Genau diese Themen waren am 1. Mai dran! Schuster, ick hör dir trapsen! „Etwa ein Drittel der Arbeitsplätze wird durchschnittlich innerhalb eines Jahres neu besetzt.“ Dies als „dynamische Entwicklung“ zu bezeichnen, erscheint mir sehr gewagt. Früher war jeder Arbeitsplatzwechsel mit einer Verbesserung verbunden. Heute ist es gegenteilig. Wie kann dies als „dynamisch“ gewertet werden? Dynamisch in die Präkarisierung! Eine Betriebszugehörigkeit von drei Jahren wurde früher „ex und hopp“ genannt. Personaler, die nur eine so kurze Personalbindung erzielen konnten, galten als Stümper!

Zum Schummeln mit der Statistik zwecks Vertuschung der Probleme siehe die letzte Montagsdemo. So wird eine Statistik „wahlfein“ gemacht! Probleme anpacken und lösen sieht anders aus. Die Zahlen für April hat Bloggerin Sybilla bis ins Detail aufgedröselt. Eine klasse Darstellung! Die Wirtschaftsweisen sollten sie zur Kenntnis nehmen. Aber aus der verfälschten Statistik wird locker eine „Besserung der Konjunktur“ gelesen und schon einmal von zusätzlichen Einnahmen durch steigende Beschäftigung ausgegangen. So meldet die „Rheinische Post“: „Bessere Konjunktur und geringere Zinsen drücken Defizit 2010 um vier Milliarden“. Die Täuschung wird so Wahrheit! Statt „Betrug durch Statistik“ heißt es „Änderung der Rahmenbedingungen zur Ermittlung der Zahlen“. Die Zahlen sind wertlos, ohne jegliche Vergleichskraft!

Am 30. Juni 2009 sagten die FDP-Politiker Brüderle und Niebel über eine geschönte Statistik: „Potemkinsche Arbeitsmarktzahlen sind eine Unverschämtheit“. Sie sollten sich erinnern! Ich habe am Freitag reichlich Nachrichten gehört. Viele Redakteure haben dazu getextet. Leider hat nicht einer den Betrug entlarvt! Im „Weser-Kurier“ steht in dem Kommentar immer ein zaghafter Hinweis auf die Auswirkung der Statistikänderung. Das ist aber nur ein Fingerzeig zur Weitersuche, denn die Auflösung steht nicht im „Weser-Kurier“. Ich hoffe hier auf eine Änderung.

Wie war dass noch mal mit der Meldung der Senatspressestelle: „Die Arbeitsmarktregion Bremen ist dynamisch“. Die Pressemeldung endet: „Staatsrat Dr. Joachim Schuster kündigte an, die Arbeitsmarktprogramme des Landes, insbesondere die Fachkräfteinitiative, nach den Ergebnissen der Studie noch passgenauer auszurichten. ‚Im Wesentlichen bewegen wir uns auf der richtigen Schiene. Wir werden aber im Detail prüfen, ob wir Schwerpunkte der Qualifizierung für den Dienstleistungsbereich noch vertiefen können‘, so Schuster.“ Die Arbeitslosenzahlen in Bremen sind fast doppelt so hoch wie in der Umgebung! Ich bin gespannt. Fortsetzung folgt!

 

2. Gefunden habe ich bei meiner Suche nach der IAB-Studie zum Bremer Arbeitsmarkt die IAB-Studie „Armutsdynamik und Arbeitsmarkt. Entstehung, Verfestigung und Überwindung von Hilfebedürftigkeit bei Erwerbsfähigen. Kurzzusammenfassung wichtiger Ergebnisse.“ Sie ist hochaktuell und sehr interessant, auch weil dieses Institut von der Bundesagentur für Arbeit finanziert wird. So detailliert und wirklichkeitsgetreu habe ich dies bisher nur von der Diakonie gelesen. Die Aussagen zum einzelnen Haushalt sind sehr prägnant. Wer etwas über die Auswirkungen von ALG II auf den einzelnen Menschen und die Folgen erfahren möchte – einfach lesen! Darum geht es (Seite 5):

„Die auf insgesamt vier Erhebungswellen angelegte Studie rückt die subjektive Perspektive von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, ihre Erfahrungen mit dem Hilfebezug sowie mit der am Prinzip des „Förderns und Forderns“ ausgerichteten Praxis der Hilfegewährung in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Eine auf „Aktivierung“ zielende policy, wie sie 2005 mit dem SGB II in Deutschland implementiert wurde, sucht an den Handlungsorientierungen und Verhaltensweisen der Transferleistungsempfänger anzusetzen, indem einerseits durch eine moderate Begrenzung materieller Unterstützungsleistungen, andererseits durch auf den Erhalt und die Erhöhung individueller Beschäftigungsfähigkeit gerichtete Maßnahmen eine möglichst schnelle Integration in existenzsichernde Erwerbsarbeit erreicht werden soll.“

Auf vielen Seiten folgen jetzt die Bewertungs- und Auswahlkriterien sowie typisierte Schlussfolgerungen – und warum dies nicht klappt. Die Eingliederungsvereinbarung wird hier noch als wirksames Werkzeug gestreift. Inzwischen kann die Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt erlassen werden. Unterschreiben muss kein finanziell Abhängiger mehr. Wenn der Widerspruch gegen die als Verwaltungsakt erlassene Eingliederungsvereinbarung aufschiebende Wirkung haben soll, so ist dies vor dem Sozialgericht im Einstweiligen Rechtschutzverfahren einzufordern.

Auf Seite 18 und 19 stehen gute Schlussfolgerungen zur Reaktion auf die Wahrnehmung des „Betreuers“ durch die finanziell Abhängigen. Betreuer habe ich in Anführungsstriche gesetzt. Es fehlt ein Hinweis darauf, dass eine Abwahl des „Betreuers“ durch den finanziell Abhängigen nicht möglich ist – dies erhöht die Abhängigkeit ungemein! Auf Seite 23 steht als Ausnahme, es gibt wenige Zufriedene in ALG II Bezug:

„Anzutreffen sind jedoch auch einige wenige Fälle, in denen es zu gelingen scheint, sich in einer subjektiv befriedigenden Weise mit dem Budget des Arbeitslosengeld II einzurichten. Hier spielen arbeitsmarktferne biographische Orientierungen ebenso eine Rolle, wie die Fähigkeit, durch Reduktion von Bedürfnissen und geschicktes Alltags- und Finanzmanagement die negative Anreizfunktion im Effekt zu ‚unterlaufen‘.“

Der Hinweis, dass diese Zufriedenheit mit Verzicht erkauft wird, fehlt aber nicht! Es geht weiter:

„Allerdings finden sich vielfache Fallkonstellationen, in denen es zu berichtenswerten Problemen auf Ebene der sozialpolitisch relevanten materiellen Teilhabe kommt. Das „Leben mit Hartz IV“ ist häufig mit Sorgen und/oder manifesten Problemen hinsichtlich der Realisierung oder Aufrechterhaltung von Teilhabe verbunden. So sind die Themen ‘Verzicht‚ und ‘Einschränkung‚ in fast allen von uns geführten Interviews präsent. Beobachtbar waren auch manifeste Versorgungskrisen, etwa aufgebrauchte Geldmittel und leere Kühlschränke zur Monatsmitte, in denen das Ziel der Gewährung einer realisierten Grundsicherung offenkundig nicht erreicht wurde. Derartige Extremsituationen bildeten jedoch eher die Ausnahme, wenngleich wir auch Berichte über wegen Zahlungsrückständen unterbrochene Wasser- und Energieversorgung und Ähnliches erhalten haben. Versorgungsengpässe zum Monatsende hingegen sind ein weiter verbreitetes Phänomen.“

Dies ist gut beobachtet und beschrieben. Allerdings sind die Probleme nach meinen Erfahrungen noch wesentlich dichter. Viele Probleme, Sorgen und Nöte werden durch vorgeschobene Argumente vertuscht. Über nicht realisierte Pläne und Träume steht hier nichts. Auf Seite 24 geht es weiter mit:

„Die Liste der uns berichteten Einschränkungen ist vielgestaltig, und die jeweiligen Auswirkungen auf unterschiedliche Teilhabedimensionen lassen sich in vollem Umfang nur im jeweiligen fallspezifischen Kontext erschließen. Überblicksartig werden in den Interviews Einschränkungen beziehingsweise Verzicht in den Bereichen Ernährung, Kleidung, Mobilität, Kommunikations- und Informationsmedien, Freizeit und Erholung, Gesundheitsversorgung, Absicherung, soziale und kulturelle Aktivitäten, Familienfeierlichkeiten, Energieverbrauch, Wohnen, Bildung thematisiert – manchmal einzeln, zumeist aber als Kombination mehrerer dieser Dimensionen materieller Teilhabe.

Dabei lässt sich das auf Grundsicherungsniveau vorzunehmende Knappheitsmanagement nur bedingt mit jenem vergleichen, das auch der Durchschnittsverdienerhaushalt vornehmen muss. Bei den Hilfebeziehern geht es beispielsweise um Fragen wie die teilweise Substitution elektrischen Lichts durch Haushaltskerzen, das Abmelden von Telefonanschlüssen, die Ablehnung von Einladungen und den Verzicht auf Familienfeierlichkeiten wie Geburtstage und Weihnachtsfeste, aber auch um die Nichtinanspruchnahme des Gesundheitssystems oder Abstriche bei Ernährung und medizinisch erforderlichen Diäten, um Probleme bei der Reparatur und/oder Wiederbeschaffung von Haushaltsgeräten oder Mobiliar.

Bei manchen der Befragten ist eine deutliche Überforderung zu erkennen angesichts der knappen verfügbaren Ressourcen und der daraus entstehenden Anforderungen an eine besonders hohe Disziplin in Fragen des Finanzmanagements und der Haushaltsführung. So werden Zahlungstermine nicht antizipiert, und oft ist es aus subjektiven wie objektiven Gründen nicht möglich, ausreichende Rücklagen für unvorhergesehene Ereignisse zu bilden, was aufgrund der pauschalierten Bedarfsberechnungen in der Grundsicherung erforderlich wäre. Die Folge sind materielle Engpässe, die dann nicht selten durch Schuldenaufnahmen kurzfristig scheinbar ‚überbrückt‘ werden, wodurch erwartbare Anschlussprobleme generiert werden, denn die Rückzahlungen schmälern das knappe Budget weiter.

Insgesamt lässt sich beobachten, dass größere Bedarfsgemeinschaften – in der Regel Haushalte mit Kindern – wegen ihrer absolut betrachtet höheren Einkünfte größere Gestaltungsspielräume haben, die jedoch im Rahmen eines Nullsummenspiels zwangsläufig auf internen Umverteilungen beruhen und so mit dazu beitragen, dass verdeckte Ungleichheitseffekte entstehen (‚alles für die Kinder‘ bedeutet zum Beispiel verstärkte Einschränkungen bei den Eltern). Auch geben unsere Auswertungen Anlass zu der Annahme, dass sich Problemlagen mit steigender Hilfebezugsdauer verschärfen, da dann gegebenenfalls vorhandene Reserven aufgebraucht sind und neue Investitionsbedarfe für den Haushalt nicht hinreichend gedeckt werden können. Zudem findet sich eine Tendenz, zunehmend Einsparungen an sozialinvestiven Ausgaben vorzunehmen, mit dem Risiko eines sukzessiven Verlustes an sozialen Kontakten und zunehmender Marginalisierung und (Selbst-)Isolation.“

Die Not der finanziell Abhängigen wird auch auf den Folgeseiten treffend beschrieben. Im nächsten Gliederungspunkt geht es um das Arbeitsvermögen (Seite 26). Besonders hervorzuheben ist hier die Beschreibung der jungen Erwerbslosen. Die Nennung der Ursache fehlt aber. Ab Seite 29 wird die Prekarisierung beschrieben:

„Hilfebedürftigkeit und Hilfebezug sind in vielen Fällen auch Ausdruck neuer, auf eine Flexibilisierung des Arbeitskräfteeinsatzes zielender Strukturen der Erwerbswelt. Vielfach werden Normalarbeitsverhältnisse (unbefristete, sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze) abgebaut und (neue) Arbeitsplätze auf der Basis von Leiharbeit, geringfügiger Beschäftigung oder Teilzeitarbeit vergeben. Zudem sind viele Beschäftigungsverhältnisse gerade für geringer qualifizierte Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor angesiedelt. Die Folgen sind nicht nur eine relative Schlechterstellung der Betroffenen in den beitragsabhängigen sozialen Sicherungssystemen, sondern häufig auch Niedrigeinkommen, die keine eigenständige Lebensführung jenseits von zusätzlichen staatlichen Transferleistungen ermöglichen. Entsprechend befinden sich unter den Hilfebeziehern auch Erwerbstätige, die als sogenannte ‚Aufstocker‘ ergänzende Leistungen aus der Grundsicherung beziehen.“

Ich glaube, genau die Faktoren werde ich in der IAB-Studie „Die Arbeitsmarktregion Bremen ist dynamisch“ wiederfinden. Auf Seite 30/31 geht es nochmals um die besondere Hilflosigkeit von jungen Menschen. Auch hier wird Klartext geschrieben:

„Es zeigt sich aber ebenso, dass bestimmte Regelungen der Gesetzesdurchführung kontraproduktiv wirken können. So werden etwa Jugendliche, die aufgrund massiver Probleme in und mit ihren Herkunftsfamilien in Betreuungseinrichtungen untergebracht waren, mit Erreichen der Volljährigkeit wieder in das ungünstige familiäre Umfeld zurück versetzt, da ihnen keine eigene Unterkunft zugestanden wird. Die Konsequenz ist eine weitere Destabilisierung der Lebenssituation.“

Dies muss nicht sein. Wer mit seinen Erziehungsberechtigten nicht klarkommt, sollte den Auszug probieren, trotz der vielen Hürden, notfalls mit Hilfe des Gerichts. Wie dies geht? Wir gehen mit! – In der Folge geht es um die Nöte der Alleinerziehenden. Hier ist noch anzumerken, dass diese bis zum dritten Lebensjahr des Kindes dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen müssen. Bei zwei Erziehungsberechtigten gilt dies für den erziehenden Partner. Den können die Partner frei wählen. Die Arge hat diese Wahl zu akzeptieren. Hier wird von der Arge häufig Rechtsmissbrauch betrieben. Gegenwehr ist einfach möglich. Wie dies geht? Wir gehen mit!

Es folgen Hinweise auf die negativen Auswirkungen vom ALG-II-Bezug auf die Altersversorgung und die Beschreibung von Einstellungen und Verhalten zum ersten Arbeitsmarkt. Leider wird die Erfolglosigkeit dieser Anstrengung nur gestreift. Dass der Gesetzgeber diesen Aufstieg in den ersten Arbeitsmarkt gar nicht will, ergibt sich aus den inzwischen weiter negativ geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen: keine ABM-Stellen mehr für ALG-II-Bezieher, keine Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung für geförderte Arbeitsmaßnahmen. Damit ist kein Erwerb von Ansprüchen auf ALG I mehr möglich durch die Aufnahme einer geförderten Beschäftigung. Auf Seite 33 wird mit dem häufigsten Vorurteil aufgeräumt:

„Die vielfältigen, auch eigeninitiativ ergriffenen Aktivitäten der Hilfebezieher widersprechen dem in Teilen der Öffentlichkeit präsenten Bild des passivierten Transferleistungsempfängers, der es für erstrebenswert empfindet, ein Leben im Hilfebezug zu führen.“

Etwas weiter steht, dass

„sich Motivation durch die Maßnahmen aktivierender Arbeitsmarktpolitik nicht zwangsläufig von selbst einstellt und sich auch nicht durch Sanktionierungen erzwingen lässt. Vielmehr bedürfte es nach unserer Einschätzung in diesen Fällen einer eher sozialpädagogisch...“

Weiter geht es damit, dass

„zugewiesene Maßnahmen und Kategorisierungen durch die SGB-II-Träger demotivierend wirken, indem sich die Betroffenen herabgewürdigt fühlen und Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl angegriffen werden. Hier scheint sich an manchen Punkten eine Schere aufzutun zwischen der prinzipiell zwar individualistisch-fallbezogenen Ausrichtung des im SGB II niedergelegten Grundsatzes von ‚Fördern und Fordern‘ und dessen an standardisierten Klassifizierungs- und Zuteilungslogiken orientierter Praxis. In unseren Interviews lässt sich vielfach rekonstruieren, dass die je spezifische subjektive Deutung und Aneignung der ergriffenen Stabilisierungs-, Unterstützungs- und Eingliederungsmaßnahmen der SGB-II-Träger in hohem Maße ‚eigensinnig‘ erfolgt, entsprechend unterschiedlich verarbeitet wird und differente Wirkungen zeitigt. Nach unseren bisherigen Erkenntnissen würde eine konsequent fallbezogene Ausrichtung der Hilfegewährung, was die aktiven Leistungen betrifft, eine stärkere Professionalisierung der Betreuung erfordern.“

Die Väter der Umsetzung des ALG II müssten sich aufgrund dieser Fakten die Haare raufen und schnellstens Abhilfe schaffen, wenn dies alles tatsächlich dem obersten Ziele dient – nur geht das nicht, weil die Arbeitsplätze fehlen. Daher gibt es nur ein am Laufen halten, beschäftigen, drücken. Unter diesen Schlussfolgerungen ist alles Beschriebene logisch und zielgerecht!

„Es deutet sich an, dass die fiskalpolitisch und ‚pädagogisch‘ motivierte restriktive Gewährungspraxis – insbesondere wenn sie mit einem ungenügenden Informationsstand der Hilfebezieher über die rechtlichen Möglichkeiten einhergeht – dazu führt, dass es auch innerhalb des Hilfesystems zu Unterversorgungslagen und Fällen verdeckter Armut kommen kann.“

Ja, garantiert! Armut tritt auch offen zutage! Nun auch noch dieses:

„Allgemein erscheint eine bessere, wirksamere Aufklärung von Hilfebeziehern über die ihnen zustehenden Leistungen wünschenswert.“

Unwidersprochen eine wichtige Feststellung. Dies bedeutet aber auch, dass die zuvor erwähnte restriktive Gewährungspraxis nichts anderes ist als die Vorenthaltung von Leistungen! Die finanziell Abhängigen haben diese Forscher überzeugt.

„Nicht zuletzt zeigt sich jedoch, dass die materielle Teilhabe von Hilfebedürftigen indirekt auch in hohem Maße von den Einsparungen auf anderen (sozial-)politischen Feldern und bei (kommunalen) öffentlichen Dienstleistungsangeboten bestimmt wird. Auf politischer Ebene sollte der Einfluss sozial- und gesundheitspolitischer Reformmaßnahmen auf Hilfebezieher daher verstärkt in den Blick genommen werden. Es besteht das Risiko, dass Bedürftige – über die aus der Aktivierungslogik resultierenden Vorbehalte gegen Alimentierungen hinaus – doppelten Verknappungsprozessen ausgesetzt sind, die sozial- und gesundheitspolitische Folgeprobleme entstehen lassen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen! Damit möglichst viele diese Passagen lesen, habe ich sie vorsorglich kopiert. Leider haben positive Einschätzungen für die Situation der finanziell Abhängigen keine lange Verweildauer im Netz! Hoffentlich wird die dritte Erhebungswelle nicht durch die Argen gefälscht.

 

3. „Wir bekennen uns zur besonderen Verantwortung gegenüber den Schwächeren in unserer Gesellschaft. Deswegen wollen wir im Rahmen der Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe keine Absenkung der zukünftigen Leistung auf Sozialhilfeniveau.“ Dies steht unter „Die nächsten Schritte“ auf Seite 24 im SPD-Wahlprogramms 2002. Die Absenkung der Leistungen ist unter das Sozialhilfeniveau erfolgt, wie auch die vorstehenden Beiträge zeigen!

Die Deutsche Bank wurde durchsucht, mehr als 1.000 Ermittler waren im Einsatz. Nein, es ging nicht um die Daten der gekauften CDs, sondern um das „Umsatzsteuerkarussell“. Circa 180 Millionen Euro wurden „gesucht“. Diesmal wurde das Karussell mit Zertifikatverkäufen gedreht. Diese Möglichkeit ist eine deutsche Besonderheit. Schade, dass der Gesetzgeber noch immer nicht regiert hat! Die Richter werden dies den Betrügern beim Strafmaß zugute halten, so ähnlich wie Verleitung zum Diebstahl!

 

4. Das Bremer Museum Weserburg hat einen erneuten Fehlbetrag. Es verlängert den Vertrag des Verantwortlichen und will einen Buchhalter einstellen. Paradox? Unvollständig, weil der Stiftungsrat mit Ex-Staatsrat Hoffmann besetzt ist. Vollständig – das dauert sicher noch.

Das BAW-Institut Bremen bekommt 250.000 Euro formal als Kredit – aber mit der Pleite wird gerechnet. Das BAW hat Gutachten erstellt, die Bremen teuer zu stehen kommen. Space-Park und Musical-Theater waren mit Machbarkeitsgutachten dieses Betriebes umgesetzt worden. Hier hatte Ex-Staatsrat Haller lange Zeit eine tragende Rolle. Die vier Mitarbeiter sind mit einem Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst abgesichert. Das BAW war früher eine Abteilung beim Senator für Wirtschaft („Weser-Kurier“ vom 29. April 2010).

Die Nord-LB hat über 130 Millionen durch einen Betrugsfall verloren („Weser Kurier“ vom 30. April 2010). Dies wurde bei der Bilanzvorstellung veröffentlicht. Mir waren geschätzte 300 Millionen im Ohr. Aber auch 130 Millionen Euro ist eine gewichtige Größe. Wer hätte dieser regional bezogenen Bank auch eine Schweizer Tochter zugetraut? Das Konzernergebnis 2007 betrug circa 302 Millionen Euro, 2008 circa 151 Millionen, jeweils positiv. Nun im Jahr 2009 gibt 141 Millionen Euro Verlust. Die guten Erträge werden es richten. Die Risikovorsorge wurde ebenfalls erhöht. Von dem Betrugsfall war in dem Artikel keine Rede mehr. Schön, wenn die Gebühren dies hergeben! Die Nord-LB ist die Finanzdrehscheibe der Sparkassen in Niedersachsen, mit umfangreichen Dienstleistungen inkllusive Beratung.

Bremer Senatoren sollen bis 4.900 Euro zusätzlichen Arbeitslohn behalten dürfen. Dies soll jetzt Gesetz werden („Weser-Kurier“ vom 21. April 2010). Der Umfang wird aus einem Beitrag von „Radio Bremen“ ersichtlich. Eigentlich müssen Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber ihre Zusatzeinnahmen aushändigen. Diese Einnahmen werden während der Arbeitszeit und unter Zuhilfenahme des Behördenapparats erzielt. Nein, per Gesetz wird dies anders geregelt, siehe vorherige Bremer Montagsdemos. Gesetz wird, was den Regierungsmitgliedern hilft! Egal, wie leer die Kasse ist.

 

5. Sehr aussagekräftig ist auch folgende IAB-Studie: „Wo es um wirtschaftliche Macht geht, sind Frauen wenig vertreten“ (IAB-Kurzbericht 6/2010). In der obersten Leitungsebene von privatwirtschaftlichen Betrieben ist nur jede vierte Führungskraft eine Frau. Im Laufe von vier Jahren ist der Wert damit nahezu unverändert geblieben. „Nach wie vor sind die Ergebnisse ernüchternd“, schreiben die Arbeitsmarktforscherinnen Susanne Kohaut und Iris Möller.

Niedersachsens neue Sozialministerin wurde gefragt. „Wie angelt man sich einen super Job?“ Ihre Antwort: „Entscheidend sind unternehmerisches Denken, Pragmatismus und Kontakte.“ Sachkenntnis kam erst an zweiter Stelle. Die Frage wurde ihr gestellt hinsichtlich ihrer vorherigen Tätigkeit bei TNT. Kontakte knüpfen und festigen – dies ist Ziel des Bremer Schaffermahls! Bürgermeister Böhrnsen ist von den SPD-Frauen aufgefordert worden, eine Frau zum Schaffermahl einzuladen. Sein Pressesprecher hat prompt erklärt: Herr Bürgermeister Böhrnsen ist an diesen Beschluss nicht gebunden. Recht haben die Herren! Nur: Die Wahl ist nach dem Schaffermahl!

Ein paar Tage später haben die Delegierten von 40 Frauenverbänden die gleiche Forderung gegenüber dem „Haus Seefahrt“, dem Veranstalter des Schaffermahls, erhoben („Weser-Kurier“ vom 25. April 2010). Gewoba und Daimler Benz werben um Frauen. Sie wollen dies durch Familienfreundlichkeit erreichen: „Mit Frauen wächst der wirtschaftliche Erfolg“ („Weser-Kurier“ vom 18. April 2010). Gemeint sind hier aber nicht die Einsparungen durch geringere Lohn- und Gehaltskosten. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten! Wer sich in diesen Zeilen wiederfindet, ist herzlich zur Teilnahme eingeladen. Wir haben ein Offenes Mikrofon und genug Platz auf dem Marktplatz.

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

Angeblich haben die Menschen „über ihre Verhältnisse gelebt“

Wolfgang Lange Am 1. Mai demonstrierten Millionen für höhere Löhne und Arbeitsplätze, gegen den Abbau sozialer Errungenschaften, gegen die Atom- und Kriegspolitik der Herrschenden. In Bremen waren es dieses Jahr circa 7.500, also mehr als letztes Jahr. Ein weltweiter Brennpunkt und Mittelpunkt auch vieler Mai-Demos war der Kampf des griechischen Volkes gegen EU-und IWF-Diktat. Dieser Kampf wird dabei auch in den Köpfen geführt: Der Hetze bürgerlicher Medien folgen („Bild“ titelte: „Pleite-Grieche kriegt den größten Scheck der Geschichte“) – oder die Hetze als solche erkennen und Solidarität üben? Deutsche Banken waren schon vor dem jetzigen „Rettungspaket“ mit 45 Milliarden zweitgrößter Gläubiger Griechenlands. Über zwei Drittel des Steueraufkommens des griechischen Staats flossen direkt diesen Banken zu. Es handelt sich dabei um Commerzbank, HRE, Allianz, Münchner Rück, Postbank, Deutsche Bank, Bayern-LB und West-LB.

Klingelt da etwas bei HRE und Commerzbank? Die erste bekam 120 Milliarden Euro als „Rettungspaket“, die zweite über 20 Milliarden. Genau jene Banken, die vor knapp zwei Jahren die größte und tiefste Finanz- und Weltwirtschaftskrise mit ihren Spekulationen mit ausgelöst hatten, spekulieren jetzt wieder auf Teufel komm raus, diesmal auf den Staatsbankrott Griechenlands, den sie damit vorantreiben. Nun sind sie Hauptprofiteure der „Rettung“ Griechenlands. Für die „Hilfe“ diktieren die EU, vor allem die deutsche Regierung, und der IWF den größten Angriff aller Zeiten auf die Lebenslage der griechischen Bevölkerung. Angeblich haben die Menschen „über ihre Verhältnisse gelebt“. Tatsächlich liegen in Griechenland die Löhne durchschnittlich bei 800, die Renten bei 500 Euro, und das bei annähernd gleichen Preisen wie hier! Die Angriffe lauten: Senkung der Löhne um acht Prozent, Senkung der Renten, Erhöhung des Rentenalters, Lockerung des Kündigungsschutzes.

Allein die Erhöhung der Mehrwertsteuer schon zum zweiten Mal in diesem Jahr auf 23 Prozent macht pro Familie etwa 2.000 Euro im Jahr aus. Aber das Volk wehrt sich: Jeden Tag gibt es Streiks und Demonstrationen mit der Jugend voran. Mittwoch ist Generalstreik. Was den Griechen jetzt zugemutet wird, kommt auf uns alle zu, denn die nächste Spekulationsblase steht vor dem Platzen! Beim nächsten Mal sind keine 20 Billionen mehr vorhanden, um den Zusammenbruch des Weltfinanzsystems zu verhindern. Deswegen soll das Geld aus den Völkern rausgesaugt werden. Die Kriege werden wie in Afghanistan immer aggressiver. Auch die wahnwitzige Verlängerung der AKW-Laufzeiten oder die Ölbohrungen in Naturschutzgebieten wie dem Mississippidelta hängen damit zusammen. Die Alternative hießt: internationaler Kampf gegen Finanzkapital und Regierungen mit dem Ziel, selbst die Produktion und den Staat zu übernehmen und einen echten Sozialismus aufzubauen – oder Untergang in der kapitalistischen Barbarei. Ich glaube, dass wir das nicht wollen!

Wolfgang Lange (MLPD)
 
Spekulanten führen Angriffskrieg gegen die Euro-Zone: Nach dem Schutzwall für Griechenland kommt ein großes Hilfspaket für Spanien („Spiegel-Online“)
 
So werden Sie ersetzt: Chipkarte soll Bewerbungsverfahren für Ingenieure und Unternehmen europaweit vereinfachen („Die Zeit“)
 
Börsenkurzcrash: Spekulantenangriff auf den Euro lässt Dow Jones
vorübergehend stark absacken („Spiegel-Online“)
 
Auf Sicht: Airbus donnert über den Windpark („Spiegel-Online“)
Wahlklatsche in England: New Labour verliert Mehrheit
im Unterhaus („Spiegel-Online“)
 
Wahlklatsche in NRW: Schwarz-Gelb verliert Mehrheit
im Bundesrat („Bild“-Zeitung)
 
Hannelore Kraftlos: Statt eine Linksregierung zu führen, wird sie
Jürgen Rüttgers die Füße küssen („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz