Lieber Hans-Dieter Wege, vielen Dank für deine Anfrage vom Januar nach der Meinung der MLPD zu deinem Vorschlag zur Einführung eines „linken bedingungslosen Grundeinkommens“. Diese Debatte wird ja nun seit Anfang der Einführung der Hartz-Gesetze verstärkt geführt, und wir haben seit 2006 in der „Roten Fahne“ mehrfach dazu Stellung genommen. Wir haben nachgewiesen, dass das bedingungslose Grundeinkommen auf eine weitere Umverteilung von unten nach oben hinauslaufen würde. Die mit dem bedingungslosen Grundeinkommen gegebene Einführung eines Kombilohns wäre für die Kapitalisten ein großes staatliches Lohn(„kosten“)senkungsprogramm. Und in jedem Fall würde die durch das Grundeinkommen organisierte gesellschaftliche Nichtarbeit durch die Arbeit der Lohnabhängigen finanziert.
Ich kann sehr gut nachvollziehen, welche Erleichterung sich Erwerbslose, die seit vielen Jahren Hartz IV beziehen müssen, von einem bedingungslosen Einkommen von 800 bis 1.000 Euro im Monat versprechen. Wichtiger noch als die absolute Höhe eines solchen Grundeinkommens ist den meisten von ihnen, dass damit die entwürdigende Feststellung des Bedarfsanspruchs auf ALG II und die Kosten für die Unterkunft entfielen. Endlich Schluss mit erniedrigenden Eingliederungsvereinbarungen, Ein-Euro-Jobs, Zwangsumzügen wegen „unangemessener Miete“, Überwachungen, Schikanen und Sanktionen.
Nicht nachvollziehen kann ich allerdings, wenn versucht wird, diese verständlichen Hoffnungen auszunutzen, um die kleinbürgerlich Illusion von der Abschaffung der Lohnarbeit im Kapitalismus zu verbreiten. Ich erinnere an den flotten Spruch von Ex-SPD-Chef Franz Müntefering im Jahre 2005 (als antikapitalistische Sprüche gerade überall in Mode kamen): „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Eine unter der Bedingung des Kapitalismus an Zynismus kaum zu übertreffende Aussage.
Müntefering nannte das eine „alte Erfahrung der Arbeiterbewegung“, unterschlug aber, dass diese Aussage der Arbeiterbewegung erst für den Sozialismus gilt, also unter den Bedingungen der politischen Macht der Arbeiterklasse, der Abschaffung der Arbeitslosigkeit und der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Im Kapitalismus bedeutet der Spruch nichts anderes als: „Wer arbeitslos ist und bleibt, ist selber schuld und soll verhungern“. Im Sozialismus gibt es keine Arbeitslosigkeit, und die Menschen werden erstmals nach ihrer Leistung bezahlt.
Der Befreiung der Arbeit von ihrem Charakter als Lohnarbeit entspricht das Verteilungsprinzip im Kommunismus: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“ Manche Apologeten des bedingungslosen Grundeinkommens reklamieren dieses kommunistische Verteilungsprinzip bereits für ihr Modell heute im Kapitalismus! So pries Götz Werner, Besitzer von 1.700 Drogeriemärkten, am 27. November 2006 in einem TAZ-Interview mit der Weisheit des anthroposophischen Milliardärs sein bedingungsloses Grundeinkommen als „gleichzeitig die radikalste Form des Sozialismus und die radikalste Form des Kapitalismus.“
Es liegt dir viel daran, dich von Modellen eines Bürgergelds à la FDP oder Grundeinkommens Marke Werner oder Althaus abzugrenzen. Im Gegensatz zu diesen Herrschaften sei dein bedingungsloses Grundeinkommen ein „guter Einstieg dafür, eine Menge Menschen auch auf dem Weg zum Sozialismus mitzunehmen.“ Dabei gehst du aber zunächst von der gleichen These wie Götz Werner oder wie der Vorsitzende des „Weltwirtschaftsinstituts Hamburg“, Thomas Straubhaar, aus: die Massenarbeitslosigkeit sei nicht mehr zu beseitigen, weil das dazu notwendige Quantum an gesellschaftlicher Arbeit nicht mehr zur Verfügung stehe.
Du machst dazu auch entsprechende Rechnungen auf. So behauptest du, man müsste sofort den Vier-Stunden-Tag einführen, wenn man die 46 Milliarden Erwerbsstunden aller Arbeitenden im Jahr auf alle 44 Millionen Erwerbsfähigen gerecht verteile. Nach mir vorliegenden Erhebungen des „Instituts Arbeit und Technik“ (Gelsenkirchen) betrug die Jahresarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland 2004 durchschnittlich 1.760 Stunden. Wenn wir die damals elf Millionen Teilzeitbeschäftigten als 50-Prozent-Beschäftigte behandeln, macht das in jenem Jahr 51,18 Milliarden Erwerbsstunden. Diese geteilt durch 44 Millionen Erwerbsfähige würde einen 5,9-Stunden-Tag ergeben. Das zeigt nur, wie sinnvoll die Forderung nach der 30-Stunden-Woche beziehungsweise Sechs-Stunden-Tag ist, um Arbeitsplätze zu erhalten beziehungsweise neue zu schaffen.
Dass zu wenig Arbeit da sei, ist nichts anderes als eine moderne Lebenslüge des Kapitalismus. Überall fehlen dringend Arbeiter und Angestellte: bei den kommunalen Diensten, im öffentlichen Nahverkehr, in den Krankenhäusern, in der Altenpflege, beim Umweltschutz usw. usf. Sollte tatsächlich nur noch so wenig Arbeitszeit zu verteilen sein, dass auf jeden Erwerbsfähigen vier Stunden am Tag kommen, bedeutete dies doch nur, dass die hohe Arbeitsproduktivität allen zugute kommt. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes und Berechnungen der GSA betrug der Umsatz je Arbeiter 2004 in der Industrie mit 383.347 Euro rund 70 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Vor allem aber beträgt sein Lohnanteil an diesem Umsatz im selben Jahr nur noch 15 Prozent (zehn Jahre zuvor noch 20,6 Prozent). Auf die Wochenarbeitszeit umgerechnet bräuchte ein Arbeiter in der Großindustrie heute also nur noch eine Stunde und acht Minuten täglich seine Arbeitskraft zu verkaufen, um seinen Lohn zu erarbeiten.
Im Sozialismus kann auf einem solch hohen Niveau der Arbeitsproduktivität die Arbeitszeit erheblich verkürzt werden. Damit gewinnen die Menschen neue Lebensräume für kulturelle Betätigungen, ehrenamtliche Aufgaben und politische Arbeit, mit denen sie sich an der Leitung der Gesellschaft, der Wirtschaft und des Staates beteiligen. Unter kapitalistischen Bedingungen wird hingegen die ehrenamtliche Tätigkeit in der Art ausgebeutet, dass der Staat sich von diesen Aufgaben entlastet und das bislang dafür aufgewendete Steuergeld an die Kapitalisten umverteilt.
Ob mit oder ohne bedingungsloses Grundeinkommen: Im Kapitalismus bleibt die Lohnarbeit die Hauptprofitquelle der Kapitalisten. Sie eignen sich die unbezahlte Mehrarbeit der Arbeiter unentgeltlich als Mehrwert an. Das bedingungslose Grundeinkommen hat für sie dabei den Reiz einer massiven Senkung ihrer Lohnkosten. Beginnt doch die Auszahlung der Löhne erst ab einem Betrag über 800 bis 1.000 Euro. Da mit diesem auch sämtliche Sozialversicherungskosten abgedeckt sein sollen, sackt sich der Kapitalist seine bisher gezahlten Anteile zusätzlich ein.
Dein Einwand, dass dein „linkes“ bedingungsloses Grundeinkommen sich von dem eines Götz Werner ja gerade dadurch unterscheidet, dass es nicht über eine 50-prozentige Mehrwertsteuer finanziert werde, macht es nicht besser. Du willst deine 1.000 Euro pro Bundesbürger durch eine „Arbeitgeberabgabe“ finanzieren. Der von dir mit einem Kombilohn reich beschenkte Unternehmer mag sich deshalb sogar bereit finden, eine kleine Grundeinkommensabgabe in einen Fonds einzubezahlen. Wie man es dreht und wendet, es bleibt dabei, dass allein die Mehrwert schaffende Arbeiterklasse das Grundeinkommen für die, die nicht arbeiten, schafft. Und auch die „Arbeitgeberabgabe “ besteht aus nichts anderem als dem von der Arbeiterklasse geschaffenen Mehrwert.
Lieber Hans-Dieter Wege, ich möchte zum Schluss noch kurz auf deine „Mit mir nicht!“-Idee eingehen. Du unterstellst, dass der Empfänger eines bedingungslosen Grundeinkommens sozusagen als „neuer Souverän“ seinem Unternehmer entgegen tritt. Kommt der ihm dumm, dann erklärt der Arbeiter ihm: „Mit mir nicht!“, dreht sich um und verlässt die Stätte der Ausbeutung. Er pfeift auf die Arbeitsstelle, denn schließlich erwartet ihn zu Hause ein Grundeinkommen von 1.000 Euro.
Wie du weißt, ist es eine gesetzmäßige Eigentümlichkeit im Kapitalismus, dass erkämpfte oder gewährte Reformen von den Kapitalisten ständig wieder rückgängig gemacht werden – in der Lohnfrage oder der Höhe eines bedingungslosen Grundeinkommens zum Beispiel durch Preissteigerungen. Es ist also fraglich, ob und wie lange man von 1.000 Euro monatlich leben kann. Schon gar nicht mit Auto und Urlaub. Auch Götz Werner und Thomas Straubhaar gehen davon aus, dass der Kampf um ein bedingungsloses Grundeinkommen dann der letzte Kampf der Arbeiterklasse war. Denn von nun an brauchen die Arbeiter weder Gewerkschaften noch selbstständige Zusammenschlüsse, ein „Mit mir nicht!“ reicht. Für Götz Werner ist das in dankenswerter Offenheit eben genau die Alternative zu gefährlichen Arbeiter- und Volkskämpfen: „Der soziale Crash, auf den wir zusteuern, würde nicht stattfinden.“ (Interview in „die Drei“, Zeitschrift der Anthroposophie, April 2007).
Alle uns bis heute bekannten Modelle zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens laufen darauf hinaus, die Arbeiterklasse zu entwaffnen und mit dem kapitalistischen System auszusöhnen. Deine sicher wohlgemeinte „Mitnahme zum Sozialismus “ erweist sich bei näherer Betrachtung als das Gegenteil, als die Bemühung zum „Verbleiben im Kapitalismus“. Statt mit einem bedingungslosen Grundeinkommen halten wir es deshalb nach wie vor mit Losung von Karl Marx: „Nieder mit dem Lohnsystem!“
Den Kampf um so wichtige Reformforderungen wie für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, für einen Mindestlohn von (gegenwärtig) zehn Euro, für die unbegrenzte Fortzahlung des Arbeitslosengeldes für die Dauer der Arbeitslosigkeit, für ein existenzsicherndes Sozialgeld ist deswegen zu verbinden mit dem Kampf für den Erhalt und die Erweiterung der bürgerlich demokratischen Rechte. Dabei steht der Kampf für ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht im Mittelpunkt. Mit diesen Forderungen entschlossen geführte Massenkämpfe sind in der Tat ein „guter Einstieg dafür, eine Menge Menschen auch auf dem Weg zum Sozialismus mitzunehmen.“
Lieber Hans-Dieter Wege, so weit zu unserer Haltung zum bedingungslosen Grundeinkommen. Zu vielen einzelnen deiner Thesen und weiteren Aspekte ließe sich noch viel sagen. Wir begrüßen ausdrücklich eine sachlich und solidarisch geführte Auseinandersetzung darüber. Was die Montagsdemonstration betrifft, so halte ich es nicht für richtig, ihr eine Entscheidung für oder gegen das bedingungslose Grundeinkommen abzuverlangen. Hier handelt es sich ja nicht um eine Organisation mit einer ausgearbeiteten Linie, sondern um eine Bürgerbewegung auf der Grundlage weniger, klarer Prinzipien. Nur so kann sie ihrer Rolle als Plattform für den breiten Volkswiderstand auf antifaschistischer Grundlage gerecht werden. Und in diesem Sinne denke ich, dass unsere unterschiedlichen Standpunkte absolut kein Hinderungsgrund für eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit im aktiven Volkswiderstand darstellen. Lass uns weiterhin solidarisch streiten. Herzliche Grüße.
An die Staatsanwaltschaft Bremen! Hiermit erstatte ich Anzeige gegen Herrn Professor Dr. Dr. Gunnar Heinsohn. In einem sogenannten Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ unter dem Titel „Sozialhilfe auf fünf Jahre begrenzen“ fordert Herr Heinsohn, nach US-amerikanischem Vorbild auch in der Bundesrepublik Deutschland die Sozialhilfeleistungen auf eine Zeitdauer von fünf Jahren zu begrenzen und somit den Betroffenen danach auch ihre rein physische Existenzgrundlage zu entziehen.
Am 9. Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht bereits die angebliche Berechnung der Regelsätze nach SGB II durch den Gesetzgeber für unvereinbar mit den Artikeln 1 und 20 Grundgesetz erklärt. Die Umsetzung der sehr weitgehenden Vorstellungen des Herrn Heinsohn (Zitat: „Allein eine Reform hin zu einer Sozialnotversicherung mit einer Begrenzung der Auszahlungen auf fünf Jahre statt lebenslanger Alimentierung würde wirken“) erforderte aber gerade nach diesem Urteil einen substanziellen Eingriff in die genannten Artikel. Da diese im Grundgesetz jedoch ausdrücklich als unabänderlich festgeschrieben sind, stellen seine Forderungen die Existenz des Grundgesetzes in seiner Gesamtheit in Frage, mithin die der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 92, Absatz 2, Satz 2 und Absatz 3, Satz 3 StGB.
Ferner beschreibt Herr Heinsohn im oben genannten Beitrag bestimmte Bevölkerungsgruppen in ausgesprochen subjektiver und diskriminierender Weise. So qualifiziert er die Empfänger von Sozialleistungen nach SGB II grundsätzlich als „die Bildungsfernen“ ab und behauptet, „solange die Regierung das Recht auf Kinder als Recht auf beliebig viel öffentlich zu finanzierenden Nachwuchs auslegt, werden Frauen der Unterschicht ihre Schwangerschaften als Kapital ansehen“. Zudem stellt er die „Hartz-IV-Bevölkerung“ dem – seiner Ansicht nach – „leistenden Bevölkerungsteil“ gegenüber. Die von der Armut zahlreicher Einwohner besonders betroffene Stadt Bremerhaven bezeichnet er als „Hartz-IV-Musterkommune“. Bei all diesen Unterstellungen ist der Verdacht auf Volksverhetzung nach § 130 StGB gegeben.
Da Herr Heinsohn seine Äußerungen ausdrücklich nicht als (unrealistische) Denkmodelle darstellt, sondern als seine ihm eigenen Forderungen versteht, können diese nicht dem Schutz der Freiheit der Wissenschaft und der Meinungsäußerung unterliegen. Daher bitte ich Sie, die erforderlichen Ermittlungen einzuleiten und mich über den Fortgang der Sache zu informieren. Mit freundlichen Grüßen.
Nun hat sich der Bundesbank-Vorstand und frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (immer noch SPD) durch seine jüngsten Äußerungen endgültig als gehirnamputiert „geoutet“. Zum einen ist das bildungsfremde SPD-Mitglied zu blöde, um Zitate richtig nachzuschlagen – eine Fähigkeit, die wohl jede mit Kopftuch beschmückte Koranschülerin beherrscht. Karl Marx hat nie geäußert, dass Religion Opium für das Volk sei. Richtig zitiert heißt es: „Religion ist das Opium des Volkes“.
Zum anderen erkennt er Debatten über Sozialsysteme zwar als zwingend notwendig, empfiehlt aber, diesen zwingend notwendigen Debatten auszuweichen. Ich weiß nicht, ob es überhaupt Wert hat, solchen widersinnigen und gänzlich unschlüssigen Äußerungen überhaupt Beachtung zu schenken. Jedenfalls kann die Ursache nur entweder in einem Übermaß an Opiumkonsum Herrn Sarrazins liegen oder einer medizinischen Diagnose anheim gestellt werden. Ein EKG oder eine gehirntomographische Untersuchung an Herrn Sarrazin dürften hier sinnvoller sein, als näher auf diesen Schwachsinn einzugehen. Beruhigend ist jedoch die Tatsache, dass die Bundesbank geistig behinderten Menschen wie Herrn Sarrazin Posten vergibt und somit einen nicht unerheblichen Beitrag für den sozialen Frieden leistet. Eine Tatsache, die der bemitleidenswerte ehemalige Finanzsenator endlich einmal zu schätzen lernen sollte!
1. Die Nachricht, dass psychische Erkrankungen bei Berufstätigen zunehmen, verwundert mich nicht wirklich. Nach einer Studie der Psychotherapeutenkammer haben sich seit 1990 entsprechende Krankschreibungen fast verdoppelt. Demnach werden bereits elf Prozent aller Fehltage durch psychische Probleme verursacht. Als eine Ursache für die langen Fehlzeiten sehen die Psychotherapeuten wachsende Anforderungen im Job, wo besonders häufig eine Vielzahl von verantwortlichen Aufgaben unter Zeitdruck zu psychischer Belastung führe. Wenn sich dazu noch schlechter Lohn, wenig Anerkennung für die Arbeit, kaum persönliche Wertschätzung und minimale Aufstiegschancen gesellen, häuften sich die Beschwerden. Daraus dürfe aber nicht der Rückschluss gezogen werden, dass es weniger belastend für die Seele sei, gar keinen Job zu haben oder ständig um den Arbeitsplatz fürchten zu müssen. Ein entscheidender Faktor für ein Erkrankungsrisiko bleibe bei allen Jobs jedoch, welchen Stellenwert ein Mensch der Arbeit in seinem Leben einräume. Arbeitnehmer, die in ihrer Partnerschaft oder einem Hobby große Erfüllung fänden, litten trotz wenig geliebter Arbeit seltener unter Psycho-Stress. Dennoch laufen berechtigterweise lauter unter dem gesellschaftlichen Druck Leidende individuell zu ihren Therapeuten, obwohl gerade auch diese Gesellschaft schwer erkrankt ist und an einem „magersüchtigen“ Sozialstaat sowie zunehmender sozialer Kälte leidet.
2. Die Härtefallregelung für Hartz-IV-Bezieher, die das Bundesverfassungsgericht angemahnt hatte, soll „zügig auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage gestellt werden“. So beantwortet die Bundesregierung eine Kleine Anfrage der Linksfraktion und führt aus, dass die Fälle auf Grundlage von Erfahrungen der Grundsicherungsstellen vor Ort „zu gegebener Zeit ergänzt“ werden. Weil eine abschließende Regelung mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes nicht vereinbar sei, entschieden derzeit die Grundsicherungsstellen vor Ort, ob im Einzelfall ein Härtefall vorliege. Auf die Frage, warum der Härtefallkatalog der Bundesagentur nicht auch Brillen, Zahnersatz und orthopädische Schuhe beinhalte, antwortet die Bundesregierung, dass es sich bei den genannten Posten nicht um laufende, sondern um „einmalige“ Bedarfe handle. Hierfür könne aus der Entscheidung des Gerichts kein grundsätzlicher Anspruch auf die Übernahme eines Sonderbedarfs hergeleitet werden. Er falle nicht unter die Härtefallklausel. Allerdings habe auch die Bundesagentur für Arbeit eingesehen, dass Zahnersatz selten angespart werden kann. Weil es sich jedoch bei einem Sonderbedarf eben nicht um einmalige oder kurzfristige Bedarfsspitzen handle, können sie durch ein Darlehen aufgefangen werden. Auch wenn die Bundesagentur für Arbeit höchstens darlehensweise zahlen will, entscheiden nur die Richter, ob diese Auffassung richtig ist! So könnte die Gewährung als Darlehen durch die Gerichte überprüft werden. Nur nicht gleich aufgeben, sondern weiter um die Durchsetzung eigener Rechte kämpfen!
3. Offenbar soll nun auch der „spätrömischen Dekadenz“ der meisten Hartz-IV-Bezieher auf dem Wohnungsmarkt der Kampf angesagt werden, wenn in der Debatte um die „Reform“ des Hartz-Systems mal wieder der Vorschlag einer Wohnungskostenpauschale aufgekocht wird. Ich finde die Aussage, dass mit einer solchen Pauschale für die Wohn- und Heizkostenerstattung, die unter den bisherigen Höchstbeträgen liegen müsse, ein Anreiz geschaffen werden sollte, sich günstigeren Wohnraum zu besorgen, unglaublich zynisch! Der Vizechef der Bundesagentur, Heinrich Alt verstieg sich sogar zu der Aussage, dass es vielen Hartz-IV-Beziehern darum gehe, den gesetzlichen Leistungsrahmen so weit es geht auszureizen. Das müssen sie auch, wegen der Lage auf dem Wohnungsmarkt! Unerhört, sie machen von ihrem Recht Gebrauch, wie alle anderen Bürger auch? Die Sozialpolitik des 21. Jahrhunderts müsse anders aussehen als die des 20. Jahrhunderts. Die 100-Prozent-Versorgung durch den Sozialstaat sei antiquiert. Die Höhe der Wohnpauschale sollten die Städte festlegen. Klar, dass so ein realitätsferner und menschenverachtender Vorschlag, die Wohnkosten zu pauschalieren, mal wieder vom Münchener „Ifo-Institut“ stammt. Noch ist es „nur“ ein Vorschlag, doch die Einführung einer Wohnkostenpauschale kann nur einseitig zulasten vieler Leistungsbezieher gehen, die ihre bisherigen Wohnungen dann nicht mehr bezahlen könnten.
Also ab in die Slums, die Zelte und Bretterbuden, damit sich die Segregation noch weiter ausbreiten kann wie ein Krebsgeschwür? DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach erklärte, eine Wohnkostenpauschalierung wäre ein „Einfallstor für Kürzungen des Regelsatzes unter das gesellschaftliche Existenzminimum“. Bereits die jetzige Regelung führe zu Zwangsumzügen und dazu, dass viele Betroffene einen Teil der Wohnkosten aus dem Regelsatz decken müssten, äußerte Buntenbach. Arbeitslose bräuchten also Anreize zum Arbeiten, weil sie zu faul sind, und sie benötigen ebenso Anreize, in billigere Wohnungen zu ziehen, weil sie auf Staatskosten in Luxuswohnungen logierten. Pech nur für die Ausgegrenzten, wenn es trotz ausgereizter Anreize weder all die billigsten Wohnungen noch die Arbeitsplätze nirgends gibt! Herr Alt sollte sich lieber um eine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Mieterbund kümmern, um strafrechtlich gegen solche Vermieter vorzugehen, die reihenweise Wohnblöcke des sozialen Wohnungsbaus aufkaufen und unter Bedingungen von Mietwucher Langzeitarbeitslose in heruntergekommene Löcher einpferchen!
4. Nun fordern die Wirtschaftsjunioren, dass Hartz-IV-Bezieher künftig Prämien für gute Schulnoten ihrer Kinder bekommen sollen: Lernanstrengungen von Eltern und Kindern zu belohnen, sei ein starker Leistungsanreiz. Der Staat würde gerade denen helfen, die dringend Bildung brauchen. Huch, seit wann denn das auf einmal? Hauptsache, der Anreiz ist gegeben! Ich bekomme gleich einen Brechreiz. Nach Vorstellungen des Verbands könnten bei einem Notendurchschnitt von 2,5 oder besser Hartz-IV-Zuschläge von 100 Euro gezahlt werden, wenn dem zuständigen Sachbearbeiter das Schuljahreszeugnis vorgelegt werde. Bildungsförderung helfe, den Teufelskreis Hartz IV zu durchbrechen und für besser qualifizierten Nachwuchs zu sorgen, wovon sowohl die Unternehmen als auch der Standort Deutschland profitieren würden. Mein Namensvetter Hans-Jürgen Graf fragte, ob jetzt alle Betroffenen von ihren Sesseln und Sofas vor der Glotze und aus den dekadenten Federbetten springen und voller Inbrunst in den Jubelchor der Befreiten von Bildungsnot einstimmen sollen.
Graf beklagt nicht nur die Pauschalierung der Bezieher von ALG II als bildungsferne Subjekte als Hammer, sondern auch die Hoffnung, dass die eigentliche Intention solcher Maßnahmen von den Betroffenen doch bitte geflissentlich zu übersehen sein möge, wie eben die frühe Einweisung bereits der Allerkleinsten, dass jegliche Unterlagen immer brav, glasklar und kritiklos einem Sachbearbeiter vorzulegen sind. Diese Kinder werden weitaus weniger Schwierigkeiten bereiten, sich in allen Dingen vor dem „Staat“ bloßzustellen als ihre Erzeuger! Sie werden ihren Nachwuchs bereits in diese Kritiklosigkeit hinein erziehen. Selbstverständlich geben die Eltern mit einer solchen Maßnahme einen Teil ihrer grundgesetzlich garantierten Erziehungshoheit an den Staat ab. Und das alles für schlappe 100 Euro? Ich dachte, der erste April liegt noch vor uns! Oder soll hier in alter deutscher Tradition ausgesondert werden, in gute und böse, kluge und dumme Hartzis? Auch wenn es meine Kinder nicht mehr betrifft: ihre guten Zeugnisse hätte ich der argen Arge bis zum Abitur nicht vorgelegt! Statt auf Gemeinschaft zu setzen, sollen die Kinder noch mehr im Konkurrenzdenken geschult werden. Möglicherweise hatten die Wirtschaftsjunioren einfach „nur“ zu viel Kontakt zu den Westerwelles, Sarrazins, Möllenstädts und Heinsohns unserer neoliberalen Eiszeit!
5. Im Februar nannte FDP-Chef Westerwelle es „eine himmelschreiende Ungerechtigkeit“, dass eine verheiratete Kellnerin mit zwei Kindern im Durchschnitt 109 Euro weniger habe als eine vergleichbare Hartz-IV-Bezieherin. Aufgrund einer schriftlichen Berechnungsanfrage der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Jutta Krellmann, bestätigte der CDU-Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Ralf Brauksiepe, dass dies schlicht und ergreifend falsch ist. Demnach hat die berufstätige Kellnerin bei regulärer Inanspruchnahme von Wohngeld und Kinderzuschlag monatlich 456 Euro mehr zur Verfügung als ein vergleichbares erwerbsloses Paar. Krellmann prangerte an, dass Westerwelle mit einer unwahren Behauptung eine Hetzkampagne gegen Hartz-IV-Bezieher losgetreten habe. Der Vizekanzler habe „entweder bewusst gelogen, oder er hat schlicht keinen blassen Schimmer von den Sachen, über die er redet“. In seinen Äußerungen zum Zustand des Sozialsystems hatte Westerwelle fehlende Leistungsanreize bemängelt und „spätrömische Dekadenz“ bei Hartz-IV-Beziehern unterstellt, womit er heftige Empörung auf sich zog.
Mit seiner Behauptung, wer arbeite, werde „mehr und mehr zum Deppen der Nation gemacht“, überspannte er den Bogen so weit, dass er offenbar nicht mehr bemerken konnte, wo er surreal wurde mit seiner versuchten Umkehr der Situation, sich selbst, den Angreifer, plötzlich als Opferlamm darzustellen, das nur die Realität erhellen wollte. „Wenn man in Deutschland schon dafür angegriffen wird, dass derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet, dann ist das geistiger Sozialismus.“ Ob nun bewusst gelogen oder „einfach keine Ahnung“ und „bloß“ eine Runde gehetzt – das kann sich doch kein Außenminister leisten, da so im Innern herumzuhöhnen! Oder müssen wir auch Verständnis für seine Situation aufbringen? Mit richtigen Zahlen hätte er ja nicht hetzen können! Also hatte er praktisch keine andere Wahl, ob nun bewusst oder unbewusst, wie auch immer.
6. Westerwelle kämpft dafür, dass Deutsch Arbeitssprache im Auswärtigen Dienst der EU werden soll, weil es die am meisten gesprochene Muttersprache in Europa sei. Dies geht einigen Europa-Politikern nun doch zu weit, und sie verspotten seine „Man-spricht-Deutsch“-Kampagne. Dabei muss der bedauernswerte Außenminister doch bereits so viel Häme wegen seiner angeblich mangelnden Englischkenntnisse über sich ergehen lassen, denn er spricht auf jeden Fall Deutsch. So passt es nur vortrefflich ins Bild, wenn der FDP-Chef jetzt den Siegeszug des Englischen in der Europäischen Union stoppen will. Auch wenn ich mich persönlich manchmal an einer zu freizügigen Verwendung von Anglizismen und Amerikanismen störe, werde ich deren praktisch gelebte Umkehrung nie vergessen, als Herr Westerwelle so denkwürdige Sätze wie „The Aufschwung is da“ äußerte.
7. Obwohl der im vergangenen Dezember abgesetzte ehemalige Bahn-Vorstand Stefan Garber in seinem Amt versagt haben soll, erhält er ab April von dem Staatsunternehmen ein luxuriöses Ruhegeld in Höhe von jährlich 220.000 Euro, was 18.333 Euro monatlich entspricht. Dieses Ruhegeld bekommt der 55-Jährige zusätzlich zu einer einmaligen Abfindung von 1,85 Millionen Euro. Ob der Manager seinen Rauswurf selber provozierte, ob er die Verantwortung für die für die Kostenexplosion beim Großprojekt Stuttgart 21 zu tragen hat oder nicht, das sei dahingestellt. Offenkundig scheint aber doch zu sein, dass er den Hals nicht vollkriegen kann und dass er als Vertrauter des langjährigen Bahn-Chefs Hartmut Mehdorn über die nötige Portion „Vitamin B“ verfügt! Vielleicht müssen die hohen Zahlungen an den früheren Bahn-Vorstand nicht mehr auf solches Unverständnis stoßen, wenn wir sie als „Armutsgewöhnungszuschlag“ begreifen. In einem solch speziellen Fall mag sich die Bundesrepublik doch gern einhmal als Sozialstaat präsentieren!
8. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit bekommt einen weiteren Job: Er soll die Leitung der neuen Bundeswehr-Strukturkommission übernehmen. Verteidigungsminister Guttenberg will mit Hilfe von Weise sein Ministerium und die Bundeswehr besser organisieren. Ich kann mir lebhaft einen Synergie-Effekt ausmalen, wenn den Erwerbslosen bei der Agentur für Arbeit bei der Bundeswehr eventuell eine Perspektive als Kanonenfutter geschaffen wird! Ob den jungen Menschen, die sich dann „freiwillig“ bei der Bundeswehr verpflichten, um eine Berufsausbildung machen zu können, auch etwas von bevorstehenden Fronteinsätzen erzählt wird? Wenn Jugendliche keinen Ausbildungsplatz finden, kann der Versuch unternommen werden, sie zwangsweise zu verpflichten. Leider wissen nur die Wenigsten, dass dies in einem Rechtsstaat so nicht geschehen darf und dass es Hilfen gibt, sich aus einer solch verfahren erscheinenden Situation wieder zu befreien, zum Beispiel mit einer Begleitung von einem Montagsdemonstranten zur Bagis.
1. Die Sparkassen möchten nicht zahlen: „Wir haben die Finanzkrise nicht verursacht“ („Weser-Kurier“ vom 23. März 2010). Die Sparkassen sagen aber nicht, dass die Landesbanken das Anlagengeschäft für sie handhaben: Das von den Sparkassen eingesammelte Geld wird an die jeweilige Landesbank weitergeleitet. Kredite der Sparkasse werden dann von den Landesbanken finanziert. So kann jederzeit ein Verzugsschaden bewiesen werden. Ein Aspekt dieser Gestaltung ist: Die Landesbanken haben gezockt, für die Sparkassen. Die Sparkassen haben dies den Landesbanken ermöglicht und genehmigt. Für die freien Sparkassen trifft dies nicht zu: Sie haben selbst gezockt. Für die Volksbanken trifft es zu. Die Hypo-Bank hat dies erledigt.
Einige Tage später ist Finanzsenatorin Karoline Linnert im Bundesrat gescheitert und mit ihr der normale Menschenverstand. Die Spekulanten müssen zur Kasse gebeten werden! „Die ‚Bankenabgabe light‘, wie sie derzeit von der Bundesregierung diskutiert wird, leistet weder einen Beitrag zur Finanzierung der Krisenkosten, noch trägt sie zur Stabilisierung der Finanzmärkte bei“, kritisiert Frau Linnert. Stattdessen fordert sie die Einführung einer Transaktionssteuer zur Stabilisierung der Finanzmärkte und wirksame Maßnahmen zur Begrenzung von Banker-Boni.
2. Die Energiepreise spielen Achterbahn. Zum Abschluss der Berg- und Talfahrt steht der Preis jeweils auf höherem Niveau. Die maßgebliche Antwort ist ein Werk der Spekulanten. Die Besitzer kaufen Schiffsladungen, die so lange auf See bleiben, bis der Preis hoch ist. Gleiches gilt für andere Bereiche. Umso wichtiger ist es, diese Spekulanten entsprechend zur Kasse zu bitten, damit die Spekulation unrentabel wird. Das Volumen dieser Spekulationen ist staatsbedrohend!
Eine Preisbindung des Gases an das Heizöl gibt es nur in Deutschland. Dies darf nicht als alleiniger Grund für Preisänderungen mit dem Verbraucher vereinbart werden, so haben die Richter entschieden. In den Verträgen der SWB steht eine solche Klausel nicht, aber die SWB hat mit den Lieferanten die entsprechende Bindung vereinbart. Somit wirkt sich dies auch auf die Preise der Endverbraucher in Bremen aus. In einem Artikel des „Handelsblattes“ wird die Auswirkung gut kommentiert. Als Ursache für den hohen Preis wird auch die Spekulation genannt, nur über die Gewinnsprünge der Energieversorger steht dort nichts.
3. Herr Minister Rösler senkt die Arzneimittelpreise. Dafür hat er die uneingeschränkte Solidarität. Allerdings ist der Weg schwierig. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds wurden die Verhandlungsmöglichkeit mit der Pharmaindustrie vom Bund auf die einzelnen Krankenkassen verlagert. Dadurch wurde die Verhandlungsposition der gesetzlichen Krankenversicherung geschwächt. Schwierig wird es also für Herrn Rösler, neu zu regeln, was seine Vorgänger im Amt zerschlagen haben. Ihm ist es mit seiner Vorlage aber gelungen, die Kopfpauschale aus den Nachrichten zu verdrängen. Die Zukunft der Krankenversicherung wird unter seiner Verantwortung debattiert – mit vielen Experten. Ein Vertreter der gesetzlichen Krankenversicherung ist nicht dabei, getreu der Lissabon-Strategie, die gesetzlichen sozialen Sicherungssysteme auf ein Minimum reduzieren und Vorfahrt für die privaten Versicherungen zu schaffen – siehe auch die vorherigen Bremer Montagsdemos.
4. Herr Hans-Uwe Stern geht in den Ruhestand. Er ist ein energischer Mensch, der es geschafft hat, die Politik der Bundesagentur für Arbeit in Bremen durchzusetzen. An der Bagis, der Bremer Arge, ist die Hansestadt zu 50 Prozent beteiligt, doch bestimmt wird alles von Herrn Stern. Im „Weser-Kurier“ vom 26. März 2010 lobt Herr Stern die geplante Grundgesetzänderung zum Erhalt der Jobcenter. Er weist auf den Vorteil hin: Es wird für die Mitarbeiter einen gemeinsamen Personalrat geben. Wenigstens ein Vorteil!
Die Bremer Verantwortlichen verstecken sich gerne hinter den Entscheidungen der Bagis. Erfolgreich werden so die Leistungsansprüche beschnitten, ohne dass die Verursacher sich zu erkennen geben. Herr Stern hat auch noch 5.500 arbeitslose Leistungsbezieher von ALG I zu betreuen. Herr Schneider, der Geschäftsführer der Bagis, hat 23.000 arbeitslose Leistungsbezieher von ALG II zu betreuen, so steht es im „Weser-Kurier“ des Folgetags. Das Verhältnis der Zahlen zeigt die Aussichtslosigkeit! Beim Übergang von ALG I nach ALG II steht außerdem die Bedürftigkeitsprüfung. Wer nicht anspruchsberechtigt ist, erscheint auch nicht in diesen Zahlen, siehe vorherige Bremer Montagsdemos.
Ich wünsche Herrn Stern alles Gute und besonders viel Glück bei seinem Einsatz für benachteiligte Jugendliche. Kaum jemand kennt die Fallstricke besser als er, wie Jugendliche gerade von den Behörden, die fördern sollen, verwaltet werden. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten! Wer sich in diesen Zeilen wiederfindet, ist herzlich zur Teilnahme eingeladen. Wir haben ein Offenes Mikrofon und genug Platz auf dem Marktplatz. Auf dem Sofa sitzen und andere machen lassen ist wie Warmduschen!
Ich möchte von einer persönlichen Erfahrung berichten, die ich letzte Woche mit der Rentenversicherungsanstalt erlebt habe. Damit will ich andere ermuntern, hier am Offenen Mikrofon auch von ihren Erlebnissen zu berichten. Kurz zu meiner Vorgeschichte: Im Sommer 2009 habe ich mir am Arbeitsplatz einen Bandscheibenvorfall zugezogen. Nachdem ich mich krank melden musste, erhielt ich nach einer Woche die Kündigung. Dagegen konnte ich nicht vorgehen, weil es in einem Kleinbetrieb unter zehn Beschäftigten seit 2005 keinen Kündigungsschutz mehr gibt. Den mir noch zustehenden Lohn konnte ich nach einem halben Jahr erfolgreich einklagen. Seit neun Monaten bin ich ständig unterwegs bei Ärzten und versuche, durch verschiedene Formen der Therapie wieder auf die Beine zu kommen. In der Reha-Klinik wurde festgestellt, dass ich nicht mehr in meinem Beruf als Drucker arbeiten kann: Die schwere körperliche Arbeit an der Maschine kann ich nicht mehr machen.
Ich bin jetzt 55 Jahre alt und muss mich beruflich noch einmal neu orientieren. Dabei bin ich auf den Beruf des Arbeitspädagogen gestoßen, bei dem ich meine Berufserfahrung als Facharbeiter für die Ausbildung von behinderten Menschen einsetzen könnte. Ärzte, Krankenkasse und Rentenversicherungsanstalt halten das für eine gute Idee, aber keiner will eine Umschulung bezahlen. Letzte Woche hat man mir dort ganz offen gesagt, dass ich 15 Jahre zu alt sei. Die Grenze für die Finanzierung einer Umschulung liegt heute bei 40 Jahren. So wie mir geht es vielen Menschen. Gerade Ältere sind besonders von der Arbeitslosigkeit betroffen – nur noch die Hälfte der über 50-jährigen Menschen hat einen Job, von dem man leben kann. Es ist entwürdigend, am eigenen Leib zu erleben, dass man in dieser Gesellschaft nichts mehr wert ist, wenn man keine „Höchstleistungen“ mehr bringen kann!
Das Märchen vom „Sozialstaat“ sollte keiner mehr glauben. Nach 35 Jahren Berufserfahrung wird man einfach aufs Abstellgleis geschoben – und landet über kurz oder lang in der Altersarmut. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen! Darum stehen wir als Montagsdemo jede Woche hier und kämpfen gegen die soziale Ungerechtigkeit. Deshalb sollten wir aber auch über eine sozialistische Alternative diskutieren: Wir brauchen eine Gesellschaft, in der der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht alles darauf ausgerichtet ist, den Profit durch Ausbeutung der Menschen immer mehr zu steigern. Dann wird die ältere Generation endlich menschenwürdig behandelt und kann ihre ganzen Lebenserfahrungen einbringen. Wie viel könnten die jungen Leute von uns lernen, wenn man uns nur lassen würde!
Letzte Woche fällte das Bundessozialgerichts in Kassel ein Urteil, worin ein Kleidergeld für Hartz-IV-Kinder abgelehnt wird. Die miese Begründung: Weil Kinder nun mal immer wachsen, sei kein besonderer Bedarf erkennbar, sondern nur der regelmäßige – und der sei mit den Hartz-IV-Sätzen abzudecken. Das Urteil zeigt: Nicht auf Gerichte Vertrauen! Da tut sich erst dann etwas Positives, wenn der Druck von der Straße, von den Montagsdemos, noch viel größer wird! Die niedrigen Hartz-Sätze werden mit dem „Lohnabstandsgebot“ gerechtfertigt. Der Hohn dabei: Zuerst werden mithilfe der Hartz-Gesetze die Löhne immer mehr gedrückt – bis unters Existenzminimum –, um anschließend zu lamentieren, dass der Abstand zwischen Arbeitern im Niedriglohnsektor und arbeitslosen Hartz-IV-Empfängern nicht ausreichend groß sei. Dadurch bewegt sich die Spirale immer weiter nach unten! Deswegen fordern wir zehn Euro gesetzlichen Mindestlohn! Hartz IV muss weg!
Letzte Woche sprach Elisabeth an, wie die AWO zu diesem Lohnsenkungskarussell beiträgt. Ich will das mal hier noch ein wenig vertiefen: Schon 2004 drängte sich diese Organisation nach vorn und forderte 30.000 Ein-Euro-Jobber für sich. Ein Bombengeschäft! Die „Integrationsjobber“, wie sie von der AWO bezeichnet werden, erhalten „großzügig“ 1,25 Euro pro Stunde als Altenpfleger. Die AWO kassiert dafür acht Euro pro Stunde und noch mal 200 Euro als „Regiegeld“ pro Beschäftigtem obendrauf. Die AWO ist nichts anderes als ein moderner Sklavenhändler! Auch wer nach seinen sechs Monaten als In-Jobber weiter beschäftigt wird, erhält nicht den Tariflohn, sondern wird von der AWO in eine eigens gegründete Servicegesellschaft übernommen, wo er einen wesentlich niedrigeren erhält! Dieser Verein nennt sich „Arbeiterwohlfahrt“? Wohlfahren tun da vielleicht die hauptamtlichen Direktoren!
Inzwischen hat die AWO 145.000 Beschäftigte in Deutschland und ist nicht anderes als ein Konzern, der die Menschen ausbeutet, mit seiner Wohlfahrtsmasche betrügt, Spenden erschleicht und Steuern einspart. Gegründet wurde die AWO 1919 als „Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt in der SPD“. Seit dem Krieg ist sie offiziell „überparteilich“. Das ist aber schlichtweg gelogen: Es gibt kaum eine andere Institution, die so vollständig von der SPD beherrscht wird. Der Vorsitzende Wolfgang Stadler: SPD. Präsident Wilhelm Schmidt: früherer parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. In Bremen ist es nicht anders. Aufsichtsratsvorsitzende Eva-Maria Lemke-Schulte: Ex-SPD-Senatorin. Sowohl in Bremen im Aufsichtsrat als auch im Bundespräsidium ist Ute Wedemeier, SPD, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die SPD hat nicht nur maßgeblich die Agenda 2010 mit den Hartz-Gesetzen geschaffen, sie profitiert über ihre Institutionen auch unmittelbar davon! In Bremen gibt es derzeit 80 Ein-Euro-Jobber bei der AWO. Vielleicht sollten wir eine der nächsten Montagsdemo mal zur Bremer AWO-Verwaltung auf den Häfen 30 machen?
Die Raffgier der Banker ist ungebrochen: Ex-HRE-Chef fordert 25 Millionen Boni für den Vorstand der Pleitebank. Zur Erinnerung: HRE bekam 100 Milliarden Euro aus Steuermitteln und machte trotzdem letztes Jahr noch einen Verlust von 2,2 Milliarden. – Obama verkündete letzte Woche in Afghanistan, der Krieg sei notwendig und unerlässlich für die Sicherheit Amerikas. Deswegen sollen die US-Truppen auf 100.000 Soldaten aufgestockt werden. Die Bundesregierung macht lustig mit, entgegen dem Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung. Dieser Krieg ist im Interesse derselben Politiker, Manager und Banker, die auf Kosten der ganzen übrigen Menschheit ihren Reichtum immer mehr vermehren, bei Gelegenheit auch mal verzocken, um ihn dann doppelt und dreifach wieder aus der Bevölkerung herauszuquetschen. Für uns ein Grund mehr, zum Ostermarsch zu gehen!