266. Bremer Montagsdemo
am 08. 02. 2010  I◄◄  ►►I

 

Wirtschaftsweisheit
mit dem Löffel gegessen?

Frank KleinschmidtDer Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, will die Regelsätze der berüchtigten Hartz-IV-Gesetzgebung um 30 Prozent ge­senkt wissen. Er begründet das in der „Wirtschaftswoche“ damit, dass viele Hartz-IV-Empfänger monatlich genauso viel oder gar mehr Geld auf dem Konto hätten als Geringverdiener. Also, Herr Franz: Ich weiß zwar nicht, in welcher Wirtschaft Sie die Weisheit mit Löffeln gegessen oder einfach nur zu tief ins Glas geschaut haben, aber wenn Ihr Abitur nicht von Neckermann ist, sollten Sie als Wissenschaftler nicht Wirkung vor Ursache stellen!

Hartz IV – wie auch die übrigen Bestandteile der Agenda 2010 – hat zum Ziel, den Druck auf die Arbeitslosen zu erhöhten, und dient als Hebel, um das gesamte Tarifgefüge und die bis zum Inkrafttreten dieser Reform relativ hohen deutschen Löhne aufzubrechen und einen riesigen Niedriglohnsektor zu schaffen. Weil Langzeitarbeitslose als Folge von Hartz IV gezwungen sind, jeden Arbeitsplatz anzunehmen, sind die Löhne immer weiter gesunken. Inzwischen befinden sich die Reallöhne wieder auf dem Stand, den sie vor 25 Jahren hatten. Herr Franz, der sich schon vor zwei Jahren in „Spiegel Online“ für Stundenlöhne unter drei Euro ausgesprochen hatte, regt nun also an, das Arbeitslosengeld II von 359 auf gut 250 Euro im Monat zu kürzen. Es ist klar, was er damit beabsichtigt.

Laut Umfrage des „Stern“ erachten 61 Prozent der Befragten die 359 Euro, die ein erwachsener Hartz-IV-Empfänger im Monat bekommt, als zu wenig und würden dementsprechend einer Erhöhung der ALG-II-Regelsätze zustimmen. 30 Prozent halten die Sätze für angebracht. Nur vier Prozent betrachten die Sätze als zu hoch. Es scheint so, als ob die Bevölkerung weiser ist als Herr Franz, der hier lediglich einer vierprozentigen Minderheit das Wort redet, sodass er seine Weisheiten eigentlich genauso gut für sich behalten kann!

Frank Kleinschmidt (parteilos, „so:leb – Sozialer Lebensbund“)
 
Nicht der Arbeitslose: Der Gesetzgeber ist der faule Sack („Freitag“)

 

Die Wissenschaft hat festgestellt,
dass Marmelade Fett enthält

Elisabeth Graf1. Ich wiederhole mich ungern, aber der ganze Zinnober, der da um den schnöden Mammon im fast gleichgeschalteten Medien-Blätterwald geschrieben und gezetert wird, fordert dazu heraus! Glücklicherweise konnte sich die allgemeine Hetze gegen Hartz-IV-Bezieher nicht so weit etablieren, dass nicht doch immerhin 60 Prozent der Bevölkerung die Regel­sätze für zu niedrig befinden. Laut einer Umfrage sagen drei Viertel der Bundesbürger, der Bedarf eines Kindes sei genauso hoch wie der eines Erwachsenen. Da haben Menschen das Wort, die Wachstumsschübe bei Kindern erleben und die damit verbundenen Einkäufe für Kleidung, vor allem Schuhe, und erforderliche Schulmaterialien kennen. Anlass der Umfrage ist das mit Spannung erwartete Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts, das am Dienstag dieser Woche über die Höhe der Hartz-IV-Regelsätze entscheidet. Das oberste Gericht prüft, ob die Methode zur Ermittlung der Sätze für Kinder zulässig ist, weil diese einfach prozentual vom Erwachsenensatz „abgeleitet“, also auf 60 bis 80 Prozent reduziert wurden.

Jeder mit gesundem Menschenverstand Begabte weiß, dass die Höhe des Regelsatzes sich nicht nach dem tatsächlichen Bedarf richtet. Stattdessen wurde in einem ganz perfiden „Spiel“ gewürfelt, in dem es egal ist, wie viel wofür „berechnet“ wurde, wenn am Ende bloß dieser chronisch zu niedrige Satz von 345 Euro dabei herauskommt. Dann gibt es noch ein paar Witzbolde oder Sadisten in unserem Lande, die den Regelsatz allen Ernstes um ein Drittel senken wollen! Diese „Komiker“ bemängeln, dass Hartz-IV-Bezieher mehr Geld im Portemonnaie hätten als Geringverdiener. Wenn die Abstände zwischen der Arbeitslosengeld-II-Zahlung und dem möglichen Einkommen aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nur sehr gering sind, kann die Frage im Übrigen nicht lauten, um wie viel Hartz IV zu viel ist – sondern wie viel Lohn zu wenig gezahlt wird! Alles andere ist nur plumpe Stimmungsmache, die ganz bewusst und zielgerichtet ihr Gift verstreut. Ich fühle mich stark an das erhellende Lied erinnert: „Die Wissenschaft hat festgestellt, festgestellt, festgestellt, dass Marmelade Fett enthält, Fett enthält!“

Dem zu erwartenden Gerichtsurteil ist es auch zu verdanken, dass die Transferleistungen beziehende Klientel noch ordentlich verunglimpft werden muss, bevor die Richter ihnen gar noch mehr Geld zubilligen könnte. Ach, was muss man da von ihnen hören oder lesen: Vor lauter „Undankbarkeit“ ist doch glatt der „Leistungsmissbrauch“ gestiegen, und zwar in unglaublicher, eklatanter Weise von 1,8 auf 1,9 Prozent geklettert! Diese Zahl ist in Wirklichkeit dermaßen bedeutungslos, dass selbst die Bundesagentur davor warnte, die von ihr präsentierten Zahlen „überzubewerten“. Da frage ich mich wirklich, wie geistlos Redakteure und Journalisten eigentlich sein müssen, wenn sie eine aufgebauschte Agenturmeldung so mir nichts, dir nichts kopieren? Ebenso ist das Verlangen nach einer Hartz-IV-Arbeitspflicht der absolute Dummfug. Die von der Gesellschaft Ausgeschlossenen, die Erwerbslosen suchen verzweifelt einen Job, finden aber keinen, weil es in der Privatwirtschaft nun mal nicht genügend Arbeit für alle gibt! Deswegen kann es nur als reiner Populismus bezeichnet werden, eine Arbeitspflicht für Erwerbslose zu fordern. Mir stellt sich die Frage: Wieso nicht Arbeitslager, pardon: „Integrationszentren“ für Erwerbslose aufbauen? Ist doch eine „gute“ Tradition hierzulande!

 

2. Wer auf Hartz-IV-Bezieher zeigt, darf die wohlhabenden Steuerhinterzieher, die ihr Geld in die Schweiz schaffen, nicht ungeschoren davonkommen lassen. Stellt sich der Staat nicht selbst ein Armutszeugnis aus, wenn er gemeinsame Sache mit Kriminellen macht und dadurch zum Hehler wird? Oder sitzt der arme Staat gar in der Bredouille, in einer Zwickmühle, weil er sonst keine Straftat vereitelte, wenn er die Steuerhinterzieher nicht verfolgen würde? Aber ist nicht ohnehin von einem wie auch immer gearteten Trick auszugehen, um ihnen nicht auf die Schliche kommen zu müssen? Hehe! Wer wird denn hier etwa seiner eigenen Wählerklientel auf die glänzend polierten Kroko-Schühchen treten wollen? Ich halte es für eine sehr vernünftige Idee, wenn die Deutsche Steuergewerkschaft die Bundesländer auffordert, 10.000 zusätzliche Steuerprüfer einzustellen, um Steuerhinterziehung wirkungsvoller bekämpfen zu können.

Obwohl der Staat etwa zehn Milliarden Euro jährlich mehr einnehmen würde, schreckten die Länder vor Neueinstellungen eher zurück. Offenbar vergessen die Länder dabei, dass zusätzliche Finanzbeamte nicht mehr kosten, sondern mehr einbringen! Die aus der Schweiz aufgetauchte Steuer-CD mit brisanten Daten von 1.500 deutschen Bürgern wird voraussichtlich 200 bis 300 Millionen Euro an Ertrag bringen. Darum brauchen wir in der Tat sofort weitere Fachleute in den Finanzämtern und den Steuerfahndungsstellen, damit wirklich mal Steuergelder eingetrieben werden können, die in ganz großem Stil von den wirklichen Sozialschmarotzern am Fiskus vorbeigeschleust werden, auf die Schliche zu kommen. Verfolgungsbetreuung und Kontoüberwachung, die ALG-II-Bezieher permanent ebenso sinnlos ertragen müssen wie die ständige Stallpflicht, zermürben nur die Betroffenen, bringen aber nichts ein!

 

3. Eine gute Nachricht zwischendurch: Hartz-IV-Bezieher müssen voraussichtlich Zusatzbeträge der Krankenkasse nicht selbst bezahlen. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums wird derzeit an einer „schnellen und unbürokratischen“ Lösung gearbeitet, damit Langzeitarbeitslose nicht unter Druck geraten, ihre Kasse zu wechseln. Wenn eine arge Arge doch auf eine solche Idee kommen sollte, muss der ALG-II-Bezieher sofort Widerspruch einlegen! Auch wenn hier jetzt ein bisschen „auf sozial“ gemacht wird, dürfen wir nicht vergessen, dass die FDP mit aller Macht versucht, das Gesundheitssystem so umzubauen, dass mit der Kopfpauschale alle einheitlich bezahlen, es aber für die einen aus der Portokasse genommen wird, während die anderen es sich vom Munde absparen müssen beziehungsweise eine medizinische Behandlung „unmöglich“ gleich unbezahlbar ist. Demnächst wird jeder immer mehr „Eigenleistungen“ erbringen müssen. Wer sich das nicht leisten kann, darf „sozialverträglich“ früher ableben! Die Leute werden Schritt für Schritt an diese neuen „Gegebenheiten“ gewöhnt. Ein Aufmucken ist in Deutschland leider eher unwahrscheinlich.

 

4. Vor drei Wochen berichtete ich von der Bremerin Marlies Tegtmeier, die nach einer Knöcheloperation nach nur einer Woche gegen ihren Willen „blutig nach Hause entlassen“ wurde. Wegen der Fallpauschale wurde in keiner Weise dem Umstand Rechnung getragen, dass an dem gut heilenden Fußgelenk noch ein Restmensch mit individueller Lebensgeschichte und persönlichen Lebensumständen dranhängt. Die stark übergewichtige 45-jährige Frührentnerin war nicht dazu in der Lage, sich in ihrer Wohnung selbst zu versorgen. Sie bedurfte einer täglichen und nächtlichen Dauerpflege. Glücklicherweise verfügt sie über Freunde, die ihr zur Seite stehen, und über einen sehr verantwortungsbewussten Hausarzt, der sie wieder zurück ins Krankenhaus einwies und eine Kurzzeitpflege für sie beantragte. Die 45-Jährige kam in ein Altenpflegeheim, wo sie gepflegt wurde, das Essen ans Bett bekam und zweimal in der Woche eine Krankengymnastin, die ihr den Gipsverband abnahm und den Fuß bewegte, damit er nicht steif wird. Aber nun sind die vier Wochen herum, und Marlies Tegtmeier kann sich noch nicht selbst in der Wohnung versorgen, weil sie immer noch ihren Fuß nicht belasten darf und nicht auf Krücken gehen kann, um allein zur Toilette zu kommen.

Der fähige Hausarzt, der offenbar noch immer die ganze Frau sieht und nicht bloß den operierten Knöchel, beantragte für sie eine Reha. Eine sehr gute Idee, die der Probandin nur zum Vorteil gereichen kann! Aber sie muss sich jetzt wieder darum sorgen, ob dies zeitlich gelingen kann und ein Platz für sie da ist, der möglichst hier in der Nähe ist, damit sie auch weiterhin von ihren Freunden unterstützt werden kann. Wenn eine Überbrückung erforderlich sein sollte, d muss gewährleistet sein, dass Frau Tegtmeier nicht wieder einfach zu Hause wie ein Paket abgestellt, sondern wie ein Mensch in einem anderen Pflegeheim versorgt wird! Es ist der Gesundheit bestimmt nicht so zuträglich, wenn immer wieder befürchtet werden muss, dass die Pflegeleistung nicht durchgehend erfolgen wird oder sie sich plötzlich erneut allein gelassen in ihrer Wohnung im ersten Stock am Stadtrand von Bremen wiederfindet. Wenn Frau Tegtmeier ganz allein wäre und nicht über Unterstützung von Freunden sowie einem guten Hausarzt verfügte, dann wage ich mir gar nicht vorzustellen, wie sie jetzt klarkommen würde! Es ginge gar nicht – doch wahrscheinlich soll dieses Horrorszenario demnächst zum Normalfall für Kassenpatienten avancieren.

 

5. Wenn am Dienstag dieser Woche das Bundesverfassungsgericht darüber entscheidet, wie künftig ein menschenwürdiges Existenzminimum auszusehen hat, sind in mindestens 50 Städten Aktionen von Erwerbslosen geplant. Grundlage bilden die Klagen von drei Familien, die sich gegen die Bemessung der Eckregelsätze von Kindern und Familien wenden. Zahlreiche Erwerbsloseninitiativen wollen den Montag und Dienstag für Aktionen vor und in den Hartz IV-Behörden nutzen, dass Hartz IV-Betroffene sogenannte Überprüfungsanträge zu stellen, um eventuelle Ansprüche für die Vergangenheit zu sichern. Das Amt vor Ort soll mit der Forderung „500 Euro Eckregelsatz“ verschönert werden. Unter dem Motto: „Wir haben nicht genug – du etwa?“ wird das „Erwerbslosenforum Deutschland“ eine Aktion an der Arge Bonn veranstalten und gleichzeitig dabei die Verkündung des Urteils life übertragen. Forumssprecher Martin Behrsing macht darauf aufmerksam, dass unsere Forderungen noch längst keine Schritte zu einer solidarischen Gesellschaft sind und dass das Kapital unfähig ist zur Solidarität mit den arbeitenden Menschen. Die „Bündnisplattform für 500 Euro Eckregelsatz“ macht darauf aufmerksam, dass Hartz IV und jeder Eckregelsatz unter 500 Euro für die Betroffenen nicht nur starke gesellschaftliche Isolation, sondern auch Mangelernährung bedeutet. Hartz IV ist eine der wichtigsten Ursachen für die massive Absenkung des unteren Lohnniveaus in den vergangenen Jahren. Darum wird auch ein Nettolohn von mindestens zehn Euro gefordert!

 

6. Wegen Protesten fiel die Eröffnung des zweiten „XL“- Schleckers in der Wätjenstraße in Bremen flach. Weil Schleckers „XL-Märkte“ im Verdacht stehen, nichts weiter als ein Etikettenschwindel zu sein, um mit Hilfe einer eigens gegründeten Zeitarbeitsfirma die Tariflöhne auszuhebeln, kündigten sozialpolitische Initiativen an, dass es keine Eröffnungsparty ohne lautstarken Protest geben werde. Offenbar machte diese Ankündigung Schlecker Angst, deshalb schloss der Marktleiter schon am Mittag die Türen. Das geschah alles selbstverständlich nur wegen „Stromausfall“, ebenso wie bei einer ähnlichen Aktion, die am gleichen Tag in Süddeutschland stattfand. Solch ein Synchronstromausfall lässt eine schon ins Grübeln kommen! Mir kann keiner erzählen, dass bei Schlecker der Strom ausfällt, wenn gegen Lohndumping protestiert wird, weil die neuen „XL-Märkte“ offenbar nur dazu dienen sollen, deutschlandweit 4.000 Beschäftigte zu entlassen, um sie gleich danach bei der Schlecker-eigenen „Beschäftigungsgesellschaft“ Meniar wieder einzustellen – bei Lohneinbußen von bis zu 50 Prozent. Eigentlich hätte es für die neuen Kunden Gratissekt und Eröffnungsangebote geben sollen. Schleckers Praxis mag außergewöhnlich dreist sein – das Prinzip aber ist keineswegs mehr ein Einzelfall. In immer mehr Betrieben und Branchen geraten Tariflöhne unter Druck. Zeitarbeit, bis in die siebziger Jahre verboten, war einst dazu gedacht, Produktionsspitzen abzufedern. Heute wird sie immer häufiger als Instrument missbraucht, um Löhne zu drücken. Ein neues Schild an den Eingang schrauben, behaupten, dass es sich um einen neuen Betrieb handelt – und dann die Beschäftigten vor die Wahl stellen: Bleibt zu Hause, oder arbeitet für das halbe Geld weiter!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend)

 

Polarisierung der Einkommen und Vermögen bewusst verheimlicht

Hans-Dieter Binder1. Am Dienstag dieser Woche überträgt die ARD ab 9:55 Uhr die Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts – live! Im Dezember 2003 haben die „Volksvertreter“ Hartz IV verabschiedet, ohne die Regelsatzhöhe zu kennen. Diese unglaublichen Feststellungen im Vorlagebeschluss des Hessischen Landessozialgerichts wurden vom Bundesverfassungsgericht aufgegriffen und trafen bei der Verhandlung im Oktober 2009 auf eine große Schar von Prozessvertretern, die wenig zu sagen hatten. Erwin Denzler hat dazu geschrieben: „Viele Fragen, kaum Antworten – die Bundesregierung blamiert sich vor dem obersten Gericht“. Es gibt nur eine logische Begründung! Das Bundesverfassungsgericht wird den Betrug der Hartz-IV-Betroffenen durch eine Leistungshöhe nach Kassenlage darlegen und nicht nur über die Regelsätze für Kinder urteilen.

Die Bremer Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter und ihr Staatsrat Joachim Schuster sind zur Situation der von Hartz IV betroffenen Kinder befragt worden. Beiden haben die Unterversorgung der Kinder zugestanden und trotzdem eine Winterbekleidungshilfe für Kinder abgelehnt. Sie habe auch nicht erwähnt, dass viele Kinder mit ihren Familien in viel zu kleinen Wohnungen leben. Dies trifft auch für die Alleinerziehenden zu. Das Gesundheitsamt Bremen hat erhebliche Bewegungsdefizite bei den Kleinen festgestellt. Um den Mietobergrenzen der Senatorin für Soziales zu entsprechen und keinen Eigenanteil zu riskieren, sind viele Familien in zu kleine Wohnungen gezogen oder gar nicht erst in eine größere Wohnung! Frau Rosenkötter hat zugestanden, dass ihre Verwaltungsanweisung falsch war und einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X empfohlen. Eine wirkliche Hilfe wäre es, wenn die Bagis, die Bremer Arge, dies nach Aktenlage täte, denn Personenzahl und Wohnungsgröße liegen vor! Ein Anschreiben „Ihre Wohnung ist zu klein, Sie können sich eine größere Wohnung suchen, wir unterstützen Sie dabei„ wäre machbar und eine gute Sache! Aber dies würde Mut erfordern. Über die Kosten der Unterkunft entscheidet das Bundesverfassungsgericht am Dienstag nicht. Frau Rosenkötter möchte bislang den Vorschlag der Sozialverbände unterstützen, doch am Mittwoch wird sie anders denken! Wenn die Bagis weiterhin die Miete „nach Köpfen“ umlegt, wird dieser Betrag den Anforderungen des Gerichts nicht gerecht. Die Entscheidung des Gerichts ist umzusetzen!

„Alles aus einer Hand“: Mit dieser Parole wird die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum ALG II begründet und gegen die Abwicklung der Jobcenter gewettert. Die Wirklichkeit sieht anders aus, siehe Beiträge zur 260., 259., 256., 254. und 182. Bremer Montagsdemo! Warum wird bei den Argen nicht wirtschaftlich gehandelt? Eventuelle Mehrkosten der Neuordnung lassen sich durch einige Änderungen wieder einsparen. Die Zahl der Bescheide bleibt fast gleich, wenn jeder Bescheid über zwölf Monate läuft, und die Anzahl der Widersprüche und Gerichtsverfahren sinkt. Die Weitergabe von Informationen zwischen Arbeitsamt und Wohnungsbehörde dürfte für den Start ohne Probleme zu regeln sein, ebenfalls für den Neuantrag. Trotzdem wäre es möglich, viel Geld bei der Verwaltung einzusparen. Das alles scheint aber nicht das Ziel dieser Behörde zu sein. „Alles aus einer Hand“: Darüber können Alleinerziehende mit Unterhaltsanspruch nur „lächeln“. Wer von der Arge aufgefordert wird, Wohngeld beziehungsweise Kinderzuschlag zu beantragen, hat es gleich mit vier Behörden zu tun: Wie bisher die Arge fürs ALG II und die Kindergeldkasse fürs Kindergeld, neu das Wohngeldamt fürs Wohngeld und die Kindergeldkasse für den Kinderzuschlag. Auch dies wäre im Zuge der Neugestaltung abzuändern! Die Arbeitslosigkeit zweiter Klasse wird beseitigt, notfalls mit gerichtlicher Hilfe! Wie dies geht? Wir gehen mit!

 

2. Wer sich über die Arge ärgert, sollte wissen, dass sie „zahlengeführt“ ist. Die Mitarbeiter(innen) arbeiten weisungsgebunden, insofern ist Ingelore Rosenkötter die Verantwortliche! Dies ergibt sich auch aus den Begründungen des Petitionsausschusses. Beim Petitionsausschuss der Stadt Bremen wurde über eine Beschwerde über die Bagis entschieden und gebeten, sie für erledigt zu erklären (Eingabe Nummer S 17/187 auf Seite 5 des Berichts Nummer 2 vom 2. Februar 2010). Die Begründung:

„Der Petent beschwert sich über die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bagis. So sei er wiederholt angemahnt worden, weil er angeblich Unterlagen nicht eingereicht habe. Über das Ergebnis der Anhörung werde er nicht informiert. In einem Fall habe man erst auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, dass die eingereichten Unterlagen nicht ausreichten. Gesprächstermine fänden zu einem Zeitpunkt statt, an dem er seiner Arbeit nachgehe. Die Sachbearbeiterin habe ihm mündlich mitgeteilt, dass er den Termin wahrnehmen müsse, da es sich nur um eine Nebentätigkeit handele. Insgesamt herrsche grundsätzlich ein rüder und beleidigender Tonfall. Der Petitionsausschuss hat zu dem Vorbringen des Petenten mehrere Stellungnahmen der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales eingeholt. Unter Berücksichtigung dessen stellt sich das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung wie folgt dar:

Im Fall des Petenten kam es beim Posteingang zu einer zeitlichen Überschneidung, die mit den Arbeitsabläufen in der Bagis zusammenhängt. Deshalb wurden vom Petenten mit einem Erinnerungsschreiben nochmals Unterlagen angefordert, obwohl der Einkommensnachweis bereits vorlag. Bei der Berechnung des Leistungsanspruchs stellte sich heraus, dass weitere Unterlagen fehlten. Deshalb sandte die Bagis ein weiteres Schreiben, in dem der Petent zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert wurde. Zur Terminvergabe hat die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales mitgeteilt, dass der Petent einmal nicht zu einem Termin erschienen sei und nachträglich zur Erklärung ausgeführt habe, dass der Termin während seiner Arbeitszeit liege. Die Bagis habe den Petenten darüber aufgeklärt, dass er gleichwohl verpflichtet sei, Termine wahrzunehmen. Im Falle einer Verhinderung solle der Petent einen Ersatztermin anbieten. Weiter hat die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales erklärt, dass sie die Beschwerde des Petenten über den Umgangston der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Anlass nehmen werde, auf unverzichtbare Verhaltensstandards von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hinzuweisen.“

Ich hätte eine Abmahnung vorgenommen, mindestens aber eine Ermahnung ausgesprochen! Aber dies geht nicht, wenn das Verhalten erwünscht ist: Dann bleiben nur die „unverzichtbaren Verhaltensstandards“. Hinterfragt wurden diese nicht! Auch die Beschreibung des Arbeitsablaufs ist lesenswert. Leider ist dies kein Einzelfall! Zu den Ausführungen von Senatorin Rosenkötter muss der Petent, Bürger und „Kunde“ nicht gehört werden. Auch die Eingabe Nummer S 17/256 betrifft die Bagis: „Auf die Petition hin wurde dem Patenten die begehrte Eingliederungshilfe gewährt. Auch wurde ihm erläutert, weshalb die Bearbeitung seiner Anträge in der Vergangenheit so lange gedauert hat.“ Beispielhaft ist weiterhin die Eingabe Nummer S 17/249 ab Seite 3:

„Der Petent begehrt von der Bagis die Übernahme eines Darlehens zur Abwendung der Zwangsversteigerung seines Hauses. Er trägt vor, die Bagis habe die Kündigung des Bankdarlehens und die jetzt drohende Zwangsversteigerung verursacht, weil sie ohne Grund für einige Monate die Ratenzahlung an die Bank eingestellt habe. Die spätere Nachzahlung der Unterkunftskosten hätte an die Bank direkt erfolgen müssen. Dies sei in der Vergangenheit auch so gehandhabt worden. Deshalb habe er darauf vertrauen dürfen, dass die Bagis auch weiterhin so verfahre. Der Petitionsausschuss hat zu dem Vorbringen des Petenten eine Stellungnahme der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales eingeholt. Unter Berücksichtigung dessen stellt sich das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung zusammengefasst wie folgt dar:

Der Petent erhält seit einigen Jahren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Als Kosten der Unterkunft werden die Zinsen für einen Teil des Bankdarlehens und die Fixkosten für das Haus übernommen. Vor geraumer Zeit stellte die Bagis die Leistungen an den Petenten für einige Monate ein. Nach Wiederaufnahme der Zahlungen erhielt der Petent für besagten Zeitraum eine Nachzahlung, wovon die Bagis entsprechend einer Vereinbarung mit dem Petenten einen Teil unmittelbar an die Bank überwiesen hat. Der Petent hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes versucht, die Bagis zur Übernahme des Darlehens zu verpflichten, um die Zwangsversteigerung abzuwenden. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht haben den Antrag aus für den Petitionsausschuss nachvollziehbaren Gründen abgelehnt. Diese Entscheidungen kann der Petitionsausschuss nicht aufheben oder ändern.

Nach der verfassungsmäßigen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland ist die Rechtsprechung ausschließlich den Gerichten vorbehalten. Diese sind in ihren Entscheidungen unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Deshalb können gerichtliche Entscheidungen nur von den zuständigen Gerichten und nur im Rahmen der von der Rechtsordnung dafür vorgesehenen Verfahren aufgehoben oder abgeändert werden. Der Petitionsausschuss hat in diesem Fall keine Einwirkungsmöglichkeiten. Selbst wenn die Zahlungsverzögerung an die Bank auf ein Fehlverhalten der Bagis zurückzuführen sein sollte, sieht der Petitionsausschuss keine Möglichkeit, dem Petenten zu helfen. Die bevorstehende Zwangsversteigerung beruht letztlich auf einer Entscheidung der Bank, die sich offensichtlich auch durch die Nachzahlung nicht von ihrem Entschluss hat abbringen lassen. Darauf haben aber weder die Bagis noch der Petitionsausschuss Einfluss.“

Mal ernsthaft: Diesem Menschen ist zu helfen, durch eine Schadenersatzklage vor dem Landgericht, wenn das Sozialgericht die Zahlungseinstellungen der Bagis als unrechtmäßig beurteilt hat! Wie dies alles geht? Wir gehen mit! Auch diesen Vorgängen ist zu entnehmen: Wer sich jemanden mitnimmt, hat viele Probleme erst gar nicht. Wichtig ist es außerdem, alle Schreiben, Briefe oder Unterlagen nur am Tresen abzugeben und eine mit Eingangsstempel versehene Kopie wieder mitzunehmen! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

3. Im „Test“-Heft Februar 2010 lobt ein Leser seine private Krankenversicherung in einem Leserbrief. Auf Seite 95 wird Werbung für den „Finanztest“ gemacht. Ein Thema: Bis zu 30 Prozent mehr Beitrag müssen Kunden seit Januar für ihre private Krankenversicherung zahlen. Das Landessozialgericht Niedersachsen hat die gesetzliche Krankenkasse verpflichtet, einer Blinden einen „Einkaufsfuchs“, ein Lesegerät mit Sprachausgabe, zu bezahlen. Eine Klage vor dem Sozialgericht oder Landessozialgericht ist kostenlos. Die gleiche Klage gegen eine private Krankenversicherung wäre vor dem Amts- oder Landgericht kostenpflichtig und daher risikoreicher. Ein weiterer Grund, den Aufruf „Kippen Sie die Kopfpauschale“ zu unterzeichnen. Dieser Aufruf für eine gerechte und solidarische Gesundheitsversorgung wird an Gesundheitsminister Philipp Rösler, Finanzminister Wolfgang Schäuble und den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer verschickt.

Die DAK hat erste Briefe verschickt, um den Zusatzbeitrag einzufordern. Die Sonderkündigung befreit von dieser Zahlung. Die DAK hat das aber nicht so geschrieben. Auf das Sonderkündigungsrecht wird nur verdeckt hingewiesen, und die Informationen zur Sonderkündigungsmöglichkeit seit Kurzem nicht mehr auf der DAK-Homepage. Der Zusatzbeitrag für Februar wird zum 15. März 2010 fällig. Bis zu diesem Tag muss die Sonderkündigung erfolgt ein. Danach ist eine Kündigungsfrist von 18 Monaten einzuhalten. Wer Sonderprogramme unterschrieben hat, muss die vereinbarte Laufzeit beachten. Das Hausarztmodell war nach AOK-Information kein Hindernis für die Sonderkündigung.

 

4. „Deutsche Bank verdient wieder prächtig“, so steht es im „Weser-Kurier“ vom 5. Februar 2010. Laut Text handelt es sich um fünf Milliarden Euro bei einer Risikovorsorge von 2,6 Milliarden. Boni soll es auch wieder geben, auch rückforderbar. Dies für sich besehen ist eine Spitzenleistung – und gleichzeitig die Quelle der Unsicherheiten. Die Deutsche Bank hat keine ausreichende Wertberichtigung für die „faulen“ Papiere vorgenommen. Ohne die Änderung der Bilanzierungsvorschriften für Banken wäre dies Bilanzbetrug! Die neuen Vorschriften stehen aber einer Wertberichtigung nicht entgegen. Die fünf Milliarden plus Boni hätten als Wertberichtigung in die Bilanz einfließen können, das Ergebnis wäre eine Null. Diese Bilanz ist kein positives Beispiel für Eigenverantwortung der Banken! Die HSH Nordbank und die Hypo Real Estate sollen bereits 2007 in Zweckgesellschaften ausgelagert haben. Ihr Pech: 2007 galten noch die bisherigen Bilanzvorschriften, damals könnte dies Bilanzfälschung gewesen sein! Den Politikern reicht es hoffentlich.

Was die kleineren privaten Finanzen betrifft, bietet die Schufa ab 1. April 2010 eine kostenlose Selbstauskunft für jeden an, einmal jährlich und schriftlich. Bisher ist kostenlos nur die Einsicht in die eigenen Daten bei der Schufa-Geschäftsstelle (in Bremen: Violenstraße 12). Die Überprüfung lohnt sich, denn 45 Prozent der Einträge bei der Schufa sind falsch.

Zu den öffentlichen Finanzen sagte Guido Westerwelle vor gut vier Jahren: „Die Große Koalition ist nur groß beim Postenverteilen und Steuernerhöhen“. Mit dieser Kritik reagierte er auf die hohe Anzahl der Staatssekretäre. „Eine Regierung, die den Bürgern abverlangt, den Gürtel enger zu schnallen, gleichzeitig aber den eigenen Apparat aufbläht, verhält sich dreist und frech“. Auch der „Bund der Steuerzahler“ halte die „Postenvermehrung“ für überflüssig und verweise auf die damit verbundenen hohen Zusatzkosten. Er appelliere an die neue Bundeskanzlerin Angela Merkel, zumindest das, „was beim Regierungsapparat aufgebläht wird“, an anderer Stelle in den Spitzen der Ministerien einzusparen. – Im „Weser-Kurier“ vom 5. Februar 2010 steht, dass die neue schwarz-gelbe Regierung circa 1.000 neue Beamtenstellen geschaffen hat. Besonders erfindungsreich war Entwicklungshilfeminister Dirk Nebel, der zuvor als FDP-Generalsekretär dieses Ministerium noch abschaffen wollte. Es gab auch noch weitere Selbstbedienungen.

Steuersünder gibt es auch in Bremen. Die jetzigen Selbstanzeigen müssen so viel Gewicht haben, dass sogar die Summe der hinterzogenen Steuern nicht veröffentlicht wird, siehe „Weser Kurier“ vom Folgetag. In der Ausgabe vom 4. Februar 2010 stand: „Goldene Brücke für Steuerhinterzieher“ – eine gute Schilderung, wie mit solchen, die sich selbst angezeigt haben, umgegangen wird. Für mich war am überraschendsten, dass mehrere Selbstanzeigen durch Steuerhinterzieher nicht zusammengerechnet werden. Eine sehr freundliche Regelung für Betrüger! „Gerechtigkeit ist nicht gewollt. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Polarisierung der Einkommen und Vermögen bewusst verheimlicht wird. Man kann eben besser Wasser predigen, wenn man verschweigt, dass es Weinkeller gibt und wo sie sich befinden.“

Damit werden auch die behördeneigenen Schikanen gegen Steuerfahnder verständlicher. Die Ausbildung von Steuerprüfern wird unterlassen, die vom Zoll beim Grenzübergang in die Schweiz beschlagnahmten steuerrelevanten Unterlagen werden nicht ausgewertet, Selbstanzeigen können verjähren, Staatsanwälte werden unter Druck gesetzt, bis sie gehen – lauter unglaubliche Ereignisse! Derweil hat das „Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ die Kosten einer Regelsatzerhöhung überschlagen und dabei auch die Millionäre nicht vergessen. Mehr Geld gibt es nur für die Banken, nicht für die Menschen! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

„Der Hafen war dicht – und das
war erst der Anfang!“

Über 500 Hafenarbeiter waren am letzten Dienstag zur Verdi-Kundgebung nach Bremen gekommen. Im Gebäude des Gesamthafenbetriebs fand die zweite Runde der Tarifverhandlungen statt. Der Protest richtete sich gegen den „Unternehmerverband deutsche Seehafenbetriebe“, der das bereits begonnene Lohndumping beim GHB durch eine Veränderung der Tarifverträge auf alle Hafenarbeiter ausdehnen will. Massiver Lohnraub soll durchgedrückt werden mit der Einführung von Billiglohngruppen und durch eine „arbeitsabhängige Entlohnung“, die zwischen Tätigkeiten auf „See-“ und „Landseite“ im Hafen unterscheidet!

Harald BraunDie Kollegen machen weiterhin dieselbe Tätigkeit, zum Beispiel die Abfahrt der PKWs von den Schiffen, sollen aber 33 bis 66 Prozent weniger verdienen: „Aus Angst um meinen Arbeitsplatz habe ich mich auf eine Änderungskündigung eingelassen und maloche jetzt in Bremen für neun statt vorher für 15 Euro die Stunde in Bremerhaven. Das würde ich nie mehr machen, weil davon keine Familie leben kann und ich jetzt noch Stütze brauche. Das war nur der Anfang der Lohndrückerei gegen euch alle!“ Es gab tosenden Applaus für diese wichtige Lehre, dass Verzicht keine Lösung ist.

Trotz eisiger Kälte und spiegelglatten Straßen waren noch mehr Kollegen zur Kundgebung gekommen als zwei Wochen zuvor. Dieses Mal beteiligten sich auch deutlich mehr Hafenarbeiter von BLG, HHLA, Eurogate und NTB. Einige waren sogar aus Hamburg angereist. Massive Kritik bekamen auch die Verantwortlichen von Verdi zu spüren – nicht nur dafür, dass Nicht-Verdi-Mitgliedern die Mitfahrt in den Gewerkschaftsbussen aus Bremerhaven verweigert wurde, wofür sie sich offiziell entschuldigen mussten. Die Kritik richtete sich besonders gegen die Bereitschaft zu faulen Kompromissen: Die Verdi-Verhandlungsführer hatten einen Spielraum von bis zu 15 Prozent Lohnabbau zugesagt, wenn eine „Beschäftigungsgarantie in der verheerenden Krise“ zugesichert wird.

Nachdem die Buhrufe verhallt waren und der Schneeballhagel aufgehört hatte, meldeten sich Kollegen am Mikrofon: „Wo sind denn die Gewinne geblieben, die wir erarbeitet haben? Mit diesem Geld haben sich die Unternehmer in Sankt Petersburg und in Italien eingekauft, um noch mehr Kohle zu machen!“ Ein anderer sagte: „Im Tchibo-Hochregallager hieß es, der niedrigere Lohn gelte nur bei Neueinstellungen. Den festangestellten Kollegen hatten sie zunächst Lohnsicherung zugesagt, aber dann unter Verweis auf die Wirtschaftskrise Änderungskündigungen präsentiert. Ihre Garantien sind doch nichts wert! Wir müssen kämpfen für unsere Interessen!“

Den meisten Beifall bekam ein Hafenarbeiter, der von der Blockade des Autoterminals am 27. Januar 2010 in Bremerhaven berichtete: „Wir müssen die Verantwortlichen in den Chefetagen richtig treffen! Letzten Mittwoch war der Hafen dicht. Mit 60 Mann haben wir blockiert, da ging kein Auto mehr runter vom Schiff! So etwas müssen wir natürlich selbst organisieren, offiziell darf dazu keiner aufrufen, aber man kann sich von Mund zu Mund absprechen. Das hat Wirkung, sonst hätten sie nicht Polizei und SEK eingeschaltet und sofort mit fristloser Kündigung gedroht! Aber davon hat sich keiner einschüchtern lassen.“

Demonstration der GHB-Kollegen in Bremen

Die Kampfbereitschaft und der Zusammenhalt unter den Hafenarbeitern nehmen zu. Sie wehren sich gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf ihren Rücken. Diesen Weg müssen Arbeitslose und Arbeitende gemeinsam gehen! Deshalb sollte die Montagsdemo die nächsten Aktionen der Hafenarbeiter solidarisch unterstützen.

Harald Braun
 
Diskriminierung per Gesetz: Regelsätze für asylsuchende und geduldete Flüchtlinge liegen mehr als ein Drittel unterhalb von Hartz IV („Tageszeitung“)

 

Gleiches Grundeinkommen auf Kosten der Profite ist aktueller denn je

1. Ein Sturm im Wasserglas wird den Betroffenen kaum helfen. Über 60 Prozent der Menschen in Deutschland halten die Hartz-Regelsätze für zu niedrig. Aber das gilt auch für viele Löhne! Es ist nicht erst 5 Minuten vor 2012, sondern mit Sicherheit schon 5 Minuten vor 12. Die Politik sollte sich bestimmt nicht zu viel Zeit nehmen! Viele Menschen brauchen so schnell wie möglich mehr Geld im Portemonnaie, nicht nur die Hartz-IV-Empfänger oder andere Personen, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind.

Hans-Dieter WegeArbeit und Geld müssen neu umverteilt werden! Politikern, die hierzu nicht bereit sind, muss man die Vertrauensfrage stellen – und sollten sie diese nicht beantworten wollen, wird der Widerstand gegen dieses asoziale System zur Pflicht! Für ein gleiches Grundeinkommen auf Kosten der Profite und die gerechte Verteilung der vorhandenen und notwendigen Lohnarbeit sollte sich ein solcher Widerstand lohnen! Einen Vogel im Winter in einer Tierpension unterzubringen, kann seinen Halter zehn Euro am Tag kosten. Das wäre im Monat die Höhe des Regelsatzes für Alleinstehende gemäß SGB II nach Abzug der Ansparpauschale. Also, liebe Weisen aus dem Abendland, gönnt Menschen doch nicht weniger als Meisen! Stellt die Menschen nicht auf Vogelfutter um, sonst reicht das Geld auf gar keinen Fall mehr für eine gesunde Ernährung!

 

2. Zur Hartz-IV-Einführung, vor fünf Jahren und mehr,
Da musste unbedingt ein Verfassungsbruch her!
Doch kaum ist er vom höchsten Gericht abserviert,
Wird auch schnell schon der nächste anvisiert.

Weil Hartz-IV-Eltern angeblich so viel Geld vertrinken,
Will die Politik jetzt mit Gutscheinen winken:
Einen gibt’s für den Ranzen, der vielleicht sogar gefällt!
Dieses Kind kriegt Hartz IV, weiß danach alle Welt.

Den zweiten für kopiertes Lehrmaterial der Schule:
Das haut Fritzchen und Paula schon fast vom Stuhle.
Denn Kurt, Jan, Iris und Frieda stehen alle längst hier
Und rufen: „Fritzchen und Paula, die sind Hartz IV!“

Wer Gutscheine fordert mit einem flottem Spruch,
Der vollzieht bereits den nächsten Verfassungsbruch.
Ein Schild fehlt nur noch, wo draufsteht: „Ich bin Hartz IV!“
Hoffentlich seid ihr trotzdem nett zu mir?

Gutscheine sind niemals eine Lösung,
Sie dienen immer nur der Verpönung.
Deshalb von mir dieser warnende Spruch:
Begeht nicht gleich wieder Verfassungsbruch!

Hans-Dieter Wege (Vater von drei berufstätigen und zwei schulpflichtigen Kindern, parteilos und Gegner asozialer Politik) – siehe auch „Rote Fahne News 

 
„Die Regelleistungen sowohl des Arbeitslosengeldes II für Erwachsene als auch des Sozialgeldes für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres genügen dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht(„Spiegel-Online“)

Verfassungsgericht kippt
„Schätzung ins Blaue“

  1. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzmini­mums aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
  2. Dieses Grundrecht aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.
  3. Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.
  4. Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.
Leitsätze zum Regelsatz-Urteil des Verfassungsgerichts vom 9. Februar 2010
Keine Almosen: Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch gesetzlichen Anspruch gesichert sein („Nachdenkseiten“)
 
Hartz IV muss weg: Nach über fünf Jahren nähert sich das höchste deutsche Gericht der Argumentation der Montagsdemobewegung an („Rote Fahne News“)
 
Menschenwürde verletzt: Bei SPD und Grünen muss eine Debatte über die
Agenda-Politik der Regierung Schröder/Fischer beginnen („Die Linke“)
 
Zynismus der Politik: Ist die Zumutbarkeit prekärer Jobs, die auch noch ein Lohndumping verstärken, mit der Menschenwürde vereinbar? („Tageszeitung“)
 
Urteil ins Gegenteil verkehrt: Die Menschenwürde muss Maßstab auch für
die Höhe der Löhne von Arbeitnehmern sein („Süddeutsche Zeitung“)
 
Hartz IV ist gekippt: Es wird keine Grundgesetzänderung zur isolierten
Neuordnung der Jobcenter geben, ohne das Gesamtpaket
Hartz IV neu zu schnüren („Frankfurter Rundschau“)
 
Sommertheater vorprogrammiert: SPD fordert vor der Verfassungsänderung
Einigung über Jobcenter-Ausführungsgesetz („Die Zeit“)
 
Berechnung muss ergebnisoffen erfolgen: Der Gesetzgeber kann nicht einfach die Zahlen türken, bis das alte Ergebnis herauskommt („Stern“)
 
Sofortmaßnahme: Grüne beschließen Antrag für Bundestag, den Regelsatz von 359 auf 420 Euro im Monat anzuheben („Frankfurter Allgemeine“)
 
Das Geld ist da: Schäuble plant deutsches Rettungspaket für
maroden griechischen Staatshaushalt („Financial Times“)

 

Verfassungsgericht kippt
Sanktionsparagrafen

Bei genauem Hinschauen hat das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 9. Februar einen bislang noch gar nicht bemerkten Meilenstein für alle Hartz-IV-Gequälten erreicht – und mal eben den Sanktionsparagrafen 31 SGB II gleich mit gekippt! Der erste Lackmustest, ob die Rechtsprechung die Karlsruher Entscheidung nun auch tatsächlich ernst nimmt, wird die mündliche Verhandlung über eine Verwaltungssanktion am 18. Februar 2010 beim Bundessozialgericht in Kassel sein (Aktenzeichen B 14 AS 53/08 R). Nach Einschätzung der „Hartz-IV-Plattform“ kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Kasseler Bundessozialrichter dem Bundesverfassungsgerichtsurteil folgen und den Leistungsentzug aus dem § 31 SGB II für rechtswidrig werden erklären müssen.

Das ergibt sich allein schon aus den Leitsätzen des Bundesverfassungsgerichtsurteils, in denen es heißt: „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht hat als Gewährleistungsrecht neben dem absolut wirkenden Anspruch auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden.“

Ab sofort muss niemand mehr Leistungskürzungen im Rahmen des § 31 SGB II hinnehmen! Wenn die Verwaltungen diese dennoch nicht zurücknehmen, so werden sie es zu verantworten haben, wenn die Sozialgerichtsbriefkästen wegen Eilklagen auf einstweilige Anordnungen überlaufen.

Allerdings hat aus unserer Sicht das Bundesverfassungsgericht „im Namen des Volkes“ aus „fiskalischen Gründen“ das gerade erst bekräftigte Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum für die Zeit von Januar 2005 bis Dezember 2010 gleich wieder außer Kraft gesetzt. Da stellt sich die Grundsatzfrage des demokratischen Rechtsstaates: Wer ist das „Volk“? Sind es wenige Regierungsvertreter oder Millionen Menschen in diesem Lande? Es schließt sich die ethische Frage an: Wem dienen die Volksvertreter eigentlich? Der Wirtschaft mit Milliardengeschenken für marode Banken und Pleite-Unternehmen? Verstehen sie ihren „Dienst am deutschen Volke“ darin, dass sie den Menschen existenzielle Grundrechte entziehen?

Thomas Kallay, Kläger vorm Bundesverfassungsgericht, bereitet jetzt eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor. Wir dürfen gespannt sein, ob Straßburg Deutschland die Karlsruher Entscheidung durchgehen lässt, aus fiskalischen Gründen das vom Bundesverfassungsgericht im selben Urteil als unverfügbar und mit der Pflicht zur Einlösung festgeschriebene Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum mal eben für sechs Jahre außer Kraft zu setzen!

Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird es vor allem um folgende Passage des Urteils vom 9. Februar 2010 gehen: „Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber nicht dazu, die Leistungen rückwirkend für die Zeit ab Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches Zweites Buch am 1. Januar 2005 neu festzusetzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Gesetzgeber einen mit dem Grundgesetz unvereinbaren Rechtszustand nicht rückwirkend beseitigen, wenn dies einer geordneten Finanz- und Haushaltsplanung zuwiderläuft. Die rückwirkende Neufestsetzung etwaiger höherer Leistungen für den gesamten Zeitraum ab dem 1. Januar 2005 hätte zudem wegen der Regelung des § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 SGB X unvertretbare fiskalische Wirkungen.“

Sicher werden die Straßburger Richter in dem Zusammenhang auch die Formulierung „neu festzusetzen“ unter die Lupe nehmen, die unmittelbar auch die Rechte aus Hunderttausenden von Überprüfungsanträgen betrifft, denn diese Formulierung bedeutet nach unserer Einschätzung: Zwar haben die Karlsruher Richter einen neuen Regelsatz ab Januar 2005 für alle Hartz-IV-Berechtigten nicht gefordert. Wir sehen aber durchaus die rückwirkenden Chancen für die Überprüfungsantragsteller auch nach deutschem Recht noch nicht endgültig verloren.

Die „Hartz-IV-Plattform“ weist dringend darauf hin, Überprüfungsantrags- und ebenso Widerspruchs- und Klageverfahren in diesem Zusammenhang auf keinen Fall einzustellen. Vielmehr müssen die Verfahren weiter betrieben und Fristen unbedingt eingehalten werden. Es sollten unbedingt Anträge auf Ruhen des Verfahrens zur Wahrung der Rechte gestellt werden mit dem Hinweis auf die bevorstehende Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Nur so lassen sich Rechte schützen für den Fall, dass dieser das rückwirkende Versagen des Grundrechts auf Gewährung des Existenzminimums durch das Bundesverfassungsgericht für Unrecht erklärt.

Presseerklärung von Brigitte Vallenthin („Hartz-IV-Plattform“)
 
Pittiplatsch zündelt am Sozialstaat: Aus politischem Kalkül wird schamlos
der schwächste Teil der Bevölkerung perfide beleidigt („Spiegel-Online“)
 
Schnatterinchen schlichtet Streit im Fußballbund: Allerwichtigste Sofortmaß­nahme ist die Ablenkung der Öffentlichkeit („Süddeutsche Zeitung“)
 
Schnupsi geschockt: Müssen Besserverdiener 73 Prozent Einkommensteuer zahlen, um die Kopfpauschale zu finanzieren? („Tagesschau“)
 
Am Donnerstag, dem 11. Februar 2010, trifft sich die Deputation für Soziales zu einer öffentlichen Sitzung. Auf der Tagesordnung steht unter anderem eine Änderung der Verwaltungsanweisung für Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Sitzung beginnt um 10 Uhr bei der Senatorin für Arbeit und Soziales in Raum EG 01.
 
Am Donnerstag, dem 11. Februar 2010, macht die Bundeswehr um 15:30 Uhr eine Werbeveranstaltung vor dem „Berufs- und Informationszentrum“ im Doventorsteinweg 44. Das schreit nach Protest!
 
Die „Rosa-Luxemburg-Initiative“ lädt ein zu Buchvorstellung und Autorengespräch zur kritischen Auseinandersetzung mit Ein-Euro-Jobs am Donnerstag, dem 11. Februar 2010, um 19 Uhr im Wallsaal der Stadtbibliothek.

 

Eckregelsatz auf 500 Euro erhöhen!

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem aktuellen Urteil die Höhe der Hartz-IV-Sätze als nicht vereinbar mit dem Grundgesetz bewertet. Der Gesetzgeber wurde mit dem Urteil verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2010 eine transparente neue gesetzliche Grundlage für die Bedarfe von Hartz-IV- Empfängern festzulegen. In der Presserklärung des Gerichtes heißt es: „Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen.“

In der Vergangenheit wurden die Hartz-IV-Sätze vorab, entsprechend der Haushaltslage des Bundes und der Kommunen, politisch festgelegt und anschließend von Statistikexperten rechnerisch abgeleitet. Die Festlegung jenseits des realen Bedarfes führte zu gesetzlich verordneter Verarmung und sozialen Ausschluss, mit dem wir in der Beratungspraxis der „Solidarischen Hilfe“ täglich konfrontiert wurden. Selbst die gesetzlichen Mindestansprüche wurden durch eine repressive Bewilligungspraxis und Erzeugung von willkürlichen Sanktionsgründen noch unterlaufen.

Die erfolgreiche Klagewelle vieler Hartz-IV-Opfer, aber auch der politische Protest gegen die Diffamierungspraxis in den Medien von Koch, Sinn und anderen erzeugte das gesellschaftliche Klima, in dem das aktuelle Urteil gefällt wurde. Die „Solidarische Hilfe“ sieht sich in ihren politischen Protesten und der Beratungspraxis, mit der wir Hartz-IV-Empfänger(innen) gegenüber Behörden und Gerichten ermuntern, ihre sozialen Rechte selbstbewusst einzufordern, bestätigt. Der politische Teilerfolg nach fünf Jahren Hartz-IV-Vollzug ist der jahrelangen widerständigen Praxis von Hartz-IV-Empfänger(inne)n und dem ausdauernden Protest von politischen und sozialen Verbänden wie der „Solidarischen Hilfe“ geschuldet.

Die „Solidarische Hilfe“ fordert in Übereinstimmung mit den sozialen Bewegungen und den bundesweiten Erwerbsloseninitiativen die Erhöhung der Regelsätze auf 500 Euro. Damit würde der ungesunden Mangelernährung von Hartz-IV-Empfängern, dem sozialen Ausschluss und der permanenten Gefahr der Überschuldung von Hartz-IV-Familien entgegengewirkt.

Die „Solidarische Hilfe“ wird sich weiterhin mit ihrer Beratungs- und politischen Öffentlichkeitsarbeit gegen die Sanktionspraxis des § 31 SGB II und für die Absicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums einsetzen, mit der den von Hartz IV und von neuer Armut Betroffenen ein Mindestmaß an sozialer, politischer und kultureller Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. In einem der reichsten Länder der Welt hat sich die bisherige Hartz-IV-Praxis überlebt! Diese Erkenntnis wurde vom Verfassungsgericht eindrucksvoll bestätigt.

Presseerklärung von Silke Lieder („Solidarische Hilfe“)
 
Mehrere Organisationen und Initiativen wollen sich mit einer Mahnwache auf dem Bremer Marktplatz am Samstag, dem 13. Februar 2010,
um 11 Uhr mit den Antifaschisten in Dresden gegen den dortigen
Nazi-Aufmarsch solidarisieren.
 
Neonazis eingekesselt: „Bleiben Sie auf dem Schlesischen Platz!“ („Spiegel-Online“)
 
Esel zum Außenminister gemacht: Wie dekadent
ist unsere Oberschicht? („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz