738. Bremer Montagsdemo
am 13. 06. 2022  I◄◄  ►►I

 

Ein „Sondervermögen“
zur Weltkriegsvorbereitung

Wolfgang LangeIn der Ukraine treffen Russland auf der einen Seite und die Nato mit den USA auf der anderen Seite aufeinander. Alle Imperialisten bereiten einen Weltkrieg vor. Sie nehmen einen Atomkrieg bewusst in Kauf. Mit der Strategieänderung der Nato – „Die Ukraine muss den Krieg gewinnen“ – eskalierte die Weltkriegsgefahr enorm. Nur mit Defensivwaffen kann Russland nicht in die Knie gezwungen werden. Deswegen sollen immer schwerere und immer mehr Offensivwaffen, wie Panzer und Haubitzen mit großen Reichweiten, an die Ukraine geliefert werden. Und Deutschland beteiligt sich daran! Die Rüstungskonzerne wie Rheinmetall und Kraus-Maffei jubeln.

Die letzte Woche beschlossene Grundgesetzänderung zur Schaffung eines 100-Milliarden-„Sondervermögens“ zur Aufrüstung der Bundeswehr ist Teil der Weltkriegsvorbereitung. Aktiver Widerstand gegen alle Imperialisten tut not – und nicht Halbherzigkeit oder gar Unterstützung der Aufrüstung, wie jetzt vom „Linken“-Parteitag am Samstag in Bremen beschlossen. Dass Bremen auf Betreiben der „Linken“ dem 100-Milliarden-Paket im Bundesrat nicht zugestimmt hat, ist gut, nützt aber nichts, wenn man gleichzeitig die Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützt.

Im Aufruf des „Internationalistischen Bündnisses“ wird gefordert: Sofortiger Stopp des Kriegs in der Ukraine! Russland muss seine Truppen zurückziehen und für die Kriegsschäden zahlen! Rückzug aller Nato-Truppen aus Osteuropa und weltweit! Stopp der Aufrüstung der Bundeswehr und der Militarisierung der Gesellschaft! Verbot und Ächtung aller ABC-Waffen! Lohnnachschlag und Inflationsausgleich jetzt! Gleiche Rechte für alle Flüchtlinge! Hoch die Internationale Solidarität! Für Völkerfreundschaft und Frieden!

Diese Forderungen halte ich voll und ganz für richtig. Vielleicht fragt sich der eine oder andere, warum in diesem Zusammenhang von Lohnnachschlag und Inflationsausgleich gesprochen wird. Ich denke, dass es da einen unmittelbaren Zusammenhang gibt: Das 100-Milliarden- „Sondervermögen“ und die ganzen anderen Kriegskosten sind ja nichts anderes als zusätzliche Schulden. Und diese – wie auch die gigantischen Unternehmenssubventionen – vermindern sich, je höher die Inflation steigt. Gleichzeitig steigen die Staatseinnahmen mit jeder Preiserhöhung durch Anstieg der Mehrwertsteuer im selben Maß. Die Inflation ist also von Staat und Unternehmern durchaus erwünscht!

Für die Arbeiter, Rentner und Arbeitslosen ergibt sich ein völlig anderes Bild: Offiziell ist die Inflation inzwischen auf 7,9 Prozent geklettert, für einen normalen Arbeiterhaushalt aber um über 15 Prozent! Allein Öle und Fette kosten 53 Prozent mehr, Mehl 28 Prozent. Extrem gestiegen sind die Preise für Heizen und Benzin. Von den 30 Cent Steuersenkung auf Spritpreise für drei Monate sind gerade mal 5 Cent an der Zapfsäule angekommen. Die Ölkonzerne verdienen sich dumm und dämlich: Laut Bürgermeister Bovenschulte stieg ihr Reingewinn von 15 auf 34 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Bovenschulte fordert deshalb eine „Übergewinnsteuer“ – als ob sich der Kapitalismus so einfach zähmen ließe!

Im Monopolkapitalismus zählt nicht der Durchschnittsprofit, sondern nur der Maximalprofit – und für den gehen diese Herren über Leichen, lassen Kriege führen, riskieren das Ende der Menschheit und Natur. Um das abzuschaffen, muss der Kapitalismus abgeschafft werden! Das sagt Herr Bovenschulte allerdings nicht. Durch unsere Kampfkraft können wir aber durchaus etwas erreichen, nämlich einen Lohnnachschlag. Dass die Hafenarbeiter seit fast 50 Jahren zum ersten Mal wieder streiken, ist völlig richtig. Sie fordern einen Inflationsausgleich und eine Erhöhung des Stundenlohns um 1,20 Euro.

Die bundesweite Montagsdemo fordert eine 20-prozentige Erhöhung von Hartz IV als Sofortmaßnahme! Wir können uns auch nicht mit dem geplanten „Bürgergeld“ zufrieden geben, das nur 40 bis 50 Euro über dem Hartz-IV-Satz von 449 Euro liegen soll. Im Koalitionsvertrag hieß es dazu: „Wir lösen die Grundsicherung durch ein neues Bürgergeld ab, damit die Würde des Einzelnen gewahrt und die gesellschaftliche Teilhabe gegeben ist.“ Sehr würdevoll! Dass die Bundestagsabgeordneten sich gleichzeitig eine Diätenerhöhung um 310 Euro schon ab 1. Juli 2022 gönnen, hat da doch schon etwas mehr Würde – oder nicht?

Die Diäten liegen dann bei 10.323,29 Euro monatlich, zuzüglich Aufwandentschädigung und meistens noch stattlicher Tantiemen. Das lässt dann ein bisschen mehr an gesellschaftlicher Teilhabe zu. Die Erhöhung um 310 Euro ist dabei schon mehr, als ein Kind zwischen sechs und 13 Jahren im ganzen Monat erhält. Deswegen fordern wir eine 20-prozentige Hartz-IV-Erhöhung sofort und die Wiedereinführung von Einmalzahlungen für Geräte wie Waschmaschine sowie die Auszahlung von Kindergeld statt Verrechnung mit Hartz IV, außerdem eine Auszahlung der 300 Euro Einmalzahlung an alle und nicht bloß an jene, die Lohnsteuer zahlen, also auch an alle Rentner und Bezieher von Grundsicherung!

Der Kampf in den Betrieben für Lohnnachschlag und auf der Straße für Inflationsausgleich hat sehr viel mit dem Kampf gegen die Kriegstreiberei zu tun. Wir wehren uns gegen die Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten! Das ist nicht unser Krieg, das ist der Krieg der Herrscher der Welt! Der erste Weltkrieg wurde durch die Oktoberrevolution in Russland 1917 und die Novemberrevolution in Deutschland 1918 beendet. Das imperialistische Weltsystem befindet sich in der Phase beschleunigter Destabilisierung, die von wirtschaftlicher, politischer, ökologischer und militärischer Weltkrise geprägt ist und die revolutionäre Überwindung des Imperialismus erfordert. Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!

Wolfgang Lange (MLPD, Moderator Bremer Montagsdemo)

 

Ist das Völkerrecht ein
„Volksbetrug“?

Gerolf D. BrettschneiderDas Redaktionsteam der „Roten Fahne“ hat die rundum lesenswerte Analyse des MLPD-Zent­ral­ko­mi­tees zum Ukrainekrieg auf die Homepage gestellt. Ich stimme mit ihr allerdings nicht überein, weil sie die Kriegsschuldfrage verwischt: Es ist klar, dass Putins Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat. Zu solch einem klaren Urteil konnte Lenin noch nicht gelangen, denn die wichtigste Grundlage des Völkerrechts, die „Charta der Vereinten Nationen“, stammt erst von 1945.

Somit nehme ich Anstoß an der Montage des folgenden Le­nin-Zi­tats in Abschnitt 6, das die Verfasser „allen ins Stammbuch schreiben“ wollen, „die eine der beiden kriegführenden imperialistischen Parteien verteidigen“: „Die Frage, welche Gruppe den ersten militärischen Schlag geführt oder als erste den Krieg erklärt hat, ist bei der Festlegung der Taktik der Sozialisten ohne jede Bedeutung. Die Phrasen von der Verteidigung des Vaterlandes, von der Abwehr eines feindlichen Überfalls, vom Defensivkrieg usw. sind auf beiden Seiten reiner Volksbetrug.“

Ist das Völkerrecht etwa ein „Volksbetrug“? Nein, es ist im Gegenteil die nach der Niederschlagung des Hit­ler-Fa­schis­mus errungene moderne Grundlage zur Übertragung der Lösung internationaler Konflikte vom Schlachtfeld in den Konferenzsaal und in die Wahlkabine. Daher zeigt sich als Völkerfeind, wer das Völkerrecht mit Füßen tritt. So wie Putin, der Faschist. Ich kann mir die Aufzählung weiterer Beispiele seiner gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sparen.

Volksbetrug ist hingegen das Appeasement, das Abschließen von „Friedensverträgen“ mit einem faschistischen Staat, der Völkerrecht und internationale Verträge bricht. Die Analyse des ZK greift zu kurz: Der aggressive russische Faschismus kann, wie 1945 der deutsche, nur noch mit Waffengewalt gestoppt werden. Waffenhilfe an die überfallene Ukraine ist deshalb im Grundsatz richtig.

Eine Aussage vom Typ „X ist im Grundsatz richtig“ schreit aber danach, in Folgesätzen eingeschränkt, aufgehoben, umgekehrt zu werden. Ich bin deshalb offen für den Hinweis auf das Fehlen einer sinnvollen Strategie für den weiteren Waffengang. Über so etwas habe ich mir noch nie Gedanken gemacht und werde das auch künftig nicht tun. Ich möchte hier nur etwas Grundsätzliches verteidigen: dass ein Überfallener das Recht hat, als Opfer anerkannt (statt als „selber Faschist“ diffamiert und zum Mittäter gemacht) zu werden, dass er sich verteidigen und dass er Waffenhilfe annehmen darf.

In Abschnitt 6 der MLPD-Ana­ly­se heißt es zum Beginn der Ukrainekrise: „Die mühsam formulierten Paragrafen des Völkerrechts, der Menschenrechte und der international gültigen Abrüstungsverträge waren schlagartig das Papier nicht wert, auf dem sie standen.“ Das ist falsch. Es wäre magisches Denken zu erwarten, solche Vertragstexte könnten wie ein Zauberspruch einen Krieg verhindern. Ihr Zauber besteht darin, dass sie uns Orientierung geben, wer falsch und wer richtig handelt. Denn ein Völkerrecht, mit dem sich ein Angriffskrieg rechtfertigen ließe, das wäre wohl Volksbetrug.

Die so errungene Klarheit verwischen Stefan Engel und seine Mitautorinnen mit einem Zitat von Lenin, der das moderne Völkerrecht noch nicht kannte, es sei egal, wer den ersten militärischen Schlag führe, und möchten uns das als für alle Zeit gültige Wahrheit „ins Stammbuch schreiben“, also dogmatisieren. Sie hätten bei Stalin und Mao nach sozialistischen Urteilen zu Völkerrecht und russischem Faschismus suchen können. Um gegen Waffenhilfe für die Ukraine zu argumentieren, hätten sie zeigen müssen, dass das gängige Urteil falsch ist, wonach Putins Russland einen unprovozierten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen das Land begonnen hat.

Ich höre den Einwand, Überfallener und Faschist zu sein, schließe sich nicht aus. Der Überfall macht hier den Unterschied: Er beweist unmittelbar den Faschismus, die Völker- und Menschenfeindlichkeit des Angreifers. Auch die Typen, die zu Hunderten unter Polizeischutz durch Kiew marschierten und den Hitlergruß zeigten, nenne ich Faschisten; aber das war eben nur ein lustig besoffener Festumzug im Vergleich zum Angriffskrieg Putins, des Oberfaschisten. Es gibt zwischen beiden Ländern einen Unterschied in der Größenordnung der faschistischen Exzesse, also auch einen qualitativen Unterschied.

Das Völkerrecht macht all dem mutwilligen Schachspiel ein Ende, denn der bedrohte König darf nun seine Bauern aufs Pferd setzen, wenn versucht wird sie abzuschießen, und sein überranntes Land mit weiteren Türmen befestigen.

Gerolf D. Brettschneider (parteilos, Webmaster Bremer Montagsdemo)
 

 

Der Gepard und sein Rohr

Frank KleinschmidtJetzt sind wir endlich im Bilde: Wir liefern keine Panzer, wie durch die Erklärung der Verteidigungsministerin jetzt klargestellt wurde. Ich habe diese Aussage überprüft: Stimmt, der Gepard ist kein Panzer, und da er ja ein Rohr hat, liefern wir nur männliche Exemplare.

Jetzt aber mal Scherz beiseite. Es ist ungeheuerlich, wie rücksichtslos, unverschämt und inkompetent hier mit Menschenleben umgegangen wird, eine Impertinenz, die mir die Zornesröte ins Gesicht treibt.

Es ist doch wohl grundsätzlich fragwürdig, sinnlos Waffen zu liefern, ohne sinnvolle strategische Zusammensetzung ihres Zusammenwirkens. Irgendwann muss doch eingestanden werden, dass die ukrainische Armee am Ende ist.

Jeder gute Schachspieler, der erkennt, dass er in vier Zügen matt ist, wirft den König um, weil er weiß, dass ein Weiterspielen sinnlos ist. Genau so erkennt dies jeder militärische Stratege. Es ist so. Beim Schachspiel werden jedoch lediglich Holzfiguren geopfert statt Menschen.

Als ein Volksbetrug ist das Völkerrecht sicherlich nicht gedacht; es kann jedoch hinsichtlich der Tatsache, dass seit 1945 lediglich 26 Tage ohne Krieg stattfanden, bis jetzt als „netter Versuch“ angesehen werden.

Frank Kleinschmidt (parteilos)
 

 

 
Wunderwaffe 2000: Reicht ein Dutzend für den Sieg? („N-TV“)
 
Die nächste Bremer Montagsdemo beginnt am 4. Juli 2022
wieder um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz.
 
Grenzen der Kunst: War es die BDS-Bewegung, die auf der „Documenta“ „Juden auf einem Gemälde als Schwein gedemütigt“ hat? („Jüdische Allgemeine“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz