703. Bremer Montagsdemo
am 24. 06. 2019  I◄◄  ►►I

 

Problemvertagung, Postenschacher und Pfefferspray

Wolfgang Lange1. Bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul hat Ekrem Imamoglu von der oppositionellen CHP am vergangenen Sonntag gut 54 Prozent der Stimmen bekommen, noch mehr als bei seiner ersten Wahl. Deren Annullierung war also eine schwere Schlappe für Erdogan. Herzlichen Glückwunsch! Hoffentlich ist das der Anfang vom Ende der faschistischen Erdogan-Diktatur.

Der EU-Gipfel ist gescheitert. Das Ziel der Klimaneutralität wurde auf 2050 vertagt, und nicht mal dabei ist man sich einig. Dafür steht neuer Postenschacher im Mittelpunkt. Die EU und in vielen ihrer Länder die Regierungen beziehungsweise deren Parteien stecken in der Krise. In Deutschland kommen CDU/CSU und SPD zusammen noch auf 36 Prozent Zustimmung. Diese Regierung hat jegliche Legitimation verloren. Neuwahlen!

Es ist gut, dass immer mehr, vor allem junge Leute die Rettung von Mensch, Natur und Erde in die eigene Hand nehmen. 40 000 Menschen waren es am Freitag in Aachen, 6.000 im Tagebau Garzweiler. Diese mutigen Leute kämpfen für unser aller Überleben! Aber die Polizei setzt Pfefferspray gegen sie ein, obwohl es gefährlich ist und töten kann.

Am 2. Juni 2019 wurde in Kassel Walter Lübcke ermordet, ehemaliger Regierungspräsident in der Stadt. Tatverdächtig und geständig ist der mehrfach vorbestrafte Faschist Stephan Ernst, Mitglied der Gruppe „Combat 18“, die Zahl steht für die Initialen Adolf Adolf Hitlers. Erst zwei Wochen nach dem Mord wurde dieser Spur nachgegangen. Das Rumlügen zuvor über ein „persönliches Umfeld“ erinnert fatal an die NSU-Morde. Diese wurden auch nach dem Urteil gegen Beate Zschäpe längst nicht aufgearbeitet.

„Verfassungsschutz“-Agent Andreas Temme, der bei einem NSU-Mord persönlich dabei war, wurde später direkter Mitarbeiter von Ministerpräsident Bouffier, der alles vertuschte und ein Aussageverbot für Beamte aussprach. Der „Verfassungsschutz“ ist immer dabei! Den braunen Sumpf austrocknen! Verbot aller faschistischen Organisationen wie „Combat 18“! Auflösung des „Verfassungsschutzes“! Zwölf Städte haben sich gegen Fremdenfeindlichkeit zusammengeschlossen und als „Städte sicherer Häfen“ erklärt, darunter Kiel und Rostock. Wann folgen Bremen und Bremerhaven?

 

2. Bei der Nachbesprechung zur 703. Montagsdemo wurde der Vorschlag eingebracht, die Montagsdemonstration in Bremen, wie mittlerweile auch in den meisten anderen Städten, künftig an jedem ersten Montag im Monat zu machen – nicht um sie langsam einschlafen zu lassen, sondern um sie positiv umzugestalten: Die übrigen Montage sollen genutzt werden, um Leute dafür einzuladen und andere Organisationen oder Initiativen dafür zu gewinnen. So haben sich an diesem Montag die „Peta“-Demonstrant(inn)en am Offenen Mikrofon beteiligt.

Also jeden ersten Montag, dann mit mehr Leuten, vorbereiteten Themen (natürlich auch weiterhin spontan entsprechend der Situation), mit Musik und Kaffee. Es wurde kontrovers darüber diskutiert, aber die Abstimmung ergab dann eine klare Mehrheit für den Vorschlag. Die nächste Montagsdemo ist dann bereits am kommenden Montag, dem 1. Juli, und zwar ausnahmsweise am Bismarck-Denkmal auf dem Domshof, da der Marktplatz nach Auskunft des Ordnungsamtes wegen einer anderen Veranstaltung belegt ist. Folgetermine sind am 5. August, 2. September, 7. Oktober, 4. November und 2. Dezember 2019. Beginn ist um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz.

Wolfgang Lange (MLPD)
 
Bereit zur Doppelspitze mit Kevin: „Omi fällt im Frühjahr aber immer für ein paar Wochen aus, weil in ihrer Frisur ein Storchenpaar nistet“ (Anke Engelke)

 

Aktiver Widerstand zur Rettung des Klimas setzt starkes Zeichen

Am letzten Freitag war der monatliche Höhepunkt der „Fri­day-for-Fu­ture“-Be­we­gung im Braun­ko­hle-R­evier im Rheinland. In Aachen fand eine große De­monst­ra­tion für die Rettung des Klimas statt. Die Teilnehmenden dieses ersten internationalen Klimastreiks kamen aus 16 Ländern. Der Protest gegen das politische Nichtstun der Regierungen wird immer stärker!

Es ist typisch, dass zur gleichen Zeit der EU-Gipfel in Brüssel krachend gescheitert ist, weil sich die Regierungen nicht auf ein Klimaschutzziel für 2050 einigen konnten. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ begrüßte umgehend, dass das neue Klimaziel für 2050 „nicht festgezurrt“ wurde. Geht es nach den Herrschenden, soll die fossile Verbrennung nach Jahrzehnte weiterlaufen. Das ist ein Skandal und ein Schlag ins Gesicht aller Umweltschützenden!

Die Monsterstürme in Mosambik, die extreme Hitze in Indien und die Dürre am „Horn von Afrika“ zeigen, wie dramatisch die Lage heute schon ist. Der Braun­kohle­tage­bau im Rheinland geht aber munter weiter: 11.400 Hektar dürfen von RWE mit Genehmigung der Landesregierung Nordrhein-Westfalens noch abgebaut werden. 35 Millionen Tonnen pro Jahr dürfen gefördert werden. Deshalb sollen weitere Dörfer dem Tagebau weichen.

Harald BraunImmer mehr Menschen stellen sich diesen Umweltverbrechern in den Weg. Wir müssen ihnen die Welt aus der Hand nehmen, bevor sie sie vollständig ruinieren! Welche Angst die Herrschenden vor dem Massenwiderstand haben, zeigen die letzten Tage im Rheinland. Im Vorfeld hatte das Polizeipräsidium Aachen in enger Zusammenarbeit mit Nordrhein-Westfalens Innenminister Reul vergeblich versucht, die Klima-Aktivist(inn)en zu kriminalisieren und zur Einschüchterung einen Brief an die Bewegung „Fridays for Future“ gesandt.

Dieser Brief ging auch an die Elternverbände, das Kultusministerium, die Bezirksregierungen Köln und Düsseldorf und sollte im Unterricht an den Schulen zum Thema gemacht werden. Die Polizei warnte in ihrem Brief vor „aggressiven Auseinandersetzungen“ und weist „Störer“ darauf hin, dass sie mit Einkesselung rechnen sollen. Die Jugendlichen werden aufgefordert, sich von der „gewaltbereiten linksextremistischen Minderheit“ fernzuhalten.

Es wird sogar behauptet, Demonstrierende hätten schon 2,1 Millionen Euro Schadensersatz zahlen müssen. Auch die „Bild“- Zeitung versuchte vergeblich, die Bewegung zu spalten mit ihrer Hetze vor sogenannten Linksextremisten. Diese Spaltung ist völlig gescheitert. Nicht die Schüler(innen) und das Bündnis „Ende Gelände“ oder die MLPD sind „extrem“, sondern ein System ist es, das die Umwelt für die Maximalprofite einer Handvoll Großkonzerne opfert!

Diese massiven Einschüchterungsversuche richten sich gegen alle demokratischen und fortschrittlichen Menschen, die sich für konsequenten Umweltschutz einsetzen. Hier soll Jugendlichen vorgeschrieben werden, mit wem sie protestieren und mit wem nicht. Die weltweite Jugendbewegung verstärkt ihre Kritik am kapitalistischen System. Was die Jugendlichen wollen, steht nicht im Pariser „Klimavertrag“. Sie lassen sich durch Phrasen nicht beeindrucken, sondern kämpfen für einen radikalen Umweltschutz und eine sofortige Wende in der Klimapolitik.

Trotz der Spaltungs- und Einschüchterungsversuche demonstrierten am Samstag über 10.000 Teilnehmende von „Friday for Future“ und „Ende Gelände“ gemeinsam. Die Polizei hat den Bahnhof von Viersen gesperrt, angeblich um „Straftaten“ zu verhindern. Auch dieser undemokratische Akt sollte die Demo behindern. Um an das Gelände des Tagebaus zu kommen, machten sich die 10.000 Menschen auf einen langen Fußmarsch. Es gab zahlreiche Aktionen zur Blockade der Braunkohle-Produktion im Rheinland: eine Fahrraddemonstration, eine 100 Meter lange Sitzblockade im von Abbaggerung bedrohten Dorf Keyenberg sowie die Blockade einer Bahnstrecke am Kraftwerk Neurath und am Tagebau Hambach.

1.000 Klimaaktivist(inn)en durchbrachen die Polizeikette und drangen in den Tagebau ein. Sie brachten vier der großen Schaufelbagger zum Stillstand. Die Polizei ging massiv vor, zunächst setzte sie Pfefferspray ein. „Ende Gelände“ schrieb dazu bei „Twitter“: „Pfefferspray kann extrem gefährlich und sogar tödlich sein. Warum wird es gegen Menschen eingesetzt, die für das Überleben der Menschheit kämpfen?“

Später wurden die Besetzer(innen) in einem Kessel festgehalten und trotz extremer Hitze die dringende Versorgung mit Getränken untersagt. Alle diese Unterdrückungsmaßnahmen konnten den Erfolg der aktiven Widerstands im Braunkohle-Tagebau nicht verhindern. Der Kampf für Klimaschutz jetzt geht schon am kommenden Samstag, dem 29. Juni 2019, in die nächste Runde: Kommt zur Klima-Demo um 11 Uhr ab Hauptbahnhof Bremen!

Harald Braun („Umweltgewerkschaft“)
 
Bremen wird rot-grün-rot: Das neue Polizeigesetz heißt Versammlungsfreiheitsgesetz, und für den kostenlosen Nahverkehr gibt es einen Prüfauftrag („Tageszeitung“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz